Sonntag, 12. Juni 2011

Am Jakobsweg

Griaß eich!

Seit heute gehe ich den offiziellen Jakobsweg (in Zukunft kurz JW geschrieben). Der durchquert ganz Österreich von Budapest kommend. Jetzt geht es über Innsbruck, dem Arlberg bis Rankweil an die schweizerische Grenze.
Das Tolle am offiziellen JW ist, dass nun der Weg mehr oder minder gut beschildert ist (siehe Foto) und dass die Infrastruktur für Pilger besser wird.
Wichtig an der Beschilderung ist dabei das Logo (siehe auch am Beginn meines Bloggs).
Das gelbe Symbol auf blauem Grund stellt eine stilisierte Jakobsmuschel dar. Wobei das Zentrum in die Richtung von Santiago de Compostella (in Zukunft SdC) zeigt und von dort strahlen die Lichtstrahlen aus. Oder als andere, für mich sehr gute Erklärung, die Strahlen symbolisieren die vielen Jakobswege, die sich alle in SdC beim Grab vom Hl. Jakobus treffen. Wenn das Logo richtig montiert ist, dann bräuchte es eigentlich keinen Richtungspfeil.

Ich bin heute wie geplant in Söll gelandet, mit ca. 35 Geh-Km (um 4 mehr als geplant - das sollte jetzt mit den Führerangaben hoffentlich besser werden). Am Morgen in Fieberbrunn war das Wetter trostlos wie gestern an meinem Ruhetag, es regnete und der Himmel war tief verhangen. Die Zimmerwirtin wollte mir einen weiteren Pausetag einreden oder dass ich mit dem Zug weiterfahre. Aber so stark regnete es doch nicht, dass ich am ersten widrigen Tag aufgebe. Die Wirtin servierte mir zum Frühstück noch eine leckere Erdbeertorte. Das fand ich sehr lieb, schließlich ist heute Pfingstsonntag und Vatertag - liebe Söhne habt Ihr das organisiert? Ein Pilger dankt für diese lieben Gesten.
Eingepackt in die Regenpelerine startete ich mit viel Optimismus und führte gleich ein eindringliches Mitarbeitergespräch mit meinem Helfer Jakobus.
Beim Gehen im Regen hat man zwei Möglichkeiten. Entweder wird man vom Weihwasser von oben nass oder man zieht die Regenpelerine über und dunstet im eigenen Saft, wie ein Huhn in der Bratfolie. Schon nach 1-2 Km ging mein Blick hoffnungsvoll zum Himmel empor - wird es wirklich heller? Nach einer halben Stunde nieselte es nur mehr ganz fein, dass ich meine Dunstfolie verpacken konnte und nach einem weiteren Km konnte ich auch die Regenjacke weggeben. Danke Jakobus, wir sind ein gutes Team. Das Wetter wurde von Stunde zu Stunde besser und am NM ist es ein schöner Pfingstsonntag geworden.

Vor St. Johann i.T. steht die erste Jakobuswegtafel - Juhuuu. Wenn sie hier den Weg zum Ziel schon markieren, dann kann es doch nicht mehr so weit sein - oder? Im Ernst, jetzt habe ich 300 Km in den Füßen, also mehr als 10% der Wegstrecke. Und so soll es weitergehen, dann schaffe ich den Weg sicher. Der gestrige Schwimm- und Wellnesstag im Saunadorf hat mir sehr gut getan und die Anfangsproblemchen sind auch fast weg.

In St. Johann schaffe ich es, nach 11 Geh-Km das Hochamt zu Pfingsten um 10h zu erreichen. Eine große und volle Kirche und ein charismatischer junger Pfarrer mit markigen Tiroler Sprüchen, die mich sehr zum Schmunzeln anregen. Hier kriege ich auch wieder einen Pilgerstempel.
Ab St. Johann befindet man sich voll im Tiroler (Ver)Fremdenverkehrsgebiet. Die Orte sind fest in "Fremder" Hand und die Preise entsprechen den umgebenden Berggipfelhöhen.

Zwischen St. Johann und Going, übrigens bei bester Beschilderung, treffe ich auf den ersten Jakobspilger, ein Salzburger, der nach dem portugisischen JW nun berufsbedingt in Etappen den österreichischen JW gehen will - heuer bis Innsbruck. Leider trennen wir uns kurz darauf, weil ich nach über 4 Geh-Stunden beim Römerwirt Mittagspause halten will. Ein gutes Brot mit Tiroler Speck gibt Kraft für den Weiterweg.
Im Bereich Going (Stanglwirt) bis Ellmau ist es ganz arg mit den Urlaubern. Ich komme mir wie ein Außerirdischer vor, so wie ich als Pilger beäugt werde. Da geht ein Pilger! Aber vielleicht wird der 2-3 mal am Tag vom Fremdenverkehrsverband durch den Ort geschickt. Ich mache mir oft den Spaß und grüße mit einem lauten "Grüß Gott" oder einem herzhaften "Griaß di". Dann merkt man den inneren Kampf der Urlauber: Wie soll ich jetzt reagieren und zurückgrüßen? Meist kommt ein zaghaftes "Tachhh". Das macht den Spießrutenlauf durch die Flaniermeilen der Orte und beim Vorbeigehen bei den Gastgärten erträglich. Aber es gibt auch nette und ganz liebe Ansprachen und da stoppe ich meinen forschen Schritt gerne. Von Ellmau raus muss ich mit flottem Schritt ganze Horden Nachmittagsausflügler überholen. Das Warum klären dann die Schilder, die zum "originalen" Bergdoktor-Haus weisen. Ich habe es zur Sicherheit für die Nachwelt auch fotografiert, auch wenn ich die Fernsehserie noch nie gesehen habe.
Nach dieser wichtigen Sehenswürdigkeit wird es im Wald wo sich der JW durchschlängelt wieder ganz ruhig und man kann wieder auf sich selbst hören.

Bis Söll sind es noch einige Km und leider ist der Weg nicht ausreichend markiert und ich "verliere" den JW. Wie ich dann wieder eine Wegtafel sehe, bei der ein steiler Weg nach Söll markiert ist, bin ich frustriert zu sehen, dass es noch 2 Stunden bis zu meinem Tagesziel wäre. Mein Navi am Handy zeigt für den Weg über die Bundesstraße nur 4,3 Km Entfernung an (somit weniger als 1 Stunde). Da gab es für mich nach 31 Km kein Überlegen und ich bin schnell die Bundesstraße weiter gegangen. Es war zwar sehr viel Verkehr, aber es ging ganz gut. Nach 2 Km fand ich dann eine Nebenstraße bis in den Ort Söll. Ich musste mir schließlich noch ein Quartier suchen und da hatte ich viel Glück - Jakobus sei Dank.
Vor einem Küchenausgang eines Hotels sprach mich Pilger eine Küchenhilfe an und meinte in ihrem Hotel gäbe es günstige Pilgerpreise und sie ging gleich die Chefin fragen. Enttäuscht kam sie mit der Antwort wieder und meinte 42,- sind mir sicher zu teuer - wie recht sie hatte. Auf meine Frage, ob sie ein billiges Quartier wüßte, beratschlagte sie sich mit zwei weiteren Küchenkräften, die nachgekommen sind. Die gute Nachricht, der Pfarrer bringt oft Pilger in einem Heim unter. Ich dankte und war schon auf der Suche nach dem Pfarrhof und wirklich, die Pfarre betreibt eine Pilgerherberge gleich neben der Kirche (praktisch fürs Besichtigen und Beten). Der Pfarrer Goßner, dem ich sehr danke, führte mich in ein modernes und neues Haus, dem Jakobus-Haus und sperrte eines der Zimmer auf. Ein zwar kleines aber sehr nettes Zweibettzimmer mit WC und Dusche bekam ich für nur 15,- Euro. Das Bett musste ich aber selbst überziehen - nona! Und Frühstück müsste ich mir in der nebenliegenden Küche selbst zubereiten oder zur nächsten Bäckerei gehen. Ich gehe zur Bäckerei, denn zu Einkaufen gab es nichts mehr.
Die nächste Überraschung wartete im Aufenthaltsraum (mit bequemer Sitzgarnitur und Fernseher). Da lag eine detailierte Beschreibung mit viel Wissenswertem. Das Wichtigste dabei, dass man beim nahegelegenen Postwirt (großes Hotel und tolles Restaurant) fürs Essen als Pilger mit Ausweis entweder 30% Ermäßigung bekommt oder man kann ein Abo-Essen um 7,- Euro haben. Ich nahm das Abo-Essen, in meinem Fall: Frittatensuppe und ein leckeres Wienerschnitzerl mit Erdäpfel. Leider war des große Bier nur 0,4 l groß.

Nun sitze ich im Aufenthaltsraum (leider alleine - ich bin für heute der einzige Pilger) und schreibe für Euch den Tagesbericht. Ich hoffe, ich verwöhne Euch nicht, denn spätestens im Ausland werden die Berichte spärlich werden (Kostenfrage!).

Jetzt bin ich müde und schicke Euch liebe Grüße. Bleibt gesund und schreibt fleißig Kommentare. Es macht Spaß sie zu lesen.
Pilger Walter

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen