Donnerstag, 15. September 2011

Ein Jakob!

Liebe Freunde,
heute muss ich von einem großen Glücksgefühl berichten.
Ich gehe schon früh (7:20) von meinem Quartier weg, um am Crux de Ferro den Sonnenaufgang zu beobachten und ich habe ihn erlebt, aber auch einen ganz anderen Sonnenaufgang und der hat mich viel mehr berührt.
Mitten am Weg, noch im Finstern, aber der Weg war gerade sichtbar geworden, kommt zu früher Stunde ein SMS. Das muss etwas Besonderes sein und es war auch eine wunderbare Nachricht. Freunde von mir, es sind die Kinder unserer langjährigsten Freunde und meine fleißigsten Tagebuchkommentierer, wurden heute morgen zum 3. Mal Eltern und es ist ein Jakob! Ihr könnt Euch nicht vorstellen, welche innerliche Freude mich da überwältigte. Ich bin am Jakobsweg und ein Jakob wird geboren.
Den Stein, den ich vom Kirchhof in St. Jakob mitgenommen habe, habe ich im Namen meiner Freunde für den kleinen Jakob abgelegt. Meine Gebete am heutigen Tag gehören dem Jakob und seiner Familie. Das war einer der schönsten Sonnenaufgänge, die man erleben kann.
Ich wünsche dem Jakob den Segen Gottes für sein Leben und der Hl. Jakob möge seinen Lebensweg begleiten, so wie der den meinen Lebensweg und meinen Jakobsweg begleitet.

Viele Pilger haben ihren Weg so geplant, dass sie auch den Sonnenaufgang beim Crux de Ferro miterleben können. Zwar behinderten ein paar Wolken im Osten den ungetrübten Aufgang der Sonne, aber trotzdem kamen alle auf ihre Rechnung und tolle Stimmungen zeigten sich am Himmel. Beim Kreuz selbst, zeigten sich alle möglichen menschlichen Stimmungen, von tiefer Ergriffenheit bis zum lauten Hallo.
Einen Stein, ca. 7cm groß und vom Kirchhof in St. Jakob, trug ich seit mehr als 2.500Km mit mir herum. Das Ablegen dieses Steines soll das Ablegen der Lasten symbolisieren. Ich habe ihn stellvertretend für die junge Familie und ihren Eltern ans Kreuz gelegt.
Abnormal ist aber, was bei dem Kreuz noch alles deponiert wird. Der hohe Stamm schaut eher einer Mülldeponie gleich, was Spassvögel hier entsorgen und dann glauben, es ist lustig.

Der Punkt Cruz de Ferro soll mit 1.517m der höchste Punkt des Camino Frances sein. Das kann aber nicht stimmen. Man geht dann durch eine schöne Berglandschaft etwas bergab, um dann viel mehr wieder hochzuteigen auf einen anderen Gipfel. Im Höhenprofil des Führers ist das auch so zu erkennen. Aber es ist auch egal, wie hoch man oben war. Wichtig ist, dass man diesen Berg erklommen hat (der lang verlaufende Anstieg war nicht schwierig) und was man dabei fühlt.
Mein Denken ging heute immer zum jungen Jakob.

Die Landschaft ist eine wildromantische Bergwelt. Ringsum sind bewaldete Berge und tiefe Täler zu sehen. Man kann sich nicht sattsehen. Dafür bereitet dann der Abstieg einige Mühe. Es geht oft recht steil bergab und die Wege sind eine reine Büßerstrecke. Sehr viel Geröll und Felsenteilstücke erfordern höchste Aufmerksamkeit und es ist anstrengend zu gehen. Meinen Füßen behagte das überhaupt nicht. Ist das ein Wunder, nach 2.500Km des Gehens? Dafür hat sich mein Knie die letzten Tage gebessert und machte auch heute keine Probleme und es waren heute in Summe doch ca. 1.200Hm zum Absteigen.

Im ersten Dorf beim Abstieg, in El Acebo, fand ich eine kleine Kirche mit prächtigen Altären und jemand wartete auch mit dem Stempel für das Credencial. Hier in dieser Kirche, weit weg von zu Hause, kann ich dem neuen Erdenbürger meine Gebete widmen.

Heute finde ich wieder einige Gedenksteine für verunglückte und verstorbene Pilger. Ein Kreuz war einem über 80-jährigen gewidmet und eine Radstatue steht für einen hier verunglückten Radfahrer. Das sind dann berührende Augenblicke, wenn man daran denkt, wie endlich das Leben ist.

Beim Bergabgehen durch das Nachtigallental, ich habe keine gehört, sah ich schon die Bevölkerung die Nussernte einzusammeln. Und bald werden auch die Esskastanien hier reif sein. Das sind, glaube ich, die einzigen Früchte, die hier der Boden hergibt.

Im Dorf Molinaseca besuche ich rechter Hand eine schöne Marienkirche und beim Weitergehen sieht man auf der anderen Talseite eine mächtige Kirche auf einem kleinen Hügel thronen. Es ist genau 12h und von dieser Kirche tönt ein sehr schönes Glockenspiel durch das Tal. Die Glocken spielten die Melodie "Ave, ave, ave Maria". Das war ein schöner Moment mit diesem Glockenspiel über die Römerbrücke in den Ort einzuziehen.
Am Rande des Ortes war eine Herberge, die etwa 10 Stockbetten im Freien unterm Vordach bereitstellte. Das muss man auch mögen. Wobei hier Schnarcher und Stinker kaum eine Rolle spielen.

Beim Auszug aus diesem Ort sah ich eine finstere Wolke am Himmel und ziemlich übern JW. Rundherum war blauer Himmel und die ersten Tropfen fielen. Eigentlich war es mit Jakobus gegenteilig ausgemacht. Immer wieder kamen kurze Regenschauer und ich überlegte, brauche ich den Regenschutz und gehe doch ungeschützt weiter.
Nach zwei Km biegt der offizielle JW nach links ab und geradeaus ginge es auf kürzeren Weg entlang der Straße nach Ponferrada hinein. Ich bleibe doch am JW und soll das noch bereuen. Gleich darauf waren die ersten Donnergroller zu hören und ich blicke zurück. Da kommt eine Front heran und treibt mich mit kleinen Regengüssen nach vor und man geht aber endlos einen weiten Bogen rund um die Stadt Ponferrada. Immer etwa 2Km entfernt umkreist man die Stadt und hinten lauert das Gewitter. Da kommt Ärger in mir auf. Auf mich, dass ich diesen Weg genommen habe und auf die Wegverantwortlichen. Diese Wegführung rund um die Stadt und durch andere und nichtssagende Dörfer ist reine Kilometerschinderei und macht wenig Sinn. Das ist auch immer unter dem Aspekt brennender Füße und drohendem Regen zu sehen.
Ich erreichte Ponferrada doch noch trockenen Fußes und gleich nach der imposanten Templerburg finde ich die Tourismusinfo. Die zeigen mir auf einem Plan die möglichen Quartiere, gut verstreut über die ganze Stadt, aber ich bekomme keine Preisinfo. Soll ich jetzt von Hostal zu Pension fragen gehen, damit ich ein günstiges Zimmer finde? Nein, ich frage gleich 100m weiter in einem Hostal und der Preis ist mit 40€ gerade an der oberen Schmerzgrenze. So ziehe ich hier ein und freue mich im Trockenen zu sein, denn immer wieder gehen jetzt kurze, aber intensive Regengüsse, sogar mit etwas Hagel, nieder.
Wenn das Wetter besser wird, kann ich noch in der Altstadt, ich wohne hier direkt, etwas bummeln.

Das war mein heutiger Bericht von einem etwas anstrengenden, aber schönen Tag.
Euer Pilger Walter

1 Kommentar:

  1. Lieber Pilger Walter,
    wie immer wünschen wir Dir aus ganzem Herzen alles Gute auf Deinem Camino.
    Wir glauben, es stimmt, was Marie von Ebner-Eschenbach schrieb: "Am Ziel Deiner Wünsche wirst Du jedenfalls eines vermissen: Dein Wandern zum Ziel!"

    Helmut und Elvira

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