Samstag, 25. Juni 2011

Verirrungen

"Es irrt der Mensch, solang er strebt." So sagt es Dr. Faust.
"Es (ver)irrt der Pilger, solang er geht," So sage ich, der Pilger Walter.

Der erste Irrtum war, das wird heute eine einfache Tour. Auch weil sie um 5 Km kürzer wäre als geplant. Der Mensch denkt, doch Gott lenkt. Heute hat er mich gar gewaltig in der Gegend herumgelenkt und dann zu mir gemeint, jetzt schau einmal, ob Du Dich noch zurecht findest.

Nach einem guten Schlaf, bin ich von Urnäsch bei gutem Wanderwetter (trocken, bedeckt und mit eher unterkühlen Temperaturen) los gestartet. Gleich einmal in die logisch zwar richtige Richtung, aber für
den JW falsch. Also wieder zurück und hoch den Berg (wie noch einige Male).
Gleich drauf verirre ich mich schon wieder. Ich gehe genau, wie der Führer es beschreibt. Nur dort endet der Weg nach 300m im Nirwana. Ich gehe wieder zurück und nehme die Straße hoch. Bei der nächsten Kehre geht der beschriebene Weg erst weg. Und der Weg geht geradewegs nach oben, steil nach oben. Die Wegbeschreibung ist zu 95% sehr gut. Aber die restlichen 5% haben es in sich. Entweder ist sie an der notwenigen Stelle nicht vorhanden oder so versteckt, dass man Fährtensucher sein müsste. Im wahrsten Sinne des Wortes, den oft queren die Wege mitten durch eine Wiese und nur eine ungefähre Spur einiger niedrig getretener Grashalme ist zu sehen.
Bei dem steilen Anstieg (ich habe bis jetzt keinen normalen Anstieg in der Schweiz erlebt), habe ich doch glatt eine versteckte Markierung seitwärts übersehen und ich marschiere den Weg weiter nach oben in den Wald. Bald kommt mir der Weg spanisch vor, obwohl ich noch nicht in Spanien bin. Der Weg ist eindeutig, aber es gibt keine Markierungen mehr und das ist untypisch. Endlich komme ich am oberen Rand einer Wiese aus den Wald raus und nirgendwo ist eine Markierung zu sehen. Da kann ich nicht richtig sein. Wie aber weiter? Zurück oder weiter und die Wiese 200m hinunter zu einer Alm. In dem unbekannten Gebiet will ich kein Risiko eingehen und gehe lieber zurück bis ich wieder zu einer Markierung komme. Die übersehene Markierung finde ich dann auch, weil ich die andere Wegseite benutze. Frage an Dich lieber Gott: wieviele oder welche Sünde(n) war dieser ca. 1Km steile Umweg wert?

Nach einer kleinen ebenen Passage geht es wieder steilst den Berg hoch und alles direkt und gerade nach oben, so wie bisher alle Berganstiege. Es geht immer die Direttissima nach oben. Mir kommt vor das Wort Direttissima kommt aus dem Schweizer Sprachgebrauch. Die kennen nur gerade nach oben.
Jetzt kommt das Gemeine oder auch Lustige (ich habe trotzdem gelacht). Ich komme genau an der unteren Seite der Wiese herauf und muss zu der Alm, die ich vorher verirrterweise von oben gesehen habe. Nur jetzt von dieser Seite sind die gelben Markierungen zu sehen. Was solls, ich nehme es auf die leichte Schulter und gehe weiter.
Der Weg führt nun über Wiesen, Almen und Wälder nach oben. Durch einen kleinen Wald bin ich links und rechts von Kuhweiden umgeben und das vielstimmige Glockengeläute war wie das Glockenläuten bei einer Frohnleichnamsprozession. Es war schön zum Anhören. Nicht schön war aber, dass der Weg gleich darauf und noch ein paar Mal durch die Weide führte und da wieder meine Hochmoor-Theorie bestätigt wurde. Oft war es nicht mehr zum Durchgehen, aber es musste sein. Einmal musste ich durch eine Pferdeweide und die jungen übermütigen Pferde kamen mit wildem Galopp auf mich zu. Vielleicht wollten sie mit mir spielen, aber da suche ich mir kleinere Tiere aus. Zum Glück blieben sie 5 Meter vor mir stehen, vielleicht aber, weil sie meine nach vorgestreckten Stöcke beeindruckten. So konnte ich rasch beim Gatter hinausschlüpfen.
Nach einem kurzen Bergabstück war dieses Bergab und ein zusätzliches Stück wieder steil nach oben zu gehen. Dann endlich war der Tüfenberg (1073m) erreicht. Das war eine schöne Prüfung. Aber vielleicht erklärt der Name des Berges alles: Tüfenberg heißt auf gut deutsch: Teufelberg!!!
Die Aussicht war aber gigantisch schön, wie alle noch passierten Bergstrecken.

Endlich ging es dauerhaft nach unten, bis auf 700m, um, Ihr erratet es, um gleich wieder so steil nach oben zu gehen. Diese Spiel wiederholte sich bis zum geplanten Ziel Wattwil noch zweimal. Insgesamt bin ich heute dreimal auf 1000m hochgestiegen und sonst waren es auch immer an die 200Hm.
Soviel zu dem Thema, heute wird es eine gemütliche Strecke. Ich war aber heute gut drauf und habe mich immer wacker und schwitzend nach oben gekämpft.
Endlich kam das Ziel Wattwil näher. Einmal hinauf und dann wieder ganz ins Tal. An der höchsten Stelle korrigierte ein netter Bauer meinen Weg, denn dort ist die verlangte Richtungsänderung nur sehr versteckt und weit weg zu sehen. Er meinte, da gehen viele falsch. Wir plauderten etwas und ich hörte ein für Wanderer und Pilger unheilvolles leises Grollen. Der Himmel hat sich etwas verfinstert, aber der Bauer meinte, da kommt nichts. Ich gehe trotzdem rasch weiter und schnurstracks nach unten (siehe Direttissima). Noch einmal verirren, weil ich den direkten Weg nach unten nicht sah, und ich bin ein Stück weitausholend die Straßenserpentinen nach unten gegangen. Ich komme in Wattwil an und es beginnt zu regnen. Gleich das erste Hotel hätte noch vertretbare Zimmerpreise (ab 60,- SFr), aber ich bin auf der Suche nach einem Privatzimmeranbieter wo die HP nur 50,- kosten soll. Leider war dafür noch ein Anstieg notwendig und das für die Katz. Das letzte Zimmer wurde eine Stunde vorher vergeben. Die Leute waren aber sehr nett und telefonierten herum, bis sie für mich ein Quartier gefunden hatten. Ob ich noch die Kraft für gut eine Stunde und bergauf hätte? Ich bekäme dafür ein günstiges Quartier am Weg der morgigen Etappe und diese würde dann von dort eher gemütlich weitergehen. Ja, diese Reserven habe ich noch und ich mache mich auf den Weg. Der Regen ließ nach und auf der anderen Hangseite von Wattwil ging es in gewohnter Manier wieder hoch - extrem steil und gerade hoch. Und so fand ich mein Quartier nach insgesamt ca. 1200Hm hoch oben auf 1000m. Tiefer mag ich es gar nicht mehr.
Was mir mein Quartiervermittler aber nicht sagte, dass dies ein Büelistöble ist, ein "Schlafen im Stroh" am Bauernhof. Man schläft hier im Stadel im Stroh oder auch auf Matratzen. Es gibt Duschen und sanitäre Anlagen und Aufenthaltsmöglichkeiten. Im Preis ist auch ein Frühstück inkludiert. Das Nächtigen kostet "nur" 25,- SFr.
Hier stand ich dann und wusste nicht weiter. Diese Art wollte ich mir nicht antun, aber die einzige Alternative wäre ein Weitergehen um eine weitere Stunde gewesen. Das war noch weniger attraktiv, nach diesem Tag. Die junge Bäuerin zeigte mir den Schlafstadel und nachdem ich (fast) allein sein werde (ein Paar kommt vielleicht noch), sagte ich zu. Diese Erfahrung gehört auch ins Pilgertagebuch. Es gibt Pölster und Schlafsäcke und ich verwende sie nur mit meinem mitgeführten Hüttenschlafsack. Ich habe mir gleich das bessere Matratzeneck reserviert.
Ich muss Euch sagen, schön langsam gewöhne ich mich an die Lage. Es ist sehr schön hier oben, ungewungen und die Wirtsleute sind sehr nett. Gegessen habe ich auch gut und ein Bier gibt es auch. Bis jetzt passt es mir recht gut. Fragt mich morgen, nach der Nacht mit hoffentlich gutem Schlaf.

Zum Schluss noch ein Zitat, welches auf dem Zuckersäckchen beim Frühstück stand und recht gut für meinen Weg passt.
"Ein Ziel haben ist die größte Triebkraft
im Leben eines Menschen."
Viktor E. Frankl

Aus dem Stroh und hoffentlich ohne Floh, grüße ich Euch (hatschiiiie)
Euer Pilger Walter

1 Kommentar:

  1. Hallo Pilger Walter.Tolle Leistung die du da erbringst!!Das schlafen im Stroh hat ja auch seine guten Seiten.Du bist an der Stelle der erste der da liegt, und nicht der xxxte. Wenn du keine Allergien hast wirst du sicher gut schlafen. Habe das auch schon einmal gemacht und war positiv überrascht. Wünschen dir für Morgen gutes Wanderwetter und vor allem keine leeren km, Irrwege und sonstige Tücken. Gute Nacht ohne Floh und Co wünschen Alexandra und Werner

    AntwortenLöschen