Sonntag, 1. Mai 2011

Stimmung – Ein Monat vor dem Abmarsch


Ein 20-jähriger Wunschtraum wird immer greifbarer und realistischer. Den bzw. meinen Jakobsweg nach Santiago de Compostella zu gehen. Nur mehr ein Monat und es geht los. Eigentlich möchte ich schon losstarten.

Seit über zwei Jahren beschäftigt mich dieser Weg intensiv und in den letzten Monaten kann ich fast nur mehr davon denken. Vieles ist vorzubereiten, zu bedenken und bisweilen auch zu organisieren. Jeder Tag bringt mir Neues, was ich noch erledigen kann. Dabei handelt es sich nicht um eine Planung ins kleinste Detail, sondern um Dinge, die mir den Weg erleichtern können und das Wegziel für mich erreichbar machen.
Es kommen auf diesem langen Weg sicher noch viele ungeplante Situationen auf mich zu. Ich muss z.B. mir jeden Tag ein Bett, ein Zimmer suchen und ich möchte mich auch nicht stur an meinen Weg- und Etappenplan halten (müssen). Ich möchte so viel Freiraum haben, dass der Weg mit mir gehen kann und ich auch die Freiheit habe, auf den Weg und sein Umfeld achten kann.
Es gibt auf dem ganzen Weg und in der ganzen Zeit von fast vier Monaten, nur einen einzigen geplanten Fixpunkt, das ist der Rückflug am 28. September und den habe ich heute gebucht. Mein ursprünglicher Plan, mit den Zug nach Hause zu fahren, habe ich aus Kostengründen aufgegeben und meine ehemaligen Kollegen in Leoben möchten, dass ich am 30. September bei der 20-Jahr-Feier des Büros dabei bin. Das mache ich gerne!

Irgendwie komme ich mir vor, dass ich schon auf dem Weg bin. In Gedanken ist es sicher so und der viele Zuspruch den ich bis jetzt schon erhalten habe, ist wie ein Anfeuern am Wegesrand. Das ist eine der schönsten Erfahrungen, die ich machen durfte. Die vielen positiven Reaktionen und Zurufe setzen so viele Energien in mir frei, dass ich weiß, ich werde es schaffen und Santiago demütig und dankbar umarmen dürfen.

Nach den ersten Reaktionen, wie: „Du spinnst“ oder „Warum tust du dir das an?“,  kann ich nur antworten: Ich tue mir nichts an, sondern, ich tue mir dabei etwas Gutes. Ich kann und darf mein Lebensziel verwirklichen. In Gedanken war es immer in mir, aber ein Motivationsseminar vor ca. drei Jahren hat den Anstoß gegeben. Der Trainer hat uns u.a. ermutigt seinen Lebenswunsch oder seinen Lebenstraum aufzuschreiben und präsent zu machen. Und es hat gewirkt. Ich weiß von einigen Kursteilnehmern, die ihrem Ziel näher gekommen sind. Und wenn es „nur“ der „verrückte“ Kauf eines tollen Autos war.

Mit dem Jakobsweg bin ich zum ersten Mal 1987 in Kontakt gekommen. Damals war das Jakobspilgern nur unter totalen Insidern bekannt und seit damals wurde der Weg, und alles was damit zusammenhängt, immer bekannter. Nicht zuletzt mit dem Buch „Auf dem Jakobsweg“ von Paulo Coelho – ein Klassiker (1). In den letzten Jahren ist der Jakobsweg immer mehr ein sportliches Urlaubseventerlebnis für (leider) hunderttausende „Pilger“ geworden. Dazu hat im deutschen Sprachgebiet auch das Buch „Ich bin dann mal weg“ (2) von Hape Kerkeling, welches anscheinend jeder kennt, und auch der Film „Auf dem Jakobsweg – Brüder III“ beigetragen.

Mein Berührungspunkt mit dem Jakobsweg war die intensive Vorbereitung auf eine 14-tägige Pilgerreise mit dem Bus zum Grab des Apostel Jakobus d.Ä. nach Santiago de Compostella im Jahre 1988. Unser Rektorat, dem Hl. Jakobus geweiht, feierte damals seine 800-Jahre-Feier und die Pilgerreise war eine der Höhepunkte. Das Erleben des spirituellen Geistes auf dem Camino de Compostella mit vielen prachtvollen Stationen war prägend für mich. Zusätzlich hielt ich die Reise unserer Pilgerschar auf Video fest und ich habe daraus einen Film zusammengeschnitten und dann präsentiert. Unser Pfarrer hat mir damals das Buch „Der Weg der großen Sehnsucht“ geschenkt und damit ist meine Sehnsucht, den ganzen Weg zu gehen, erwacht.

Und jetzt ist es bald soweit. Ich freue mich schon darauf und bin gespannt, was der Weg für mich bereithält. Ich möchte gehen, mehr als 100 Tage und in Summe sicher gegen 3.000 km, um besser zu mir und mehr zu Gott zu finden. In welcher Reihenfolge das passieren wird, wird sich weisen. Am Beginn wird es sicher ein Abschütteln und Loslassen werden, bis der Geist frei und aufnahmefähig wird.
Es werden sicher auch schwierige Etappen und Stunden auf mich zukommen, aber mit Eurem geistigen Zuspruch, mit Gottes Hilfe und mit der Begleitung von Jakobus werde ich auf meine Wegspuren zurückblicken können. So wie bei dem bekannten Text mit den „Spuren im Sand“.

Spuren im Sand 

Eines Nachts hatte ich einen Traum:
Ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn.
Vor dem dunklen Nachthimmel
erstrahlten, Streiflichtern gleich,
Bilder aus meinem Leben.
Und jedes Mal sah ich zwei Fußspuren im Sand,
meine eigene und die meines Herrn.

Als das letzte Bild an meinen Augen
vorübergezogen war, blickte ich zurück.
Ich erschrak, als ich entdeckte,
daß an vielen Stellen meines Lebensweges
nur eine Spur zu sehen war.
Und das waren gerade die schwersten
Zeiten meines Lebens.

Besorgt fragte ich den Herrn:
"Herr, als ich anfing, dir nachzufolgen,
da hast du mir versprochen,
auf allen Wegen bei mir zu sein.
Aber jetzt entdecke ich,
daß in den schwersten Zeiten meines Lebens
nur eine Spur im Sand zu sehen ist.
Warum hast du mich allein gelassen,
als ich dich am meisten brauchte?"

Da antwortete er: "Mein liebes Kind,
ich liebe dich und werde dich nie allein lassen,
erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten. Dort, wo du nur eine Spur gesehen hast,
da habe ich dich getragen."

Margaret Fishback Powers

Copyright © 1964 Margaret Fishback Powers
Übersetzt von Eva-Maria Busch
Copyright © der deutschen Übersetzung 1996 Brunnen Verlag Gießen. www.brunnen-verlag.de


Zum Schluss noch sehr gute Ge(h)bote für (mich) Pilger:

Die 10 Ge(h)bote des Pilgers
1. Geh                   Es gibt fürs Pilgern kein besseres Fortbewegungsmittel als das Gehen. Nur Gehen! Darum geht es.
2. Geh langsam    Setz dich nicht unter unnötigen sportlichen Leistungsdruck. Du kommst doch immer nur bei dir selber an.
3. Geh leicht          Reduziere dein Gepäck auf das Nötigste. Es ist ein gutes Gefühl, mit wenig aus zu kommen.
4. Geh einfach      Einfachheit begünstigt spirituelle Erfahrungen, ja sie ist sogar die Voraussetzung dafür.
5. Geh alleine        Du kannst besser in dich gehen und offener auf andere(s) zugehen.
6. Geh lange         Auf die Schnelle wirst du nichts kapieren. Du musst tage-, wochenlang unterwegs sein, bis du dem (Jakobs-)Weg allmählich auf die Spur kommst.
7. Geh achtsam    Wenn du bewusst gehst, lernst du den Weg so an zu nehmen, wie er ist. Dies zu begreifen, ist ein wichtiger Lernprozess und braucht seine Zeit (s. Punkt 6)
8. Geh dankbar     Alles – auch das Mühsame – hat seinen tiefen Sinn. Vielleicht erkennst du diesen erst später.
9. Geh weiter        Auch wenn Krisen dich an deinem wunden Punkt treffen, geh weiter. Vertraue darauf: Es geht, wenn man geht.
10. Geh mit Gott   Es pilgert sich leichter, wenn du im Namen Gottes gehst. Wenn Gott für dich in weite Ferne gerückt oder inexistent ist, könnten dir die Ge(h)bote
1 – 9 helfen, das Göttliche in dir (wieder) zu entdecken.


Hinweise:
1) http://www.literaturschock.de/buecher/3257231156.htm
2) http://de.wikipedia.org/wiki/Ich_bin_dann_mal_weg
3) http://www.film.at/de/id.6269393/detail.html

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