Donnerstag, 22. September 2011

Jubilaeum

Liebe Freunde,
ich möchte mit Euch ein Gläschen trinken. Heute feierte ich ein Jubiläum. Heute war mein 100. Gehtag! Nur stellt sich jetzt die Frage, wer ladet den Pilger Walter dazu ein? :-)
Ich habe mich heute Mittag selbst auf eine galicische Spezialität eingeladen. Meine Mittagspause habe ich in Melida in einer Pulperia verbracht und habe dort statt meinem obligaten Bocadillo, einen Pulpo (Octopus oder Krake) gegessen. Wer jemals in SdC war, kennt die Gasse mit den Restaurants und den ausgestellten Pulpos. Dieses violettrote Meerestier wird in Öl, Salz und Paprika gekocht und schmeckt sehr gut, wie ich nach einer Probe feststellen konnte. Ein Holzteller mit mundgerecht geschnittenen Stücken kostete in Melide, die Stadt ist für die Pulperias bekannt, nur 6,50 Euro. In SdC zahlt man dafür ein Mehrfaches und so habe ich die Spezialität auch gegessen.

Das Weggehen am heutigen Morgen, war ein Schock. Diese Massen an Menschen am Jw ist nicht mehr normal. Der Weg war nach Palas de Rei verstopft. Die nächste und letzte Steigerungsstufe ist die Mariahilferstraße an einem Einkaufssamstag im Advent.
Ich kämpfe mich durch ein Völkergemisch, von normalen Pilgern, bayrischen Bustouristen und spanischen Stempeljägern. Der abfallende Weg ist zerklüftet und so entstehen kleine freie Lücken, die ich springend wie ein junges Reh (ein 61-jähriges) ausnutze und so vorbeitänzle. Beim Überholen fühle ich mich dann so leicht und es ist, als ob ich Flügel hätte.
Gleich darauf ist der nächste Stau von sicher 30 Menschen auf einem Haufen und es geht zu wie bei einem Volksfest. Zehn Spanierinnen im besten Redealter verursachen einen unsagbaren Lärm, dass das Schlafen in einem Stall voller aufgescheuchter Gänse ein Ruhepol wäre. Auf gleicher Höhe übertöne ich das Gekreische mit meiner lautesten Stimmlage und rufe: "Net so laut, bitte!"
Da werden sogar die Spanierinnen für einen kurzen Moment still.
Ich kämpfe mich langsam aber sicher durch und schließe zur Führungstruppe der bayrischen Bustruppe auf. Obwohl sie mich kommen gesehen haben, gehen sie zu dritt und zu viert nebeneinander weiter. Freundlich gebe ich ein "Guten Morgen" von mir und frage: "Lassen mich die Bayern vor?" und so komme ich doch vorbei.
Dabei meint einer: "Der gibts a no langsamer."
"Ober net, wennst scho 2.700Km gegangen bist."
Da sagt eine der Frauen: "Des glauben wir net, des wolln ma sehn!"
Ich bleibe stehen und warte auf sie. Dann sage ich: "Schau mir in die Augen Kleines und schau auf mein Kreuz. Ein Pilger lügt nicht."
Dann gehe ich mit einem lachenden Buon Camino weiter und hinter mir ist es ruhig geworden.

In Leboreira findet sich eine sehr schöne romanische Kirche, die Santa Maria. An einer Wand sind auch alte Feskenbilder zu bewundern. Die kleine Kirche ist überlaufen. Es gibt doch einiges zu fotografieren und der Stempel macht sich gut in der Sammlung im Credencial. Ach ja, es ist ja eine Kirche, somit wird schnell noch ein verschämtes Kreuzzeichen gemacht. Übrigens, von der ersten Hälfte der sonst religiösen Bayern, die unterweg sind, war niemand in der Kirche. Dabei baumelt von jedem der kleinen Rucksäcke ein Holzkreuz mit der Aufschrift "Jakobsweg 2011". Diese mich Überholenden, schnappe ich mir dann wieder.

In der Landschaft sind nun viele Eukalyptusbäume zu sehen. Die hat man einmal eingeführt um ihr schnellwachsendes Holz für verschiedene Zwecke zu verwenden. Nun werden die sich schnellvermehrenden Bäume zur Plage, weil sie die einheimischen Hölzer verdrängen und durch ihre tief wachsenden Wurzeln den Grundwasserspiegel senken.

Nach meinem Mittagessen überhole ich zwei Damen der Bayernschar schon zum 3. Mal und im flotten Schritt. Da meint eine zur anderen: "Das was der heute zum Frühstück bekommen hat, das will ich morgen auch haben!" :-)

Heute habe ich es wieder geschafft. Bei einer steilen Schotterstraße überhole ich mit viel Elan zwei Radfahrer. Das gibt Motivation zum Gehen und macht das Gehen auch zum Spaß.

In Arzua suche ich mir wieder mein Zimmer, aber ganz so leicht ist das nicht. Die erste Pension verlangt 42€ für das Zimmer, die nächsten zwei sind ausgebucht (die vorgeschickten Koffer verstopfen den Platz vor der Rezeption). Das Zimmersuchen mit vollem Gepäck und nach 30Km, macht keinen Spaß. Doch beim nächsten Hostal finde ich ein schönes Zimmer um 36€ und das nehme ich auch.

So habe ich heute, an meinem 100. Gehtag meine letzte große Etappe absolviert und die zwei letzten kurzen Gehtage sollten ein fröhliches Vorbereiten auf den Moment sein, wenn ich auf den Platz vor der Kathetrale in SdC trete. Es wird ein großer Moment sein. Für alle Leobener zur Info, wenn am Samstag, irgendwann zur Mittagszeit, die Glocken der Jakobikirche läuten, dann zieht ein Pilger von St. Jakob in die Kathetrale von Santiago de Compostela ein und wird Gott und dem Hl. Jakob danken, dass er das gesund und mit viel Segen tun darf.

Auf diesen großen Moment freut sich Euer Pilger Walter schon und es freut mich, wenn Ihr in Gedanken dabei seid.

4 Kommentare:

  1. Herzlichen Glückwunsch zum Hunderter und alles Gute für die letzten zwei!
    Peter

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  2. hallo pilger walter! gratulation zum 1oo. gehtag. schade das es jetzt zum schluß so schlimm wird. hätten es nicht geglaubt, dass es so ausartet. das läuten der glocken der jakobikirche werden wir zwar nicht hören,sind für das zuweit entfernt, werden aber in gedanken
    bei dir sein, wenn du in die kathetrale von sdc einziehen wirst. für die zwei letzten gehtage gesundheit und alles gute. alexandra und werner

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  3. Buenas noches, querido Peregrino!
    Feliz cumpleanos(herzlichen Glückwunsch) zum 100.
    !Qué te vendiga Dios! (Gottes Segen!)
    Hab was zum Nachdenken bei Ulrich Hagenmeyer gefunden, der von Stuttgart(Ostfildern) nach Santiago und Finestere gepilgert ist:
    In der Natur, in dem was der Pilger von außen wahrnimmt, findet er sich wieder. Sein Empfinden der äußeren Welt spiegelt ihm gleichsam seine Seele und seine innere Welt. Nur das, wofür er empfänglich ist, kann ihn berühren. Nur das, wofür er eine innere Entsprechung hat, kann in ihm eine Saite zum Klingen bringen, bringt ihn in Resonanz mit seiner Umwelt. Was dem Pilger auf seinem leidvollen Weg widerfährt, widerfährt ihm demnach nur scheinbar. Es gehört zu ihm, entsteht aus ihm.
    Hermann Hesse: Was nicht in uns selber ist, das regt uns nicht auf.
    Ich habe sehr interessiert Dein Tagebuch gelesen u. auch schon sehr viele Bücher mit gleicher Thematik. Ich fänd es sehr(!) schade, wenn daraus nur 1 Buch würde!
    Buen camino y ultreja! Martina

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  4. Boa, schon Hundert! Das soll als Vorgabe fürs Lebensalter dienen!
    In einem aber irrst du, mein Bester: Der Stau gestern beim Business Run im Wiener Prater steht noch über der Mariahilfer Straße im Advent: 19 629 Teilnehmer auf 4,2km zu quetschen hört sich nach viel Stau an und genau so war es: Vernünftiges Weiterkommen - unmöglich.

    LG, Klaus

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