Mittwoch, 22. Juni 2011

Frisch und froh weiter - der 19. Gehtag

Hier bin ich wieder, liebe Freunde!

Gestern habe ich mir den Luxus eines Ruhetages gegönnt. Das hat gut getan. Ich will keine Rekorde brechen, sondern mein Ziel erreichen und da muss man mit den Kräften haushalten.
Am VM bin ich ca. 3 Km zurück ins Dorf spaziert und habe ein paar Einkäufe, auch fürs Abendessen, getätigt. Am NM habe ich dann die Haussauna genossen und damit haben sich die Muskel gut entspannt.
Beim Frühstück habe ich eine Pilgerin, die von Salzburg bis Feldkirch geht, kennen gelernt. Es war lustig unsere Erlebnisse auszutauschen. Zwischen Grins und Fliersch hat sie den selben falschen Weg genommen wie ich und ist auch den Berg hinaufgekoffert. Unter dem Regen, besonders vor Stanz und bis Grins hat sie noch mehr zuleiden gehabt.

Heute am Vortag von Frohnleichnam geht es ausgeruht wieder weiter.
Mein Schatten am Morgen zeigt mir, dass ich am richtigen Weg bin. Es geht westwärts, nach Santiago. Siehe Foto.
Ich schreite flott voran, denn die Wettervorhersagen verheißen nichts Gutes. Im Laufe des Tages soll eine Gewitter- und Kaltfront durchziehen. Bis Bludenz ist es heute nicht so weit und ich kann es vorher schaffen.
Mein Partner, der "Ho-Ruck! Sack-du!" passt mir heute auch nicht recht. Mir scheint, er hat am gestrigen Ruhetag zugenommen. Ob das an dem kleinen Stück Seife und der Kekspackung liegt, die ich gestern gekauft und eingepackt habe? Oder hat mir die Zimmerwirtin soviel an Jause in den Rucksack gepackt. Aber nein, dass hätte ich am Rechnungszettel bemerkt, denn rechnen können die Vorarlberger(innen). Bei aller Freudlichkeit steht jeder Posten genau auf der Rechnung:
Bier vom Kühlschrank 2,-
Ein Vierterle leichter Rotwein (erstes am Weg) um 3,50;
2 Stunden Sauna 10,- obwohl im Prospekt als inklusive angeboten (gilt im Sommer nicht)
Wäschewaschen 4,- Zum Glück habe ich sie selbst aufgehängt.
Nur die Freundlichkeit war gratis, aber vielleicht war das der Pilgerbonus.

Nach dem ungeplanten und unangesagten heftigen Gewitter gestern Abend, sticht heute die Sonne aus dem klaren blauen Himmel. Durch die aufsteigende Feuchtigkeit ist es sehr schwül und der Schweiß rinnt genau so wie gestern in der Sauna.
Da fällt mir ein vierzeiliger Schüttelreim ein:

Brennt die Sonne sehr am Morgen,
bringt ein Gewitter mehr an Sorgen.
Rinnt im Unterricht der Schüler Schweiß,
ist's beim Gehen ein schwüler ...

Für das letzte Wort suche ich noch Vorschläge!

Der Weg führt dann idyllisch entlang einer Aulandschaft der Alfenz, aber mit einigen schweißtreibenden Anstiegen. Beim einsamen Gehen am Morgen sind die Sinne wach und ich beobachte die Natur in kleinsten Facetten rings herum. Ein kleiner weißer Schmetterling begleitet mich ein Stück des Weges. Danke Schmetterling und danke Jakobus für die Begleitung. Oder hat mich der Schmetterling, ob meiner sicher starken Schweißausdünstungen so lieb gehabt? So wie beim späteren Mittagessen dann eine Fliegenhorde.
Dann ein tausendfaches Grillengezirpe von der nahen Wiese. Es übertönt fast das Rauschen des Baches und die Geräusche des Straßenverkehrs von der anderen Talseite.
Viele bunte Wiesenblumen säumen den Weg und ich komme trotz des forschen Schrittes fast einwenig ins Träumen. Ich finde einfach, das Leben ist schön.
Dabei denke ich aber gleich an meine liiebe Schwiegermutter, die einen kleinen Schwächeanfall bekommen hat und ins Spital musste. Ich denke an Freude, die mit einer heimtückischen Krankheit kämpfen und gekämpft haben. All denen würde ich gerne ein großes Stück Kraft von mir abgeben. Und ich denke mit Schmerz an einen lieben, hilfsbereiten und gleichaltigen Wiener Kollegen, der vor ein paar Tagen verstorben ist. Ich habe das gestern erfahren. Wir haben viel zusammen gearbeitet und ich und meine ehemalige Betriebsstelle waren ihm sehr zu Dank verpflichtet. Ernstl, ich gehe den Weg nun auch für dich!

Eigenartig ist hier die gewechselte Baukultur. Im Klostertal finde ich wenig "brauchbare" alte Häuser, die ein gutes und typisches Motiv abgeben. Typisch für die Region sind die, mit kleinen Holzschindeln verkleideten Häuser. Nur leider recht schmucklos. An den Häusern findet sich nicht die Blumenpracht, wie wir es bei uns gewohnt sind und wie es im Inntal zu sehen war.

Der Vormittag schreitet voran, gleich wie ich gegen Bludenz, und der Himmel zieht sich wie erwartet immer mehr zusammen. Schon sehe ich in den Bergen die ersten Regenschauer niedergehen und in der Ferne sehe ich schon die Ortstafel von den Aussenbezirken von Bludenz. Genau mit dem Mittagsläuten und der Ortstafel fallen die ersten Regentropfen. Ein paar Meter weiter ladet ein Gasthaus zum Unterstehen, Verweilen und zum Essen ein. Ich mache es mir im überdachten Gastgarten bequem und es beginnt gleich zu regnen. Glück gehabt. Während ich mein Menü esse. hört der kurze Regenschauer wieder auf und ich kann gleich die restlichen drei Km ins Zentrum hinter mich bringen. Nach meinen Recherchen sind in Bludenz die Zimmer nicht günstig zu haben und bei der Tourist-Information erhoffe ich mir mehr Infos als im Internet.
Vorher sehe ich beim Bahnhof einen billigen Klipp-Frisör. Mein Kurzhaarschnitt ist schon wieder drei Wochen her und unter meinem Hut dürften beste klimatische Bedingungen für den Haarwuchs herrschen. Sie sind ganz schön gewachsen. Vielleicht sollte ich meinen verschwitzen Hut patentieren lassen und ihn als Haarwuchsmittel anpreisen - ich könnte reich werden und das mit einem Wuschelkopf ;-)
Bevor ich die Frisörin an mein Haar lasse, gehe ich noch am Bahnhof auf die Toilette und wasche mir den Schweiß aus den Haaren. Dann bin ich zum Rückschnitt auf 6mm bereit. Ahhh, sind die kurzen Haare ein Genuss :-)

Was mir in Bludenz besonders auffällt und auch sonst auf Vorarlberer Boden: Es gibt einen sehr hohen Ausländeranteil, insbesonders von Türken. Es ist bekannt, dass sie im Ländle sehr begehrte Arbeitskräfte sind. Beim Nachfragen für den Weg zum Gemeindeamt, kann mir erst die fünfte Auskunftsperson helfen. Sonst höre ich entweder ein "nichts Verstehen" oder ein gebrochenes "ich weiß nicht".

Im Infobüro der Gemeinde finde ich dann auch ein billiges Privatquartier im Nachbarort, dort wo mein Weg morgen vorbei führt. Mit den 17-18 Euro für das Zimmer darf ich mir nicht viel erwarten, obwohl ich diesbezüglich schon ein paarmal sehr positiv überrascht wurde.
Ich machte mich auf den Weg nach Nüziders und werde gleich auf zwei Proben gestellt. Die erste ist das Milka-Werk an dem ich vorbei gehen muss und auch gehe! Keine lila Pause!
Aber gleich ums Eck, ich lechze noch vergeblich nach den lila Milka-Kuhprodukten, wartet gleich die nächste Versuchung. Die Fohrenburger Brauerei mit einem lauschigen Gastgarten. Der Kampf in mir war kurz und eindeutig. Ich bestelle ein kühles Seiterl Bier und wie das in der schwülen Frühnachmittagshitze schmeckt!!! Der Preis schmeckt dann aber nicht, 2,70 sind keine Okkasion für ein Seidel direkt beim Produzenten..
Beim Spar-Markt kaufe ich mir noch ein Abendessen ein und bin (zu) früh bei meinem Quartier. Zu früh deshalb, weil das Quartier keine Offenbarung ist. Ein pedantes älteres Ehepaar, ließ mich gleich bei der Haustüre die Schuhe ausziehen und ich musste aufpassen, dass ich mit dem Rucksack nirgends anstreife und wurde in ein altes, komfortloses Zimmer mit Möbeln aus den 50er Jahren geführt. Im privaten Bad im Erdgeschoß musste ich mir noch weitere Unterweisungen gefallen lassen. Ich wäre am Liebsten wieder gegangen, aber ein Pilger muss sich in Verzicht üben. Bei der Frage nach dem Preis hieß es dann 22,- Euro. Es kommen noch Kurz- und Einbettzuschlag dazu. Ja, ja, die Vorarlberger können rechnen. Wie wird das erst in der Schweiz werden.

Ich hoffe, ich habe meine inzwischen reichliche Leserschar wieder mit Infos und Schmankerl von meinem JW gefüttert.
Mit einem Grüß Gott,
Euer Pilger Walter

PS: von der Regenfront ist bis jetzt (später NM) nichts zu sehen und es ist heiß und schwül. Hoffentlich kommt es morgen dafür nicht dicker.

3 Kommentare:

  1. Lieber Pilgerfreund - wir hatten heute nach dem Wetterbericht der ZIB2 schon arge Befürchtungen, dass dich schwere Unwetter bei deinem Weg hätten stören können - es freut uns, dass du trockenen Fusses bei deinen heutigen Gastgebern angekommen bist. Kannst froh sein, dass du dich nicht gleich am Ortsanfang hast müssen ordentlich duschen - kampln brauchst dich ja nicht mit deiner haarpracht. aber mir (W) hast es ja nicht glauben wollen, dass so eine Frisur ganz was tolles ist - und pflegeleicht... Aufpassen musst nur auf die Sonne, denn der Kopfhautschutz ist weg. Aber dies ist ja dzt nicht wirklich so das Problem, fürchten wir. Morgen (oder spätestens übermorgen) hast du also den letzten Tag in Österreich und dann geht`s ab zu den Schweizern (sind im Rechnen noch besser, siehe CHF/EUR...) - Wir wünschen dir viele nette und liebenswürdige Schweizer Menschen, die ein grosses Herz für Pilger haben und ab und zu auch auf die Fränkli verzichten! Pass auf dich auf und denk an deinen Spruch: "Es geht wenn man geht" - in diesem Sinne wünschen wir dir Kein staubfreies Weitergehen, sprich keinen Regen, sondern ein ordentliches Wanderwetter! Wir freuen uns auf den nächsten Bericht! Ganz liebe Grüsse an Dich - Ingrid und Werner.
    PS: Auch von den Taudi-Eltern und Kiri-Mama alles Gute, haben gestern viel von deiner Reise erzählt, sind schwer beeindruckt

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  2. Lieber Pilger Walter, wir haben heute oft an dich bzgl. des Wetters gedacht - das es dich nicht zu arg erwischt mit Regen und Gewitter. Werden bei der morgigen Frohnleichnamsprozession ein Stoßgebet für dich beten bzw. nach oben abschicken, damit der morgige Tag nicht zu nass bzw. zu schwül wird. Freuen uns auf deinen nächsten Bericht von deinem JW. Alexandra und Werner aus Oberaich

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  3. Hallo Pilger Walter!
    Wir "verfolgen" dich im Internet. Es ist ganz toll, was du machst. Wir wünschen dir viel Kraft für deinen weiteren Jakobsweg und vor allem das passende Wetter. Liebe Grüße von Grete, Mirka und Rudi!

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