Bei Temperaturen knapp über Null Grad wartete heute eine 30Km lange Etappe mit einem Berg auf mich. Schon im Ort Herrerias begann es zu steigen. Zuerst noch auf der Straße und dann vor und nach La Faba auf steilen Gehwegen. Dieses Teilstück war echt fordernd und der Rest war eine normale Bergtour. Zum O-Cebreiro-Pass hat man ca. 600Hm zu ersteigen. Bei den untrainierten deutschen Pilgern heißt der Berg "Oh-Krepiero". Mir hat der Anstieg Spaß gemacht und einige Kurzbegegnungen brachten mir Anerkennung fürs Gehen und Bewunderung für meinen Weg.
Mit einer Südafrikanerin, deren Großvater Deutscher war, gehe ich einige hundert Meter und erzähle, dass mein Sohn Peter gerade in SA Urlaub macht und auch auf den Tafelberg gegangen ist und sie wohnt beim Anstieg auf diesen Berg.
Schon weit oben überschreitet man die Grenze zu Galicien, der westlichsten Region meines JW. Ein Grenzstein dokumentiert diesen symbolischen Übertritt. Von hier gibt es auch alle halben Kilometer einen Km-Stein, der die Entfernung bis SdC anzeigt. Von der Grenze sind es noch etwas mehr als 150Km zum Gehen.
In O Cebreira ist ein Touristenrummel. Zwei Autobusse haben einen Schwall Touristen in den Ort geschwemmt und die Kirche gleich voll. Zum Beten ist es dann besser, die Augen zu schließen und man wird so nicht abgelenkt. Vor der Kirche treffe ich 3 Tiroler Radfahrer, die begeistert sind, endlich einen Österreicher zu treffen und dass der ein "richtiger Pilger" (so ihre Aussage) ist, müssen sie mit Fotos dokumentieren.
Heute ist ein traumhaftes Herbstwetter und die Sicht auf die umliegenden Berge und auch in die Ferne war wunderbar. Ich kann mich gar nicht satt sehen. Die Landschaft ist von einem satten Grün geprägt und hat oft österreichische Formen. Die grüne Natur kommt von dem vielen Regen, den die feuchte Luft vom Atlantik in den Bergen auslöst. So hoffe ich, dass ich die letzten Tage mit dem schönen und trockenen Wetter weitergehen kann.
Es mir heute besonders aufgefallen, die Hunde liegen hier alle faul am Weg und es gibt, so wie in ganz Spanien, hier keine Hundeangriffe. Sie hätten dabei auch sehr viel zu tun. Da sage einer, Hunde wären nicht lernfähig.
Vom Cebreiropass darf man wieder ein Stück hinunter gehen, um wieder hochzusteigen und das zweimal. Dann endlich steht man am höchsten galicischen Punkt mit 1.337m und dort ist strategisch günstig eine Bar, die zur Stärkung einläd. Ich halte auch meine Mittagspause dort und bin aber eingekeilt zwischen lauten Spaniern und Deutschen, die ihr Wissen allen kundtun.
Beim baldigen Weitermarschieren komme ich vom Regen in die Traufe. Hier gehen Massen an "Pilgern" und für die Spanier ist das ein Familienausflug. Es ist oft kein Weiterkommen, ganz besonders in einem kleinen Ort. Da treffen die Herden von Pilgern auf eine entgegenkommende Herde von Kühen, die zu ihrer Weide wollten. Furchtlos, schließlich bin ich im Umgang mit den Rindviechern schon erfahren und ich kann auch meine Stöcke einsetzen, gehe ich an Mensch und Tier vorbei und habe einen Schwung Mitpilger abgeschüttelt.
Im Tross der Pilger treffe ich auch "alte" Bekannte. Ein reizendes junges Mädchen mit endlos langen Zöpfen traf ich oft Tag für Tag. Sie ging immer einsam und verschlossen dahin und ihre Grußantworten waren knapp. Einmal habe ich sie angesprochen und mit wenigen deutschen Worten, die sie kann, tauschen wir unsere Daten aus. Sie ist Tschechin und seither lächeln wir uns immer zu, wenn ich an ihr vorüber gehe. Nun habe ich sie schon mehr als eine Woche nicht gesehen. Und heute geht ein junges Paar vor mir händchenhaltend. Da sehe ich die langen Zöpfe, es ist die Tschechin und sie nun nicht mehr alleine. Ihre Hand hält nun ein junger blonder Bursche, auch mit langen Haaren. Ja, auch Gott Amor pilgert am JW. Wie wohl der Camino durch die rosarote Brille betrachtet, aussieht und wie wohl das Erleben des Weges ist, wenn die Schmetterlinge nicht nur vom Weg auffliegen, sondern auch im Bauch flattern?
Ich freue mich für sie und ihr grüßendes Lachen war heute noch herzlicher. Buon Camino fürs Leben!
Mit diesen Gedanken schließe ich meinen heutigen Bericht. Der Rest des Bergabgehens nach Triacastela war von der Landschaft her schön, aber erreignislos. Einfach nur bergabmarschieren.
In einer Herberge bekomme ich wieder ein Zimmer für mich und muss dafür 35€ hinlegen.
Euer Pilger Walter, der nach 30Km und der Bergetappe doch auch ein wenig müde ist.
5 x "schlafen gehen" sagen wir immer zu den Kindern, wenn ein besonderes Ereignis bevorsteht - und nach 5x schlafen gehen wirst Du, lieber Freund, die Kathedrale von Santiago betreten können. Für genügend Motivation bei dir ist da sicherlich gesorgt. Da konnten auch Temperaturen von knapp über Null Grad nichts anhaben,(übrigens - in Bad Hofgastein wurde die Zugverbindung durch vom starken Schneefall umgestürzte Bäume gesperrt!!), oder noch etliche Höhenmeter, die heute zu bewältigen waren, oder herumliegende Hunde, die du nicht mehr vertreiben musst, ein frisch verliebtes Pilgerpärchen, Tiroler Radler, Pilgermassen - und ein ordentliches Quartier hast du auch noch bekommen. Liebes Pilgerherz, was willst du mehr, könnte man da fast meinen - wir freuen uns riesig mit dir und wünschen dir, dass du auch die restlichen knapp 150 Gehkilometer gut meistern wirst. Aber davon sind wir fest überzeugt. Morgen oder spätestens übermorgen bist du schon zweistellig. Kannst dich noch an die Zeit erinnern, wo du noch in der Steiermark erstmals dreistellig geworden bist und welche kleine Vorfreude dir dies bereitet hat??? Das muss kurz vor Gröbming gewesen sein. Beim Zurückblättern ist uns auch ein Foto mit einer Tafel aufgefallen, das du im Raum Innsbruck (mit der "Jogger-Pilger-Zweikampf"-Geschichte) geknipst hast "Santiago 2.330 km" und darunter "es geht, wenn man geht" - und du bist gegangen und "es" ist gegangen. Unglaublich - und jetzt bist du knapp vor deinem Ziel.
AntwortenLöschenLieber Walter, wir wünschen dir alles Gute - wir begleiten dich im Geiste und freuen uns mit dir. Ganz liebe Grüsse Ingrid und Werner
Lieber Pilger Walter!
AntwortenLöschenWir sind voller Hochachtung und Bewunderung ob dieser imposanten Geh- unf Mentalleistung und verfolgen immer gespannt die interessanten, lehrreichen und amüsant formulierten Einträge in dein Pilgertagebuch, das in Buchform sicherlich ein Hit sein würde!?!Man geht in Gedanken die Strecke mit und kann sich bildlich so manch` Erlebtes gut vorstellen, ohne dass jedoch dabei die Fußsohlen oder die Knie schmerzen. Nun ist das Ziel so nahe vor deinen Augen und in deinem Herzen, mögen die letzten Kilometer nun leichten Schrittes wie im "Flug" vergehen! Mit den besten Wünschen und Gottes Segen für einen erfolgreichen spirituellen Pilgerreiseabschluss und eine gute Heimreise verbleiben wir mit einem Leobener "Glück auf!"
Eveline und Kurt Pressberger