Sonntag, 19. Juni 2011

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Lieber Gott,
ich gehe freiwillig diesen Pilgerweg oder habe ich Deinen Ruf gehört? Egal, ich bin bisher mit Freude diesen Weg gegangen. Dir zum Lob und Preis. Mit diesem Pilgerweg zeige ich offen meinen Glauben zu Dir. Das liebe Kreuz des Seelsorgekreises trage ich stolz auf meiner Brust - Ich bin Pilger im Herren.
Natürlich weiß ich, dass ich als Jakobspilger einst direkt ins Paradies kommen werde, wie es in einer Kapelle am Weg aufgemalt ist. Damit mir diese Gnade gewährt wird, muss ich noch auf Erden Buße für meine Sünden tun und zwar hier am Jakobsweg. Aber muss es den sein, dass ich alle meine Sünden an einem Tag abbüßen muss? Ich bin doch mehr als 100 Tage unterwegs und da könnte die Buße ein wenig aufgeteilt sein.
Mein lieber Vater, unter den heutigen Bedingungen war das Pilgern schwer und ich bitte Dich um Deine Gnade auf ein erträgliches Weiterpilgern.
Dein demütig bittender Pilger Walter

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Und nun zu Euch, liebe Freude!
Obige Bitte war mir heute zuerst ein Bedürfnis. Hier mein Bericht dazu.

Der Tag begann mit Sorge. Wird sich das gestrige Wetter auch heute so grauslich zeigen? Beim Blick zum Fenster raus, zeigt sich nur eine weiße Wand. Die Wolken hingen bis weit ins Tal, aber es regnete nicht mehr.
Vor dem Frühstück hat der Wind die Wolken zerfetzt und man konnte zwischendurch die verschneiten Berge
und sogar ein, zwei blaue Flecken am Himmel sehen. Das hob die Stimmung - es wird sicher ein guter Tag, war ich überzeugt.
Beim Frühstück lernte ich sehr viel Wissenswertes über den Ort Stanz kennen. Es ist die Brennereihauptstadt von Österreich - darum auch die vielen Obstkulturen und da besonders die Stanzer Zwetschke und Pflaume. Da wird ordentlich Schnaps gebrannt. Es gibt hier über 600 Einwohner und sage und schriebe 60 Brennereien!!!
Nun tat es mir in der Seele leid, dass ich gestern bei dem Regen davon nichts mitbekommen habe. Ich, der guten Schnaps über alles schätzt, schlafe praktisch im Brennkessel. Eine vertane Chance, aber auch der beste Schnaps hätte mich gestern bei dem Wetter nicht mehr aus dem Haus gebracht. Meine Zimmervermieter haben mir dann zum Frühstück eine kleine Kostprobe angeboten, die ich zuerst ablehnte, denn es war schließlich erst 7:30. Ein weiters Anbieten habe ich dann nicht mehr ablehen können (ich will doch höflich sein) und der kleine Brand war köstlich, auch zu solch früher Stunde.

So marschierte ich mit Turbosprit in den Adern los und es ging locker etwas bergab. Ich höre noch die Vermieter: Nach St. Anton geht es jetzt gut hinein.
Auch der Führer beschreibt die Strecke nur minimal und unspektakulär.
Eine Dreiviertel Stunde später bin ich in Grins eingetroffen. Rechtzeitig vor der Morgenmesse um 8:30. Wieder ist es mir gelungen am Sonntag zu einer Messe zu kommen. Vom Pfarrer bekam ich dann noch den Pilgerstempel und den netten Weghinweis: "nach St. Anton gehts lei do umi" (30 Km!)
Er ist diesen Weg sicher noch nie gegangen. Es ging dann wax eine Forststraße hoch und das 1 Stunde lang. Dann ging es hinunter, um gleich wieder steil nach oben zu gehen und das noch zweimal. Zugleich trieb der kalte Wind wieder den Regen her. Es war demoralisierend zu gehen, immer nur steil am Hang rauf und kein Ende abzusehen. Das war mental schwierig, weil ich mich auf eine mehr oder weniger angenehme Wegstrecke eingestellt habe. Und dann mitten im Wald eine Spitzkreuzung, die mit Tafeln gekennzeichnet war, aber vor der Kreuzung. Trotzdem war der JW klar zu deuten - es ging wieder einmal die Forststraße hoch. Also stemmte ich mich in den Weg und spurte schwitzend hoch. Doch mit jeder Kurve begann in mir die Ungewissheit zu nagen: Bin ich auf dem richtigen Weg oder hätte ich den anderen unscheinbaren Steig nehmen sollen? Zurück oder weiter gehen? Beides kann falsch sein. Und der Forstweg geht unbeirrbar nach oben, so wie schon den ganzen VM. Eine Kurve noch, nein noch eine zweite, vielleicht findet sich doch ein Wegweiser. Ich will doch nicht zurück, um dann doch wieder hochsteigen zu müssen. Diese Ungewissheit nagt. Jetzt reicht es mir und ich drehe um. Unten nach ca. 40 Minuten Irrweg nehme ich den anderen Weg, dorthin wo die Tafel sicher nicht hinzeigt. Nach einigen 100 Metern dann endlich wieder ein Wegweiser und es geht gleich wieder zünftig nach oben. Im Führer war dieser Wegteil sehr mickrig beschrieben. Die eine Wegstunde mit meinem Verlaufer war mit einem dürren Satz beschieben - in etwa so: Man gehe von A nach B. So als wenn der Verfasser das Stück nie gegangen ist. Ich habe einen Schleim auf ihn.
In Summe werden es 500 bis 600 unmotivierte Höhenmeter gewesen sein.
Das Wetter verhielt sich ähnlich - ein ständiges Auf und Ab. Ich weiß nicht, wie oft ich mir heute den Regenschutz oder die Windstopperjacke über- oder ausgezogen habe und immer wieder den Rucksack von den Schultern nehmen musste und dann wieder hoch damit. Mein Spruch dabei: "Ho Ruck - Sack du!"
Somit war ab Grins für mich nichts zum grinsen.

So war ich zur Mitte der Tagesetappe schon ordentlich geschlaucht, aber es warteten noch 15 Km schönere Wegstrecke.
Ab Flirsch geht rechts und links entlang der Rosanna auf sehr schönen breiten Wanderwegen bis St. Anton. Auf die JW-Wegführung pfeife ich, egal wie der Weg auch gegangen wäre.
Leider war auch das Gehen auf diesen schönen Wegen kein Honigschlecken, denn der starke und kalte Wind blies geradewegs von vorne und trieb immer wieder Regenschauer vor sich her.

Das war der heutige Weg, bei dem ich anscheinend meine schwersten Sünden abbüßen musste (sieh oben).
Die Landschaft ist hier überwältigend. Hohe Berge begrenzen ein schmales Tal und die Orte wachsen die steilen Hänge empor. Kindern braucht man hier keinen Ball zum Spielen kaufen.

Am Beginn von St. Anton ein gut gemachter Info-Point und dort verbrachte ich dann ca. eine Stunde für die Zimmersuche. Es ist wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.
Theoretisch gibt es hier tausende Quartiere. Davon zieht man die Hälfte der Quartiere ab, weil es keinen Sommerbetrieb gibt. Dann will ich nicht abgelegen oder hoch oben nächtigen (unnötige Wege). Dann ist die überwältigende Mehrheit von Ferienwohnungen abzuziehen und auch die Oberklasse der Hotels usw.
Somit bleiben zwar nicht mehr so viele Möglichkeiten, aber noch genug, um auch noch eine Preisselektion vorzunehmen. Ich rufe mich nun von Vermieter zu Vermieter durch. Aber so leicht geht das nicht. Ein Drittel hebt nicht ab. Das nächste Drittel hat nichts frei oder will deutlich hörbar kein Zimmer für eine Nacht hergeben. Beim Rest gibt es andere Absagegründe: Wir haben nicht geheizt. Ich muss morgen früh weg. Wir malen aus. Wir sind in Pension ... Beim ca. 30. Anruf habe ich endlich Glück. Ich bekomme ein tolles Zimmer mitten im Zentrum in einem alten Holzhaus. Und mit dem Preis 28,- könnte ich in St. Anton auch leben. Auf die Bitte um ein preisgünstiges Zimmer bekomme ich 5 Euro Rabatt - nett, nicht war? Ich ziehe dankend meinen Hut.

Jetzt habe ich ein schönes Zimmer, habe nebenan gute Tiroler Kasspatzen mit Salat gegessen und ein Bier getrunken. Jetzt fühle ich mich wieder wohl und sammle Kräfte für die morgige Königsetappe über den Arlberg.

Ich hoffe, ich habe Euch nicht zuviel vorgejammert. Ich werde mich bessern!
Pilger Walter

2 Kommentare:

  1. Lieber - heute etwas frustrierter und für morgen wieder Topmotivierter - Pilger, irgendwann ist es wichtig, sich den Frust von der Seele zu schreien (Ingrid meinte, sie hätte vor lauter Frust so laut geschrien, bis jemand vorbegekommen wäre...)oder zu schreiben, das befreit und so wie du es geschrieben hast war die heutige Etappe wirklich kein Honiglecken. Aber denk dran - du hast es geschafft und bist demnächst - so unser Herrgott es will - auf der anderen Seite des Arlbergs! Eine Super-Tolle Leistung von Dir - unsere Hochachtung! Und es ist wieder ein (Bundes)Land geschafft - das nächste wartet und irgendwann wirst du vor der Kathedrale von Santiago stehen und stolz auf dich sein und möglicherweise an diesen heutigen besch...enen Tag denken. Nachdem die Wetterprognose für morgen nicht so schlecht ausschaut wünschen wir dir, dass dich beim Frühstück keine bis wenige Fliegen und beim Gehen über deine Königsetappe neben dem Hl. Jakobus auch die Sonne begleiten. In diesem Sinne weiterhin alles Gute und Kopf hoch! Ingrid und Werner
    PS: Sollte mal wieder ein Frusttag kommen (was wir nicht hoffen) schreib`s ruhig, es gehört raus!

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  2. hallo
    Ich wünsch dir für morgen, alles Gute und viel Kraft.
    Bkath

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