Montag, 12. September 2011

Ein schoener Tag

Liebe Pilgerbegleiter!

Ich bin startbereit und heute soll es über 29Km nach Hospital de Orbigo gehen. Habt Ihr Eure Schuhe geschnürrt, den Rucksack gepackt und die Wasserflaschen gefüllt? Dann können wir losmarschieren. Ultreija - Weiter geht es!
Es freut mich, wenn viele mit mir gehen und mir den Tag verkürzen. Was heißt, Ihr habt keine Zeit? Ihr müsst arbeiten?
Na gut, dann bin ich wieder alleine unterwegs, aber vieles von dem, was ich erlebe, entgeht Euch dann.
Macht Ihr es Euch auf den Sofas bequem, nehmt Euch ein Bier und begleitet mich in Gedanken. Wie Ihr das im Büro handhabt, müsst Ihr selbst wissen :-)

So bin ich wieder allein unterwegs. Nein, ganz allein doch nicht. Mein Schatten begleitet mich immer und mein Freund, der Hl. Jakobus.

Um 7h starte ich ohne Rucksack in den Ort um eine Bar für ein Frühstück zu suchen. Etwa 300m entfernt, finde ich eine offene Bar und ich kann mich für den Tag stärken und erst dann hole ich den Rucksack ab, den mein Hotel lag direkt am JW am Ortsende.
Erst jetzt, um 7:30, macht es Sinn sich auf den Weg zu machen. Nun beginnt langsam der Tag.
Man müsste hinten Augen haben um jeden Augenblick des Hellwerdens vom Glutrot über ein leuchtendes Orange bis zum gleißenden Gelb des hellgewordenen Morgens sehen zu können und dann auch die herrlichen Momente des Sonnenaufgangs mitverfolgen zu können.
Das ist jeden Tag eine Pracht, aber heute wirkt es am klaren Himmel besonders eindrucksvoll.

Gestern beim Abendessen hatte ich noch die angenehme Gesellschaft von Silvio, einem Schweizer, der den Camino Frances geht. Er stammt auch von einem Bergvolk ab, denn er geht Etappen um die 40Km. Das wäre für meinen langen Weg nichts.
Im sonst leeren Restaurant setzt sich Silvio an meinen Tisch und wir hatten eine anregende Diskussion.

Ich entscheide mich heute für eine 3-4Km längere Wegvariante. Der Hauptweg geht die ganze Strecke neben der vielbefahrenen Nationalstraße und wird auch von den meisten Pilgern, wegen seiner Kürze begangen. Mir ist es recht so, auf dem Alternativweg bin ich lange Zeit alleine unterwegs. Das ist heute einer meiner schönsten Gehtage in Spanien.

Eine reizvolle Hochebene, wobei die Betonung auf Ebene liegt, ist heute zu durchschreiten. Zuerst ist links und rechts des JW ein unfruchtbares Land zu finden. Dürres Gras, Ginsterbüsche, Hagebuttensträucher mit ihren roten Früchten und anderes Gesträuch und ein paar Bäume waren das Bild, das sich mir beidseitig des Weges bot.
Dann werden abgeerntete Getreidefelder meine Begleiter und später werden es dann niedriger Mais, Rübenfelder und Weiden für Rinder.
Mir gefällt diese Landschaft, auch wenn es hier viele KM gerade dahin geht.

Mitten im schnurgeraden Gehen, kommt total unmotiert eine kleine S-Kurve. Zum Glück hat das eine Gefahrentafel angezeigt. Nicht auszudenken was passieren hätte können, wenn der Pilger Walter in der Trace des schattenlosen Marschierens,diese "Gefahrenstelle" übersehen hätte.

Bei Tio Pepe in Villar de Mazarife mache ich Pause und habe das größte und beste Bocadillo vom ganzen JW bekommen. Es ist etwa 40cm lang und dick mit feinem luftgetrocknetem Schinken und Käse belegt. Und ich kann das bewerten, ist doch dieses Baguettebrot mein "tägliches Brot" am Vormittag.
Man merkt auf dieser Strecke, dass hier viel weniger Pilger unterwegs sind. Nicht nur, dass ich kaum Pilgerkollegen getroffen habe, man merkt es am Verhalten der Einheimischen. Soviel Freundlichkeit beim Grüßen, in der Bar und dann in der Kirche ist mir am gesamten spanischen Weg noch nicht begegnet.
Während ich meinen Jausenpause halte, wird nebenan die kleine und liebe Jakobskirche aufgesperrt und ich kann meinem Begleiter, der vom Altar herunter schaut, danken für diesen Tag und für all die Tage der Hilfe. Dieses unerwartete Kleinod war für mich heute ein kleines Highlight.

Km um Km waren bis Hospital de Orbigo noch zu gehen und dann am Ortsanfang gab es eine unklare Wegsituation. Bei einem Kreisverkehr zeigten die gelben Pfeile nach rechts, aber im Führer wird keine Richtungsänderung beschrieben, sondern nur auf die berühmte lange römische Brücke verwiesen und geradeaus war eine Brücke zu sehen. Ich gehe also so weiter und auf der Brücke merke ich, das war falsch, den rechts vom Flusslauf sieht man die historische Brücke und auch den Kirchturm, also das Zentrum.
Ich ärgere mich etwas und will dann gleich nach rechts gehen, um ins Zentrum zu kommen. Da steht am Straßenanfang gleich ein Schild mit dem Namen der Pension, wo ich hin will. Ich bin also doch "richtig" unterwegs. Dieses B&B-Quartier wird im Führer als exquisit und unbedingt erlebenswert beschrieben. Beste Qualität, aber leider nicht billig. Das ganze Haus strahlt Gediegenheit aus, aber es ist alles ausgebucht. Eigentlich bin ich froh darüber, denn ein EZ mit Frühstück um 50€ wäre mir dann doch zu teuer und so gehe ich suchend weiter. Nur 200m die Straße entlang, finde ich eine Casa Rual und frage hier um ein Zimmer. Kein Problem, in diesem wunderschönen Haus mit einem Prachtgarten, wo ich in einer Liege sitze und diesen Bericht schreibe, bekomme ich "mein" feines Zimmer und das um nur 20€. Frühstück bekomme ich auch um 3€ und ein Abendessen wird mir auch um 10€, so wie in den Restaurants, gekocht.
Da hat heute wohl jemand sehr stark mitgeholfen, dass es mir so gut geht. Ihr könnt es Euch denken, wer meinen Schritt in diese Richtung gelenkt hat. Ich sage nur danke dafür.

Weil ich schon früh an meinem heutigen Zielort bin, kann ich mir eine genussvolle Siesta leisten, bevor ich nun im Schatten der Bäume meinen Bericht für Euch schreibe. Später will ich noch den Ort besichtigen.
So grüße ich Euch alle, die Ihr mich gedanklich auf dem Weg begleitet.
Euer Pilger Walter

5 Kommentare:

  1. Buenas noches, Pilger Walter! Wie gerne wäre ich heute mit Dir gelaufen. Aber Du schilderst es so anschaulich, dass man es förmlich vor Augen hat.
    Wie schön Dein Tag heute war und wie viele Dinge(Quartier) sich scheinbar von allein regeln!
    Eine gute Zeit fällt nicht vom Himmel.Wir schaffen sie selbst. Sie liegt bereit in unserem Herzen.
    F.Dostojewski

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  2. hallo pilger walter! lesen immer ganz begierig deine berichte und freuen uns jeden tag mit dir. besonders das du gesund und gut gelaunt dein tagesziel erreichst, mit erfolg dein eigenes zimmer findest und dann auch noch endlos lange und präzise berichte für uns, die dich geistig begleiten, schreibst. danke dafür und für die letzten km nach sdc alles gute. alexandra und werner

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  3. Lieber Walter!
    Ein wenig spät aber von Herzen senden dir auch die Füchse für die letzten Tage noch ein gutes w
    eiterkommen sowie einen guten Flug nach Hause
    Herzlichst Robert und Anneliese

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  4. Lieber Pilger Walter!
    Wir sind voller Hochachtung und Bewunderung ob dieser imposanten Geh- unf Mentalleistung und verfolgen immer gespannt die interessanten, lehrreichen und amüsant formulierten Einträge in dein Pilgertagebuch, das in Buchform sicherlich ein Hit sein würde!?!Man geht in Gedanken die Strecke mit und kann sich bildlich so manch` Erlebtes gut vorstellen, ohne dass jedoch dabei die Fußsohlen oder die Knie schmerzen. Nun ist das Ziel so nahe vor deinen Augen und in deinem Herzen, mögen die letzten Kilometer nun leichten Schrittes wie im "Flug" vergehen! Mit den besten Wünschen und Gottes Segen für einen erfolgreichen spirituellen Pilgerreiseabschluss und eine gute Heimreise verbleiben wir mit einem Leobener "Glück auf!"
    Eveline und Kurt Pressberger

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  5. Hallo Walter

    der Pilger Silvio aus der Schweiz, der sich eben an diesem Tag zu Dir an den Tisch gesetzt hat ist nun auch wieder in der Schweiz und grüsst dich herzlich. Silvio

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