In meinem gestrigen Quartier lernte ich Hans-Peter aus der Lüneburger Heide kennen. Er geht mit 71 Jahren zum vermutlich letzten Mal den JW. Es ist seine 5. Begegnung mit dem Weg und jedesmal geht er teils gleiche und teils unterschiedliche Streckenabschnitte. Er ist somit schon ein alter Hase am JW und er beklagte auch den Verfall des spirituellen Weges. Er meinte, nun habe er genug davon, denn das ist Massentourismus und die einst idylischen Wege sind zu breiten wertlosen Geh-Autobahnen verkommen. Das macht ihm keinen Spaß mehr.
Im Garten unseres Quartiers hatten wir ein sehr interessantes Gespräch und wir haben beide ähnliche Gedanken und Anschauungen. Es war nett ihn zu begegnen. Heute in Astorga bricht er den Weg ab, fährt mit den Bus nach SdC und will sich dann dort mit seinem Sohn treffen und noch nach Finistere marschieren. Beim Frühstück und einige hundert Meter am Weg, haben wir noch Gelegenheit unsere Gedanken auszutauschen. Das ist ein Gesprächsstoff, mit dem wir beide etwas anfangen können, denn in den Herbergen herrscht soviel oberflächliches Gequatsche.
Bei der Kurzbesichtigung von Hospital, ist nur die 205m lange und auf 20 Bogen ruhende römische Bücke interessant. Die Kirche ist leider versperrt und so kehre ich lieber in einer Bar ein, um ein Bier zu trinken. Da mache ich eine Beobachtung, die ins Reich des Irrsinns gehört. Ich gönne mir mein kühles Blondes an einem schattigen Tisch im Freien. Über dem Eingang läuft sogar im Freien ein Fernsehgerät mit entsprechender Lautstärke und dem nutzlosen Gewäsch. Das sind Auswüchse und man kann sich dieser Berieselung nicht mehr entziehen.
Das Essen, welches nur für mich zubereitet wurde und auch das Frühstück, sind ausgezeichnet und mehr als reichlich. Ich mache wie mein kleiner Enkel Lukas "Hmmmm" und reibe auch mein Bäuchlein.
Vielleicht habt Ihr es an meinen Berichten bemerkt, aber es geht mir mental wieder sehr gut. Das was "ich" verändern konnte, habe ich getan und ich finde seit meinem letzten Herbergsfrust immer ein gutes Zimmer. Und alles was "ich" nicht ändern kann, das akzepiere ich als gegeben - siehe Pilgermassen.
So habe ich wieder meinen inneren Frieden gefunden und es macht wieder oft Spaß den Weg zu gehen. Immer wieder bekomme ich, oft nur für kurz, nette Menschen als Begegnung geschenkt und das baut auf.
So genieße ich meine letzten Tage am JW, 90% sind schon Geschichte (jetzt in meinen Geschichten nachzulesen) und nur mehr 10 Gehtage liegen vor mir. Ich hoffe für den letzten Ansturm an Pilgerwahnsinn (100Km vor SdC) gerüstet zu sein. Ich vertraue da auch auf Gott und den Hl. Jakobus, der mir da sicher auch beistehen wird.
Auch für die heutige kurze Etappe (17Km) bis Astorga, gibt es zwei unterschiedliche Routen. Die kurze (Pilger)Autobahn-Route und eine etwas längere über Hügel und durch ein Naturschutzgebiet. Ich wähle wieder die weitere Variante, nur leider auch die Mehrheit der Pilger tut das.
Der Weg führte heute bergauf, auf eine Hochebene, und über sehr schlechte und steinige Eselspfade, die über die alte Römerwegstrecke geht.
Unterwegs überkommt mich fast der Zorn. Eine englisch sprechende Gruppe ver(un)ziert mit Aufschriften und allerlei blödem Tand ein geweihtes Wegkreuz und die nebenstehende Jakobsfigur. Der Pilgermassentourismus muss überall seine Spuren hinterlassen, nur im Geist und im Herzen bleiben keine Spuren zurück, weswegen sie den Pilgerweg gehen.
Am Ende der Hochebene hat man einen phantastischen Blick in das Tal und auf die Stadt Astorga und mitten drinnen thront die mächtige Kathetrale.
Hinter der Stadt baut sich schon die Berglandschaft, die in den nächsten Gehtagen auf den Pilgeransturm wartet.
Nun führt eine aufwändig gepfasterte Luxuspilgerstraße von der Anhöhe hinunter. Im kleinen Vorort San Justo de la Vega finde ich eine offene Kirche im modernen Baustil. Bemerkenswert sind die realistischen Malereien hinter dem Altar. Die Bibelsszenen sind so detailreich gemalen, dass es mich nicht wundern würde, wenn einzelne Personen des Ortes dafür Modell gestanden sind.
Die Wegführung nach Astorga hinein, ist sauschlecht und umständlich. Aber die Türme der Kathetrale sind gute Wegweiser. Nur in der Altstadt helfen auch sie nichts mehr. Hier ist heute Kirtag und die ganze Stadt ist mit Ständen und Menschen verstopft. Da findet man keine Quartiere und ich schaffe es irgendwie bis zur Kathetrale und das nebenliegende Tourismusbüro mich durchzukämpfen. Hier bekomme ich von einem deutschsprechenden Mitarbeiter eine Hotelliste und einen Stadtplan mit Markierungen, wo die für mich interessanten Quartiere liegen.
Ich steuere in der Nähe ein als Hostal geführtes Objekt am Rande der Altstadt an. Nur an der Adresse ist kein Hinweis auf ein Hotel oder ähnliches zu sehen. Die Adresse stimmt und ich läute einfach an. Ich gebe meinen Wunsch auf ein Zimmer durch die Sprechanlage bekannt und werde eingelassen.
Drinnen kreuzen meinen Weg Nonnen. Aha, bin ich in einem kirchlichen Haus gelandet? Ja, das habe ich dann auch am Namen "Casa Sacerdotal" mir übersetzen können. Es heißt "Haus der Priester" oder so ähnlich.
Nur hier ist noch etwas anderes: Durch die Gänge gehen nur alte gebrechliche Menschen, Männer wie Frauen. Ich bin in einem ALTERSHEIM gelandet, und das mit meinem Alter! Ich kriege die Krise :-)
Nein, das muss es nicht sein, denn die Schwestern betreiben im selben Haus auch einige Pensionszimmer und in einem davon sitzt jetzt der "alte" Pilger Walter und schreibt diesen Bericht.
So ist auch dieser Tag wieder ein guter Tag geworden und Eurem Pilger Walter geht es bestens. Er wird sich dann noch auf einen Stadtbummel aufraffen.
Seid alle gegrüßt und freut Euch mit mir,
Euer Pilger Walter
Buenas noches, lieber Walter! Der count-down läuft also schon und es kommen noch so wunderbare Orte! Astorga hat mir auch beim 2. Besuch sehr gut gefallen. Wir haben dort einen sehr schönen Gottesdienst in der Kathedrale erlebt u. morgens ohne Touristen ist die Stadt bezaubernd. Als "Jüngling" in der Altenbetreuung das ist doch was!Ich wünsche Dir für morgen nette Mitpilger(ich glaube fest daran, dass die meisten netter sind, als sie sich anmerken lassen!), einen guten Weg über Cruz de Ferro und Rabanal(meine Lieblingsstrecke, da wäre ich gerne länger geblieben)und hoffe und bete natürlich für ein wieder schönes Quartier.
AntwortenLöschenGottes Segen auf all Deinen Wegen.
Martina
Ich will dich preisen unter den Völkern, o Herr,und deinen Namen lobsingen. Psalm 18,50
Lieber Pilger Walter!
AntwortenLöschenSpürst Du eigentlich nicht, wie wir täglich neben Dir gehen?
Spürst Du eigentlich nicht, wie wir Deine Augen immer zu den gelben Pfeilen lenken, damit Du keine Abbiegung übersiehst?
Spürst Du eigentlich nicht, wie unsere schützenden Hände Deine Knie und Füsse stützen, damit Du keinen „Fehltritt“ machst?
Spürst Du eigentlich nicht, wie wir Deinen Blick stets auf wichtige Stellen, Plätze und Punkte lenken, damit Dir ja nichts entgeht?
Du siehst, wir sind bei Dir und begleiten Dich auch auf Deinen nun letzten Etappen bis SdC. Danke für Deine täglichen lieben und ausführlichen Tagesberichte! Wie lange sitzt Du eigentlich täglich an Deinem „Mäuseklavier“, um diese umfangreichen Schilderungen an uns zu senden? Du musst ja in den letzten 3 ½ Monaten ein wahrhaft weltmeisterlicher „Tipper“ geworden sein. Das ist halt der Vorteil, wenn man alleine geht. Zu zweit oder zu „mehrt“ nimmt man sich vielleicht nicht die Zeit dazu und verwendet für den Partner mehr Zeit und nimmt auf ihn Rücksicht. So kannst Du so richtig „rücksichtslos“ sein! Ein arabisches Sprichwort sagt: „Wer selbst seinen Weg weiß, schließt sich keiner Karawane an.“ Geh weiterhin Deinen Weg und lass Dich nicht beirren durch gutgemeinte Ratschläge von wem auch immer. (Aber wem sag ich das!)
Heute geht es wieder einmal für unsere steirische Gemse Walter hinauf. Wir erinnern uns so gerne auch auf diese Etappe von Astorga nach Foncebadon, von wo man einen tollen Aus- und Rundblick hat. In unserem Quartier in Foncebadon haben einmal deutsche Pilger für uns den Donauwalzer im Musikwurlitzer spielen lassen und Elvira und ich haben dabei auf der Terrasse getanzt. Schöne und bleibende Erinnerungen!
Alles Gute weiterhin!
Bon Camino, Walter!
Liebe Grüße aus unserer schönen Steiermark
senden Dir Elvira und Helmut