Dienstag, 6. September 2011

I am from Austria

Liebe Freunde in Österreich und wo Ihr überall meine Berichte lest!

Heute war ein Tag der Begegnungen.
Wie immer wenn ich am Weg eine flüchtige oder eine tiefere Begegung habe, stelle ich mich stolz als Österreicher vor, denn das ist meine Heimat und von dort komme ich auch zu Fuß her. Direkt von meiner Jakobikirche gehe ich zur größten Jakobskirche.
In den Gastländern erkläre ich mich als Österreicher auch zum Schutz, damit ich nicht als Deutscher eingestuft werde. Es tut mir zwar Leid das sagen zu müssen, aber einige unserer bundesdeutschen Brüder haben ein Auftreten, dass dann nicht immer gut ankommt. Einige negative Beispiele sind mir selbst schon untergekommen, auch wenn ich davon nicht immer schreibe. Ich meine da zum Beispiel, die vier jungen rüpelhaften Deutschen von der Herberge in Cizur Menor, die leider immer wieder meinen Weg kreuzen und blöde Bemerkungen machen. Ich ignoriere sie. Oder in die Herberge in Ages kommt ein älterer Deutscher ohne Gruß in die Bar und frägt im alemanischen Befehlston: "Haben sie ein Zimmer frei?", also ohne höfliches Grüßen oder ein bischen respektvolles Eingehen auf die Sprache der Gastnation. Dass ihnen die schönen Doppelzimmer dann zu teuer waren, ist nur ein Nebenaspekt. Und von diesen Vorkommnissen könnte ich einige berichten, aber im Normalfall will ich solche negativen Erlebnisse nicht erwähnen und meinen JW dadurch nicht schlecht machen.
Mir tut es leid, für die vielen lieben Menschen aus Deutschland, die ich am JW kennen gelernt habe, die dann vielleicht unter diesen Einschätzungen zu leiden haben.
Warum ich heute darüber schreibe, wird im Laufe des Berichtes klar werden.
An dieser Stelle grüße ich ganz besonders meine Teilzeitweggefährtin Martina aus Frankfurt a.d.O. Ich danke Dir auch für das virtuelle Mitgehen und die vielen aufbauenden Kommentare.

Heute hatte ich einen gemütlichen Gehtag vor mir, als ich nach einem tiefen und festen Schlaf im Hotel von Fromista weggehe und zu einer Bar zum Frühstücken marschiere. Die 6Km mehr, die ich gestern gegangen bin, bringen mir heute einen kurzen Weg, denn weiterzugehen, in das klassische Teilstück der Meseta, ist nicht sinnvoll.

Auf dem Weg kassiere ich zwei typische und humorvolle Einschätzungen über uns Österreicher. Beim Frühstück treffe ich zuerst zwei Kölnerinnen, die ganz baff sind, dass man so weit gehen kann. Sie selbst haben schon massive Probleme und werden in Leon abbrechen. Vielleicht schaffen sie es aber doch weiterzugehen. Unterwegs hole ich sie ein und nach ein paar heiteren Worten ziehe ich weiter. Ihre Einschätzung hinter meinem Rücken war aber noch für mich bestimmt. Sie meinten, das ist klar, dass er so geht, er ist eine typisch österreichische Bergziege. Ich sehe das als Lob :-)
Nicht viel weiter spreche ich ein älteres Ehepaar an, weil ich fast deutsche Worte höre. Es sind zwei Dänen und ein paar Worte wechseln wir auch. Beim Weitergehen "versucht" der Mann, mir hinterher zu jodeln. Mein fröhliches Holodriooo als Antwort kam vom Herzen und war um einiges lauter.

In Poblacion de Campos habe ich Glück und die Kirche ist für einen Besuch offen. Es sitzt zur frühen Morgenstunde schon jemand da und stempelt die Credencial ab. Nach dem stillen Gebet fühle ich mich gleich freier und erst so richtig am Jakobsweg, wo ich schon seit über drei Monaten zu Hause bin.
Erschreckend ist, dass die große Masse an "Pilgern" auch an den offenen Kirchen einfach vorbei geht und wenn sich einige hinein verirren, dann nur um zu fotografieren. Soviel zu der Massenpsychose Jakobsweg. Das hat mit Pilgern nichts mehr zu tun.
Ich verzichte lieber auf Fotos von den Kircheninneren, wenn man fürs Betreten der Kirche zahlen muss. So wie gestern in Fromista, deren schönes romanische Kircheninnere, ich nur vom Eingang aus gesehen habe. Aber auch die für Fromista typische Aussenfassade bietet wunderbare Blick- und Fotomotive.

Auf der sogenannten Pilgerautobahn,
weil der Weg gerade und neben der Straße geführt wird, habe ich ein heimatliches Erlebnis und eine Bekanntschaft. Ich sehe schon eine Weile vor mir eine Frau im flotten Schritt gehen und denke mir, die ist sicher geh- und bergerfahren. Und wie,es ist Ina aus Graz, ein Alpenvereinsmitglied. Das ist für mich heimatferner Pilger ein schönes Geschenk, jemanden aus der Heimat zu treffen. Wir gehen einige Kilometer miteinander und merken im wechselhaften Plaudern gar nicht, wie die KM verfliegen und wie steinig der Weg ist. Ina ist schon im Vorjahr einiges des JW gegangen und will nun, den ganzen spanischen Weg gehen, auch für ihren Mann, der verstorben ist.
Auch sie beklagt den Massentourismus am Weg und dass heuer die Menschen viel unfreundlicher und gehetzter unterwegs sind. Besonders haben sie einige negative Begegnungen mit deutschen Pilgern entsetzt. Deren Auftreten waren oft sogar beleidigend.
Vor Villalcazar de Sirga trennen wir uns, um wieder alleine weiter zu gehen und ich wollte in dem Ort eine Jausenpause einlegen.

Die Kirche von Villalcazar aus dem 13. Jhd. wird wegen ihres Übergangs von der Romanik zur Gotik als sehenswert beschrieben. Sie ist leider total eingerüstet und war versperrt. Doch als ich mit meiner Jause fertig bin, wurde gerade aufgesperrt und ich wollte auch in dieser Kirche beten. Nur hier herrscht die gleiche Unart, man mus für den Kirchenbesuch zahlen. Nach einem Foto von dem reichgeschmückten Torbogen, gehe ich einfach weiter und bete unterm freien Himmel, das ist die schönste Kirche.

Noch vor 12h treffe ich in meinem heutigen Etappenort Carrion de los Condes ein und finde im Klarissinenkloster, das auch eine Herberge und eine Pension betreibt, ein einfaches, aber nettes Zimmer mit Bad und WC um 21€.
Da bin ich glücklich darüber, in diesem Kraftort gut nächtigen zu können. Die Kirche "gehört" beim Besuch ganz mir und ich kann dort das "Vater unser" für mich allein singen.

Morgen steht das härteste Teilstück der Meseta am Programm. Auf 18Km kein Baum, kein Ort - nichts! Nur eine Ebene und gerade führt der Weg da durch. Eigentlich freue ich mich schon darauf, denn was ich bisher von der Landschaft der Meseta gesehen habe, das war schön.
Durch die Wahl des Etappenortes kann ich die Meseta in den Morgen- und Vormittagsstunden durchschreiten, das macht die Belastung durch die Sonneneinstrahlung sicher etwas leichter und vor Regen muss ich anscheinend auch keine Angst haben.
Ich muss auch sagen, mit dem Wetter habe ich bisher großes Glück (Danke Hl. Jakobus), es herrscht ein schönes herbstliches Wetter. Die Hitze ist hier nicht mehr stark zu spüren und ich bin auch bald nach Mittag immer schon am Tagesziel.

Nach einer gemütlichen Rast für meine Füße und einer genüsslichen Siesta habe ich den heutigen Bericht fertig und ich werde nun den Ort erkunden. Für das Abendessen suche ich noch ein gutes und preiswertes Restaurant und für morgen früh, eine Bar, wo ich ein Frühstück bekomme.

Euch alle grüße ich vom Jakobsweg und ich freue mich schon, wenn ich viele von Euch wieder treffen werde.
Euer Pilger Walter

3 Kommentare:

  1. Hallo Walter "aus Österreich", schön zu lesen, dass es dir gut geht. Scheinbar sind doch sehr viele Touristen und weniger Pilger unterwegs. Wünsche dir auf deinen weiteren Teilstücken viel Kraft und freue mich auch darauf, wenn wir uns wiedertreffen. Liebe Grüsse aus Kindberg - Erich

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  2. Buenas noches, lieber Walter!
    In Carrión de los Condes haben wir einen wunderbaren Pfingstgottesdienst erlebt, weil die Nonnen aus dem Kloster in herzergreifender Weise und mit glasklaren Stimmen gesungen haben. Wir dachten erst, es sei Musik aus der "Konserve", aber Du wirst es bestimmt auch heute erlebt haben: unvergeßlich schön! Ich bin ganz erschüttert, dass jetzt scheinbar alle Kirchen einen Eintritt fordern, aber das bereitet mich natürlich auf meinen nächsten Camino auf der Via de la Plata vor. Ich weiß noch nicht, ob ich dann nicht doch lieber Eintritt bezahlen werde, weil ab und zu brauche ich schon eine Kirche u. letztlich kommt es ja doch der Kirche zugute; hoffe ich.
    Mit "den Deutschen" ist es so ein Thema. Es gibt auch für mich Situationen, wo ich probiere, mich nicht als eine solche zu outen, weil mir meine Landsleute peinlich sind. Aber ich habe damals in einer Krise auf dem Jakobsweg einen guten geistlich Pilgerführer dabeigehabt(Klaus Schönberg), der seiner eigenen Unzufriedenheit auf die Spur kommen wollte:... Ablehnung und Annahme, sich selbst und anderen Gutes gönnen, Menschen lieben, weil sie von Gott geliebt sind, und nicht, weil mir gefällt, was sie tun.
    Das klingt ein bischen unerrreichbar, aber es hat mir geholfen, wenn ich gerade dabei war, andere ganz auf meine "Abschußliste" zu setzen.Davon gab es auch für mich einige Abenteuerpilger. Nicht, dass Du Dir von solchen Typen Deinen besonderen Weg verhageln läßt! Es kommen doch noch so schöne Strecken auf Dich zu.
    Ich freue mich richtig mit Dir!
    Ich wünsche Dir buen camino mit der Losung(Herrnhut): Bemüht euch desto mehr, eure Berufung und Erwählung festzumachen. Denn wenn ihr dies tut, werdet ihr nicht straucheln. 2.Petrus 1,10

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  3. Lieber Pilger Walter, für die heutige Meseta viel Kraft und Stärke wünschen Dir Helmut und Elvira. Schicken Dir über den Äther steirische Energie und Ausdauer!

    Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden. (Psalm 23, 1f)

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