Montag, 12. März 2012

Ein halbes Jahr später

Liebe Freunde!


Seit dem Erreichen meines Zieles ist nun schon fast ein halbes Jahr vergangen und nun möchte ich noch ein paar Zeilen schreiben, was aus meinem Jakobsweg wurde.

Nach meinem Heimkommen brauchte es einige Tage, bis auch meine Seele nachgekommen ist. Ich war zwar physisch anwesend, aber der Geist war noch auf dem Weg. Beim oftmaligen Erzählen ertappte ich mich, dass ich innerlich noch immer auf dem Weg war und trotz der Freude, wieder zu Hause zu sein, schlich sich auch so mancher wehmütiger Gedanke in meine Erinnerungen.

Neben dem staunenden Zuspruch vor meinem Abenteuer und den begeisterten Kommentaren während meines Weges, gehörten die vielen ehrlichen Gratulationen zu den schönsten Momenten im Zusammenhang mit meiner Pilgerreise. Es ist unglaublich, auf welches Interesse dieser Jakobsweg in unserer Gesellschaft stößt.
Von allen Seiten wurde ich bestürmt: „Erzähl doch – wie war‘s?“
Was soll man dann auf eine so kurze und doch so umfassende Frage antworten?
„Was wollt ihr wissen?“ war dann eine Standardgegenfrage.
Und dann, erzählte ich, erzählte ich … und Stunden später erzählte ich noch immer!

Der Jakobsweg hat seit meinem Zurückkommen mein Leben bestimmt. So unsagbar tief sitzen die Erlebnisse und die Gefühle in mir. Oft bemerke ich, dass meine Gedanken sich nur um den Jakobsweg drehten und noch immer drehen. Werden nach einem Erlebten sonst die Erinnerungen schwächer, war es nach meinem Jakobsweg anders. Mit jedem Gedanken, mit jedem Erzählen und mit jedem Befassen dieses Themas, wuchsen in mir die Gefühle für das Erlebte.
Waren es kurz nach dem Weg Kopf- und Bauchgefühle die dominierten, ist es nun so, dass mich mein Jakobsweg als Gesamtes erfasst hat und es ist nun eine Herzensangelegenheit.

In diesem Zusammenhang kann ich nur Jedem raten, sich auch auf dieses Erlebnis zu Gott und zu sich selbst einzulassen.

Was blieb, außer den vielen Erinnerungen, noch von meinem Jakobsweg zurück?

Als Erstes habe ich die Ermunterungen vieler Menschen ernst genommen und ich habe ein Buch geschrieben. Aus meinen Online-Tagebuch und den 4.400 Fotos habe ich ein Buch mit ca. 450 Seiten gestaltet. Das Manuskript mit dem Titel: „Geh den Jakobsweg“ ist seit Weihnachten fertig und nun suche ich einen Verlag, der mein Buch herausbringt. Das ist viel schwieriger als man glaubt, denn die Verlage werden von den Autoren mit Manuskripten überhäuft und sie lassen sich drei bis sechs Monate Zeit bis man auf eine Antwort warten darf – sofern sie überhaupt antworten.
Nach der vielen Arbeit für das Buchschreiben und dem großen Interesse an meinem Jakobsweg, wäre es schade, wenn dieses Buch nicht veröffentlicht würde. Ich weiß zwar, dass es schon ungezählte Bücher über den Jakobsweg gibt, aber mein Asset ist, dass ich über die Erfahrungen einer sehr langen Pilgerschaft (3.000 km) berichten kann.
Sollte nun ein Lektor oder Verlagsdirektor diese Zeilen lesen, dann kann ich nur sagen, hier gibt es ein Buch, dass die Leser begeistern kann.

Das nächste Highlight nach meiner Rückkehr war mein Vortrag, der auch den Titel: „Geh den Jakobsweg“ trägt.
Am 1. März 2012 habe ich in Leoben den Vortrag über meinen Pilgerweg gehalten und 290 Besucher haben mir ein begeistertes Feedback gegeben.
In dem etwa 1:20 Stunde langen Lichtbildervortrag und Erlebnisbericht habe ich versucht in der nötigen Kürze zu berichten, was dieser Weg ist, was er sein kann und wie es mir ergangen ist. Diesen Vortrag zu gestalten, war ob der vielen Erlebnissen und Fotos, sehr aufwändig – fast drei Monate habe ich an diesem Projekt intensiv gearbeitet.
Derzeit sind noch zwei bis drei kleinere Vortragstermine für ein gezieltes Publikum geplant und sonst biete ich den Vortrag in der steirischen Diözese den Pfarren an, sofern ein Bedarf gegeben ist.
Sollte jemand diese Zeilen lesen und Interesse an diesem Vortrag haben, dann bin ich gerne bereit vor einem größeren Publikum über meinen Jakobsweg zu berichten.
Meine Kontaktadresse ist: walter.ondrich@gmx.at

Damit möchte ich meinen Blog abschließen und allen danken, die mir so viele positive Reaktionen geschickt haben.

Bon Camino
Pilger Walter

Mittwoch, 28. September 2011

Die Tage in Santiago de Compostela

Liebe Freunde,
diese Berichte sind zu verschiedenen Zeiten geschrieben worden und dann wenn das Geschriebene sich ereignet hat. Sonst würden diese Zeilen nicht hier stehen, weil es die Gemütslage nicht zugelassen hätte.

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Essen in 5-Stern-Hotel und das gratis!

Nein, liebe Freunde, ich wurde nicht vom Bürgermeister eingeladen oder habe einen 100er auf der Straße gefunden. Auch meine Pilgerkasse blieb unangetastet. Ich habe mich offiziell als Pilger dort verköstigen lassen und das steht mir zu.
Der Platz vor der Kathetrale wird auf einer Seite natürlich von der tollen Westfassade des Kirchenbaues beherrscht. Auch sehr markant ist gegenüber das Rathaus und auf der Nordseite des Platzes steht das ehemalige Pilgerhospitz und nunmehrige Luxushotel Hostal de los Reyes Catolicos. Hier steigt man als Santiagobesucher ab. Einen besseren Ort gibt es in SdC nicht. Die läppischen 260€ pro Nacht, die gönnt man sich. Der Garagenabstellplatz kostet 18€, fast soviel wie mein Zimmerchen, dafür steht dem Auto auch mehr Platz zur Verfügung.
In diesem Hotel dürfen zu jedem Essenstermin (9h, 12h und 19h) bis zu 10 Pilger kostenlos essen und das innerhalb von 3 Tagen ab Urkundenausstellung sogar 3 Mal. Das ist ein alter Brauch und ich wollte mir dieses Procedere einmal antun, damit ich darüber schreiben kann, denn es ist ein Teil des Pilgerweges.
Es ist nicht so, dass man mit der erlauchten Gesellschaft speisen darf und ein Luxusmenü bekommt, aber es ist ein vollständiges Menü, wie es auch die Bediensteten des Hotels zu essen bekommen.
Der Ablauf ist fast eine Demütigung. Man muss sich bei der Garageneinfahrt (!) einfinden und der Garagenwärter kontrolliert die Pilgerurkunden und man muss seine Daten in eine Liste eintragen. Dann wird man auf verschlungenen Wegen, auch durch den noblen Hotelbereich und die schönen Innenhöfe, in das Innerste des Bediensteten- und Küchentraktes geführt. Dort wartet ein Koch und man bekommt a la Selbstbedienungsrestaurant sein Essen auf Tabletts serviert und darf dann einen kleinen Bedienstetenraum aufsuchen und dort essen.
Unser Menü bestand aus einer Fisch-Gemüsepastete mit Sauce als Vorspeise, einer halben Tortilla und Salat als Hauptspeise und einer guten Vanilliencreme als Nachspeise. Dazu bekam man natürlich Brot und für die 10 Personen, soviel haben sich zufällig gemeldet, gab es 4 Flaschen Wein und Wasser. Das Essen war gut und reichlich, aber einmal reicht es, dass erlebt zu haben. Für meine zwei weiteren Essensmöglichkeiten soll ein anderer Pilger die Chance auf dieses "Erlebnis" haben. Übrigens waren in unserer Gruppe außer mir, 6 Spanier, ein Engländer, eine Schwedin und ein Japaner.
Das war mein Erlebnis als Pilger vom Gratisessen im 5-Sterne-Luxushotel.

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Freude und Trauer sind eins!

Wie groß war in den letzten Tagen noch meine Freude und wie tief ist nun meine Trauer. Mein Freund Egon ist gestern am Sonntag verstorben. Wie habe ich gehofft, dass er seine Krankheit mit seiner unglaublichen Lebenskraft besiegen kann und wie es ihm nun doch schlechter ging, habe ich mir gewunschen ihm noch einmal die Hand drücken zu können. Das geht nun leider nicht mehr, aber mir bleibt die Umarmung in Erinnerung, wie ich meinen kurzen Heimurlaub im August gemacht habe. Nun muss es Bestimmung gewesen sein, dass ich zur Geburtstagsfeier meiner Schwiegermutter extra nach Hause gefahren bin. So war es auch ein Abschiednehmen, auch wenn es mir damals noch nicht bewusst war und ich noch gehofft habe, es wird vielleicht doch noch gut.
Wie nahe liegen doch Freude und Trauer, Glück und Leid und Tod und Leben beeinander. Nun habe ich während meines Weges zwei liebe Menschen, einen tollen Kollegen und einen Freund verloren. Und zugleich war aber da auch die große Freude, als meine Freunde Eltern eines Jakobs wurden.
Das sind Gefühlswelten wie Tag und Nacht oder wie Berg und Tal. Der heutige Tag war dann für mich sehr schwierig zu bestehen. Ganz alleine mit meiner Trauer und viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Niemand mit dem man reden kann. Ich war zwar dann lange in einer ruhigen Ecke der Kirche und bin etwas zu mir gekommen, aber dieser Verlust blieb den ganzen Tag in mir und beschäftigte mich. Ziellos streunte ich durch die Gassen und blickte in die Auslagen, ohne aber wirklich wahrzunehmen was da ausgestellt wird - viel Ramsch auf jeden Fall.
Ich tat dann das, was mir auf dem Weg immer gegen die Einsamkeit geholfen hat, ich schreibe und somit geht es mir mit meiner Trauer über den Verlust eines Freundes, etwas besser.

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Das Treiben in Santiago

In der Hauptsaison wird Santiago von den Pilgern, aber noch mehr von den Touristen gestürmt. Es ist unvorstellbar, was sich da tut. Bis Sonntag war anscheinend noch die Hauptsaison und seit Montag ist der Pilgerzustrom merkbar geringer geworden. Man sieht es besonders am Platz vor der Kathetrale. Die jungen Menschen strömen nun den Unis zu, aber die Bustouristen sind weiterhin an allen Ecken präsent, zig Stadtführungen wälzen sich durch die Altstadt.

Wie schon erwähnt, beginnen überall die Einschreibungen und Vorlesungen an den Unis und das macht Santiago wieder zum Mittelpunkt. Die Stadt beherbergt eine der größten Unis Spaniens. Am Montag dürfte hier der Uni-Betrieb angefangen haben. Jetzt wälzen sich, morgens und zu Vorlesungswechsel, Herden von Studenten, die von einem Uni-Standort zum anderen hetzen, durch die engen Gassen und den vielen Plätzen. Fast täglich gibt es in SdC große Protestkundgebungen von Professoren gegen irgendwelche schlechte Bedingungen. Das hat man schon seit Wochen immer in den Nachrichten gesehen und heute am Dienstag bin ich zufällig zu einer solchen Demo gestoßen.
Dabei wollte ich auch protestieren, gegen schlechte Bedingungen am JW.

Was tut sich sonst in den Straßen der Altstadt?
Hier reiht sich Ess- und Trinklokal an Souvenierläden und umgekehrt. Wenn man das kulinarische Angebot in der berühmten Straße Rua do Franco noch nie gesehen hat, dann ist das unvorstellbar und beindruckend. Jedes Lokal wirbt in den Fenstern mit lebenden Meerestieren oder riesigen Rinderkoteletts usw. und durch die enge Gasse drängen sich die schaulustigen oder hungrigen Menschen. Wer hier verhungert, ist zu bequem zum Essen oder hat wirklich kein Geld. Dabei gibt es für jede Geldtasche ein passendes Angebot. Ein vollständiges Menü inkl. Wein gibt es ab 7€. Heute z.B. habe ich 200m von der Kathetrale entfernt und abseits des Touristenrummels, ein Menü um 7,50€ bekommen. Da konnte ich zwischen 10 Primeros, Seguntos und Postres wählen. Mein Menü bestand aus einer Meerespaella, einer großen Portion Seehecht auf galicische Art und einer Schokomoussetorte. Dazu gab es Brot und ich habe ein Bier statt Wein genommen. Es war vorzüglich und frisch zubereitet.
Aber man kann in der berühmten Essstraße auch andere Menüs verspeisen und dafür 60€ hinlegen.

Eine wohltuende Abwechslung zum Touristenrummel und Konsumwahn, war noch der Besuch in einer Bank-Galerie und dort konnte ich an die 50 Tuschzeichnungen von Pablo Picasso bewundern. Fast alle aus den Jahren 1933/34.

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Der letzte Tag

Ist nun mein JW wirklich zu Ende? Sind die 119 Tage fern der Heimat jetzt vorbei?
Ja, und ich freue mich. Ohne Wehmut kehre ich nun SdC den Rücken. Was getan und gesehen werden musste, ist getan und ich habe mit Gottes Segen viel erlebt und das mit bester Gesundheit. Dafür bin ich sehr dankbar.

Am Morgen ist der Himmel und SdC traurig, weil ich abreise. Es regnete in Stömen und im Laufe des VM besserte es sich, dass ich vermutlich zu Fuß den Airportbus aufsuchen kann. Um 8h habe ich mich bei einem deutschen Gottesdienst für alles bedanken können und ich habe mich vom Hl. Jakobus von hier verabschiedet. Aber ich weiß ihn immer bei mir und in St. Jakob in Leoben ist er in voller Gestalt immer präsent.
Für alle, die die Jakobikirche in Leoben noch nie gesehen haben, ein Besuch lohnt sich dort. Und dort könnt Ihr den Hl. Jakobus in einer ungewöhnlichen Sitzposition hoch trohnend über dem Altar, umrahmt von einem mächtigen Barockrahmen sehen. Dieser Jakobus hat mich auf den JW gebracht.

Nun ist alles gesagt und getan. Jetzt werde ich zum Flughafen fahren und in ein paar Stunden kann ich meine Frau wieder in die Arme nehmen. Dann geht das Leben fern des JW weiter. Aber der Weg wird mich in der Nachbereitung sicher noch stark beschäftigen und viel zum Erzählen wird sein. Ich weiß jetzt schon von vielen "Begleitern", dass sie sich freuen mich wieder zu sehen und mir bei den Erzählungen zuhöhren wollen. Nur was soll ich erzählen und wo soll ich beginnen, wenn ich fast 4 Monate unterwegs war und was ich nicht schon in meinen Berichten erwähnt habe? Ich werde einfach fragen: Und was willst du hören? Dann wird mir sicher die eine oder andere Geschichte einfallen :-)
Wenn Ihr mehr vom JW erfahren wollt, dann macht Euch einfach auf den Weg und geht 2800Km westwärts und immer mit dem Gedanken an Gott und den Hl. Jakobus und Ihr erlebt Unvergessliches!

Somit endet ein Traum und es beginnt die Erinnerung daran.

Ich verabschiede mich von Euch und vom JW. Ich danke für Eure Lesetreue und für Eure Begleitung und die Kommentare und Wünsche. Zu Hause werde ich sicher noch 1-2 Berichte nachbringen.
Euer Pilger Walter live von meinem Jakobsweg!

Sonntag, 25. September 2011

Sonntag ist Tag der Ruhe

Liebe Freunde!

Nun habe ich mein Ziel erreicht und schön langsam begreife ich auch, was das bedeutet. Den heutigen Sonntag habe ich bis jetzt sehr genossen. Ich brauche nur 100m zu gehen und ich kann beim Hl. Jakobus zu Besuch vorbei kommen und das mache ich reichlich.
Schon um 7h, noch vor dem Frühstück, wie die Kirche geöffnet wurde, bin ich zum ersten Mal zu Jakobus gepilgert. Das war so zu sagen der letzte noch ausständige Schritt auf meinem Pilgerweg. Ausser mir waren keine 5 Menschen in der Kirche, nur eine Gruppe feierte in einer Seitenkapelle eine Messe. Ich konnte direkt unter den Altar absteigen und eine Viertelstunde knieend vorm Grab verweilen. Das ist sonst unmöglich. Alle meine Danksagungen und Bitten konnte ich in Ruhe vorbringen. Auch Eure mitgebeben oder nur gedachten Fürbitten konnte ich vorbringen. Das war nun wirklich (fast) der Abschluss meines Pilgerweges. Die übliche Umarmung der Altarstatue musste ich auf später verschieben, denn dort kann man erst ab 9h hinauf steigen. Ihr könnt Euch vorstellen, dass meine demütige und freundschaftliche Umarmung von große Dankbarkeit begleitet war.
Anschließend feierte ich den Sonntagsgottesdienst mit. Hier feierten gar nicht soviele Gläubige mit, wie gedacht. Das über dem Altarraum hängende große Weihrauchfass ließ aber die berechtigte Hoffnung zu, dass es zu dem berühmten Spektakel kommt.
Dieses silberne Weihrauchfass mit einer Höhe von ca. 70cm und über 50Kg schwer, wird von mehren Männern mittels einem Flaschenzug in Schwingung gebracht und im Querschiff der Kirche fast bis zur Kuppel hochgeschwungen. Dabei erreicht das Botafumeiro eine Geschwindigkeit von über 60Km/h und es wird der Weihrauchqualm in der Kirche verteilt. Das hatte früher den Sinn, um die Gerüche der Pilger zu überdecken und die Luft zu desinfiszieren.
Wenn von der Kathetrale von Santiago gesprochen wird, dann nicht nur vom Grab des Apostels, sondern auch von der monumentalen und schönen Baukunst, besonders der Westfassade, und das Schwenken des Weihrauchfasses bleibt immer in Erinnerung eines Santiagobesuchers.
Beim Sonntagsgottesdienst kam das Weihrauchfass noch nicht zum Einsatz. Es wird nur mehr zu großen Festen geschwungen oder wenn zahlungskräftige Gruppen einen ordentlichen Obolus leisten.
Somit legte ich eine Kirchen-Sonderschicht ein und besuchte auch die heutige Pilgermesse um 12h. Schon um 11:15 war die Kirche voll und ich bekam gerade noch einen Sitzplatz im Querschiff. Zum Ende der Pilgermesse kam es dann zum vielbestaunten und beklatschten Spektakel und die Foto- und Filmgeräte liefen auf Hochtouren. Nun habe auch ich alle Santiago-Rituale hinter mir und nach einem fast ganzen VM in der Kirche war es nun genug und ich blinzelte der strahlenden Sonne zu.
Jetzt gilt es wieder sich dem normalen Leben zu widmen, denn auch ein ruhender Pilger bekommt Hunger und braucht danach seine Siesta. Ich brauche schließlich nicht mehr marschieren und mir ein Zimmer suchen. Das ist nun vorbei. Ach, bin ich froh darüber!

Bei meinem Fensterschlitz sehe ich jetzt die Sonne strahlen und das werde ich zu einem Bummel nutzen. Denn gestern am Abend war es saukalt und ein Wind trieb einen feinen Regen ins Gesicht. So war der von der deutschen Pilgerschaft durchgeführte spirituelle Rundgang um die Kathetrale nur halb so schön.

Liebe Freunde, ich danke Euch für die vielen Gedanken unddas Mitpilgern an den letzten Pilgertagen.
Euer Pilger Walter

PS: Mir wird das Schreiben auch abgehen :-)

Samstag, 24. September 2011

Ziel erreicht, Traum erfuellt

Liebe Freunde,
die Ihr mich 3 Monate und 22 Tage begleitet habt und die Ihr mit mir 2.768Km gegangen seid.

Heute war und ist der große Tag für mich und ich glaube auch für das Rektorat St. Jakob. Ich bin als Fußpilger zum Grab des Apostels Jakobus gegangen. In dieser Zeit war mir Gott und der Hl. Jakobus oft näher als ich selber. Mit Gottes Segen, der Kraft des Glaubens und mit der Hilfe vom Jakobus durfte ich dieses Geschenk der Pilgerschaft entgegen nehmen. Wie gut sich alles gefügt hat, sieht man an meiner Gesundheit und an dem Beispiel, dass ich nach meinem Hilfeschrei am Beginn des spanischen JW-Teiles immer mein Zimmer gefunden habe. Da hat wer auch Schwerarbeit geleistet - Danke!
Dass das unversehrte Ankommen hier nicht selbstverständlich ist, konnte ich täglich an zig Pilgern (auch ganz jungen) sehen, die mit großen Gehbeschwerden den Weg gegangen sind - Hochachtung! Und ich, ich brauchte nur kleine Beschwerden beklagen, die sich alle wieder von selbst und mit Hilfe von Oben gelöst haben.
Nun bin ich heute voller Emotionen und großer Dankbarkeit in die Kathetrale zu Santiago einmarschiert und durfte die Pilgermesse mit vollem Herzen mitfeiern. Jetzt bin ich in SdC und die Gehpilgerschaft ist zu Ende. Nun Pilgere ich in meinem Leben weiter zur Ehre Gottes und in Partnerschaft mit dem Hl. Jakobus.
Mehr an Worten will und kann ich über das Gefühl, welches mich durchdringt, hier und jetzt nicht niederschreiben, denn das läßt sich nicht beschreiben.

Aber meinen letzten Gehtag kann und will ich noch beschreiben.

Zuerst noch ein kleiner erwähnenswerter Rückblick auf den gestrigen Abend. Im einzigen Restaurant des Ortes kämpfte der junge Wirt mit seinen selbstgesteckten Qualitätszielen und der Herrschar an Essensgästen. Feines Restaurantfeeling und viele Gäste vertragen sich nur, wenn die Organisation passt und das notwendige Personal vorhanden ist. Aber er alleine und dann mit einer Aushilfskraft schafften es nicht und die Gäste mussten viel Geduld aufbringen. Zum Glück war ich unter den ersten Gästen und bekam mein Essen noch früher. Die Qualität passte, endlich einmal ein gut und frisch gekochtes Essen und ohne Pommes, aber beim Preis wollte er mich legen. Er hat die Menüauswahl vom Block abgelesen und so gab es keinen Preis. Er wollte dann 14€ für das Essen und den Wein. Nicht mit mir. Der höchste Menüpreis in Spanien war 12€ und das am Sonntag (da gibt es immer höhere Preise). Ich sage ihm, dass das nicht ok ist und auf einmal kostete es nur 12€ und das zahlte ich dann auch. Ich hätte ihn sonst fragen müssen, wo er die Preisauszeichnung hängen hat. Die muss nämlich gut sichtbar sein.
Am Nebentisch warteten eine dänische Mutter mit ihrer Tochter und wie ich meine 3 Pilgerpässe durchblätterte sprachen sie mich interessiert an und luden mich auf ein Glas guten Wein von ihrer Flasche ein. Wir unterhielten uns prächtig auf Englisch.
So ist der letzte Abend vor SdC noch amüsant zu Ende gegangen.

Um 8h ging ich heute los und war voll gespannnter Erwartung was kommen wird. Die ersten 2Km durch den Wald war ich ganz allein unterwegs und ich konnte aus Vorfreude alle Lieder, die ich im Laufe meines JW geträllert :-) habe, nocheinmal singen. Alles an und in mir war in Festtagsstimmung. Locker und leicht marschierte ich dahin. Nichts schmerzte und kein Stein am Weg tat meinen Füßen weh. Alle anderen Pilger sind nur unterwegs um mir Spalier zu geben. Das war mein Tag und mein Weg.
Fühlte ich es nur aus mir heraus oder war die Stimmung heute am JW wirklich viel besser?
Den letzten Gehtag habe ich mir ärger vorgestellt. Es waren nicht so viele Pilger unterwegs, als erwartet. Ich glaube, viele sind gestern noch weit gegangen u.U. bis zum Monte Gozo, wo man die Kathetrale sehen soll (ich habe sie nicht gesehen, zu verwachsen ist alles).

Nach einigen Km geht man direkt am Flughafen und dem Beginn der Landebahn vorbei und ein Flugzeug nach dem anderen fliegt landend oder startend 50m über den Köpfen der Pilger hinweg. Am Mittwoch sitze ich dann selbst in einem dieser metallenen Vögel.
Nach dem Flugplatz erfahre ich nochmals die Gnade eine Zeitlang ganz alleine gehen zu dürfen. Wisst Ihr wie schön ein befreit gesungenes Vaterunser im Wald klingt?

Etwa 10Km vor dem Ziel höre ich von vorne (Monte Gozo oder SdC?) Böller- und Feuerwerksschüsse (so werden in Spanien Feste gestartet). Künden sie mein Ankommen an oder heiratet da wer?
Ich merke, dass ich top unterwegs bin und kann schon abschätzen, dass ich es zur Pilgermesse um 12h schaffen kann.
Also marschiere ich mit voller Kraft, die mir geschenkt wurde, auf SdC zu. Trotzdem nahm ich mir Zeit, noch einige Fotos zu schießen. Der Nebel war heute nicht so dicht und die Sonne kämpfte sich durch.
Etwa 2Km vor dem Ziel suche ich noch eine Bar auf, die Zeit habe ich. Ein kleines Bier zur Vorfreude und eine nötige Erleichterung sollte die nächste Stunde reichen. Nach 3 Stunden und 45 Minuten waren die heutigen 21Km geschafft und mit weit erhobenen Händen und total wässrigen Augen bin ich auf den Kathetralenvorplatz getreten. Hier war schon ein Völkergemisch von erleichterten und freudigen Pilgern hier und viele Menschen waren wegen einer Oldtimer-Autoparade am Platz.
Jemand nahm mir den Fotoapperat ab und fotografiert mich mit meiner Freude und dann trat ich über die Stufen hoch zum Eingang der Kathetrale. Jetzt bin ich angekommen und das 5 Minuten vor der Pilgermesse. Ich finde vorne im Seitenkreuz der total vollen Kirche noch einen guten Stehplatz und feiere die Messe stehend und mit Rucksack am Rücken mit.
Zwölf Priester zelebrieren die Messe und gesanglich wird die Messe von einer älteren Klosterschwester getragen, die mit ihrer Stimme fast engelsgleich klingt.
In dieser vollen Kirche findet mich nach dem Gottesdienst Helmuth aus Wien, ein netter Pilger, den ich öfters getroffen habe. Wir umarmen uns und ich weine wie ein Schlosshund aus Freude, Erleichterung und Dankbarkeit.

Und dann die spannende Frage, ob ich mein vorreserviertes Zimmer im "Seminario Mayor" bekomme. Das ist ein Kloster an der Nordfront der Kirche und schon 2006 habe ich hier gewohnt. Bei der Mailreservierung in englischer Sprache (Danke Klaus) vor 2 Tagen hat es einen Irrtum gegeben und so habe ich gestern noch mit einigen Brocken Spanisch versucht meine Reservierung zu retten und es ist gelungen. Es ist heute alles ausgebucht. Aber ich habe wieder mein Zimmer, nur welches! Ich wusste von der Schlichtheit dieses Quartiers und so ist es auch heute. Ein Bett und ein Bad sind alles in meiner Mönchszelle. Aber ich wollte es auch so. Es kostet mit Frühstück nur 23€ und das ist in SdC ein Geschenk und das direkt vor dem nördlichen Kirchenportal.
Ich bin dann einmal schauen gegangen, wie lange die Pilgerschlange bei der Ausstellung der Compostela ist und die war erträglich. Nach einer halben Stunde Wartezeit, noch bevor die Mittagssperre eintrat, hatte ich mein Erinnerungsstück. Jetzt bin ich auch offiziell "Pilger".
Und als Pilger genoss ich in einem Cafe mein Bier und ein kleines Menü. Das habe ich mir verdient.

Jetzt beginnt die Phase Nachdenkens, des Erlebens und des Loslassens. Dafür habe ich nun vier Tage Zeit und einige Male werde ich in der Kirche zu finden sein - Ihr könnt mich dort treffen!
Heute um 19h gibt es von der deutschen Pilgerschaft eine Kirchenführung.
Morgen will ich gleich um 7h, wenn die Kirche aufsperrt und leer ist, zur Jakobusstatue und zum Grab gehen. Da werde ich auch alle Eure mitgegebenen Bitten und Wünsche dem Hl. Jakobus vortragen. Der heutige Tag gehört noch mir und es sind einfach zu viele Menschen da.
Morgen will ich um 10h den Sonntagsgottesdienst besuchen.

Das war mein Jakobsweg!
Aber ich werde sicher noch das eine oder andere ins Tagebuch schreiben.
Euch allen danke ich für Euer Mitpilgern in Gedanken oder direkt am JW, für Eure vielen Wünsche und aufmunternden Worte - Danke!
Den größten Dank gebührt aber meiner Familie und meinen Freuden, die an mich geglaubt haben und mir sehr viel geholfen haben. Nochmals Danke!
Euer Pilger Walter

Freitag, 23. September 2011

Mein Traum wird Wirklichkeit

Liebe Freunde eines Pilgers und von St. Jakob!

Vor 23 Jahren wurde ich mit dem Virus Jakobsweg infiziert. Bei der Pilgerfahrt mit dem Bus nach SdC zur 800-Jahrfeier der Jakobikirche habe ich den Mythos und die Kraft des Pilgerns zum Grab des Hl. Jakobus gespürt. Den Gedanken, einmal zu Fuß von St. Jakob bis nach SdC zu pilgern, bin ich nie losgeworden. Aber mit Familie, für die zu sorgen war, mit dem Job und der damit verbundenen Verantwortung hat dieser Traum in mir immer nur geschlummert, ohne dass sich die Chance zeigte, ein wirklicher Jakobspilger zu werden.
Vor etwa drei Jahren war ich dann von der Firma aus, bei einem Motivationsseminar und hier wurde der Traum zur möglichen Wirklichkeit. Der Trainer forderte die Teilnehmer auf, für sich persönlich aufzuschreiben, welches Ziel sie hätten. Nachdem meine beruflichen Ziele in Anbetracht meiner bevorstehenden Pensionierung keine Rolle mehr spielten, schrieb ich auf den Zettel: "Den Jakobsweg gehen".
Am nächsten Tag forderte uns der Trainer auf, diesen Zettel wieder hervorzuholen und aufzuschreiben, was jeder tun muss, dass sein Ziel erreicht wird. Ich schrieb nur ein Wort: "Gehen". Das war der Startschuss um meinen Traum zu verwirklichen. Etwa zwei Wochen trug ich diesen Gedanken mit mir herum und dann war ich mir sicher, wenn ich in Pension gehe, dann gehe ich den Jakobsweg. Ich informierte meine Familie, die nach der natürlichen Erstreaktion "Du spinnst!", mich immer unterstützte und erzählte mein Vorhaben auch meinem ganzen Umfeld. Das sollte mich davor bewahren vielleicht einen Rückzieher zu machen.
Der Rest ist meinem Umfeld hinlänglich bekannt. Wie es mir eigen ist, begann ich zu planen und Schritt für Schritt bereitete ich die Pilgerreise vor. Das Wichtigste bei so einem großen Vorhaben ist die körperliche und mentale Vorbereitung und die ist mir,wie man sieht, sehr gut gelungen. Alles was planbar war, war gut oder wurde laufend angepasst und auch mein miserables Sprachentalent habe ich leidlich gut verbessern können.

Jetzt stehe (momentan sitze ich zwar im Bett) vor den Toren von Santiago de Compostela und ich bin zu Fuß quer durch Europa mit Gottes Segen und der Hilfe vom Hl. Jakous hierher gepilgert.
Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was das für mich bedeutet. Ich habe das natürlich für mich, mein Innerstes, getan, aber auch für meine Kirchengemeinde St. Jakob. Und ich habe das für meinen Glauben zu Gott getan. Das liebevoll gestaltete Kreuz an meiner Brust (Danke Franz!), habe ich stolz vor mir hergetragen und es hat mich beschützt.
Morgen werde ich also auf den schönen Platz vor der großen Jakobskirche treten. Ich werde die Schwelle der Kathetrale überschreiten und meine Hand auf die abgegriffene Säule mit dem Apostel legen. Ich werde die Jakobsfigur umarmen und vor seinem Grab in die Knie gehen.
Eure Wünsche und Gedanken werde ich dabei mitnehmen.
Vier Tage habe ich mir dann Zeit gegeben, um diesen erreichten Traum zu erleben und zu verarbeiten. Ich werde aber nicht nach Finisterre gehen oder fahren. Mein Ziel war immer das Grab des Apostels Jakobus.

Nun ist es schwer, auf diese Gedanken den heutigen Tag zu beschreiben. Es war und ist es noch immer, ein grauer nebliger Tag, fast ein Novembertag. Dieses Wetter war auch drückend. Lange Zeit wollte es am Morgen nicht wirklich hell werden. Beim Marschieren durch die dichten Wälder mit Eichen, Kastanien und Eukalyptus blieb das Dunkel der Nacht lange hängen.

In dieser Stimmung ging ich ganz alleine und langsamer für mich dahin. Die anderen Pilger waren zwar in Massen da, aber in meinen Gedanken ignorierte ich sie oder die meisten davon. Heute habe ich aufgehört alle zu grüßen, die ich traf. Ich bekomme doch oft keine Antwort oder nur eine flüchtige. Nur die Pilger grüßte ich, wo ich mir eine Spur Aufmerksamkeit erhoffte. Alle anderen, die in Gruppen gingen, unterhielten sich mit ihren Mitgehern.

In der Bar beim Frühstück sitzt ein Franzose geknickt und sagt mir, dass es nicht mehr weiter kann und zeigt mir sein dick bandagiertes Knie. Er fährt mit dem Taxi weiter. Er tut mir leid, so kurz vor dem Ziel.

Gestern bin auf der Restaurantsuche bei einem Schuhgeschäft vorbei gekommen und bekomme einen Schock. Hier werden schon Pelzschuhe in den Auslagen ausgestellt. Ist das Jahr wirklich schon so weit fortgeschritten? War ich so lange unterwegs? Wie ich weggegangen bin, waren noch die Frühlingswaren in den Schaufenstern und jetzt ist Herbst. Wo ist die Zeit hingekommen? Ist sie am JW liegen geblieben?

Ja, wenn die Kastanien reif sind, muss der Herbst ins Land gezogen sein. Die Kastanien sind nun eine Gefahr geworden. Diese köstlichen Früchte fallen mit ihren stacheligen Ummantelungen mit großem Plumps zur Erde. Und immer sind es 3-4 Kastanienigel die gemeinsam zur Erde fallen. Die möchte ich nicht auf den Kopf bekommen.

Der zweite Teil des heutigen Gehtages war verzichtbar. Es ging nämlich hauptsächlich einen schmalen Pfad entlang einer vielbefahrenen Straße dahin und die musste ein paarmal überquert werden. Das war nicht ungefährlich, denn die Autos brausten mit hohem Tempo vorbei.

Ein nettes Erlebnis hatte ich dann doch noch. Alle paar Kilometer stand gestern und auch heute der Bus der bayrischen Pilgergruppe am Straßenrand. Dort gab es für sie Stärkung und Erfrischungen und wer nicht mehr gehen wollte oder konnte, konnte mit dem Bus weiterfahren.
In Santa Irene wartete der Bus mit Tisch und Bänken auf die Pilgerschar. Es war eine kräftige Gulaschsuppe, Brot und Bier vorbereitet. Ich näherte mich mit lachendem Gesicht und meinte, ob dies die öffentliche Pilgerausspeisung wäre und gab mich als langpilgender Österreicher zu erkennen. Die Servicetruppe hatte schon von mir gehört und ich wurde auf eine Brotzeit eingeladen. Vergelts Gott.

Für heute hatte ich eine kurze Etappe bis Pedrouzo (19Km) geplant und morgen stehen noch etwa 21Km am Plan. Ich hätte das auch an einem Tag gehen können, aber ich wollte nicht abgekämpft und müde in SdC eintreffen.
So habe ich mir in Rua, kurz bevor man nach Pedrouzo abbiegen muss, ein billiges Privatzimmer gefunden und bin heute seit Mittag gehfrei.

Morgen geht es auf die Schlussetappe und ich lade Euch wieder ein mit mir und Jakobus zu gehen.
Euer Pilger Walter

Donnerstag, 22. September 2011

In eigener Sache

Liebe Freunde und Leser meines Tagebuches!

Mehr als 100 Tage habe ich von meinem Jakobsweg berichtet. Ungezählte Stunden sind mit dem Schreiben meiner Berichte vergangen, aber die vielen positiven, aber auch einige kritischen Kommentare haben mich dazu beflügelt. Dass mein Tagebuch einmal diese Dimension erreichen wird, konnte ich mir nie vorstellen. Aber so wie es fast unvorstellbar ist, 2.800Km durch Europa zu marschieren, wenn man nur ein Ziel hat, so ist auch dieses unvorstellbare Tagebuch für mich ein zweiter Pilgerweg geworden. Und so wie ich den JW mit Freude gegangen bin, so habe ich auch mit Freude geschrieben, um Euch allen zu zeigen wie und was alles am JW passiert.

Viele haben mich ermutigt aus diesem TB ein Buch zu machen, es wäre vermutlich das ca. 3.714 Buch über den JW. Das muss ich mir zu Hause gut überlegen, aber versuchen werde ich es und wenn es nur "ein" Buch geben wird, nämlich meine Ausgabe inkl. Fotos. Für ein gutes Buch gehört sicher noch einiges überarbeitet und für diese Info brauche ich die Fachkenntnisse der Verlage. Nur wenn es von dort eine positive Zustimmung gibt, dann werde ich diesen Schritt wagen.

Eines würde mich aber sehr interessieren, nämlich welchen Leserkreis ich mit meinem Online-Tagebuch erreicht. Darum hier meine Bitte an Euch alle, die Ihr meine Berichte gelesen habt:
BITTE schreibt mir in den Kommentaren oder noch besser ein Mail mit Eurem Namen. Ihr könnt da auch angeben, wieviele mit Euch (z.B. Familie) das TB mitgelesen haben.
Mit der Kenntnis Eurer Mailadresse kann ich Euch Infos schicken, wenn ich im Tagebuch nachträglich noch etwas hineinschreibe oder wenn es einmal einen Vortrag oder ein Buch geben sollte. So können wir in Verbindung bleiben.

Meine Mailadresse ist:
walter.ondrich@gmx.at

Ich hoffe Euch mit diesem Tagebuch, welches ich zu Hause abschließen will, Freude bereitet und die Begeisterung für den JW geweckt zu haben. Diesen Weg zu gehen, das muss von Innen kommen und Ihr müsst Euch auf ein Abenteuer und auf eine Auseinandersetzung mit Euch selbst und mit Gott einlassen. Dann kann Euch der Weg unendlich viel schenken. Denkt nicht an das endlose Gehen, die Strapazen und die möglichen Blasen. Das ist alles verkraftbar. Nur die Erfahrung, die Ihr auf diesem Weg machen könnt, die kann man nicht kaufen, dass passiert einfach, wenn Ihr dazu offen seid.

Wenn Ihr aber glaubt, diesen Weg, die Belastungen, die Einsamkeit usw. nicht zu schaffen oder wenn Ihr wegen dem Beruf nicht diese Zeit aufbringen könnt, dann lasst die Sehnsucht für dieses Abenteuer in Eurem Herzen leben.

Das soll noch kein Abschied vom Weg oder von Euch sein. Ich will nur in Ruhe und in Vorfreude obiges Thema und meine Bitte anbringen.
Euer Pilger Walter, der Euch fürs Mitgehen und für Eure Unterstützung dankt.

Mit Gottes Segen, Buon Camino und Ultrejia
Pilger Walter

Jubilaeum

Liebe Freunde,
ich möchte mit Euch ein Gläschen trinken. Heute feierte ich ein Jubiläum. Heute war mein 100. Gehtag! Nur stellt sich jetzt die Frage, wer ladet den Pilger Walter dazu ein? :-)
Ich habe mich heute Mittag selbst auf eine galicische Spezialität eingeladen. Meine Mittagspause habe ich in Melida in einer Pulperia verbracht und habe dort statt meinem obligaten Bocadillo, einen Pulpo (Octopus oder Krake) gegessen. Wer jemals in SdC war, kennt die Gasse mit den Restaurants und den ausgestellten Pulpos. Dieses violettrote Meerestier wird in Öl, Salz und Paprika gekocht und schmeckt sehr gut, wie ich nach einer Probe feststellen konnte. Ein Holzteller mit mundgerecht geschnittenen Stücken kostete in Melide, die Stadt ist für die Pulperias bekannt, nur 6,50 Euro. In SdC zahlt man dafür ein Mehrfaches und so habe ich die Spezialität auch gegessen.

Das Weggehen am heutigen Morgen, war ein Schock. Diese Massen an Menschen am Jw ist nicht mehr normal. Der Weg war nach Palas de Rei verstopft. Die nächste und letzte Steigerungsstufe ist die Mariahilferstraße an einem Einkaufssamstag im Advent.
Ich kämpfe mich durch ein Völkergemisch, von normalen Pilgern, bayrischen Bustouristen und spanischen Stempeljägern. Der abfallende Weg ist zerklüftet und so entstehen kleine freie Lücken, die ich springend wie ein junges Reh (ein 61-jähriges) ausnutze und so vorbeitänzle. Beim Überholen fühle ich mich dann so leicht und es ist, als ob ich Flügel hätte.
Gleich darauf ist der nächste Stau von sicher 30 Menschen auf einem Haufen und es geht zu wie bei einem Volksfest. Zehn Spanierinnen im besten Redealter verursachen einen unsagbaren Lärm, dass das Schlafen in einem Stall voller aufgescheuchter Gänse ein Ruhepol wäre. Auf gleicher Höhe übertöne ich das Gekreische mit meiner lautesten Stimmlage und rufe: "Net so laut, bitte!"
Da werden sogar die Spanierinnen für einen kurzen Moment still.
Ich kämpfe mich langsam aber sicher durch und schließe zur Führungstruppe der bayrischen Bustruppe auf. Obwohl sie mich kommen gesehen haben, gehen sie zu dritt und zu viert nebeneinander weiter. Freundlich gebe ich ein "Guten Morgen" von mir und frage: "Lassen mich die Bayern vor?" und so komme ich doch vorbei.
Dabei meint einer: "Der gibts a no langsamer."
"Ober net, wennst scho 2.700Km gegangen bist."
Da sagt eine der Frauen: "Des glauben wir net, des wolln ma sehn!"
Ich bleibe stehen und warte auf sie. Dann sage ich: "Schau mir in die Augen Kleines und schau auf mein Kreuz. Ein Pilger lügt nicht."
Dann gehe ich mit einem lachenden Buon Camino weiter und hinter mir ist es ruhig geworden.

In Leboreira findet sich eine sehr schöne romanische Kirche, die Santa Maria. An einer Wand sind auch alte Feskenbilder zu bewundern. Die kleine Kirche ist überlaufen. Es gibt doch einiges zu fotografieren und der Stempel macht sich gut in der Sammlung im Credencial. Ach ja, es ist ja eine Kirche, somit wird schnell noch ein verschämtes Kreuzzeichen gemacht. Übrigens, von der ersten Hälfte der sonst religiösen Bayern, die unterweg sind, war niemand in der Kirche. Dabei baumelt von jedem der kleinen Rucksäcke ein Holzkreuz mit der Aufschrift "Jakobsweg 2011". Diese mich Überholenden, schnappe ich mir dann wieder.

In der Landschaft sind nun viele Eukalyptusbäume zu sehen. Die hat man einmal eingeführt um ihr schnellwachsendes Holz für verschiedene Zwecke zu verwenden. Nun werden die sich schnellvermehrenden Bäume zur Plage, weil sie die einheimischen Hölzer verdrängen und durch ihre tief wachsenden Wurzeln den Grundwasserspiegel senken.

Nach meinem Mittagessen überhole ich zwei Damen der Bayernschar schon zum 3. Mal und im flotten Schritt. Da meint eine zur anderen: "Das was der heute zum Frühstück bekommen hat, das will ich morgen auch haben!" :-)

Heute habe ich es wieder geschafft. Bei einer steilen Schotterstraße überhole ich mit viel Elan zwei Radfahrer. Das gibt Motivation zum Gehen und macht das Gehen auch zum Spaß.

In Arzua suche ich mir wieder mein Zimmer, aber ganz so leicht ist das nicht. Die erste Pension verlangt 42€ für das Zimmer, die nächsten zwei sind ausgebucht (die vorgeschickten Koffer verstopfen den Platz vor der Rezeption). Das Zimmersuchen mit vollem Gepäck und nach 30Km, macht keinen Spaß. Doch beim nächsten Hostal finde ich ein schönes Zimmer um 36€ und das nehme ich auch.

So habe ich heute, an meinem 100. Gehtag meine letzte große Etappe absolviert und die zwei letzten kurzen Gehtage sollten ein fröhliches Vorbereiten auf den Moment sein, wenn ich auf den Platz vor der Kathetrale in SdC trete. Es wird ein großer Moment sein. Für alle Leobener zur Info, wenn am Samstag, irgendwann zur Mittagszeit, die Glocken der Jakobikirche läuten, dann zieht ein Pilger von St. Jakob in die Kathetrale von Santiago de Compostela ein und wird Gott und dem Hl. Jakob danken, dass er das gesund und mit viel Segen tun darf.

Auf diesen großen Moment freut sich Euer Pilger Walter schon und es freut mich, wenn Ihr in Gedanken dabei seid.