Sonntag, 11. September 2011

Mein Wort zum Sonntag

Liebe Freunde!

Ich bin zwar auf Pilgerreise, aber das verhindert leider nicht, dass in meinen Gedanken nicht auch der Wunsch "ich bringe ihn um" aufkommt. Diese Mordgelüste kamen heute mitten in der Nacht gegenüber einem Hund auf. Etwa um 2h morgens beginnt in unmittelbarer Umgebung ein Köter zu bellen und bellt ununterbrochen mindestens eine Stunde lang. Er scheint kaum Luft zu holen, in solcher schnellen Bellfrequenz gibt er Laut. Leider zu laut, für einen schlafenwollenden Pilger und da hätte ich ihm gerne die Gurgel umgedreht.

Der Wind gestern und auch heute, brachte zum Glück noch keinen Regen, nur einen bedeckten Himmel und kühlere Temperaturen. Aber heute kommt der lebhafte Wind von vorne, nur da biete ich ihm, angesichts meiner jetzigen Stromlinienform, keine große Angriffsfläche.

Wie immer vor und nach großen Städten, erfordert es große Überwindung die endlosen Kilometer durch Industrie- und Wohnviertel zu marschieren. Fahren doch nebenher die öffentlichen Busse, die einen Pilger bequem in das Zentrum bringen könnten. Aber auch diese Hürden sind bezwungen und bis SdC wartet keine so große Stadt mehr.
Zum Überqueren der vielbefahrenen Schnellstraße hat man in einem Industrieviertel eine großzügig angelegte Fußgängerbrücke neu errichtet, weil es dort schon zu Unfällen gekommen ist. Die Brücke ist sogar behindertengerecht gebaut.

In den einsamen Stunden auf den öden langen Wegen der letzten Tage, braucht der Geist auch eine Beschäftigung und so entstand die 2. Strophe meines Pilgerliedes:
Flieg nur flieg, Pilgerseele, flieg nur flieg,
dann wird jeder Tag für dich ein Sieg,
singend, betend geh nach vor, und das Ziel ist näher als zuvor,
flieg nur flieg, Pilgerseele, flieg nur flieg.

Mit fliegendem Schritt habe ich auch Leon erreicht und auch schon wieder hinter mir gelassen. Leon ist ein strategischer Punkt. Nun beginnt der westlichste und bald auch der bergige Teil des JW. Von hier sind es nur mehr knapp über 300Km.
Schon zweimal konnte ich Leon besuchen und der Anblick der Kathetrale in ihrer französischen Gotik ist immer wieder ein staunendswerter Moment. Die fast 200 bunten Glasfenster beeindrucken genauso, wie das nach oben strebende Mauerwerk. Viel könnte man über dieses Gotteshaus, welches frei zugänglich ist, schreiben. Ich glaube im Internet wird es sicher gute Beschreibungen geben.
Leider komme ich gerade zum Ende einer Messe in die Kirche und so mache ich nach meinen Gebeten nur einen Besichtigungsrundgang und ziehe weiter. Ich will unbedingt auch die schöne Basilika San Isidoro besuchen. Hier werden auch die Reliquien des Hl. Isidor aufbewahrt und ich komme gerade zu einer Messe zurecht. Im Anschluss daran, bekommen die nach vor geholten Pilger einen sehr berührenden Pilgersegen. Dazu gibt es eine Karte mit dem Bild des Heiligen und einem Gebetstext. Auch eine Pilgerhymne wird auf der Orgel gespielt und mitgesungen. Das Ganze hat fast 10 Minuten gedauert und alle Gottesdienstbesucher sind auch beim Pilgersegen sitzen geblieben. Dieses Verweilen in der Kirche hat mir sehr gut getan.

So bin ich seelisch gestärkt wieder auf dem Camino weitermarschiert, bis zum heutigen Etappenziel Virgen del Camino. Es waren heute nur 21Km zu gehen. Über den Ort mit einer verkehrsreichen Durchzugsstraße gäbe es nichts zu sagen, wenn es hier nicht eine berühmte Wallfahrtskirche gäbe.
Die Kirche selbst ist ein moderner Zweckbau, aber im Zentrum steht der wunderschöne barocke Altar. Dieser Kontrast zwischen neuen Mauern und dem alten Altar ist sehenswert. Bei der Marienfigur werden von den Menschen viele Kerzen entzündet und man kann auch einen Rundgang hinter den Altar machen, um den Marienmantel küssen.
Aussen bei der Portalfassade sind 13 berühmte und übergroße Bronzefiguren zu sehen.
Jetzt im September feiert die Pfarrgemeinde die 50-Jahrfeier dieser Basilika.

Genau gegenüber dieser modernen Kirche mit der eindrucksvollen Fassade liegt mein Hotel und aus meinem Zimmer sehe ich genau dort hin.
Somit wisst Ihr auch, dass mir der Hl. Jakobus auch heute wieder ein Zimmer für mich organisiert hat - Danke lieber Jakobus.

Das war mein Bericht zum Gehtag am Sonntag. Ich grüße Euch und lade Euch ein, auch morgen wieder mit mir zu gehen.
Euer Pilger Walter

4 Kommentare:

  1. Buen domingo, querido Walter de Estiria!
    (Einen schönen Sonntag, lieber W. aus der Steiermark!)
    Ich freue mich, dass Du einen so schönen Tag hattest.
    Für morgen Grüße aus dem brandenburger Land von Theodor Fontane:
    Ein neuer Tag ist da und atmet neues Leben. Jetzt lass mich, Gott, Gemeinschaft mit dir halten! Quell aller Weisheit, Herr und Vater mein, du siehst mein Herz, Dir spricht mein Händefalten, o laß dein Licht auf meinen Wegen sein. Gib mir die Kraft- du gibst sie nur allein-, aus Sünd und Schwachheit mich herauszuschälen, und lehre mich an deines Auges Schein, des eignen Auges matten Sinn zu stählen, auf dass die Lust ihm wird, den rechten Pfad zu wählen.

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  2. Hallo !
    Ich hoffe du hast nur den "Anblick" diese Kirche und hörst nicht die ganze Nacht ihr Geläute.
    Lg, Kathrin

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  3. Hallo Walter!
    Nachdem ich mit 2 unserer fleißigen Mitglieder am LE-Laufevent teilgenommen habe, wächst meine Bewunderung für deine Leistung sogar noch höher.
    Ich freu mich schon darauf mit dir persönlich einen kleinen Schwatz über deine Erlebnisse zu halten.

    Lg, Gerald

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  4. Lieber Freund Walter, es muss gestern für dich ein tolles Erlebnis gewesen sein, in dieser schönen Kirche den Pilgersegen erhalten zu haben und dass all die Leute auch noch nach der Messe dabeigeblieben sind. Dies wird dir die Kraft geben für die letzten Tage. Es ist unwahrscheinlich, dass es "nur" mehr wenige Tage und für deine Begriffe "wenige" KM (rund 300) bis zum Ziel sein werden. Wir freuen uns aber auch schon, dich wieder live begrüssen und mit dir plaudern zu können. Der Hl. Jakobus ist immer mit dir gewesen, hat dich begleitet, beschützt und dir auch bei der Quartiersuche geholfen. Auch die Gebete all deiner Weggefährten im Geiste dürfte er erhört haben, auch dafür danken wir dem Hl. Jakobus sehr. Am Wochenende haben wir einige Wanderungen unternommen und dabei öfters an dich gedacht, hast vermutlich "Schnackerlstessn" bekommen, allerdings hatten wir keinen 15kg schweren HoRuck-SackDu dabei, sondern nur einen kleinen Wanderrucksack. Waren tolle Wanderungen für uns. Lieber Walter, wir wünschen dir für die weiteren Tage alles, alles Gute, viel Kraft und Gottes Segen! Ganz liebe Grüsse Ingrid und Werner

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