Heute habe ich die Grenzen meiner Gehmaschine ausgelotet. Wie eine Maschine bin ich heute ungeplant, aber notwendigerweise immer weiter und weiter gegangen.
Durch das harte Stück der Meseta hatte ich eine Etappe mit etwa 26Km geplant und in dem Zielort Terradillos de los Templarios wollte ich meinen morgigen Ruhetag verbringen. Nur wie ich dort angekommen bin, sehe ich was das für ein Nest ist. Der Ort, nur mit zwei Herbergen, wobei nur eine für mich interessant ist, hat sonst keine Infrastruktur und auch sonst ist hier nur tote Hose. Hier bleibe ich nicht!
Es war noch nicht Mittag und so entschloss ich mich trotz ansteigender Sonnenbestrahlung weiter zu gehen. Zwei kleine Orte gab es noch und dann, in gut 12Km Entfernung wartete die nächste Stadt - Sahagun. Das schaffe ich auch noch. Wie erwartet waren die beiden nächsten Dörfer auch nur Nester, wo man zwar übernachten kann, aber für einen Ruhetag waren sie ungeeignet. So kam es, dass ich nach 38Km in Sahagun landete und in einer Casa Rual ein gutes und preiswertes Zimmer fand. Hier kann ich den RT auch genießen.
Aber diese Entfernung zu gehen und das unter der sengenden Sonne, hat es in sich. Ich wundere mich selbst wo ich diese Kraft und diesen Willen zum Gehen hernehme. Es ist, als ob man am Morgen eine Maschine startet und losschickt. Wie ein Uhrwerk gehen meine Beine mit Arm- und Stockunterstützung Km um Km. Die 38Km habe ich inklusive Pausen in 7,5 Stunden absolviert. Heute gab es aber auch wenig Ablenkungen durch Fotopausen und keine Kirche war zu besichtigen. Und ich muss zugeben, die letzten 12Km waren nur mehr ein mechanisches Gehen, ohne besondere Freude am Gehen. Einfach nur gehen! Es gab auch landschaftlich nicht viel Interessantes zu sehen. Der Weg führte dann großteils neben den Straßen dahin.
In diesem Zusammenhang habe ich mir Gedanken gemacht, wie die Effizienz der Wegführung in den einzelnen Ländern ist. Das heißt, wieviele Km muss ich gehen, um 100Km Luftlinie zu schaffen.
Gefühlsmäßig hätte ich gemeint, das die Wegführung in Spanien am effizientesten ist. Dass also wenige Umwege zu gehen sind und der Weg sehr direkt geführt wird. Hier ist das Ergebnis:
1.) Spanien mit Faktor 1,31 - dass heißt: für 100Km Luftlinie muss man 131Km gehen
2.) Österreich mit 1,36
3.) Schweiz mit 1,57
4.) Frankreich mit 1,59
Der Faktor über den ganzen Weg, also von Leoben nach SdC, liegt bei 1,45
Das hat auch mein Gefühl bestätigt, dass man in Frankreich viel im Zick-Zackkurs und mit Umwegen herumgeschickt wird. Das hat mir auch ein Franzose bestätigt, dass der JW oft künstlich verlängert wird, damit die Förderung der UNESCO fließt.
Bei der Schweiz muss man sagen, dass hier die Wegführung durch das gebirgige Land und die vielen Seen nicht kürzer geführt werden kann.
Die Meseta war in den ersten 8Km nicht schlimm, eher sogar angenehm. Zwar war zuerst eine Asphaltstraße zu begehen, aber dann führte der Weg über eine gute Schotterstraße, die auf der linken Seite, also der Sonnenseite, von einer Pappelallee begleitet wird.
Auf dem schnurgeraden Stück schaue ich nach vor und kann den Horizont nicht erkennen, denn die Silhouetten der vielen Pilger verdecken ihn. Fast sehe ich mehr Wanderer als Pappeln.
Erst die letzten 5Km sind wirklich baumlos. Trotzdem hat die Landschaft ihren besonderen Charme. Ich bin dann oft alleine unterwegs, denn alle die vor mir gegangen sind, gehen jetzt hinter mir. Hier kann ich dann wieder singen und laut beten.
Wer dieses Mesetastück als einsam, brutal und anstrengend bezeichnet hat, der ist nie durch Frankreich gegangen. Natürlich ist das "extreme" Stück im Hochsommer und am Nachmittag schon eine Herausforderung, aber das ist das Gehen am JW im Sommer immer.
Der gestrige NM und Abend waren für mich noch sehr nett und interessant.
Zuerst schlendere ich durch den Ort und zähle fünf Kirchen (zwei weitere sehe ich heute am Ortsausgang). Alle Kirchen werden am NM aufgesperrt und bis auf eine, die als Museum geführt wird und wo beim Besuch ein Obolus verlangt wird, kann ich alle besuchen. Ich meine, dass hat dann auch gereicht.
In der gestrigen Klosterherberge höre ich im Hof deutsche Worte und gebe mich auch zu erkennen. Drei jüngere Deutsche, Martina aus Bad Reichenhall und Tunja und Simone aus Norddeutschland, gehören zum angenehmen und netten Schlag unserer Nachbarn. Sie halten auf der Bank ihr Abendmahl und beim Plaudern werde ich auf ein Glas Wein und etwas Käse eingeladen. Es ist ein fröhliches Diskutieren über alles am JW, auch über die "Vorurteile" den Deutschen gegenüber.
Schnell vergeht die Zeit und auf der Nebenbank versammeln sich weitere vier ältere deutsche Pilger.
Ein bestimmendes Thema ist die große Fußblase, die Simone hat. Die beiden älteren Frauen haben auch kleine Blasen und können bzw. trauen sich nicht, sie aufzustechen. So bitten sie mich, es zu tun. Ausgerüstet mit Nadel und antiseptischer Lösung beginne ich meine Ordination. Danach bekommen sie noch praktische Tipps von mir und eine Honorarrechnung stellte ich nicht aus, dass ist Pilgerdienst.
Nach meinem Abendessen im Restaurant gibt es mit diesen Mitpilgerinnen noch einen fröhlichen Schlummertrunk.
Sollte bei meinen Berichten zwischen meinen Zeilen der Eindruck entstanden sein, ich freue mich auf SdC, dann kann ich das nur mir einem großem JA beanworten. So wie ich mich zuerst freute, GEHEN zu können so freue ich mich jetzt nach so vielen Wochen, endlich mein Ziel zu erreichen. Und ich freue mich auch schon auf das Heimkommen.
Nun ist auch Hälfte des spanischen Weges von mir beschritten worden und es bleiben keine 400Km mehr. Aber bevor ich wieder über die Piste marschiere, mache ich morgen wieder einen Geh- und Schreibruhetag
Euer Pilger Walter
hallo pilger walter! gratulieren dir zu deinem gehmaraton!! so wie sich deine berichte lesen bist du in höchstform. jetzt sind es "nur" noch 400km die dich von deinem ziel sdc trennen. wir freuen uns, in gedanken gehen wir mit dir. einen erholsamen ruhetag wünschen alexandra und werner
AntwortenLöschenHallo lieber Freund und Pilger Walter
AntwortenLöschenIch habe am Sonntag für Dich in der Jakobikirche eine Kerze angezündet, und den hl. Jakobus gebeten, er möge Dich auch auf Deinen letzten Kilometern noch gut begleiten.
Ein herzliches Behüt Dich Gott
Franz
Buenas noches, Walter!
AntwortenLöschenIch finde es toll, dass du soviel laufen kannst, besonders nachdem Du schon soviele Kilometer auf dem Buckel hast.
Da bleibt nur noch danken und loben:
Lobe den Herrn meine Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:
der dir alle deine Sünden vegibt
und heilet alle deine Gebrechen,
der dein Leben vom Verderben erlöst,
der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit,
der deinen Mund fröhlich macht,
und du wieder jung wirst wie ein Adler.
Einen guten Ruhetag!Martina
Lieber Pilger Walter, genieße Deinen wohlverdienten Ruhetag in Sahagun, das wir auch als Etappenziel hatten. Leider weiß ich nicht mehr den Namen der Herberge, aber es war von außen ein eher orientalisch anzusehender Bau mit einer großen weißen verzierten Rosette und einem roten Santiagokreuz. Wir hatten da drinnen auch ein nettes Zweibettzimmer, in dem wir uns sehr wohl fühlten. Bald wartet Leon auf Dich! Weiterhin alles Gute, wir wandern im Geiste mit Dir, obwohl ich "Hatscherter" sicherlich nicht Dein Tempo mitgehen könnte.
AntwortenLöschenAnselm Grün schreibt unter anderem:
Der Pilger darf sich nicht häuslich einrichten. Er muss weiterwandern. So ist auch das Schweigen Verzicht auf ein wohnliches Sich-Ausruhen, Verzicht auf die Geborgenheit im Wort.
Hallo Walter!
AntwortenLöschenHatte ein paar Tage lang keine Zeit, deinen Ausführungen zu folgen, werde aber jetzt das Versäumte nachholen.
Dir wünsche ich einen erholsamen Ruhetag, und dass du mit dem immer näher rückenden Ziel vor Augen nicht zu übermütig wirst.
Lg, Gerald