Donnerstag, 16. Juni 2011

Weiter, immer weiter

Hallo zu Hause!

Innsbruck und der Jakobsdom kann mich nicht aufhalten. Ich muss, ich will weiter. Der nächste Abschnitt wartet und ich werde sehen, ob mich das angesagte Regenwetter erwartet.
Beim frühen Abmarsch ist der Himmel zwar tiefgrau, aber der nächtliche Regen hat aufgehört.
Jetzt geht es fast 8 Km entlang des Inns bis man aus Innsbruck draussen ist. Unzählige Radfahrer und Jogger bevölkern den getrennten Radweg und den Fußweg. Mit den Joggern habe ich bald ein Problem. Die ziehen ihre Spur verbissen und lassen sich nicht dazu bringen auszuweichen. Der Klügere gibt nach, obwohl ich mit meinem Rucksack und mit der Aussicht auf über 30 Geh-Km (34 sind es dann geworden) auch gerne meine Spur gehalten hätte. Nur einmal hat mein geplagtes Pilgerherz aufbegehrt, als eine Joggerin, zuerst die andere Seite nutzend, auf Konfrontationskurs mit mir geht. So ca. 150 Meter vor mir, wechselt sie (grundlos?) auf meine Seite rüber und kommt auf mich zu. Will sie was von mir? Ich schau kurz an mir runter, passt die Kleidung? Leider habe ich keinen Spiegel bei der Hand um mein Äußeres zu prüfen. Gewohnheitsgemäß fahre ich mir durch die noch ungewohnte Stoppelfrisur - auch da passt alles.
100 Meter Distanz und die Joggerin kommt immer noch geradewegs auf mich zu. Ich beruhige mich: Wenn sie mich näher sieht oder riecht, wechselt sie sicher die Seite. Nein, nur mehr 50 m. ICH weiche nicht aus! 20 Meter, ich kann ihr schon fast in ihre Augen sehen und marschiere tapfer weiter, mit einem Ausdruck im Gesicht: Das ist meine Seite - hau ab! 10 Meter, ich nehme eine Kampfhaltung ein. 5 Meter, jetzt passiert es und morgen steht in der Tiroler Zeitung: Joggerin und sturer Pilger kollidierten am Innufer. Beide Kontrahenten liegen in der Intensivabteilung der Innsbrucker Uni-Klinik. Verschulden ungeklärt. Pilger stammelt nur: "Diesmal weiche ich nicht aus."
Zwei Meter vor mir macht die Joggerin doch den retteten Schwenk und mit verbissener Miene und totbringenden Blicken zieht sie an mir vorbei. Aufatmend und mit siegesbewusster Miene marschiere ich weiter, bis ... Ihr erratet es, bis schon wieder der nächste Jogger auftaucht. Ich gebe ihm aber über die Distanz gleich zu verstehen, dass ich ausweiche. Noch so eine nervenzerreissende und gefährliche Situation kann ich mir, 2.300 Km vor meinem Ziel, nicht leisten. Aber ich gehe mit stolzerhobenen Haupt weiter - einmal habe ich mich gegen einen Jogger, der zu Unrecht meine Spur haben wollte, durchgesetzt.

Zu meinem Glück setzt sich auch das schöne Wetter durch und es wird ein wamer Tag. Überhaupt nicht so, wie es die Wetterberichte vorhersagten - danke Jakobus. Und so kann ich beschwingten Schrittes durch die Gemüsegärten Tirols bei Kematen marschieren.
Ich gehe durch eine sehr schöne Gegend des oberen Inntals. Ort für Ort reiht sich lieblich wie eine Perlenschur aneinander. Viele alte und gut renoviere Bauernhäuser mit ihren bunten Bemalungen geben sich als Fotomotive her. Ich ahne schon jetzt den Kampf beim Aussortieren und Auswählen der Fotos.
Zwei sehr liebe Wegtafeln kann ich Euch heute als Foto zur Verfügung stellen (Handyqualität).

Am Rande von Zirl verliere ich den JW. Keine Tafeln die mich weisen oder die ich finde und mein Führer trägt eher zur Verwirrung bei, als zur Hilfe. So finde ich mich schnell auf einer starkbefahrenen Bundesstraße wieder, die auch als Autobahnzubringer dient. Keine Angst, es hat keine Düdeldü-Meldung über Pilger auf der Autobahn gegeben!
Der Vorteil beim Straßengehen ist, man findet sich gleich zu recht und kommt schnell voran. Es hat nicht lange gedauert und ich konnte auf eine sehr wenig befahrene Landesstraße wechseln. Auf diesen blieb ich dann für heute auch, weil sie schnell von Ort zu Ort geführt haben. Oft konnte man drei Orte nach vorschauen. Damit ersparte ich mir auch die JW-Umwege, Schlechtmarkierungen und x-maliges Stehenbleiben und im Führer die komplizierten Weg-Erklärungen zu interpredieren.
Einige Erdbeerfelder versüßten mit ihren letzten Früchten mir den Weg.
Gegen Mittag begann es dann doch etwas zu regnen und ich flüchtete zu einer Bank unter dem Vordach einer Friedhofskapelle. Dort wollte ich den Regen abwarten und machte es mir bequem. Die Schuhe ausziehen, wie bei jeder kleinen Rast und die Füße auf die Bank. Der Rucksack diente mir als Stütze und so wollte ich Siesta halten. Wollte deshalb, weil bald vier jugendliche Mädchen auftauchten und an diesem abgelegenen Platz rauchen und trinken wollten - so sah der Platz auch aus. Ich riskierte nur ein Auge und gab damit zu verstehen, dass ist jetzt meine Bank und ich bin nicht gewillt zu weichen. Die Mädchen bleiben trotzdem und hofften, dass ich Leine ziehen werde. Falsch gedacht! Meine Füße brauchen Erholung, ich will schlafen und draussen regnet es. Zum zweiten Mal setzte ich mich heute durch. Nach 20 Minuten gaben die Mädchen auf und sie mussten das Schlachtfeld räumen und ich konnte endlich ruhen. Nach einer Stunde war der Regen vorbei und ich konnte meinen Weg zum heutigen Etappenziel Pfaffenhofen fortsetzen. Jetzt ging es vorbei an Apfel- und Kirschplantagen. Es ist eine sehr reizvolle und auch imposante Gegend. Die Berge ringsum sind beeindruckend.

Gegen Ende meiner heutigen Tour wurde das Gehen wieder mühsam. Über 30 Km gehen dann schon in die Füße. Aber beim Ankommen im Quartier, welches ich mir schon am VM reservieren konnte (20,-), musste zuerst wieder die Wäsche gewaschen werden, bevor ich mich waschen oder mich hinsetzen konnte. Ich musste mich auch wieder voll anziehen und in die Laufschuhe schlüpfen, um ca. 1 Km ins einzige GH essen zu gehen. Au weh, das Gehen mit den Laufschuhen ist fast eine Qual, aber der Magen tut noch mehr weh. Ausgezeichnete Tiroler Schlutzkrapfen (ähnlich der Kärntner Nudeln, aber mit Spinatfülle) und 2 Bier entschädigten für den schmerzhaften Weg.

Nun reicht es mir für heute und ich wünsche Euch einen schönen Abend, Morgen oder Tag, wann immer Ihr diese Zeilen lesen werdet.
Pilger Walter

1 Kommentar:

  1. Lieber Herr Pilger Walter!

    Hape Kerkeling kann seinen Bestseller einpacken, ihre Zeilen sind viel besser! Ist fast so, als wäre man dabei. Danke!

    Lg Rivana aus Kärnten

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