Freitag, 16. September 2011

Ein Pilger aus der Steiermark

Liebe Freunde!

Heute morgen war der Himmel nach den gestrigen Regenschauern überwiegend bedeckt.
Wegen des Regens habe ich gestern meine Wäsche zum Trocknen 2x am Minibalkon und 2x im Zimmer aufgehängt. Beim beginenden Regen schnell herein ins Zimmer, dann wieder hinaus auf den Balkon und vorm Schlafengehen wieder alles im Zimmer aufhängen. Und so war die Wäsche am Morgen wieder trocken.
Das Anbringen der Wäscheleinen gehört täglich zu den logistischen Herausforderungen. Alle möglichen Halterungen werden zum Festbinden der Leine verwendet, so wie Fernsehgerätehalterungen, Kastengriffe, Tür- und Fensterangeln, Lampenschirme und auch die dünnen Luftschlitze der Rollläden müssen als Wäscheleinenbefestigung herhalten. Dass ich dabei oft wie ein Affe herum klettere, könnt Ihr Euch vorstellen. Es wäre etwas für die Sendung "Mit versteckter Kamera".
Auch jetzt, in meinem Zimmer in Villafranca del Bierzo baumelt die nasse Wäsche im Wind zwischen den Fensterflügeln.

In diesem Teil des spanischen JW sind nun die meisten Kirchen geöffnet und es wartet auch jemand, um die Pilgerpässe abzustempeln.
Eine kleine, aber sehr liebe Kirche in Columbrianos hat um 1/2 9 schon offen und die "Helga" (unsere Vorsitzende und Fee der Jakobigemeinde) dieser Kirche putzt das Gotteshaus für den Sonntag. Zusätzlich stempelt sie auch die Pässe ab. In dieser Kirche ist besonders beeindruckend der geschnitzte und naturbelassene Altar.
So kann ich heute fast in jedem Ort eine offene Kirche finden und mich so immer mehr auf mein Ziel SdC vorbereiten.

Einen Tempel der anderen Art besuche ich in Camponaraya. Hier ist am Ortsrand die Bodega de Bierzo mein Ziel. Ich muss hier den Wein der Region, der in Folge massenhaft angebaut wird, verkosten. Diesen Tipp habe ich aus meinem Führer, aber auch ein Schild weist darauf hin.
Der verkostete Weißwein ist nicht mein Geschmack, aber zu dem angebotenen pikanten Teigtaschen schmeckt er dann doch. Der Rosewein hat eine gute Note und mundet sehr gut. Ich bitte dann noch um einen guten Qualitätsrotwein und bekomme einen ausgezeichneten Reserva kredenzt. Für meine weinliebenden Söhne die Daten:
"Gran Bierzo / Tinto Mencia / Reserva 2004". Der Wein kann was und den würde ich gerne am Abend zum Essen trinken. Aber auch der zum Essen angebotene und immer gekühlte "Tinto de Mesa" schmeckt mir hier in Spanien.
Nach dieser Verkostung brauche ich kein Red Bull um Flügel zu bekommen, die drei kräftigen Proben guten spanischen Weines, lassen den Pilger Walter auch auf Wolken schweben. Kein Stein am Weg kann den Füßen etwas ausmachen. Ob das ein bewährtes Mittel gegen feurige Fusssohlen ist?

Wenn man an spanischen Wein denkt, dann wird der Wein aus Rioja sehr präsent sein. Aber viele Regionen haben ihren eigenen Wein und sicher auch ihre eigenen Sorten.
Der Wein aus der Region Bierzo muss aber auch einen großen Stellenwert haben. Es gibt hier riesige Weingärten und Weinberge. Zwischen Cacabelos und Villafranca nahm ich einen Umweg über einen ruhigen Streckenverlauf in Kauf und marschierte die ganze Strecke (ca. 8Km) nur zwischen den Weingärten hindurch. Überall sieht man schon die Menschen bei der Weinernte.

Nun findet man in den Orten oft hohe Steinkreuze mit Darstellungen des gekreuzigten Jesus und auf der anderen Seite vom Hl. Jakobus. In Richtung SdC gehend sieht man den Jakobus, man geht ja auf ihn zu und beim Rückweg sieht man dann Jesus am Kreuz. Man war in SdC und hat das Heil gesehen.

Vor Cacabelos treffe ich am Weg zwei junge Burschen und aus ein paar Gesprächsfetzen höre ich den österreichischen Dialekt heraus. Ich stelle mich vor und lerne somit Matthias aus Salzburg und Lukas aus Ratten in der Steiermark kennen. Sie haben sich auch getroffen und gehen nun den Weg gemeinsam. Und jeder der beiden Burschen geht von Zuhause den ganzen Weg (Lukas über Graz und Marburg). Das nötigt mir Respekt ab und wir kommen ins Plaudern. Matthias beginnt in Wien mit dem Physikstudium und Lukas wird ab Oktober in Graz Priesterstudent werden.
In Cacabelos möchte ich eine Jausenpause einlegen und ich lade die sympathischen jungen Burschen zu einem Getränk ein. Ich will einfach mit diesen jungen Menschen, die diesen Weg beschreiten, etwas plaudern. Lukas hat schon 4 Jahre im Seminar in Graz verbracht und wurde für den Weg auch vom Regens des Priesterseminars gesponsert. Er meint, dass ihm auf dem Weg vieles klarer geworden ist und er sich seiner Berufung nun noch sicherer ist.
Beide Burschen beklagten auch die Zustände am JW. Das was da in der Oberflächlichkeit des Laufens abläuft hat mit Pilgern nichts zu tun - so ihre Worte. Und sie haben auch ihre Probleme mit dem Auftreten der Menschen aus gewissen Nationen (ohne dass ich da ins Detail gehen möchte). Das sind Beobachtungen von Menschen, die noch keine 20 Jahre alt sind.
Mir hat die Stunde mit diesen jungen Menschen, die unsere Zukunft sind, sehr viel Kraft geschenkt und ich habe ihnen für ihren (Lebens)Weg meine besten Wünsche mitgeben.
Wir sind dann getrennt weiter marschiert, weil wir auch andere Etappenziele hatten.

In Villafranca del Bierzo, dem kleinen Santiago de Compostella, finde ich wieder ein sehr gutes Zimmer, nicht ganz billig, aber für meinen morgigen (letzten) Ruhetag will ich ein gutes Zimmer haben, wo ich mich auch wohlfühle.
Die berühmte romanische Kirche habe ich schon beim Einmarschieren in den Ort kurz besucht. Wer bis hierher gepilgert ist und aus gesundheitlichen Gründen nicht weitergehen kann, bekam schon hier den Ablass. Darum auch der Name Santiago-Kirche.

Ich hole mir morgen noch die Kraft, um auch den letzten Teil meines Weges (etwa 180Km) zu schaffen und mit Gottes Segen und Jakobus Hilfe wird mir das auch gelingen.
Mit dieser Aussicht muss ich sagen, mir ist ein großer Segen zu Teil geworden und ich bin sehr dankbar.
Euer Pilger Walter
PS: Es geht mir sehr gut und morgen ist wieder Schreibpause

5 Kommentare:

  1. Lieber Walter, vielen Dank für deine lieben Wünsche, deine Gebete und "deinen Stein von St. Jakob" für unseren Jakob! Wir sind sehr froh und glücklich und natürlich auch sehr stolz auf das jüngste Mitglied unserer Familie. Er wird später mal erzählen können, dass am Tag seiner Geburt ein Freund seiner Eltern und Grosseltern am Jakobsweg bzw beim Crux de Ferro einen Stein aus der Heimat für ihn abgelegt hat. Danke dafür!
    Auch wir sind mittlerweile wieder (gesünder) nach Hause gekommen und können so deine letzten 7 Gehtage wieder besser mitverfolgen, was uns mit grosser Freude erfüllt. Es ist eine grandiose Leistung, was du bisher geschafft hast und hoffen mit dir und beten für dich, dass du auch die letzten "wenigen" Kilometer, die noch vor die liegen, so pravorös schaffen wirst. Wir glauben ganz fest an dich und deine Kraft und deinen Willen. Was uns bei deinen täglichen Berichten auch besonders gefällt/gefallen hat ist deine überaus positive Einstellung (ohne diese wäre es wahrscheinlich nicht so gut möglich gewesen), auch über Dinge hinwegzusehen, die du nicht ändern kannst. Dies hat dir sicherlich auch bei der Quartiersuche sehr geholfen (neben dem Hl.Jakobus natürlich). Lieber Walter, geniesse deinen letzten Ruhetag, bevor du die letzten noch ausstehenden KM beginnen wirst. Dein grosses Ziel rückt immer näher - möglicherweise wirst du in deinen Träumen schon die Glocken der Kathedrale von SdC hören - aber bald schon werden diese auch für dich ihr schönes Geläute hören lassen. Wir wünschen dir für morgen einen erholsamen und schönen Ruhetag und viel Kraft und positive Stimmung für die nächsten Tage. Ganz liebe Grüsse aus der Heimat Ingrid und Werner

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  2. hallo pilger walter! gratulation, deine leistung ist mit worten nicht zu beschreiben. wenn ich an die anfangsberichte denke und jetzt das lese, es hat sich einiges getan. jetzt sind "nur " noch ein paar km und dann ist die reise zum " ich" (pilger walter) auch schon vorbei. wir bedanken uns jetzt schon im voraus, dass wir daran teilhaben durften. wir kennen den jw schon einige jahre aber nur aus büchern, haben aber lust bekommen ihn auch einmal zu gehen. einen erholsamen ruhetag und alles gute und die nötige kraft wünschen dir alxandra und werner.

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  3. Hallo, lieber Walter, dies ist mein erster Versuch Dir zu schreiben. Ich freue mich schon auf ein Wiedersehn.Liebe Grüße Gerti

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  4. Hallo Walter, schön, dass es es dir gut geht. Die letzten 180 km wirst du auch noch schaffen. Ich werde dir fest die Daumen halten. Geniese deinen letzten Ruhetag. Ich freue mich auch schon dich wieder zu sehen und bin schon gespannt, was du alles zu erzählen hast, was nicht in deinen Berichten Platz gefunden hat. Viel Kraft in den nächsten Tagen wünscht dir Erich

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  5. Lieber Walter!
    Jetzt habe ich mal wieder gutes Internet gefunden, um deinen Blog zu lesen und ich bin begeistert von deinen genauen Schilderungen. Ich weiss, es ist nicht immer leicht, aber es ist sehr schoen, wenn man andere an seinen Erfahrungen teilhaben laesst! Alles Gute fuer deinen restlichen Weg und wir laufen uns in der Steiermark sicherlich wiedereinmal ueber den (Jakobs-)Weg!
    Lukas (Ratten)

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