Freitag, 24. Juni 2011

Ein anstrengender Tag

Grüazi aus der Schwytz!

Ich sitze jetzt in Urnäsch im Bett und habe meine schmerzenden Beine weit weggestreckt. Momentan gehören sie nicht mir. Ich habe sie zwar gewaschen und wie üblich mit der Hirschtalgsalbe eingeschmiert, aber sonst wollen wir von einander nichts wissen. Ich bin aber überzeugt, morgen passt wieder alles und wir vertragen uns wieder.
Es war ein recht anstrengender und langer Gehtag und ich verstehe meine Füße und Beine, dass sie aufbegehren. Aber das hat sein müssen.

Die Wegstrecke und die Etappe war generell herausfordernd und dann gab es noch eine Draufgabe, damit die Quartierkosten erträglich bleiben.
Von der Jugendherberge bis an den Rand von Feldkirch (ca. 31.500 Ew, also größer als Leoben) habe ich mit einen guten Stadtplan die effizienteste Route hinaus gefunden - für heute konnte ich keine unnötigen Km gebrauchen. Bis zur Staatsgrenze waren es dann ca. 8 Km, nur unterbrochen von einem kurzen Regenstopp und es ging durch Felder und Auen und dann überquerte ich den Rhein und ich war in der Schweiz. Im Schweizer Grenzort Oberriet gibt es einen unnützen Umweg rund um einen Berg. Den wollte ich vermeiden und ging direkt an der Straße weiter. Weil ich dann beim Hirschensprung (die Straße führt durch zwei senkrechte Felsen durch, die ein Hirsch überspringen könnte) den Abzweiger nicht eindeutig finden konnte, weil die Tafelbeschriftungen anders waren, als im Führer angegeben, habe ich ein paar Zusatzmeter gemacht. Dann ging es den Berg hoch, und wie. Ich bin ein starker Bergaufgeher, aber bei dieser Steilheit und bei den schlechten Wegen hatte auch ich ordentlich zu kämpfen.
Vom Grenzort Meiningen bis zum höchsten Punkt des heutigen Tages, waren in einem Stück 600 Hm zu bewältigen und das bei dem feuchten Wetter. Dem Schwitzen war kein Ende und oben war ich dann total ausgeschwitzt. Zu der Steilheit kam noch der schlechte Weg dazu. Entweder sehr grobsteinig oder sehr nass. Dazu kamen immer wieder leichte Regenschauer dahergeweht. Vielleicht blieb ich von denen nicht verschont, weil durch das Hochschnaufen die Stoßgebete nach oben zu kurz kamen.
Einmal wurde der Regen doch so stark, dass ich mich schützen musste. Also den "Ho-Ruck! Sack-du!" herunter von den Schultern, den Regenschutz rausnehmen und den siehe oben wieder aufnehmen. Und dann ca. 5 Minuten pantomimisch verrenkend den Regenschutz über mich und meinem Begleiter am Rücken zu bringen und zwischen den Beinen festzuklipsen. Für alle Zuseher muss das erheiternd sein, nur ich selbst sehe das nicht!
Endlich war alles regendicht und ich konnte im Regenguss weitergehen.
200 Meter, von rechts kommt die Sonne durch.
300 Meter, der Regenschauer läßt nach.
400 Meter, es tröpfelt eigentlich nur mehr. Ich traue dem Wetter nicht.
500 Meter, es regnet nicht mehr. Ich gehe trotzdem in voller Montur weiter, denn umsonst will ich den Regenschutz auch nicht übergezogen haben.
600 Meter, bestes und trockenes Wetter. Ich schwitze wie eine Sau unter dem Regenschutz. Also alles wieder retour. Regenschutz runter, Rucksack runter, Regenschutz verstauen, Rucksack rauf, weiter gehen.
5 Minuten später, der nächste Regenschauer kündigt sich an. Ich gehe weiter und ignoriere ihn - gut gemacht, der Regen haut ab. Vielleicht hat er meine verbalen Attacken nicht mehr hören wollen.
Ähnlich könnte ich meinen Bericht für heute weiterführen.
Gemein war der Weg oben im Almengebiet bei den Kühen. Alle Bergwanderer kennen das. Die Wiesen und Wege sind nass und durch die Kuhtritte eigentlich unpassierbar.
Da hat mich heute die Erkenntnis gestreift: Wie entstehen die Hochmoore?
Ganz einfach:
Man treibt eine beliebige Anzahl Kühe auf die Wiesen und Almen. Je nach Größe des gewünschten Hochmoores.
Dann lasse man es eine Woche lang regnen.
Nach einer weiteren Woche haben die Rindviecher das beste Hochmoor geschaffen. So richtig sumpfig und unbegehbar.

Am höchsten Punkt (1.016 m) steht dann die Kapelle "Mariahilf". Die hätte schon vorher stehen sollen, da hätte ich sie gebraucht. Von jetzt ging es zuerst bequem und dann recht steil bergab. Das hat den Knien, nach dem steilen Aufstieg nicht so gut getan. Das linke Knie habe ich etwas gespürt und noch jetzt merke ich, da war doch etwas.

Beim ersten Dorf und ersten Gasthaus bin ich zugekehrt. Ich hatte schon einen ordentlichen Hunger. Das Menü, bestehend aus großem Salatteller und Rahmgeschnetzeltes mit Nudeln und Gemüse kostete 19,50 SFr. Die Umrechnung überlasse ich Euch, damit Ihr auch vom Pilgerweg etwas habt.

Weiter ging es nach unten. Appenzell, ein touristisch überlaufener, aber schöner Ort, ist bald erreicht. Ich besuche die Kirche, sehe mich kurz im Ort um, bin für die Urlauber ein Unikum, mache Fotos und hole mir bei der Info das Zimmerprospekt. In Appenzell bleibe ich sowieso nicht, aber der nächste Ort Gonten interessiert mich. Aber bei Zimmerpreisen von 80,- bis 120,- werde ich nicht fündig. Ich will es vorort versuchen, vielleicht findet sich ein Privatquartier bei Bauern. Die 6 Km nach Gonten ziehen sich schon. Mein Gang ist nicht mehr so frisch und fordernd. In Gonten probiere ich mich herumzufragen, aber ohne Erfolg. Es gibt nichts billiges. Erst bei einem Campingplatz bekomme ich einen Tipp. Weitergehen bis Urnäsch (5 Km), dort sind die Zimmerpreise günstiger. Die Zimmerliste in meinem Prospekt lässt mich hoffen. Einen Apfel zum Weitergehen bekomme ich auch noch geschenkt. Diese weiteren 5 Km waren dann anstrengend zum Gehen. Eigentlich wollten wir alle Drei nicht mehr - meine beiden Füße und ich.
Hier in Urnäsch habe ich einen Gasthof mit allen Zimmerkategorien gefunden. Die "Luxusvariante" mit WC und Bad im Zimmer und die reine Pilgervariante (Großraumzimmer) schieden aus und ich habe mich für ein kleines Zimmerchen mit WC/Dusche am Gang für 50,- SFr entschieden. Das ist leistbar.

Nun wäre noch ein Nachtrag zur gestrigen Jugendherberge fällig.
Der durchgängige Holzbau war sehr geräuschanfällig. Es krachte und knackte bei jedem Schritt und durch die Wände war alles zu hören. Somit war es lange nicht zum Schlafen, denn immer wieder ging wer ins Zimmer oder raus.
Das war ärgerlich, aber ich konnte wegen dem starken Durchzugsstraßenverkehr sowieso nicht einschlafen, denn die Fenster aus dem 16. Jahrhundert hatten eine Schallisolierung wie ein Megaphon.
Irgendwann bin ich doch eingeschlafen, um plötzlich durch einen ordentlichen Rumpler aufzuschrecken. Es dürfte mein Zimmernachbar gewesen sein, der im schmalen Bett an die Holzwand gestoßen ist.
Nach einiger Zeit dämmere ich nach gezählten 673 Schafen wieder Richtung Tiefschlaf. Doch was ist das für ein Lärm? Beginnen da mitten in der Nacht Bauarbeiten mit einer Hilti-Maschine? Nein, es ist ein Schnarcher im Stockwerk. Ist vielleicht mein Freund Werner, sonst passonierter Camper, hier abgestiegen? Oder ist mein lieber Ex-Kollege Ulf, ein begnadeter Schnarcher, mein Zimmernachbar?
So war mein Schlaf, nicht dem eines Säuglings. Zudem ist der Erste schon um 4:30 krachend aufs WC gegangen. Und damit hat auch der morgentliche Straßenverkehr eingesetzt
Um 5:45 habe ichs aufgegeben und bin aufgestanden. Aufs Frühstück brauchte ich nicht warten, da habe ich mich am Vorabend selbst versorgt.
Nur wie ich weggehen will, hat es zum Regnen begonnen und ich warte eine halbe Stunde, bis ich in den langen Tag starten kann.

Jetzt ist beim Schreiben wieder die Zeit vergangen und Ihr wartet sicher schon auf meinen Bericht. Ich lese ihn noch schnell durch, denn mit der Handytastatur schleichen sich viele Tippfehler ein. Einige werden sich sicher im Tagebuch wieder finden.

Aus der Schweiz grüßt Euch,
Euer Pilger Walter

2 Kommentare:

  1. Hallo Pilger Walter!
    Großartige Leistung, die Du da bringst! Herzliche Gratulation!
    Du wirst sehen, heute kannst Du gut schlafen und morgen seid ihr drei (die Beine und Du) wieder die besten Freunde!
    Schlaf gut und für morgen wünsche ich Dir einen angenehmen und trockenen Tag.
    Herzliche Grüße aus St. Xaver
    Sonja

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  2. Grüazi in die Schweiz. Hallo Pilger Walter,schön doch weiter von dir zu lesen. Freuen uns,dass es euch dreien doch einigermaßen gut geht und du ein passendes Zimmer gefunden hast.Sind überzeugt, dass du heute schlaf finden wirst, nach der unruhigen Nacht in Feldkirch und der anstrengenden Etappe.Voradelberg ist anders,wenn schon nicht komfortabel, dann teuer. Wünschen dir für den nächsten Tag alles Gute, da du ja schon selber gesagt hast die Schweiz ist gebirgig. Gute Nacht und für morgen trockenes Wetter.Alexandra u. Werner aus Oberaich

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