diese Zeilen sollten heute nicht geschrieben sein und vieles was mich heute morgen bedrückt hat, ist auch nicht geschrieben.
Der Tag begann mit dem linken Fuß und nicht wirklich ausgeschlafen. Die oft zufallende schwere Eiseneingangstüre ließen mich direkt drüber (im Stiegenhaustrakt) oft aus dem Schlaf schrecken. Das war nicht erholsam. Und dann begann der Tag genau so. Einige Widrigkeiten verbesserten meine Laune auch nicht gerade. Und dazu kam eine tiefe Enttäuschung.
So ging ich am tiefsten Punkt meiner bisherigen Wegstrecke los. Dabei sollte ich fröhlich und glücklich sein. Es war ein wunderschöner Morgen und der Weg führte mich über Rapperswil entlang des Zürichersees. In meinem grummelnden Gram nahm ich nicht viel wahr. Ich erinnere mich zwar noch an viele Rosen am Weg, für die Rapperswil bekannt ist, aber die Freude daran wollte nicht hochkommen. Fast unbeachtet ließ ich den kleinen Zoo vom Zirkus Knie (hier ist das Winterquartier) rechter Hand liegen.
Und schon sah ich den hölzeren Verbindungssteg zwischen Rapperswil und Pfäffikon - ein seit dem Altertum bestehender Steg, um den See zu überqueren. Da sah ich am Beginn eine nette kleine Marienkapelle. Die kam mir gerade recht und ich konnte dort eine emotionale Andacht halten.
Der Ärger war zwar dann nicht weg, aber irgendwie konnte ich darüber hinausschauen. Eine erste Entscheidung traf ich, dass ich heute mein Programm ändere. Ich werde nach einer doch etwas kürzerne Etappe nicht wie geplant noch 8Km weitergehen, sondern in Maria Einsiedeln für Stunden zum Einsiedler werden. Das vielversprechende Prospekt eines Bildungszentrums mit günstigen Quartier hat mich darauf gebracht. Ein wenig für mich alleine bleiben und für heute auch keinen Bericht schreiben - was soll ich auch schreiben? Für das Aufholen der Wegstrecke bieten sich die nächsten zwei Etappen an, die zwar auch nicht einfach sind, aber es wird schon gehen. Und dann habe ich noch eine bequeme Alternative.
So marschiere ich die lange Seeüberquerung dahin und gehe in den heißer werdenden Tag hinein. Durch Pfäffikon durch und ich stehe vor dem Anstieg über 600Hm für heute. Es ging die erste Stunde, wie für die Schweiz üblich, sehr steil und geradewegs nach oben (siehe Direttissima). Nur heute sehr erschwert durch die, schon am Morgen, große Hitze. Das war dann ein Schwitzen, dass ich gar nicht soviel trinken konnte, wie ich schwitzte und Brunnen gab es auch keine. Zum Glück ging es dann doch viel im kühlen Schatten weiter, denn die Sonneneinstrahlung war direkt. Es war dabei schwer die schöne Landschaft und das überwältigende Panorama zu genießen. Ich wollte außerden nur an mein Ziel und mich vergraben.
Nach der ersten "Kletterstunde" wurde der Weg angenehmer. Es ging noch immer nach oben (600Hm müssen erst bezwungen werden), aber nun waren es "normale" Steigungen, die ich mit lockerem Schritt nahm.
Bald war dann der Etzelpass bezwungen und ich dankte in der Meinradskapelle mit einer Kerze dafür. Zwei andere Pilger kamen aus dem Nichts herein und ich wollte mich wieder auf den Weg machen. Da traf ich vor der Kapelle einen zünftig aussehenden Pilger. Mit Erich kam ich ins Gespräch und wir verstanden uns gleich. Er ist Züricher und will nach Genf gehen (eine Art Auszeit und Inzeit). Es ist heute sein erster Gehtag, von Rapperswil herauf.
Wir gingen dann gemeinsam weiter und es entwickelte sich ein gutes Gehen mit Redephasen und genussvoll schauenden Redepausen. Mir hat der Herrgott für meine Stimmung die beste Medizin geschickt - einen Menschen. Es war für mich fast wie ein Emmausgehen. Für Erich war es schön, gleich am ersten Gehtag eine Pilgerbegleitung zu finden. Ich musste darauf 25 Gehtage warten (ausser die von meiner Familie und den Freunden).
Nun war das Gehen, nicht nur ein stilles Gehen, sondern ein Gehen mit Erzählen und einem vieräugigen Sehen. Gemeinsam haben wir die wunderschöne Landschaft durchschritten und gestaunt ob des überwältigenden Panoramas. Obwohl ich meinen Schritt drosselte und auf Erich anpassen wollte (es wird mir nicht immer gelungen sein, stimmt es Erich?), ist mir der Weg nach Einsiedeln kürzer und schneller vorgekommen. Nicht einmal meinen, sonst immer wehtuenden Spinnzehen (siehe Berichte) spürte ich.
Das Ankommen in Einsiedeln und in der Kirche zu stehen, war heute mein zweiter sehr emotionaler Zeitpunkt. Man stelle sich vor, ich bin mit meinen Füßen bis hierher gegangen (über 670 Km). Ich kann nur ein sehr demütiges Danke stammeln. Leider ist die Messe vorbei und es folgte später eine stille Gebetsstunde. Ein Foto (ohne Blitz) zu machen, davon konnte mich nicht einmal der strenge Aufseher abhalten. Ich weiß, wie man sich in einer Kirche benimmt, aber das Foto ist für mich viel wert.
Erich und ich trennten uns vor der Kirche dann, jeder wollte noch etwas erledigen. Aber wir wollten im selben Bildungszentrum nächtigen. Vielleicht treffen wir uns beim Abendessen und können den Abend gemeinsam verbringen. Es wäre der erste Abend in Gemeinschaft. Übrigens das Quartier kostet nur 45 SFr mit Frühstück. Da kann mir jede Jugenherberge gestohlen bleiben. Hier wird man liebevoll aufgenommen. Als Gastgeschenk habe ich ein ganz liebes Gebets-, Texte- und Liederbuch (auch weltlich) erhalten. Es kann mir jetzt für meinen selbst gestalteten und leider verlorenen Gebets- und Liederzettel dienen - Danke Jakobus.
Um 16:30 möchte ich zur Vesper und zum Salve Regina gehen.
Euer wieder fast hochgerichteter Pilger Walter
Ps: es kommt immer wieder vor, dass die Überschrift meines Tagesberichtes beim konvertiern verhunzt wird und nur mehr als kryptische Zeichen zu lesen sind. Ich dachte, es kommt von Umlauten und dem ß, aber im gestrigen Bericht kann ich mich nicht erinnern, so etwas verwendet zu haben.
So tauchen Engel auf, wenn man sie am wenigsten erwartet und am dringendsten nötig hat. Ein Segen!
AntwortenLöschenHallo!
AntwortenLöschenIch wünsche das diese schweren Tage die Ausnahme auf dem Weg nach Santiago bleiben!
Peter
PS: Danke für die Karte
Hallo Walter
AntwortenLöschenWünschen Dir weiterhin eine gute Reise.
Liebe Grüße Gerti u. Franz
Lieber Walter!
AntwortenLöschenes gibt leider immer wieder besch...ene Nächte, wo an Schlaf fast nicht zu denken ist und dann ist da noch der linke Fuss, der vermutlich auch schmerzt, mit dem man aus dem Bette steigt - dieser Tag kann nur ein Graus werden! Aber es kommt Gott sei Dank doch sehr oft anders und plötzlich kommt ein Wanderer oder gar Pilger des Weges - und die Welt sieht dann gleich ein wenig besser aus! Bezüglich des ersten Teil deines heutigen Tages oder Weges - versuch dies (einfach) zu vergessen und denk an die wunderschönen Dinge deines bisherigen Weges und vor allem, dass bisher doch immer (fast) alles gut bis sehr gut ausgegangen ist - siehe auch den heutigen Tag. Du hast in einer schönen Kapelle ein Gebet verrichten können, bist nach 670 km in der Kirche in Einsiedeln gelandet und hast einen neuen Freund gefunden, mit dem du die vielen Schönheiten der Schweizer Natur gemeinsam erleben konntest. Zu guter Letzt hast du ein tolles Quartier gefunden und ein Liederbuch erhalten. Aber es war auch sehr gut, dass du den verständlichen Frust dir von der Seele geschrieben und nicht inhaliert hast. Wir sind überzeugt, dass die nächsten Tage wieder besser werden und Du tolle Wandertage erleben wirst.
Übgrigens hat Felix an diesem Wochenende die ersten Schwimmversuche ohne Flügerl unternommen, Tauchen nach den Ringen geht auch schon sehr gut, jetzt muss noch das Luftholen klappen, dann passt es. Benjamin strampelt wie ein kleines Hunderl im Wasser - lustig zum Ansehen. War ein schönes Wochenende.
Lieber Walter, für heute wünschen wir dir eine ruhige und durchschlafende Nacht und morgen einen angenehmen Wandertag. Liebe Grüsse Ingrid und Werner
hallo pilger walter! danke das du trotz eines nicht nach deiner vorstellung entsprechenden tages, dir die zeit nimmst und uns allen deinen tag erzählst. das nicht alles immer nach deinen vorstellungen sein wird, ist glaube ich klar. andere länder andere sitten. toll das du einen pilger getroffen hast,mit dem du dich austauschen konntest.es kommt alles immer zur rechten zeit. gratuliere dir zu deiner leistung,denn die einsamkeit ist nicht leicht zu ertragen.du hast unsere geistige unterstützung,auch wenn wir nur schriftlich kommuniziern können. hoffentlich ist es eine unterstützung. alexandra und werner
AntwortenLöschenLieber Pilger Walter!
AntwortenLöschenIch hoffe, dass das Ziel nicht nur Santiago ist, sondern schon während des Unterwegs-Seins der Weg zu dir selbst. Du nimmst die Chance wahr, dich auf diesem langen Weg mit all seinen Überraschungen, Widrigkeiten,Enttäuschungen und Schönheiten besser kennen zu lernen. Die Chance haben nicht viele Menschen und deshalb ist es wahrscheinlich so schön und wertvoll deine Berichte mit all ihren Emotionen zu lesen, da sie auch uns eine Auszeit aus unserem Alltag ermöglichen.
Danke, und weiter so! Ganz liebe Grüße Rivana