Mittwoch, 31. August 2011

Fern- und Heimweh

Liebe Freunde!
Nach einem erholsamen Ruhetag melde ich mich wieder vom Jakobsweg.
Ich hoffe es ist Euch nicht langweilig geworden, einen Tag nichts von meinen Erlebnissen lesen zu können. Aber schön langsam müsst Ihr Euch daran gewöhnen, den Schritt für Schritt und Tag für Tag komme ich meinem Ziel SdC näher. Wie jedes Buch sein Ende hat, hat dann auch mein JW und dieses Tagebuch einmal ein Ende. Und was werdet Ihr dann des Abends oder im Büro machen? Dann gibt es keine Geschichten und Erlebnisse mehr vom Pilger Walter. Aber Ihr könnt, wie bei einem guten Buch, wieder von vorne beginnen zu lesen. Nur ich, ich werde sicher nicht mehr diesen Weg neu beginnen. Einmal den ganzen JW zu gehen, das war und ist noch immer mein Lebensziel, aber das reicht dann auch - mir zumindest! Und wo sollte ich auch die vielen Sünden hernehmen, damit sich das nochmalige Gehen lohnt? :-)))

Für alle, die es freuen wird, dass ich wieder nach Hause komme: Heute in vier Wochen bringt mich das Flugzeug (hoffentlich) wieder nach Hause und darauf freue ich mich auch schon sehr, so wie auf das Erreichen meines Zieles in SdC.

Weil ich viele positive Kommentare zu meinem schnellen Gehen bekommen habe (Danke dafür), möchte ich zu meinem Gehstil ein paar Anmerkungen anbringenen. Das schnelle Gehen bringt mir nichts in meinem Etappenplan. An den halte ich mich, mit kleinen Veränderungen und das hat sich auch gut bewährt. Früher in SdC zu sein, bringt mir nichts, weil mein Flugzeug erst am 28.9. fliegt.
Um früher am Ziel zu sein, da müsste ich auch mehr Km im Tagesschnitt gehen. Derzeit bin ich mit dem Mehr an Wegen mit 27,6 Km unterwegs, statt wie geplant mit 26,8 pro Tag. Noch mehr an einem Tag zu gehen, dass will ich nicht und ich will auch nicht auf meine Ruhetage verzichten, denn schnell kann sich solcher "Übermut" mit Blasen oder einer Erschöpfung rächen. Ich könnte es mir leisten langsamer den Weg zu gehen, vergleichsweise mit anderen Pilgern, die ich dann immer wieder treffe.
Das schnelle Gehen ist einfach meine Geh-Eigenschaft und das macht mir auch Spass.
Einen großen Vorteil hat mein schnelles Gehen aber doch. So wie andere Pilger noch in der Nacht wegehen, um früh am Etappenort anzukommen, so kann ich warten, bis es Tag wird und das Gehen auch Spaß macht. Ich bin dann auch noch früh an meinem Etappenort und bin an vorderster Front bei der Zimmervergabe und bekomme, wie schon ein paarmal bemerkt, das letzte freie Zimmer und ein eigenes Zimmer ist mir wichtig, wie Ihr wisst.
Heute in Santo Domingo de la Calzada, nach einer Kurzetappe mit 21Km, habe ich vier Anläufe gebraucht, um ein Zimmer zu bekommen. Zuerst habe ich in der Klosterherberge der Zisterzienzerinnen angefragt, es soll hier auch kleine Zimmer geben, aber es waren nur mehr Mehrbetträume frei.
Dann habe ich mir einen Spaß erlaubt. Gleich bei der berühmten Kirche, bin ich erhobenen Hauptes ins Nobelhotel Parador einmarschiert und habe um ein Zimmer für einen Peregrino gefragt. Um 116€ hätte ich auch in diesen Luxustempel einziehen können, aber meine Pilgerkasse meinte doch, es sollte etwas billiger sein. Mit Dank und einem Lachen im Gesicht, bin ich weitergezogen. Das nächste Quartier, ein Hostal, welches mir noch von der Pilgerinformation empfohlen wurde, war schon ausgebucht. Da vergeht einem schnell das Lachen und ich musste weitersuchen. Aber gleich ums Eck fand ich eine kleine Pension, wo ich ein kleines, aber nettes Zimmer um 25€ fand. Das Waschbecken ist im Zimmer und das Bad mit WC liegt gegenüber meinem Zimmer und ich muss es mir mit einem anderen Gast teilen. Nachdem ich früh da bin, kann ich im noch sauberen Bad duschen.

Der gestrige Etappenort Najera, liegt mit seiner kleinen Altstadt an rotbraunen und quergeschichteten Erdfelsen, in die auch Höhlen eingegraben sind. In frühen Zeiten waren das sicher geschützte Wohnhöhlen. Der Blick dorthin war bei richtigem Sonneneinfall sehr reizvoll.
Heute führte der Weg über diesen Felshügel und hier, wie noch einige KM weiter, war die Erde so rotbraun, wie auf einem Tennisplatz. Aber auch hier wuchs Wein auf diesen Böden. Es muss interessant sein, einen guten Wein von diesem Bodenverhältnissen zum Vergleich zu trinken.

Heute gab es entlang des Weges nicht nur Weinanbau, sondern es gab auch Gemüsefelder und sogar einen Hopfenanbau gibt es hier. Die leeren und abgeernteten Stangen und Drähte zeigten dies an, so wie in der Südsteiermark.

Spanien setzt anscheinend viel auf Alternativenergie. Über die vielen Windräder auf den Hängen habe ich schon einmal geschrieben. Heute bin ich bei einer mehrere tausend Quatratmeter großen und schon von weitem sichtbaren Solarstromanlage vorbei gekommen. Das ist sicher die Zukunft und nicht die Atomstromprodution.

Ich habe schon berichtet, welche Begegnungen man am JW macht. Menschen aus aller Welt und allen Rassen. Nur ein Pilgerhund ist fast etwas Neues. Ich habe zwar schon Pilger mit Hunden gesehen, aber der heutige schlägt alle. Mit seinem Frauchen marschierte ein kleiner belgischer Schäferhund mit zwei kleinen Taschen links und rechts umgehängt. Er muss sich sein Futter selbst tragen.
Es ist nur fraglich, ob diese lange Gehbelastung auf den oft spitzen Steinen, für die empfindlichen Hundepfoten gut ist. Ich würde das keinem Hund antun.

Nach einer guten Woche in Spanien, muss ich die Pilgermenüs, die es fast überall gibt, hervorheben. Die Menüs gibt es immer 3-gängig und in den Restaurants kann man die Gänge oft auswählen. Als Vorspeisen gibt es u.a. mehrere Salate, Nudelgerichte, verschiedene Gemüseeintöpfe und Suppen zur Auswahl. Bei der Hauptspeise kann man immer aus Schwein, Rind und Huhn wählen. Oft gibt es auch ein Lammgericht und fast immer gibt es auch ein bis zwei Fisch- und vegetarische Gerichte.
Als Postre (Nachspeise) kann man auch aus einigen Möglichkeiten und Gusto wählen. Dazu gibt es immer Weißbrot und Wein - oft sogar eine ganze Flasche.
Der Preis des Menüs und die Menge der Gerichte schwanken. Bisher habe ich immer ein Restaurant mit Pilgermenüs von 9 bs 11 Euro gefunden.
Vorgestern und gestern habe ich bei meinen Streifzügen durch den Ort ein verstecktes Restaurant gefunden, wo das Pilgermenü nur 9€ (statt sonst 10€) kostet und hier habe ich auch die beste Menüauswahl bei großer Menge bekommen. Nur zum Beispiel habe ich mir einmal den Fisch genommen und eine ganze gegrillte Brasse bekommen und am zweiten Tag habe ich sechs gegrillte Lammrippchen bekommen. Und das alles mit Wein um 9€, das soll wer in Österreich nachmachen.

Kaum schreibe ich vom Essen, da beginnt mein Magen zu knurren, aber er muss noch bis 19:30 warten, bis er wieder gut (im doppelten Sinn des Wortes) gefüllt wird.
Bis dahin werde ich mir sicher noch eine Kleinigkeit gönnen und auch noch den Ort besichtigen. Die berühmte Kirche mit dem Hühnerwunder werde ich nicht anschauen, denn dafür ist wieder zu zahlen. Das finde ich so mies, denn gerade am Pilgerweg sollten die Kirchen für die Pilger tagsüber offen sein. Wenn von den Touristen ein Obulus verlangt wird, kann ich es noch etwas nachvollziehen. Viele dieser Orte und Kirchen sind erst durch das Pilgern entstanden und jetzt verlangt man einen Obulus, wenn man in einer Kirche beten und danken will. Und das nur, weil hier in dieser Kirche nach einer Legende zwei weiße Hühner/Hähne in einer Wandnische gehalten werden.
Der Verzicht auf die Besichtigung dieser Kirche fällt mir auch leichter, weil ich sie schon bei meinen Pilgereisen davor, kennen gelernt habe.

Nun habe ich wieder genug auf meinem Mäuseklavier (Handytastatur) geschrieben und meinen Fingern geht es ähnlich, wie meinen Füßen.
Ich grüße Euch alle vom JW,
Euer Pilger Walter

Montag, 29. August 2011

Was man alles am Jakobsweg erlebt

Liebe Freunde!
Nachzutragen für Logrono ist noch, dass ich beim Betreten der Stadt über eine schöne Brücke den Ebro überquert habe. Logrono ist die Hauptstadt der Region La Rioja. Ich hoffe, dass der berühmte Wein dieser Region, noch manches Abendessen begleiten wird.
Aus der Stadt hinauszufinden ist nicht einfach. Es gibt im Zentrum keine Zeichen und Markierungen, dabei hat die Stadt eine künstlerische Form der Jakobsmuschel schaffen lassen. Dieses Zeichen war ausserhalb der Stadt auf quaderförmigen Granitsteinen zu finden und in der Stadt auf besonders schön gestalteten Bodenplatten. Nur im innersten Zentrum habe ich nichts davon gesehen. Wurde das vergessen? Dabei ist es ganz einfach aus der Stadt hinauszugehen, einfach gerade aus von der Kathetrale weg. Das erkennt man, wenn man einen Stadtplan besitzt, aber wie kommt man auf die Idee ohne eines solchen? Erst wenn man den Weg schon ein gutes Stück gegangen ist, beginnen wieder die Markierungen. Vom Zentrum weg, geht man 5Km zuerst auf gepflasterten Wegen und kommt dann auf einen Betonweg. Die Stadt hat viel Sinn für gepflegte Parkanlagen und auch für eine attraktive Freizeitanlage im Bereich eines Stausees.
Am Ende der Parkanlage nach dem Stausee erwartet einem ein originelles Unikum. In einem kleinem Unterstand begrüßt der vollbärtige Macelino die Pilger. Er stempelt den Pilgerpass mit einem eigenen Logo ab und verschenkt Äpfel, Feigen, Kekse und selbstgefertigte Pilgerstöcke. Er ist ein ganz lieber Lichtblick am Jakobsweg und der Herr möge ihm diesen Dienst vergelten.

Etwas später kommt man an eine Autobahn und entlang dieser, haben am Zaun Legionen von Pilgern tausende einfache und improvisierte Kreuze aus Ästen, Blumen, Gräsern und sogar Fahhradschläuchen in die Zaunmaschen gesteckt. Der Sinn und der Ursprung dieses skurillen Tuns ist unbekannt, aber es regt viele an, es den Vorgängern gleich zu tun.

Heute sehe ich ihn erstmals, den in Spanien früher so präsenten schwarzen Torro, den 10m hohe Stier als Werbetafel für einen Weinbrand, der immer weithin sichtbar auf Hügeln thront. Per Gesetz müssen nun alle Werbetafeln, die in Spanien entlang der Straßen wucherten, entfernt werden. Und so wird auch dieser Torro nur mehr eine begrenzte Lebenszeit haben.

Ein rastender, spanischer Pilger wollte heute von mir gesegnet werden. Er dachte, dass ich wegen meines schon oft bewunderten Holzkreuzes auf meiner Brust, ein Priester wäre. Ich kläre ihn auf und wünsche ihm zumindest einen "Buon Camino".

In der fast finsteren Kirche von Navarette gewöhnen sich die Augen beim Beten langsam an das Dunkel des Gottesraumes. Zuerst schemenhaft und immer deutlicher treten die prachtvollen Altaraufsätze hervor. Es ist ein langsames Erkennen der vergoldenen Schätze aus früheren Zeiten. Viele die Kirchen am Weg sind sehr finster und man darf sie um Euro für Euro erhellen. Gestern in der Kathetrale von Logrono war dies sehr "räuberisch", jeder Seitenaltar, jedes Bild usw. war mit einem Lichtautomaten versehen. Da investiert man schnell 20€, wenn man alles erhellt sehen will. Ich genieße aber die Dunkelheit beim Beten und mit der Zeit wird die Sicht besser. Es ist wie mit dem Glauben an Gott, je mehr man sich damit abgibt, umso sichtbarer wird Gottes Wirken. Und genau das habe ich am JW ganz besonders erlebt.

Am Vormittag kommt mir das Gehen heute mühsam vor. Meine Oberschenkel fühlen sich kraftlos an. Etwas was ich sonst nicht kenne. Nur gut, dass ich mir für morgen einen Ruhetag eingeplant habe.
Aber beim Betrachten des Höhenprofils sieht man auch, dass der Weg von Logrono bis Ventosa fast unmerklich, aber stetig ansteigt und so kommen gleich 300Hm zusammen.
In Ventosa mache ich in einer Bar eine kurze Rast und führe mir wieder eine Stärkung zu - ein Sandwich, ein Bier und etwas Süßes. Das habe ich schon gebraucht. Das Frühstück in der Bar war nicht wirklich stärkend. Nach dieser Rast und dem Kaloriennachschub geht das Gehen auch gleich wieder besser.

Nun dominiert der Weinanbau die Landschaft. Weingärten wohin man schaut und die Trauben reifen schon. Die weißen Sorten brauchen noch viel Sonne, aber die blauen Weintrauben sind schon saftig prall und zuckersüß.
Immer wieder hört man in den Weingärten Selbstschussanlagen als Vogelabwehr oder ist das gegen die gefräßigen Pilger gerichtet?
Zu meiner Ehrenrettung darf ich sagen, dass ich mir nur wenige Trauben stibize und dann die, die auf kleinen verkümmerten Reben hängen, die sicher niemand erntet, weil der Zeitaufwand zum Ertrag zu hoch wäre. Eigentlich tue ich damit etwas Gutes, denn es ist ein Ausdünnen der Reben, damit die verbleibenden mehr Saft bekommen und qualitätsvoller werden. Bei einzelnen Weingärten sieht man auch die Hälfte der Reben abgeschnitten am Boden liegen.

Wie schon einmal geschrieben, trifft man am JW alle Nationen. Sie aufzuzählen wäre mühsam. Interessant ist, dass sehr viele Kanadier diesen Weg gehen. Erst vor ein paar Tagen hatte ich Kontakt mit einem reizenden und über siebzigjährigen Paares, die von Deutschland und Ungarn nach Kanada ausgewandert sind.

Es gibt am JW laufend skurille Menschen und Dinge zu beobachten. Immer wieder verewigen sich Pilger auf die originellste Art.
An einer Stelle vor einer Anhöhe, hat es sich durchgesetzt, dass hier neben dem Weg ein ganzer Wald kleiner Steinpyramiden, man könnte sie auch Steinmännchen nennen, errichtet wurde. Steinchen auf Stein, teilweise originell geschichtet, stehen sie da und lassen raten, was die Geschichte dieses Tuns ist. Es ist zumindest eine nette Abwechslung am JW.

Sehr viel Glück habe ich derzeit mit dem Wetter. Es ist sehr schön, aber nicht zu heiß - zu Mittag um 13h hat es in Najera 24°. Immer geht auch etwas der Wind und der hat mich am VM auch gebremst, denn er ist heute von vorne gekommen.

In Najera habe ich nun, symolisch gesehen, meine Zelte aufgebaut. Das Zelt heißt Hotel San Fernando und ich habe mir ein gutes Zimmer genommen. Mit 35€ ist es nicht billig, aber in den Zimmern der Herbergen musste ich auch den DZ-Preis von 40,- zahlen. Hier habe ich es gemütlich für die nächten zwei Nächte, denn morgen gibt es wieder einen wohlverdienten Ruhetag. Das wird dann auch ein schreibfreier Tag sein.
So verabschiedet sich bis Mittwoch von Euch
Euer Pilger Walter

Sonntag, 28. August 2011

Es geht weiter nach Westen

Liebe Freunde!

Überraschend groß und beeindruckend ist die Kirche Santa Maria in Los Arcos. Sie gehörte früher, der romanische Beginn ist von 1175, zu den größten Kirchen am JW. Das Innere ist überwältigend und fast erschlagend in ihrer Ausführung. Hier eine Kirche dieser Dimension und Ausstattung zu finden, war nicht zu erwarten, denn in keinem Guide wird sie erwähnt. Die sehr schöne Madonnendarstellung mit Kind dominiert das Zentrum des Altaraufsatzes. Ein aufliegender deutscher Kirchenführer (!) erklärt die vielen Details der überreichen barocken Altaraufsätze.
Das mächtige Geläute der Kirchenglocken, die zur späten Abendmesse rufen, dringen sogar im nahen Restaurant durch die dicken Mauern des Kellergewölbes in den Speisesaal des Lokals.

Für die Nacht habe ich in der österreichischen Herberge doch mit einigem Lärm gerechnet, aber in meinem Zimmerchen habe ich nichts davon bemerkt und ich habe gut geschlafen. Einmal musste ich in der Nacht aufstehen und am Weg zum WC war laut und deutlich das intensive Sägen eines nervtötenden Schnarchers zu hören. Wie genoß ich dann wieder das Einschlafen in meinem ruhigen Zimmer!
Nach Tagen mit einem Notfrühstück aus dem Automaten und Wochen mit ungenügend gefüllten Magen am Morgen, gibt es im Casa Austria wieder ein einfaches, aber ordentliches Frühstück. Ratet einmal, was das Beste daran war?
Ein Frühstück mit selbstgebackenen dunklem Brot und Körndlbrot (Hmmm),
und ich kann essen soviel ich will und kann satt und gesträrkt den Tag angehen.

Um 7h gehe ich los und es wird gerade Tag. Bald darauf zeigt sich der Morgen mit einem wunderbaren Sonnenaufgang von der schönsten Seite. Mein Schatten ist genau vor mir und zeigt nach Westen, Richtung SdC, und er war sicher 100m lang.
Viele Fotomotive bot dieser schöne Morgen.

Ich ging dann alleine den Weg weiter, alle anderen Pilger waren abgeschüttelt, da glaube ich Halluzinationen zu haben. Ich höre leisen Kirchengesang und weit und breit ist nur Landschaft zu sehen. Habe ich vieleicht den Status, bei erfolgter Pilgerreise nach SdC, direkt in den Himmel zu kommen, schon erreicht und gehe vielleicht pilgernd auf einer Wolke? Mir fehlen dazu nur die Engeln mit ihrem Harfenspiel.
Erst ein paar hundert Meter weiter, der Weg hat eine kleine Anhöhe erreicht, klärt sich das als normales irdisches Geräusch auf. Aus einem kleinen und etwa 1-2Km entfernten Ort in einer Senke, hört man in der Stille des Morgens den Gesang aus der Kirche über große Distanzen. Ich befinde mich also doch noch unter den irdischen Pilgern :-)

Heute ist eine gute Kondition notwendig. In diesem hügeligen Gelände geht es ständig bergauf und bergab. Teilweise steigt es gemächlich, aber stetig, oder es sind giftige Steigungen, wo sogar beim Stockeinsatz, die Stöcke durchrutschen.
Auf einem der wenigen ebenen Wegstellen passiert es dann. Endlich, nach über 2.000Km, ist ein Pilger schneller als ich. Ein Spanier mit leichterem Gepäck zieht an mir vorbei und ich lasse ihn gerne gehen. Abgerechnet wird immer am Ende des Tages. Er hat schon etwa 200m Vorsprung, da war wiedereinmal eine dieser gemeinen Steigungen zu bewältigen, und der Spanier schwächelt merkbar am Berg. Wer bergerfahren ist und die Schweizer Bergwelt bezwungen hat, der lässt sich durch eine solche Steigung nicht aus dem Rhythmus bringen. Der Spanier hört und spürt mich näher kommen und blickt überrascht zurück. Er hat eben noch keinen österreichischen PGV gesehen. Ich gehe ohne langsamer zu werden meinen Schritt weiter und bergauf habe ich ihn, schwitzend zwar, aber mit viel Elan zurück überholt. Wir lachen beide und jeder geht dann seinen eigenen Schritt weiter.

In Viana machte ich kurze Pause und da gönne ich mir ein leckeres Tapas und ein kleines Bier in einer Bar gegenüber der verschlossenen Kirche. Hier, so wie auch schon in Los Arcos, sieht man entlang der schmalen "Hauptstraße" die mächtigen Absperrgatter für das Stiertreiben und das endet dann in einer improvisierten Stierkampfarena, dem Freizeitvergnügen der Spanier.

Nach mehr als 28 anstrengenden Kilometer erreiche ich Logrono. Dieses Erreichen war umso schwieriger, als man die Stadt von den Hügeln davor, schon seit 15Km sieht und wie wir Steirer sagen: "Das zaht sich dann".
Hier habe ich großes Glück bei der Zimmersuche. In Pamplona habe ich mir im Haus Padderborn ein mickriges und fast unlesbares Heftchen mit Quartierinfos gekauft und finde für Logrono einige Zimmermöglichkeiten. Gleich beim ersten Versuch, nur 100m neben dem Kathetraleneingang, finde ich ein schönes und gutes Zimmer um 25€. Da bin ich glücklich und danke Jakobus dafür und Euch allen, die Ihr mir immer ein gutes Zimmer für mich wünscht. Es gibt hier leider kein Frühstück, aber 200m weiter, habe ich schon eine Bar entdeckt, die um 7h öffnet.

So bin ich wieder gut untergebracht und zwei der drei Grundbedürfisse habe ich schon abgedeckt.
Erstens, ein Zimmer für mich.
Zweitens, ein gutes Bier, mit einer großen Dose San Miguel, damit der Mineralienhaushalt stimmt.
Und Drittens folgt noch - ein ausgiebiges und gutes Abendessen.
So kann es weiter gehen und ich danke Euch, für die vielen aufmunternden Kommentare.
Euer Pilger Walter

Samstag, 27. August 2011

Neue Strategie

Liebe Freunde,
ich will unter allen Umständen auch den spanischen JW gehen und wenn es Widrigkeiten gibt, dann muss ich versuchen sie zu umgehen oder zu bewältigen. Mir sind zwei Aspekte wichtig.
Erstens, will ich den Weg nach meinem Rhythmus und in meinen Geiste gehen. Ich brauche den Freiraum alleine gehen zu können und bei Bedarf auch beten oder singen zu können. Das ist auf dem überlaufenen JW oft nicht möglich. Später als die anderen wegzugehen ist, wie ich es heute gesehen habe, eine Möglichkeit dem Stau zu entgehen. Und noch früher als die anderen zu gehen, das verweigere ich. Es ist idiotisch, was manche aufführen und des nächtens weggehen, um zu Mittag bei den Herbergen zu warten, eingelassen zu werden.
Und Zweitens, will ich alles tun, um täglich mein eigenes Zimmer zu bekommen. Das brauche ich zur Erholung und für meinen inneren Frieden.
So will ich meinen Etappenplan variabel halten, so wie die Quartiersituation es erfordert. In Massenlagern (nicht) zu schlafen, möchte ich vermeiden.
So bin ich heute, statt zu meinem geplanten Zielort Villamajor de Monjardin (24Km) weiter gegangen, zum nächsten Ort Los Arcos (36Km). Das ist heute gut gegangen und das Wetter war mir auch hold. Nicht zu heiß oder mit Wölkenschutz.
Bis Estella hatte ich schon alle vor mir überholt und bei einer Essenspause "durften" einige der Überholten wieder nach vor, aber nicht lange :-)
Im geplanten Zielort war ich schon um 12:30. Es hätte sogar die Chance auf ein gutes Quartier gegeben, aber ich wollte den langen NM nutzen, um die 13Km bis Los Arcos weiter zu gehen. Hier waren die Quartieraussichten viel besser und es passt dann für die nächten Tage optimaler.
In Los Arcos bin ich als Erstes zur Herberge Casa Austria gegangen, die teilweise von freiwilligen Österreichern betreut wird. Ich rechnete zwar nicht mit einem Zimmer für mich, aber wieder österreichisch reden zu können und vielleicht Quartiertipps zu bekommen, war einfach zu verlockend.
Die Herberge hat zwar schon bessere Zeiten gesehen, aber ich habe ein sehr einfaches Zimmer für 2 Personen, für mich bekommen. So bin ich doch gleich hier geblieben und habe mir das Suchen erspart und billiger als in einem Hotel oder einer Pension ist es allemal.

Für gestern am Abend, hat uns die Vermieterin gesagt, dass vor dem Essen in der nebenliegenden Kirche eine Messe ist. Dieses Angebot habe ich, und noch sechs andere, gerne angenommen.
In einem gemütlichen Kellergewölbe wurden wir dann von den Herbergseltern gut bekocht und die Gemeinschaft mit den zwei Elsäßern und den zwei Schweizern war sehr angenehm und wir hatten eine fröhliche Unterhaltung.
Und dann genoß ich das Schlafen in MEINEM Zimmer und mich kümmerten die anderen Pilger in den Mehrbettzimmern überhaupt nicht.
Die spätere Störung des Schlafes durch Feierlichkeiten in der Nähe der Herberge und das Abschießen von Feuerwerksraketen, wäre in den Herbergszimmern genauso zu hören gewesen. Aber diese fröhliche Ausgelassenheit dauerte nicht so lange und tief durfte Pilger Walter fast bis 6h schlafen, da rührten sich in den anderen Zimmern die Frühaufsteher. Nur ich blieb trotzdem liegen und wusste, ich brauche mich nicht bei den Waschbecken und am WC anstellen.

In Azqueta zog gerade eine fünfköpfige Musikgruppe mit fröhlicher Musik durch, vermutlich als Begleitmusik für eine Hochzeit, denn in der nahen Kirche waren gerade Frauen damit beschäftigt, den Hochzeitsschmuck anzubringen. Das war mein Glück, denn so konnte ich die sonst gesperrte Kirche besichtigen und dort auch beten.

Die Landschaft ist nun sehr hügelig und bizzar wirken die hellbraunen abgeernteten Felder, die goldgelbe Flecken in die Landschaft zeichnen. Auf den Hügeln sind entweder Pinienbäume zu finden oder dürre Sträucher. Im weitern Umfeld wird das Bild von höheren Felskämmen begrenzt. Und mitten durch diese Landschaft führt oft geradewegs der Jakobsweg. Man sieht dann schon von Weiten die Pilger wie Ameisen dahinmarschieren und eine davon, zugegeben eine schnelle Ameise, bin ich.
Viele Weingärten begleiten den Weg und die Trauben sind vielfach schon blau und auch süß, wie ich mich bei kleinen Kostproben überzeugen konnte.
Es gibt aber auch Olivenhaine und wilde Feigenbäume, deren Früchte zwar noch grün sind, aber das Innere schmeckt schon ganz gut.

Das Durchgehen durch Estella war für mich etwas enttäuschend. Vor fünf Jahren habe ich die Stadt im Trubel der Feiertagslaune zu einem kirchlichen Fest erlebt und heute, war durch die ganze Stadt tote Hose und nicht viel Reizvolles war zu sehen. Die beeindruckende Kirche war auch wegen Bauarbeiten gesperrt.
Nur der kurze Aufenthalt in einer Bar bei Sandwich und Bier, unterbrachen meinen Marsch durch die Stadt.
Bald danach folgt eine andere Berühmtheit am JW, die Bodegas Irache.
Hier gibt einen Brunnen der besonderen Art. Rechts ein Wasserhahn und links ein Weinhahn für Vino tinto und das gibt es gratis. Natürlich trinkt hier jeder von dem Wein. Wie gut, dass ich einen Becher mitumher trage. Aber es ist kein Achterl, welches ich mir gönne. Mehr wäre zum Gehen nicht ratsam.

Beim Gehen werde ich öfters von Radfahrern überholt, was auf dem breiten Weg heute, nicht mehr so ein Problem ist. Spaß hat es mir dann bei einer giftigen Steigung gemacht, wie ich zwei Radfahrer bergauf zurücküberholte - nur zur Klarstellung, sie schoben ihr Rad nicht, sondern fuhren bergauf. Mit breitem Grinsen und einem Buon Camino zog ich bergwärts an ihnen vorbei. Das sind die kleinen Erfolgserlebnisse am JW.

Im ursprünglichen Etappenort Villamajor de Monjadin hatte ich Glück mit einer offenen Kirche und die war ein romanisches Schmuckstück.

Nun möchte ich mir kurz noch Los Arcos anschauen und die Essensmöglichkeiten erkunden. So beende ich meinen heutigen Bericht nur noch mit dem Hinweis, dass ein Sechstel es spanischen Weges nun auch schon hinter mir liegt.
Euer Pilger Walter

Freitag, 26. August 2011

Eine Nacht zum Vergessen und wieder top drauf

Liebe Freunde, die Ihr mir hoffentlich keine Herberge wünscht.
Heute Nacht kam es, wie es zu befürchten war. Die Nacht war zum Vergessen und mit diesem Bericht will ich das auch tun.
Generell fühle ich mich in einer beengten Herberge mit Stockbetten (es soll auch Dreifachbetten geben!) nicht wohl. Kein Platz für die eigenen Sachen, keine Steckdose, keine frische Bettwäsche (Schlafen im Schlafsack), kein Handtuch, nur das kleine, dass ich mithabe und KEINE Intimität, zum Beispiel beim Waschen und Zähneputzen und KEINE RUHE!
Wie es heute Nacht war?
Begonnen hat es beim Schlafengehen. Alle zehn Pilger waren im Bett, da meldet sich das Mädchen von den vier jungen Deutschen (siehe Essen am Vorabend), jemand soll das Licht abschalten und die Türe zur Terrasse schließen. Licht ist gut, aber wer? Und die Türe schließen? Es hat noch fast 30° und geht ein angenehmer Wind. Im Zimmer, bei max. 25m2 für 10 Personen, wird es dann nur noch heißer. Dabei liegt sie im entferntesten Bett und im oberen Stock. Es wird sie schon kein Untier fressen, und wenn, gar so schade wäre es auch nicht. Einer ihrer drei Begleiter erfüllt ihren Wunsch und die nun folgende drückend heiße Luft war fast augenblicklich zu spüren. In diese Luft hinein, gibt einer dieser jungen Deutschen die Parole aus: "Um 5:15 stehen wir wieder auf!"
"NEIN", war meine Antwort darauf, "Es gibt Regeln, die hier sogar niedergeschrieben sind. Von 22h bis 6h ist hier Ruhe. Ab 6h könnten sie aufstehen und losziehen."
Die Antwort darauf war: "Es wird heiß morgen und sie können aufstehen, wann sie wollen."
"Nein. Alle anderen wollen schlafen. Außerdem bringt das frühe Aufstehen nichts, denn es ist bis 7h stockfinster und nicht ungefährlich".
Ich bekam nur die patzige Antwort: "Wenn es mir nicht passt, könne ich in ein Hotel gehen."
Wie recht er hat, wenn es nur eines gäbe. Meine Antwort war nicht druckreif und mit Ärger im Bauch drehte ich mich zur Wand und versuchte cool zu werden. Versucht das einmal bei den Temperaturen.
Das war aber erst der Beginn einer schlaflosen Nacht. Die Betten waren ein Holzriegelgestell mit einer Spannplatte als Einsatz. Wenn man sich bewegte, dann knarrte und quietschte das ganze Bett, besonders bei Bewegungen des oberen Bettpartners. Mein junger Deutscher ober mir hatte ca. 100Kg und wenn sich der bewegte, dann hörte sich dass einem mittleren Gewitterdonner an. Und der junge Mann muss auch an der Hitze mit Einschlafproblemen gekämpft haben. In seinem Beruf muss er Ventilator in einer Großküche sein. In einer Regelmäßigkeit von 30 Sekunden bis 3 Minuten drehte er sich um und warf sich auf die andere Seite. Bei dem Gekrache ober mir, war an ein Schlafen nicht zu denken und so zählte ich die Glockenschläge der nahen Kirche mit. Warum die Kirchturmuhr schlug, weiß ich auch nicht, schließlich war auch die Kirche verschlossen.
So verging eine halbe Stunde nach der anderen (z.B. ich habe 3x nur einmal läuten gehört - wie spät war es da?) und nun begann ein Schnarcherduett die letzte Schlafmöglichkeit zu rauben. Schlimme Gedanken quälten mich, bis zum Abbruch meines Weges, der immer weniger mein Weg ist.
Irgendwann habe ich dann doch einen seichten Schlaf gefunden, bis um 5:15 - siehe oben! Natürlich haben sich dem Geräuschpegel andere auch angeschlossen und um 6h war ich mit zwei älteren Damen, der letzte der aufstand. Für ein Weiterschlafen war es zwecklos, denn aus den Sanitärräumen hörte man auch schon die Pilger aus den anderen Zimmern.

Nach einem Automatenfrühstück, ein Automat für Heißgetränke, einer für Essenswaren (z.B. verpackte Kuchenstücke für mich) und einer für Kaltgetränke. Bei dem habe ich heute ein Freispiel gewonnen. Nachdem ich das chlorierte Wasser nicht zum Trinken verwende, verwende ich als Trinkwasser Mineralwasser. Der eingeworfene Euro kam zurück, aber das Guthaben für die Wasserflasche war trotzdem vorhanden. Ein gutes Zeichen für einen guten Tag.

Wie sinnlos und blöd das frühe Weggehen ist, wurde mir und anderen schnell klar. Um 3/4 7h war es noch stockdunkel und die Markierungen waren schwer zu sehen. Glatt haben wir, ein Pulk von sieben Pilgern, eine versteckte Abzweigung übersehen und durften eine ordentliche Ehrenrunde ziehen.
Auch das Gehen auf den unebenen und schottrigen Wegen ist in der Finsternis sehr gefährlich.
Übrigens die Frühweggeher habe ich 6Km später, vermutlich nach einer Frühstücksrast bei einem Minieinkaufsladen wieder eingeholt und ohne Worte überholt. So nach dem Motto: Nicht einmal ignorieren!

Es war heute Morgen ein sehr grauer und windiger Tag. Der Wind war sogar kühl, aber er kam oft von hinten und da bekam der PGV fast Flügel.
Viele Flügel drehten sich auch auf der Hügelkette, die zu erklimmen war. Ein großer Windpark erzeugt hier Strom und man kann ringsum auf den Bergen die Windräder sehen.
Der lebhafte Wind trieb immer wieder Regentropfen her, bis er leider die ganzen Regenwolken über den JW geschoben hat. Es regnete oft nicht stark und ich ging weiter, aber zwei Kirchen bzw. eine Vorhalle, weil sie versperrt war, dienten mir als Rast und Schutz.
Trotz des regnerischen Wetters nahm ich heute einen Umweg von ca. 4Km in Kauf. Ich wollte unbedingt wieder, nach einer Pilgerreise 2006, zur wunderschönen romanischen kleinen Kirche Eunate gehen. Für mich ist diese achteckige Kirche mit Kuppel und schöner Apsis und Alabasterfenster in seiner Schlichtheit so ziemlich das Schönste was der JW zu bieten hat. Schade dass der Weg hier nicht vorbei geht (ich war der Einzige dort, ausser Autofahrern). Aber vielleicht ist diese Abgeschiedenheit gut für diesen spirituellen Ort. Besonders beeindruckend an dieser einsamen Kirche, sind die Streben. Bögen und vielen Köpfe an den Ausenmauern rund um die Kirche. Man kann hier zweimal betend oder singend rundherum gehen, bevor man in die dunkle Kirche eintritt.
Nachdem es gerade stärker zu regnen begann, bin ich nach meinen Gebeten schweigend in diesem Kraftort gesessen und habe die fast magischen Kräfte auf mich einwirken lassen. Das hat jeden letzten Ärgerrest der vergangenen Nacht weggewaschen.
Auch das Gehen hat mir geholfen wieder zu mir zu kommen. Nach etwa zwei Stunden war ich alleine unterwegs, alle waren hinter mir und ich konnte wieder singen und für mich und Gott gehen.
Dass nach den Regenpausen und meinem Umweg wieder die bekannten und teilweise unerwünschten Gesichter auftauchten, war mir dann egal. Nun war ich wieder mental gestärkt.

In Obanos richtete sich die Bevölkerung, besonders die Jugend, für ein Fest (welches blieb mir verborgen) und die Jugend war weiß gekleidet und mit roten Schals geschmückt. Musik kam aus den Lautsprechern, aber der Festbeginn war anscheinend erst später, denn die gingen alle in das Rathaus. In dem Ort traf ich auch das französische Ehepaar aus dem Elsaß (siehe Nächtigung in Navarenx) wieder, mit denen ich mich gestern in der Herberge und beim Essen gut unterhielt. Zum Bleiben fehlte leider die Zeit und so ging es nach Puente la Reina, einem der bekanntesten Orte am JW. Die alte Pilgerbrücke aus dem 11.Jh ist Motiv für viele Fotos.
Leider ist mein Akku ausgegangen (Herbergenproblem, weil es keine Steckdosen gab), aber da habe ich glücklicherweise die Fotos vom letzten Besuch.

Mein Ziel für heute war aber Cirauqui, noch 6Km weiter (in Summe mit Irrweg und Umweg 35Km). Unterwegs traf ich ein etwa gleich altes nettes Schweizer Ehepaar, die ich auch gestern kennen gelernt habe. Sie haben auch ein Herbergssyndrom und wollen lieber in einem Zimmer schlafen. Gestern haben sie es geschafft und heute sind wir gemeinsam auf Zimmersuche gegangen. Der Ort Cirauqui liegt am Hügel und der Ort ist hinreißend schön und unverfälscht. Es gibt hier nur eine gute private Herberge zum Schlafen, aber mit dem Info, dass es zwei Zimmer gäbe und die wollen wir haben. Wir haben Glück und können uns beim Jakobus bedanken. Beide Zimmer sind noch frei und es sind wunderbare Zimmer mit Dusche und WC - welche Wohltat. Leider muss ich den DZ-Preis zahlen. Nach einer durchwachten Nacht ist mir alles recht.

So bin ich wieder gestärkt und hoffe, das es so positiv weitergeht. Danke allen, die mir ein gutes Quartier gewunschen haben. Die Kommentare kann ich erst nachher lesen.
Euer Pilger Walter

Donnerstag, 25. August 2011

Es gibt leider nur Herbergen

Hallo Pilgerfreunde
Nicht immer ist man im Nachhinein klüger. Gestern war ich es vorher. Was ich von meinen Tischnachbarn beim Essen gehört habe, ließen mich die 40€ für mein Zimmer wieder etwas erträglicher werden.
Im Führer wurde schon vermerkt, dass es bei der Herberge Qualitätsmängel gibt und es muss noch ärger geworden sein. Schmutzig, total durchgelegene Betten und wenig Sanitärmöglichkeiten. Dazu die großen Schlafsäle und beengten Verhältnisse. Alle Pilger beklagten sich.

Essen konnte man im ganzen Dorf nur in einem Restaurant und dem entsprechend lief das Essen dort auch organisiert und in Schichten ab. Ich hatte noch Glück und konnte um 7h essen und das war es dann auch - satt bin ich geworden.
Vor dem Restaurant hörte ich deutsche Worte und ich setzte mich dann zu einem Badener und drei Deutschen an den Tisch. Links von mir setzten sich noch vier junge Deusche dazu. Alles Frischlinge am JW und ich als Langzeitmarschierer in der Mitte. Das genoss ich :-) Wie zu einem Guru schauten sie zu mir hoch, was ich den zu dem oder anderen sage, welche Erfahrungen ich habe und wie es denn überhaupt am JW sei. Zuerst bescheiden gab ich das Eine oder Andere aus meinem geistigen Schatzkästchen preis, aber mit zunehmenden Weinkonsum, die Frischlinge versorgten mich gut damit, holte ich die Schmankerln aus meinem Pilgerleben hervor und ich amüsierte nicht nur meine Tischgesellschaft, sondern mich selbst auch. Es ist oft haarsträubend, mit wie wenig Wissen und Vorbereitung in diesen Weg gegangen wird. So war der Abend, trotz eines Essens der Masse, statt der Klasse, für mich doch ein gelungener Abend. Vor allem beim Nachhause gehen. Ich gehe in mein Zimmer und brauche nicht in diese Refugio, die meiner nicht würdig ist.

Schon um 6h morgens waren die ersten Aktivitäten von den Mitpilgern zu hören und um 6:30, noch in der Finsternis, stürmten die Ersten aus der Pension weg. Frühstück gab es keines, aber 50m weiter war ein kleines Geschäft, welches auch Getränke verkaufte und zum Essen suchte man sich aus dem Angebot, was einem behagte. Dieses Geschäft war dann auch Treffpunkt aller Pilger, die nicht mit leerem Magen weggehen wollten. Lustig war dabei die Rucksackparade vor dem Geschäft.
Wie üblich lief im kleinen Gastraum auch ein Fernseher und der sagte für heute Regen und Gewitter vorher. Geworden ist es ein heißer Tag mit 32° und lebhaften Wind. Ab Mittag wurde das Gehen anstrengend.

Viele Pilger sind zur gleichen Zeit weggegangen und es wurde wieder eine Prozession, aber ohne Vortragskreuz.
Ein Pilger hat dann gleich mitten auf der staubigen Piste seinen Rucksack ausgeleert und ich denke mir, was hat der vor? Hat er was vergessen? Er kramte ganz nach unten und von dort hörte man ein Beep, beep, beep - beep, beep, beep. Der Wecker hatte verschlafen und rief zum Aufstehen.

Interessant anzusehen sind die Pilger von hinten, ihren Gehstil, die Ausrüstung usw.
Einige gehen, den oft schlechten, steinigen und steilen Weg, mit Sandalen! Eine Pilgerin weiß anscheinend nicht, was sie mit den Gehstöcken anfangen soll. Sie trägt Stöcke in den Händen nach hinten gestreckt und bewegt die Arme im Takt mit. Will sie sich vor unliebsamen Angriffen von hinten schützen?
In der ersten Stunde habe ich mehr als 30 Pilger überholt und dabei bin ich noch nicht meine Hochgeschwindigkeit gegangen. Es waren gute Wege und das Morgenlicht hat die Landschaft in wunderschöne Farben getaucht und das ergab auch einige Fotomotive. Auch der blaue Himmel mit weißen Schäfchenwolken war zum Fotografieren schön.

Einigen meiner treuen Tagebuchleser wird vielleicht schon aufgefallen sein, dass ich schon längere Zeit nicht mehr über meinen Spinnzehen geschrieben habe. Wir haben da eine Vereinbarung: "Er spinnt nicht mehr, ich sage nicht mehr Spinnnzehen zu ihm". Das hat sich auch am JW gebessert - ein Wunder! Wenn Jakobus nicht schon heilig gesprochen wäre, hätte ich schon zwei Leiden (Lendenwirbelsäule und der nämliche Spinnzehen), die auf seine Fürsprache geheilt wurden. Ich stelle mir vor, wie man dann Jakobus darstellen würde? Mit krummen Kreuz und aus den Schuhen blickenden Zehen?

Was sehr bedauerlich ist, ist die Tatsache, dass in Spanien leider fast alle Kirchen geschlossen sind. Und ist dann eine Kirche offen, wird für den Besuch ein Obolus verlangt - siehe Pamplona.

Aufgefallen ist mir heute, wie ich durch die Vorstädte Pamplonas der Stadt zustrebe, dass Pamplona (166.000 Ew) nach Genf größte Stadt seit Wochen ist, durch die ich gegangen bin. In ganz Frankreich, war Le Puy eine größere Stadt.
Pamplona und seine Umlandgemeinden verdienen sich einen Orden für ihr perfektes Pilgerwegleitsystem mit großen Tafeln und durchgängig alle 5m mit polierten und gravierten Stahlwegweisern am Gehsteig. Da kann man sich nicht verlaufen. Danke!
Ich wähle beim Hineingehen in die Altstadt den längeren Weg und komme bei den gigantischen Festungsmauern vorbei, die dann von oben bedrachtet, sehr beeindruckend sind. Mit vollem Gepäck mache ich doch eine kleine Sightseeingtour, natürlich auch zur Kathetrale, doch die bleibt von mir unbesichtigt. Ich zahle nicht für einen Kirchenbesuch (siehe Stams) um dort zu beten. Gebetet habe ich dann am Platz vor der Kirche und bei der Kirche San Sartunino, wo gerade eine Messe gefeiert wurde.
Mit einen kleinen Pause in einer Altstadtbar mit Cervesa und einem einem leckeren Tapas beendete ich den Pamplonarundgang und entlang der Metallwegweiser ging es hinaus bis an die Stadtgrenzen. Jetzt zeigte die Sonne schon, wie kräftig sie die Straßen aufheizen konnte.
Das lange Gehen auf den Gehsteigen macht auch ganz müde. So war ich glücklich, heute nur eine Kurzetappe mit etwas mehr als 20Km geplant zu haben.

Zu meinen heutigen Etappenziel, Cizur Menor, war es dann nur 5Km zu gehen und es kam wie befürchtet. Es gibt in diesem Ort nur zwei Herbergen, eine einfache des Malteserordens und eine ordentliche private Herberge. So bin ich heute in einem Zimmer mit 10 weitern Pilgern und noch ca. 40 weiteren Gästen in den anderen Zimmern. Das wird morgen ein Gedränge werden bei der Morgentoilette, bei zwei Waschbecken für die Männer.
Abendessen kann man in einem Restaurant mit preiswertem Pilgermenü um 10€ alles inklusive. Und beim Frühstück kann ich hoffentlich auch zu dem Restaurant gehen. Notfalls muss ich mich aus dem Automaten notverpflegen.

Leider werden mir auch in den nächsten Tagen die Refugios nicht erspart bleiben und ich will mich aber in "meinem" Zimmer allein erholen! Wer nun sagt, dass gehört zum Pilgern, den streiche ich von meiner Freundesliste. Ich muss gehen, beten, vieleicht singen und meinen Geist, mein Ich, neu einrichten, aber unterklassig (nicht) schlafen, dass ist nicht notwendig.
Wünscht mir bitte täglich mein eigenes Zimmer.
Euer Pilger Walter

Mittwoch, 24. August 2011

Das Wettrennen

Liebe Freunde!

Viel habe ich in Frankreich über das Essen geschrieben. Wenn es nach dem ersten spanischen Tag geht, dann kann da Spanien mithalten. Vielleicht nicht von der Fülle der Gänge, aber sicher bei der Qualität und beim Preis.
Gestern bin ich durch den Ort gebummelt und habe die Menüangebote verglichen. Ab 14,- Euro gibt es die Menüs - dreigängig und jeder Gang zum Auswählen. Dabei muss man noch berücksichtigen, ob Brot, Wein und die Taxe (Mwst) inkludiert sind. Gleich neben der Kirche, die leider zugesperrt war, fand ich eine Bar, die zu einer Sporthalle gehört, die ein Peregrino-Menü um 9,50 anbietet, ohne sonstige Infos. Ich versuche hier mein Glück und habe es gefunden. Jeweils drei Vor- und Hauptspeisen stehen zur Wahl. Ich nehme das, was ich gesprochen am Besten verstehe. Salat und Beefsteak. Ich bekomme eine Boutaille sehr guten Qualitäts-Rotwein mit 13,5% und kann mir nehmen, soviel ich will (eine halbe Flasche ist es geworden). Der Salat war auf einem großen Teller angerichtet und mit Thunfisch, Oliven und Tomaten garniert. Ein halbes Baguette gab es auch dazu. Das rosagebratene Beefsteak war groß, aber dünn und sehr gut gewürzt. Pommes und gegrillte rote Paprikaschoten waren die Beilage. Zum Schluß bekam ich noch ein Joghurt. Damit war ich zufrieden und satt. Die tolle Käsezeit ist nun wieder vorbei. Aber mit 9,50 Euro ist das für das Essen ein unschlagbarer Preis. Wenn es so mit Quartier und Essen weiter gehen würde, dann wäre der Pilger Walter rundum zufrieden.

Was sich dann am Morgen am JW tut, ist gigantisch und dass ist nicht zufriedenstellend, aber von mir nicht änderbar. Also versuche ich es gelassen hinzunehmen.
Wenn man auf den Camino kommt, dann sieht man vor und hinter einem nur bepackte Pilger und alles rennt, als wenn es etwas zu gewinnen gibt (Freibier oder Gratiszimmer). Lachen muss ich gleich am Beginn mit vier Spaniern, die kleiner sind als ich, und im Zappellaufschritt mein Kommen hinter ihnen abwehren wollen - vergeblich! Aus dem wolkenverhangenen Himmel beginnt es etwas zu regnen und sie flüchten gleich nach den ersten drei Tropfen unter einen Baum. Ich sehe die Vier den ganzen Tag nicht mehr.

Immer wieder sehe ich jemanden vor mir gehen und beim Vorbeigehen lasse ich lachend mein bekanntes und nun erweitertes Sprüchlein los: "Buenos dias, Bonjour, Hello oder Grüß Gott" und oft bekomme ich genauso eine lachende Antwort zurück. Einige reagieren aber nicht, vielleicht verstehen sie diese Grußworte nicht, denn es sind Menschen aus aller Welt hier unterwegs (Japaner, Iren, Tschechen, Italiener, Deutsche usw.).
Es gibt auch einige, die mit ihren frischen Kräften ein ordentliches Tempo hinlegen. Sollen sie, ich mache keinen Wettkampf, im Gegenteil, ich nehme mich sogar etwas zurück. Ich bin soviel gegangen und habe soviel erreicht, da lasse ich mich auf keine allgemeine Hektik ein. Diesen spanischen Weg will ich auch genießen, sofern dies in der Masse möglich ist.

Was ich dann am Weg erlebe, läßt mich erstaunen. Bei einem Abstieg mitten durch den Wald ist es auf einmal ein Luxusweg. Betonierte Wege und Stufen und mit Naturstein perfekt verlegt. Das würde jedem Garten zur Ehre gereichen.
Etwas später, nach einem kurzen Waldanstieg, gehe ich dann auf einer 3,5m breiten betonierten Piste, die aussieht wie verlegte Natursteinplatten. Ich habe einen Namen dafür, die Camino-Autobahn.
Ich warte nur noch auf einen Rollweg, wie er auf Flughäfen zu finden ist. Soweit ich weiß, ist das schon in Planung, um die Pilgermassen gut und ohne Blasen an den Füßen nach SdC zu bringen :-) Mir kommt vor, das Pilgern am JW ist für die Christen das Gleiche, wie für die Muslims der Hatsch nach Mekka. Einmal im Leben muss man am JW und in SdC gewesen sein.
Diese Betonpisten gehen über mehrere Kilometer so dahin und sind gar nicht so schlecht zu gehen, weil sie eine gewisse Unebenheit aufweisen. In einem Ort sind die Asphaltstraßen von schlechterer Qualität als der betonierte JW.
Und dann geht es wieder mit Ernst zur Sache. Richtig steinige und dick staubige Wege. Teilweise war es sehr schlecht zu gehen und oft wurde man aus der träumenden Konzentration gerissen, weil von hinten die Fahrradpilger heran brausten. Die sind nun eine echte Plage. Sie fordern den Weg um schnell vorbei fahren zu können, bremsen dann und wirbeln den Staub auf. Bei den steilen Bergaufstrecken müssen sie ihr Rad schieben und blockieren damit den Weg für die Gehpilger.

Bei einem steilen Bergabstück mit losen Steinen, habe ich Glück. Ich rutsche weg und verliere das Gleichgewicht. Fast kann ich einen Sturz vermeiden, da drückt von hinten der Rucksack mich endgültig nieder und ich küsse den spanischen Boden. Aber ich habe mich nicht verletzt, nur schmutzig bin ich geworden.

Nach meiner kleinen Mittagspause in Zubiri führt der Weg an einem unattraktiven Betriebsgelände einer Magnesitfabrik vorbei. Da ist der Staub am Weg gleich doppelt so tief und bei jedem Schritt wirbelt eine Staubwolke hoch.
Und bald bin ich im Zielort Larrasoana. Jetzt beginnt das Quartiersuchen. In die eine Richtung zu einer Pension. Der Preis von 50,- Euro läßt mich gleich ans andere Ortsende weitergehen. Hier wären günstige Zimmer zu haben, aber ob ich eines bekomme? Der Besitzer kommt erst um 15h und so setze ich mich voll Hoffnung auf ein Zimmer vor seine Türe und schreibe gleich den Bericht. Wenn es nichts wird mit dem Zimmer, dann wird es für heute eng. Vielleicht hat die hier unattraktive Herberge noch einen freien Platz, oder es heißt weitergehen.
Ich bekomme ein Zimmer, muss aber den DZ-Preis von 40€ bezahlen - grrr. Und das Frühstück und Abendessen muss ich mir im nahen Restaurant kaufen.
Also nichts mit der erträumten Billigkeit in Spanien. Auch hier herrscht das Gesetz von Angebot und Nachfrage.

Das war es für heute und morgen geht es in ein neues Abenteuer und ich hoffe Ihr geht wieder mit.
Euer Pilger Walter

Dienstag, 23. August 2011

Pilgern nun in Spanien

Liebe Pilgerfreunde!
Nun GEHT es wieder weiter - Ultreja, ultreja!
Nach einem sehr angenehmen Ruhetag bin ich wieder auf meinen Beinen, um nun noch den spanischen, den klassischen Teil des JW zu bewältigen. Geh nur geh, alter Pilger, geh nur geh...
Nun gilt es noch diese Strecke zu bewältigen, die viele als "den Jakobsweg" bezeichnen und auch "nur" diesen gehen (oder noch später einsteigen). Bei aller Überlaufenheit dieses Weges, freue ich mich doch schon, hier an einigen Stätten vorbei zu kommen, die ich schon bei unserer Pilgerreise 1988 mit St. Jakob und bei einer Pilgerwanderreise 2006 mit der Weizer Pfingstvision, kennen gelernt habe. Diese Begegnungen mit dem JW, besonders die erste, hatten auch maßgeblichen Anteil, dass ich mit dem JW-Virus infiziert wurde.

Gestern genoss ich den Ruhetag und es gab auch wohltuende Abwechslungen im Pilgeralltag.
Noch am Sonntag, am Tag des Ankommens in Saint-Jean-Pied-de-Port, war ich gerade am Fertigstellen meines Berichtes, als ich auf den Straßen Musik hörte. Schnell beendete ich den Bericht und schickte ihn Online (hoffentlich nicht mit zuvielen Fehlern) und suchte die Herkunft der Musik. Es fand ein großer Umzug statt, bei dem die Bevölkerung das Leben um 1900 in vielen Szenen darstellte. Es war ein buntes Treiben mit viel Musik, verkleideten Menschen von Jung bis Alt und vielen mitgeführten oder ziehenden Tieren. In einem Stadion gab es dann ein Folklorefest, für das man nicht billige Eintrittskarten brauchte. Ausserdem fand das in der ungeschützten Nachmittagssonne statt. Die Einheimischen waren wenigstens mit Schirmen "bewaffnet". So verzichtete ich auf diesen Teil.
Gestern, an meinem Ruhetag, war ein anderes Ereignis für die Pilgerzerstreuung verantwortlich. Es war Markttag in der Stadt und das an drei unterschiedlichen Orten. In der historischen Stadt haben die Souvenierläden und Geschäfte Stände mit ihren Waren auf die Straßen gestellt. Ausserhalb der Wehrmauern war ein üblicher Kirtagsmarkt mit allerlei Tand und der interessanteste Marktteil war gleich neben meinem Hotel, unter einem großen Marktdach. Hier gab es eine Vielzahl an Anbietern kulinarischer Spezialitäten des Baskenlandes. Das war ein Schauen, Riechen und Verkosten! Hier machte das Bummeln zwischen den vielen Menschen auch Spaß und der Pilger Walter kostete sich durch die Angebote. Als Nichtpilger wäre ich mit einer großen und gut gefüllten Einkaufstasche nach Hause gegangen. So habe habe ich "nur" kosten und probieren können, zum Beispiel die vielen Käse-, Schinken-, Wurst- und Mehlspeisvariationen und auch Proben baskischen Weines haben mir gemundet. Ein paar erworbene kleine Spezialitäten waren dann auch gleich mein Mittagsmahl.
Ein Bummel durch die Altstadt, über die Wehrmauern und hinauf zur Zitadelle standen auch am Programm des Ruhetages.
Und dann war Vorbereitung angesagt. Die nächsten Etappen mussten ausgearbeitet und das Spanisch aus den Tiefen der Hirnwindungen wieder hervorgeholt werden. Ich bin sicher, es wird ein deutschfranzösisches Englisch werden, mit einigen Brocken Spanisch. Gemeinsam mit Händen und Füßen werde ich sicher wieder durchkommen.

Heute bin ich wieder mit viel Elan losgestartet. Die Füße und Gelenke mussten zwar erst wieder warm und geschmeidig werden, aber nach ein paar Km gings wie geschmiert (dabei hat mir niemand Geld angeboten).
Wie schon berichtet, habe ich mich für die Lightversion der Pyrenäenüberquerung entschlossen. Der Wetterbericht, der von einem Wetterumschwung berichtete, und der Blick auf die Berge heute morgen, bestärkten mich zu diesem Plan. Die Wolkendecke hing sehr tief und da ist das Schöne am langen Weg, die gute Aussicht, auch für die Katz. Je weiter ich ging, desto glücklicher war ich, die Enscheidung so getroffen zu haben. Sogar bei meiner Passüberquerung bei 1.057m waren noch Wolkenfetzen am Weg und alles was darüber war, bis zu den 1.420m war tief in den Wolken.
Ich fand auch das Gehen in der Schlucht oft sehr reizvoll und die Strecken mit Autoverkehr waren kein Problem, weil wenig Verkehr war.
Auf jeden Fall war ich hier auf dieser Strecke fast alleine unterwegs. Nur eine Deutsche, ein Neuankömmling am JW, traf ich. Und am anderen Weg muss viel Verkehr gewesen sein, denn schon am Morgen, beim Frühstück, zogen Scharen mit fast laufenden Schritt vorbei. Bei den steilen Stellen wird es ein Gedränge gewesen sein. Wieviele unterweg sind, sah man schon nach Mittag bei der großen Herberge in Roncesvalles, wo schon viele warteten eingelassen zu werden.
Auch auf meinem Weg waren steile Passagen zu bewältigen und die geplanten 880Hm wurden um einiges mehr, denn zwischen Startpunkt und dem Ibanetapass gibt es einige zusätzliche Auf und Abs zu bewältigen und das feuchte Wetter ließ mehr Schweiß rinnen, als ich Wasser trinken konnte. Zum Glück habe ich heute eine Extraportion Wasser mitgenommen und auch ein Sandwich, damit ich mich verpflegen konnte.

In der bekannten kirchlichen Herberge in Roncesvalles wollte ich nicht unterkommen und suchte nach einem Privat- oder günstigen Hotelzimmer, aber das konnte ich mir abschminken.
Privatzimmer gibt es Null. Bei einem Hotel gibt es EZ um 50,- plus Frühstück. Das ist mir zu teuer. Das zweite Hotel ist ausgebucht und so probiere ich es beim Touristenbüro, mit zwei Alternativen als Ergebnis. Hotel oder Herberge! Grummel, grummel, ich will nicht zu DIESER Herberge mit einem Schlafsaal für 130 (!) Personen, der zwar als interessanter mittelalterlicher Raum mit besonderer Akustik beschrieben wird. Er hat den Beinamen "der Schnarchsaal". Auch die Sanitäranlagen sind nicht ausreichend. Nein, da will ich nicht hin und muss trotzdem den Weg dorthin antreten. Es soll nun auch einen "neuen" Schlafsaal geben, mit halbhohen Zwischenwänden. Gottergeben füge ich mich meinem Schicksal. Aber noch immer spähe ich um einen Ausweg und komme bei einem im alten Gemäuer untergebrachten Apartemento "Casa de los Beneficiados" vorbei. Auf dem ersten Blick als Luxus zu erkennen. Trotzdem gehe ich hinein, die Aussicht auf die Herberge schreckt ab, und frage nach den Preis. 65,- Euro und 9,50 für das Frühstück war die freundliche Auskunft. Die Rezeptionistin hat meinen Schreck erkannt und ist mir dann auf 54,- entgegen gekommen (+ Frühstück). Auch das ist mir zu teuer und sage ihr das. In Gedanken sehe ich mich schon mitten unter zig Schnarchern, da meinte die nette Frau, sie wisse 3Km weiter, im nächsten Ort Burguette, eine Unterkunft um 25,- Euro + 3,50 fürs Frühstück, wenn ich nichts dagegen habe, das Bad mit einem anderen Gast zu teilen. NEIN, in der Herberge muss ich es mit 100 Pilgern teilen! Sie ruft noch an und reserviert mir das Zimmer. Ich bekomme noch einen handgezeichneten Plan und kann glücklich von dannen ziehen - Herberge ade. Danke Jakobus.
Nun hatte ich Muse mit Ruhe die Kirche zu besichtigen und zu Beten. Ein kühles Cerveza in einem Restaurant gab noch den Schwung für die 3Km und schon war ich aus Roncesvalles wieder draussen. In einem kleinen Supermarkt kaufte ich mir noch ein Bier und eine Kecksrolle, um bis zum Abendessen zu überleben. Wenn die Preise so bleiben, dann wird Spanien viel billiger.
Das Zimmer in einem Privathaus ist voll in Ordnung. Sehr sauber, Handtücher und Bettdecke inklusive und alles (Türen, Fenster, Dusche) funktoniert!
Zum Essen werde ich in den Ort in ein Restaurant gehen. Die Pilgermenüs dürften auch sehr preiswert sein.

Das war mein erster spanischer Tag und nur noch 29 Gehtage folgen bis zum Ziel. Morgen in einem Monat bin ich in SdC und die 2. Million an Gehmetern habe ich auch heute erreicht. Das sind doch gute Nachrichten - oder?
Adios, Euer Pilger Walter

Sonntag, 21. August 2011

Das war Frankreich

Liebe Pilgerfreunde,
wer von Euch hat beim Lesen meiner Berichte Lust bekommen, auch den JW zu gehen? Wenn es Euch juckt, dieses Erlebnis erLEBEN zu wollen, dann scheibt Euch auf einen Zettel ein Ziel: "Den Jakobsweg zu gehen" und dann, zur passenden Gelegenheit auch dazu, wasst müsst Ihr dafür tun? Die Antwort ist kurz: "GEHEN!"

Der gestrige Abend endete originell. Vor dem Abendessen gab es als Aperitiv einen süßen Muskatellawein und der Patron, ein gesetzter Baske, begrüßte uns und überschwänglich, wie ein stolzer Tenor, sang er baskische Lieder für uns, die wir dann Zeile für Zeile mit ihm mitsingen mussten. Dann war seine Singviertelstunde abgelaufen und er entschwand in der Küche. Nach dem Abendessen das gleiche Spiel nocheinmal, diesmal sang er das Pilgerlied, die Compostelle, für uns. Stolz erzählte er uns auch, dass sein Cousin der erste Astronaut/Kosmonat Frankreichs gewesen ist. So sagen es die Franzosen, aber der erste französische Raumfahrer, war und ist Baske.

Der frühe Morgen läßt schon erahnen, wie der Tag wird - "Heiß hoch 2". Im Fernseher wurden mehr als 35Grad angesagt. Schon um 7h weht ein warmer Wind auch in der Nacht war es zum Schwitzen. Es kühlte überhaupt nicht aus. Darum war ich froh, schon vor 7h zum Frühstück gehen zu können, um der Hitze nach Mittag entgehen zu können. Für heute standen nur 22Km bis Saint-Jean-Piet-de-Port am Programm.

An Erlebnissen gibt es heute nicht viel zu schreiben und auf diese könnte ich verzichten, nämlich wieder ein Hundeangriff. Diese halbhohem schwarzweißen Hirtenhunde sind sehr aggresiv. Nur mit Stockeinsatz konnte ich mich wehren, bevor er in meine Bannmeile eindringen konnte. Vielleicht machen auch die Stöcke und der Hut die Hunde zusätzlich aggressiv.

Das Gehen war heute wieder etwas mühsam. Ich bin nie richtig auf Touren gekommen und war etwas müde. Das war vermutlich ein mentales Herunterfahren, mit dem Wissen, wieder einen großen Abschnitt erreicht zu haben und dass morgen dann ein Ruhetag sein wird. Außerdem war ich jetzt 14 Tage, seit meinem Heimausflug, ohne einen Ruhetag unterwegs. Nie war das Quartier davür passend.

Das Ankommen in Saint-Pied... war ein Schock. Massen von Touristen verstopften die Rue de la Citatelle und ringsum sind Souvenierläden. Hier war kein normales Gehen möglich.
Bei der Pilgerinformation bekam ich verschiedene Infos, den spanischen Weg betreffend und man war mir bei der Suche nach einem ordentlichen und doch preisgünstigen Zimmer behilflich. Die Preise sind hier wieder jenseits eines Pilgerniveaus, die Zimmer aber nicht. Ich bekam am Rand der Altstadt ein Zimmer mit zwei Betten und einem Einbaukasten um 40,- Euro. Es gibt aber keinen Sessel oder Tisch und Bad/WC sowieso am Gang. In dem Preis ist aber kein Handtuch oder ein Deckenüberzug (es reichte ein Leintuch) enthalten. Das ist aufpreispflichtig und ganz normal am JW in den letzten zwei Wochen. Das Leintuch und der Polsterüberzug, sind aus fließartigem Gewebe, Einwegbettwäsche! Ich hebe die Überdecke hoch und sehe, dieses Leintuch wurde schon benutzt, also kein Einmalgebrauch! Ich reklamiere das und bekomme eine entrüstete Antwort, dass alles gewaschen sei. Ich bleibe hart und erreiche ein murrendes Auswechseln der Bettwäsche, gegen eine andere benutzte und gewaschene Einmalbettwäsche! Da wundert es mich nicht, wenn die Bettwäsche gebraucht aussieht.
Man erlebt schon viel am JW.

Mit dem heutigen Tag habe ich ein großes Zwischenziel erreicht. Mit Saint-Pied... ist der französische Teil meines Weges Geschichte. Dieser Teil war sogar etwas länger als die Österreich- und die Schweizdurchquerung zusammen. Fast 2.000Km (das wird übermorgen gefeiert) bin ich nun auf meinen Beinen unterwegs und es ist auch für mich unfassbar, das erlebt zu haben. Und wenn ich bedenke wie gut es gegangen ist und wie wenig Probleme ich meistern musste. Eine tiefe Dankbarkeit erfüllt mich und es ist mit Worten nicht zu beschreiben.
Nun warten (nur) noch 803Km spanischer Weg bis zu meinem Ziel.
Am Dienstag sind dann die Pyrenäen zu bezwingen und schon ein paar Tage überlege ich, welchen der zwei Übergänge ich wählen soll?
Entweder den alten Pilgerweg durch ein enges Tal und einer Passhöhe von 1.057m oder die 3Km längere und schönere napolionische Wegführung auf 1.420m Seehöhe. Für das Erlebnis sprich die zweite Variante und bei der ersten Variante gibt es auch Autoverkehr. Die Etappe beginnt bei 163m Seehöhe und da ist der Unterschied von fast 400Hm viel. Entweder 890m hochsteigen oder 1260m aufwärtsstreben. Nach 2.000Km in den Beinen meinte Jakobus, der ja auch mit mir geht, ihm wäre die leichtere Variante lieber und so machen wir es auch. Wir müssen niemanden etwas beweisen, es ist unser Weg.

Mit diesem Bericht gönnen sich der Pilger Walter und der Pilgerheilige Jakobus einen wohlverdienten Ruhetag, an dem auch kein Bericht erscheinen wird.
Es grüßt Euch,
Euer Pilger Walter

Samstag, 20. August 2011

Baskenland

Liebe Pilgerfreunde am PC!

Heute morgen startete ich in eine weiße Milchsuppe. Ein dichter Nebel hatte sich breit gemacht und läßt die Umgebung fast geisterhaft erscheinen. Ist hier schon der Herbst eingetroffen? Nein, die Feuchtigkeit der letzten Tage läßt sich am kühlen Morgen nieder und nur langsam dringt die Sonne immer mehr durch. Spätestens um 11h verrichtete sie ihr Tagewerk mit aller Kraft und die Pilgerseele stöhnt auf: "Haaas is!" (für bundesdeutsche oder schweizer Ohren: "Es ist sehr heiß!")
Noch während des Nebels tropfte es von den Laubbäumen und von der Pilgerstirn, weil die Luftfeuchtigeit so hoch war. Später, in der Sonneneinstrahlung, floss dann der Schweiß von der Pilgerstirn in Strömen. Ich kam mit dem Abwischen mit dem Schweißtuch nicht mehr nach und die salzigen Bächlein brannten in den Augen.

Den heutigen Weg konnte man mit zwei Varianten abkürzen und natürlich nahm ich diese Angebot an. Es gab auch keinen Grund, den längeren Weg zu gehen. Eine Wegvariante wurde sinnigerweise von einem heiteren Schneckensymbol, die die symbolhafte Jakobsmuschel als Haus mitträgt, gekennzeichnet. Was man damit wohl sagen will?
Ist es eine Markierung für Pilgerschnecken (siehe Tagebucheintragung vom oberen Inntal)?
Oder soll das das schneckenhafte Tempo eines Pilgers zeigen, wenn man die Europadurchquerung auf einer Satellitenkarte beobachtet. Das kleine Pünktchen, welches sich langsam, aber beständig immer weiter westwärts vorschiebt, das bin ICH! Und nun bin ich doch schon fast am Frankreichende angelangt.

Entlang des Weges sind auf den Weiden große Schafsherden zu sehen. Sie sind die Grundstofflieferanten für den würzigen baskischen Käse. Gestern abend habe ich diese Köstlichkeit wieder kredenzt bekommen und man ißt diesen Käse mit leckerer Brombeermarmelade. Ich sage Euch, da werden alle Geschmacksknospen gefordert - einfach lecker diese Kombination. Die Schafe und ich plauden noch miteinander über die Weide- und Arbeitsbedingungen im Baskenland. "Mäh, määäh, Mähhh, mähä, ...", was frei übersetzt heißt, es gibt hier saftige Gräser für eine gute Milchproduktion und viel Freiheit und Selbständigkeit auf den Weiden, was der baskischen Schafsseele gut tut.

Ein anderes kulinarisches Detail des gestrigen guten Abendessens am Bauernhof, möchte ich Euch auch noch näher bringen. Zum Hauptgang gab es gebratene Hühnerkeulen und -brüste. Da war in der Mitte des Tabletts noch ein Häufchen kleiner Pilzstückchen, so wie aus der Dose, wie ich dachte. Ich langte zu, bis meine Mitstreiter/-esser, drei Franzosen mich lachend und mit Gesten aufklärten. Das waren gewürzte und mitgebratene Knoblauchstücke, und keine Champignonstücke. Ich habe trotzdem einen guten Schöpfer davon gegessen und es passte sehr gut zum gebratenen Huhn. Den Nachteil, für diesen Abend und den heutigen Tag, niemanden küssen zu können, war für mich alleinreisenden Pilger unrelevant.
Einen Vorteil hatte diese Knoblauchverabreichung auch. Im Zimmer hatte sich, wie es am Bauernhof üblich ist, eine sehr lästige Fliegeninvasion breit gemacht. Zu viert haben wir schon denn Beginn des Märchens "Das tapfere Schneiderlein" nachgespielt, aber nun konnte ich eine vollbiologische Geheimwaffe einsetzen. Ein paarmal kräftig ausgeatmet und die Fliegen streckten am Boden alle sechse von sich (Ich glaube nun mich meine Märchentheatervergangenheit eingeholt :-) )
Leider gab es des Nächtens kein Gegenmittel gegen die noch lästigeren Gelsen und trotz Hitze kroch ich bis zur Nasenspitze in meinen dünnen Hüttenschlafsack - vergeblich wie ich heute an den Kratzstellen feststellen kann. Ein Fliegengitter kennt man in Frankreich noch nicht. Ich habe noch nie eines gesehen.

Nach einem, nun immer öfteren Anstieg und und dem gemütlichen Marschieren durch einen Wald öffnet sich der Blick auf die fernen und doch schon so nahen Pyrenäen. Und in der nahen Umgebung ist es eine liebliche Hügellandschaft mit weidenden Kühen. Ich komme mir wie zu Hause im oberen Murtal vor, nur dass die Baumgrenze sehr nieder ist.

Bei der Mittagspause in Ostabat-Asme saßen neben mir Einheimische, die baskisch geredet haben und da versteht man gar nichts mehr. Rund ein Drittel der Bevölkerung spricht diese über 2.500 Jahre alte Sprache.
Kein Problem sind hier auch die zweisprachigen Ortstafeln. Es gibt vielleicht auch keinen verrückten Ortstafelverrücker.

Meinen kurzen Gehttag bis Larceveau mit 26Km habe ich mir nochmals verkürzt, weil ich einen Km nach Ostabat-Asme auf eine feine und neue Gite gestossen bin und gleich hier in der Mittagshitze für heute Schluss gemacht habe. Die restlichen 2-3Km kann ich morgen leicht nachholen, denn bis zum französischen Endpunkt Saint-Jean-Piet-de-Port sind es nur 22Km. Aber hier, in einem großen und neuen Gebäude, habe ich eine ordentliche Unterkunft und wieder mein eigenes Zimmer. Diese Gite-/Chambre d'Hotes ist empfehlenswert.

Und so hat sich, von oben betrachtet, Eure Pilgerschnecke im irdischen PGV-Tempo wieder ein Stück nach Westen zum Ziel vorgeschoben. Es geht weiter und weiter.
Euer Pilger Walter

Freitag, 19. August 2011

Frankreich

Hl. Jakobus, wir sind ein gutes Team!
Nicht nur, was wir schon alles geschafft haben, sondern auch, wie wir uns gegen Widrigkeiten zu wehren wissen. Nicht umsonst zeigt man Dich oft als Kämpfer. Um uns übers Haxl zu hauen, da muss man früher aufstehen.
Dem gestrigen Wirt haben wir ein ordentlichen Schnippchen geschlagen und wir haben uns 30,- Euro gespart. Hehehe!
Er wollte für das mickrige Zimmer ohne Bad u. Dusche inkl. HP zur Alleinbenutzung ganze 55,- Euro haben. Aber wenn er noch einen Gast in mein kleines Zimmerchen unterbringen darf, dann bekomme ich den DZ-Tarif um 35,- für meinen Teil. Dem habe ich zugestimmt und Du lieber Jakobus hast aber vor der Türe gewacht, dass kein Gast mehr an die Türe klopft und mein Schlaf nicht von anderen Sägegeräuschen gestört wurde.
Dabei war der junge Mann sehr bemüht und kochte sehr gut, aber seine erste Million muss er sich härter verdienen. Meine Pilgerkasse ist nicht sein Sponsor für ein Leben in Saus und Braus.

Liebe Freunde,
viele von Euch sind sicher auch Freunde der frankophilen Lebensweise und waren vielleicht irritiert, dass ich Frankreich nicht gelobt, sondern getadelt habe..
Zum gestrigen Beitrag, der auch aus aufgestauten Frust geschrieben war, passen noch ein paar Bemerkungen.
Ich weiß, man soll nicht im Frust etwas los werden, doch wie und wann, wenn nicht auf diesen Weg, ich platze sonst :-) Bei der Fülle von Erlebten, muss auch wieder Platz werden, für Neues. Ich meine, auch das gehört zu MEINEM Weg und es ist auch notwendig nieder geschrieben zu werden. Eigentlich fehlen noch viele "Erlebnisse". Nicht alles ist immer nur gut und schön, denn damit würde sich vielleicht jemand verlocken lassen, auch den Weg zu gehen - siehe Harpe Kerkeling Syndrom.
Ich habe mir den gestrigen Bericht nochmals durchgelesen und alles würde ich wieder so schreiben, nein, vieles fehlt was da nervt an der Grande Nation. Dass ich mit meiner Meinung nicht alleine bin, habe ich gestern zweimal bestätigt bekommen, nur diese Menschen haben das selbst noch nicht offen ausgesprochen.
Ich war gestern um 18h bei einem Pilgerempfang in der Kirche mit Besichtigung, Gebeten und Texten. Danach war man noch zu einer kleinen Agape mit Wein und Keksen eingeladen. Da bin ich mit einem Paar, welches ich bei meiner Mittagspause schon kennen gelernt habe, ins Gespräch gekommen. Sie ist eine Hamburgerin und ihr Mann ein Engländer, der gut deutsch spricht. Beide gehen seit Le Puy und wollen auch bis nach SdC. Beide haben meine Ansichten voll bestätigt und auch sie ärgern sich über manches. Dabei sind sie vergleichsweise erst kurz am JW.
Beim Abendessen, zu viert im Quartier, kam ich mit den Zimmernachbarn, die aus dem Elsaß sind und nicht aus der Schweiz, ins Gespräch über dieses Thema. Voll inhaltlich haben sie meine Ansichten bestätigt. Und der vierte Gast, ein Franzose, der etwas deutsch spricht und mit dem ich nun schon 3 Nächte unterm selben Dach schlafe, hat zustimmend genickt, bei den Themen (Nicht)Gast in Fankreich, Frühstück, Redeschwall und Pilgertourismus mit seinen Auswirkungen.
Also ich bin nicht alleine mit meiner Meinung und anderen geht es auch so. Es ist auch ein Unterschied, ob ich zwei Wochen Urlaub mache oder ob man sechs Wochen jeden Tag wo anders nächtigt und immer auf die gleichen oder auch auf neue Unzulänglichkeiten stoßt. Als Pilger dürfte man sich Hilfe erwarten und habe sie auch teilweise erhalten - Danke! Ich komme aber zum Glück recht gut auch alleine weiter und ich zahle oft sehr gutes Geld dafür. Ich will nur nicht ausgenutzt werden.

Ein kleiner Absatz noch zu den Menschenmassen, die den JW überschwemmen. Vom Wirt des gestrigen Quartiers haben wir erfahren, dass viele "Pilger" mehrere Quartiere vorreservieren und dann das Bessere nehmen oder die Reservationen auf verschiedene Orte streuen und dann soweit gehen, wie sie Lust haben. Der Wirt hatte auch für 5 Personen ausgezeichnet gekocht und ein Quartiergast kam nicht. Für mich ein Vorteil, denn das 5. Stück Lachsfilet landete dann auf meinem Teller :-) Mit diesen Doppelreservierungen wird dann in Pilger von der Türe gewiesen, weil alles vollreserviert ist. Das meine ich auch damit, dass der JW überlaufen ist und zwar von Menschen, die KEINE Pilger sind.

Aber Ihr wollt keine Klagen hören, sonders gute Reiseberichte von mir lesen und ich will auch positiv nach vor schauen, jetzt wo ich den Müll vor Eurer Türe abgeladen habe :-)

Am heutigen Tag mache ich doch keinen Ruhetag, denn der hat nur Sinn, wenn ich mich im Quartier wohl fühle. Der Ort Navarrenx wäre für einen gemütlichen Stadtbummel um die Befestigungsmauern einer Bastion ideal gewesen. Das Modell der Stadt schaut beeindruckend aus. Vielleicht findet Ihr im Internet nähere Informationen.
So bin ich heute in eine Kurzetappe von 19Km eingestiegen und bin Quartierabhängig nur bis Aroue gegangen. Das Dörfchen bietet zwar auch nur eine Gite communal ohne irgend etwas. Aber einen Km davor habe ich einen alten verwahrlosten Bauerhof gefunden mit Gite-Schlafmöglichkeiten und Halbpension. In dem Zimmer sind 7 Betten und drei sind schon mit mir bekannten Pilgern belegt. Mit einer Frau habe ich schon vor zwei Tagen gemeinsam genächtigt.

Nach einem nächtlichen Gewitter, brauchte es heute lange, bis sich die Sonne durchkämpfte. Erst jetzt am NM trocknet die warme Sonne meine frisch gewaschene und die halb feuchte Wäsche von gestern.
Meinen Schuhen, mit denen ich gut gehe, habe ich heute schon eine Fettwachspastete gegönnt, damit sie mich vor Nässe schützen. Aber bei dem feuchten Wetter schwitze ich von innen heraus.

Landschaftlich hat sich nichts geändert, auch wenn ich seit heute in einem anderen Land unterwegs bin. Rechtlich ist es immer noch Frankreich, aber in den Herzen der Einwohner ist das ihr Land, das Baskenland!
Gestern habe ich zum Abendessen einen großartigen baskischen Schafskäse bekommen, der hier berühmt ist. Und heute hat an der Strecke, nur zwei Km vor meinem Ziel, unerwartet ein Privathaus eine kleine Labe- und Einkaufsmöglichkeit eingerichtet. In meinem obligaten Mittagssandwich, steckte heute ein luftgetrockneter und würzig schmeckender baskischer Schinken.

Beim Essen ist Frankreich große Klasse, wenn nicht ... (siehe oben und gestern)

Auf der Strecke hatte ich heute wieder ein heiteres Hundeerlebnis.
Zwei kleine weiße Hunde sahen mich und wollten schon zum Zaun, um ihr Arbeitspensum, Pilger zu verbellen, zu erledigte. Auf einmal drehten sie um, flitzten schnurstracks in den Stall um ihren großen Bruder zur Unterstützung zu holen. Schon stürmte ein großes schwarzes Fellbündel heran und verbellte mich nach Strich und Faden. Nun trauten sich die zwei kleinen Feiglinge auch laut zu sein und hüpften aufgeregt am Zaun entlang. Da hinter dem Zaun, macht ihr mir nur Spaß und bietet etwas Abwechslung beim Gehen.
Da waren die zwei freilaufenden Golden Retriever anders. Denen traute ich nicht so recht, also mussten sie 1,20m Abstand halten (ist gleich Stocklänge).

Liebe Freunde, ich danke Euch für die vielen aufmunternden Kommentare. Es macht großen Spaß sie zu lesen und sie helfen auch immer die Motivation zu stärken. Danke!
Euer Pilger Walter

Donnerstag, 18. August 2011

Mir reicht Frankreich

Liebe Freunde,
ich hätte nie geglaubt, dass mir Frankreich einmal bis zum Halse stehen wird. Jetzt zähle ich die Tage, bis ich diesem selbstverliebten Volk den Rücken kehren kann.
Warum? Es sind einfach viele Kleinigkeiten, wie man hier z.B. ausgenommen wird und was einem geboten wird, oder wie die Franzosen endlos palavern, ohne mit der Wimper zu zucken, dass Du Fremder gerne etwas willst - warte! Das Wort Petit Dejeuner kann ich nicht mehr hören. Für ein Nichts zum Essen wird viel verlangt und der Fremde hat sich gefälligst der eigenen Lebensweise unterzuordnen. Du bekommst für das spärliche Frühstück keinen Teller, um das bischen Butter oder die Marmelade aufzuschmieren. Wenn du Glück hast, dann hast du eine Mokkauntertasse, dann verwende die. Wenn du weniger Glück hast, dann kannst du die Serviette als Tellerersatz verwenden und wenn du gar kein Glück hast, dann streiche am blanken Tisch die Butter aufs Brot, so wie es die Franzosen tun. Was ist das für eine Lebenskultur? Wenn das österreichische Hoteliers oder Vermieter tun würden, dann wären sie bald pleite, weil niemand mehr kommen würde. Sie schaffen es auch nicht, wenigstens die Orte mit einem stabilen Telefonnetz zu versorgen. Jeden Tag muss ich Verrenkungen machen oder herumgehen, um telefonieren oder die Berichte senden zu können.
Ein wenig von meiner Ablehnung lässt sich auch aus dem heutigen Bericht herauslesen.

Die letzte Nacht, bzw. das Schlafen war zum Vergessen. Mein Bett war eine Zumutung. Die Matratze war total durchgelegen und wenn man sich umdrehte, dann rollte man immer in die selbe Grube. Und dann waren in der Matratze schon Falten, die dann in meine (abgemagerten) Rippen drückten. So war ein Schlafen für mich, im heißen Zimmer, zuerst nicht möglich und verärgert habe ich im Geiste Abrechnung mit Frankreich gemacht und die fiel nicht positiv aus.
Ich hätte gestern wirklich dem ersten Eindruck folgen und weiter gehen sollen. So heruntergekommen sah das Anwesen aus und nur der Blick nach innen, ließ mich bleiben. Es sah ordentlich aus. Zum Beispiel war ich minutenlang im Bad eingesperrt, weil ich es gewagt habe, von innen zuzusperren. Beim Wiederöffnen, alle französischen Türen klemmen, ist die Türschnalle herausgefallen und ich saß im Bad fest. Zum Glück war vorher meine Zimmerpartnerin gekommen und sie saß im Garten und hat trotzdem meine Rufe gehört ...

Am heutigen Gehtag von 31Km gab es auf der ganzen Strecke eine Möglichkeit, sich zu verpflegen, ausser man trägt alles vom Morgen an mit sich. Nur im Führer wird schon darauf hingewiesen, Sperrstunde ist zu Mittag. Der PGV erreicht das noch rechtzeitig und so genoss ich zum obligaten Mittagsmenü, ein Schinkensandwich, noch ein Grade Biere zum Auffüllen der Mineralstoffe, denn die Luftfeuchtigkeit war riesengroß. Gestern wurde auch nach Stunden im lebhaften Wind, die Wäsche nicht trocken.
So war es auch heute. Der Himmel war dicht bewölkt, die Temperaturen noch recht akzeptabel, aber die Luftfeuchtigkeit war wie in den Tropen.

Heute wollten wieder zwei Hirtenhunde aus mir Hundefutter machen, so haben sie sich gebärdet. Sie sind ausser Rand und Band geraten, wie sie mich bemerkerten. Zum Glück waren sie hinter einem Zaun, aber der hatte große Lücken. Meine Stöcke hatte ich schon in Abwehrposition und die Hunde begleitenen mich entlang des Zaunes mit bösartigem Gekeiffe. Da geht der Puls gleich einiges schneller.

Von der Strecke selbst, war nicht viel zu berichten, was nicht schon an den Vortagen geschrieben worden ist. Entweder ging es flach dahin, dann waren Maisfelder vorherrschend, oder es wurde ordentlich hügelig, dann waren es Weiden an denen ich meinen Blick weiden durfte.
Die Hügel hier haben es in sich und nur die großen Steigungen gerechnet, ohne den Kleinkram, waren es heute auch 410Hm.

Interessant war heute, wo auf einmal die vielen Pilger/Wanderer herkamen. Gestern habe ich fast niemand getroffen.
Getroffen haben mich dann einige schwere Regentropfen. Schon den ganzen Tag habe ich sorgenvoll nach oben geblickt und um trockenes Gehen gebetet und dann kam dorch ein kurzer Regenschauer, den ich geschützt unter einem Stallvordach abwartete.

Nach starken Gehen habe ich mein neues Etappenziel, die interessante Kleinstadt Navarrenx erreicht und als ich ins Tourismusbüro eintrat, begann es wie aus Kübeln zu schütten. Nicht lange, aber genug um auf der Strecke pudelnass zu werden. Nun regnet es immer wieder einmal.

Beim Tourismusbüro habe ich einmal eine halbe Stunde warten müssen. Warum? Andere Gäste hatten einen Wunsch und die Mitarbeiterin machte das, was die Franzosen am liebsten tun, palavern! Während dieses Telefongespräches von mehr als einer Viertelstunde, nahm sie 4 andere Gespräche an und ausfühlich und ohne Eile hat sie die anderen Gespräche abgewickelt und ließ das Erste immer wieder warten! Da kann man nur den Kopf schütteln.
Mit meinen Preisvorstellungen bin ich in Navarrenx falsch am Platz. Da wäre nur eine Gite zu haben und ich wollte ein eigenes Zimmer, um hier morgen meinen Ruhetag verbringen zu können.
Ein Hotelzimmer beginnt bei über 60,- ohne Frühstück. Ein Privatzimmer mit Halbpension ist um 55,- zu haben. Ich nehme es trotzdem, denn im Regen, der wieder einsetzte, will ich nicht weit gehen. Um diesen Preis bekomme ich nur ein einfaches und schmales Zimmer zur Straße hin, mit zwei Betten. Mein Bett steht am anderen Zimmerende vom Fenster und die 30cm, dass das Zimmer länger ist, ist mit 4 Weinholzkisten aufgefüllt. Sie dienen als Nachtkästchenersaz. Der durchaus nette junge und bemühte Vermieter bietet mir noch einen billigeren Preis an, wenn er noch einen anderen Gast unterbringen kann - a la Gite. Mir ist schon alles recht, ich bleibe morgen nicht hier und gehe weiter. Der morgige Tag mit nur 18Km ist leicht zu schaffen, dann erwarten mich erträgliche 26Km und bis zum französischen Endpunkt, Staint-Jean-Pied-de-Port sind es dann auch nur 19Km und dort habe ich dann vor zu ruhen.
Wie die Ruhe im Zimmer sein wird, wird sich erst zeigen, denn die Zimmerwand besteht anscheinend nur aus einem dicken Karton. Ich verstehe jedes Wort in voller Lautstärke meiner Schweizer Nachbarn. Das sie deutsch/französisch-sprechende Schweizer sind, habe ich durch die Wand nach Minuten erkannt.

Soviel über meine heutigen Erlebnisse und meine Erfahrungen mit den Franzosen.
Euer Pilger Walter

Mittwoch, 17. August 2011

Wo soll hier ein Pilger schlafen

Liebe Blogleser,
ich habe mich gefreut, wie ich die Touristenroute mit Conques usw. hinter mir hatte oder auch den Ferienfeiertag, damit endlich weniger "Pilger" auf dem JW zu finden sind. Nur für das besch...eidene Quartierangebot der letzten und kommenden Tage ist das "Verkehrsaufkommen" noch immer zuviel. Es gibt hier sehr wenige Möglichkeiten ein Zimmer oder nur ein Bett zu bekommen und diese Quartiere sind oft vorgebucht. Eine Gite war z.B. voll mit einer Jugendgruppe, die hier Urlaub macht. Auf Grund der Quartiersituation habe ich meinen Etappenplan umgeplant, um dort zu bleiben, wo die Infrastruktur des Ortes größere Chancen auf Erfolg bei der Zimmersuche bietet. So bin ich heute wieder 30Km gegangen und auch hier war es nicht leicht, etwas zu finden. In einer privaten Gite habe ich mir, als Erster ein gutes Bett mit Ablagemöglichkeiten in einem 3-4 Bettzimmer sichern können. Somit bin ich für heute wieder versorgt. Zum Essen muss ich aber einen Km in den Ort gehen.
Irgendwie ist dieser Engpass an Betten nicht schlüssig. Da gab es gestern die gute und große Gite mit 77 Plätzen, aber in den Orten davor und vorallen jetzt danach, gibt es dafür kaum passende Quartiermöglichkeiten, die diese Gite mit Touristen versorgen oder die Schar aufnehmen kann.
Beim Abendessen, gestern habe ich erfahren, dass diese straff geführte Gite im Jahr um die 5.000 Gäste unterbringt. Da kann man sich vorstellen, dass, wenn man die schwachen Zeiten, wie den Winter, abzieht, die Gite sehr oft voll gebucht sein muss. Und wo sollen diese 70-80 Personen, und da sind die anderen Quartiermöglichkeiten noch nicht berücksichtigt, in den nächsten Etappen unterkommen?
In diesem Fall bin ich froh, bald aus Frankreich draussen zu sein.

Der Morgen hält einen Extraschweißausbruch für mich bereit. Die Sonne brennt schon vor 8h vom Himmel. Das kann ja heiter werden und ich sehe schon die Schweißspur hinter mir fließen. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Schon bald geht es in ein Hügelland und hier ist Bodennebel angesagt und der Sonne kann ich für heute baba sagen. Im Laufe des VM geht der Bodennebel in einen grauen Hochnebel und in etwas Wind über. Nun ist es zwar relativ angenehm zu gehen (schwül bleibt es trotzdem), aber der Blick geht oft nach oben - bleibt es trocken? Und so bleibt das Wetter den ganzen Tag, welch ein Glück für mich.

Nun merkt man die Nähe der Pyrenäen schon, denn die Hügel werden wie Wasserwellen immer mehr. Dabei spielt sich alles in einer Seehöhe zwischen 100m und 250m ab, nur auch diese Anstiege haben es in sich.
Noch am VM gab es eine Entscheidung zu treffen, gehe ich einen flachen Straßenweg oder die neue hügelige Variante. Vor mir sehe ich eine Kleingruppe in den Straßenweg abbiegen und ich brauche nicht viel nachdenken, ich hole mir die Abwechslung beim Gehen hinauf und hinunter. Das macht wirklich Spaß wieder gefordert zu werden und mehr Sicht auf die Umgebung zu haben, die vom Nebel leider etwas eingeschränkt war. Nun war ich beim Bergaufgehen wieder in meinem Element und der gute Schlaf heute Nacht, hat meine Geister geweckt und meine Füße halbwegs gehtauglich gemacht.
Unterwegs werde ich von einer bereitgestellten Schüssel reifer und saftiger Feigen überrascht und belohnt.

Interressant ist in dieser Gegend, dass auch diese Mini-Hügel, im Vergleich zu unseren Seehöhen, einen genauso alpinen Charakter haben. Gleich, wenn es hoch geht, geht der Wein- und Maisanbau in Weideland über und es sieht mit den Wiesen und den Bäumen fast almartig aus.

In einem kleinen verschlafenen Ort mit nur Wohnhäusern und einer Kirche, sehe ich viele Autos vor mir stehen. Ich sehe dass da die Kirche und der Friedhof ist. Es ist ein Begräbnis und viele Menschen stehen noch ausserhalb der Kirche. Durch den ganzen Ort ist die Straße verparkt und es müssen mindestens hundert Autos hier sein. Das muss ein großes Begräbnis sein.

Genau zur Mittagszeit erreiche ich meinen zuerst vorgesehenen Etappenort (6Km habe ich schon gestern ergangen) und will mir in einem kleinen Geschäft, die einzige Infrastruktur auf 30Km, etwas zu essen kaufen. Schon von Weitem springt mich eine übergroße Tafel mit "Ferme" an - SUPER! Diese Gegend ist wirklich zum Vergessen. Auf einer Bank halte ich dann doch mein Mittagsmahl. Es gibt den Rest einer Kekspackung - 6 Bisquitkeks mit Erdbeermarmelade und zwei leckere Müsliriegel mit Apfelgeschmack. Dazu gönne ich mir eine halbe Flasche Wasser aus der Flasche, die am Morgen gefüllt wurde. Ein freundlicher Golden Retriever Hund bettelt mit leidenden Augen um Teile meiner lukullischen Köstlichkeiten. Egoistisch, wie nur hungrige Pilger es sein können, verschlinge ich mein ganzes Mahl alleine.

Ereignislos geht der Rest meines heutigen Gehtages (9Km) in die Zielgerade. Ein paarmal hinauf und hinunter, und schon sind die heutigen 28Km in 6 Gehstunden (inkl. der Pausen) heruntergebogen und gleich nach nur drei Anfragen finde ich schon eine leere Gite. Sie ist leider ganz leer, den die Besitzer sind auch nicht hier. Ich warte einmal in erster Position auf den Einlass und auf mein Bett. Erst später erfahre ich von Nachbarn, dass man sich in der Bäckerei im Ort anmelden muss.
Das waren dann noch 1Km in den langgestreckten Ort, um sich formlos anzumelden und genauweit wieder zurück.
Einen Gehtag mit über 31Km habe ich noch vor mir, dann will ich wieder einen Ruhetag machen, sofern ich auch ein Quartier für mich alleine habe und wo es sich lohnt, einen Tag zu bleiben.

Nur noch vier Gehttage, davon zwei kurze Etappen, und Frankreich liegt endlich hinter mir.
Euer Pilger Walter

Dienstag, 16. August 2011

Weiter, immer weiter und noch weiter

Liebe Freunde,
wenn Ihr den gestrigen Bericht gelesen habt, dann habt ihr auch mitbekommen, mit welcher Anstrengung und mit welcher Kraft ich diesen Tag gemeistert habe und dann stehe ich fast ohne Quartier und ohne Essen und Frühstück da. Mit dem Wirken des Hl. Jakobus endete der Tag noch wundervoll.
Ich habe noch ein vollständiges Menü von der Herbergsmutter bekommen, die nicht darauf eingerichtet war, einen Pilger zu verköstigen und es vielleicht auch nicht darf. Sie hat für mich alle Vorräte durchforstet und gezaubert, dass ich ihr dann drei Hauben vergeben habe.
Ich habe zur Vorspeise gartenfrische Tomaten und Thunfisch mariniert bekommen und eine regionale Pastete, die lecker schmeckte. Natürlich Brot dazu, welches in einem französischen Haushalt nie ausgeht. Als Hauptgericht bekam ich gebratene Rindsfiletscheiben und fritierte Kartoffelwürfel. Ein Stück feinen Käse für den Käsegang und als Nachspeise 4 Kugeln Eis. Das Ganze kostete mich 11,- Euro.
So ein Essen muss mit gutem Wein begleitet werden und nachdem die Vermieterin keinen offenen Wein anbieten konnte, leistete sich der Pilger Walter eine Bouteille guten Rotwein, dass habe ich mir verdient und die 5,- Euro trägt die Pilgerkasse bei den Nächtigungs- und Essenspreisen allemal. Von den anderen Nächtigungsgästen, die sich selbst bekochen mussten, wurde ich beneidet und wegen einer ganzen Flasche Wein bewundert. Es hat großartig geschmeckt und die fünf Achterln, eines habe ich beim Plaudern angeboten, haben sehr gemundet. Das hilft sogar gegen schmerzende Füße, ich spürte sie fast nicht nehr - Alkohol hat so etwas wie eine abtötende Wirkung ;-)
Mit den anderen sieben französischen Gästen habe ich mich großartig unterhalten. Eine Frau konnte etwas Deutsch und mit zweien habe ich gar nicht schlecht Englisch gesprochen. Und alles wurde auf Französisch übersetzt. Ich habe mich sehr wohl gefühlt und der Wein brachte die doppelte Bettschwere.

So bin ich heute morgen fit, sofern man den Zustand bei mir noch verwenden kann, losmarschiert. Bis Mittag war es ein eintöniges Gehen. Schnurgerade Straßen oder Schotterpisten zwischen endlosen Maisfelden brachten Null Abwechslung. Der Blick nach rechts oder links unterschied sich nur bei der Wachstumshöhe und ob dieses Feld bewässert wurde oder nicht. Der Blick nach vor war eher frustrierend, wenn sich die Straße bis zum Horizont zog. Nur einmal sah ich 6 Pilger gestaffelt gehen und das brachte Abwechslung und Spaß, diese Pilgerschar von hinten aufzurollen.
Glücklicherweise war der Himmel bedeckt und brachte keine Erschwernis durch heiße Sonnenstrahlen. Durch die schwüle Luft schwitzte ich so auch mehr als genug.

Zwischen den Maisfeldern kam ich dann bei einer schockierenden Entenfarm vorbei. Auf etwa 200 bis 300 m2 waren hier hunderte Jungenten untergebracht. Keine der Enten hatte ein normales Federkleid und sie sahen erbärmlich aus. Dicht gedrängt saßen beieinander oder liefen über das bischen freien Boden oder gleich über die Artgenossen hinweg. Der Besitzer dürfte auch schon eine Zeit nicht hier gewesen sein, denn eine Reihe von Enten waren verreckt und verwesten schon. Man kann sich auch den Gestank vorstellen.

Zu Mittag war das flache Gehen vorbei und es wurde wieder etwas hügelig. Es gab da einen Aussichtpunkt auf einer Anhöhe mit Blick und Hinweistafel auf die Berge der Pyrenäen. Leider war keine gute Weitsicht und die Tafel brachte nichts.
Endlich etwas Abwechslung. Einige Bauernhäuser lassen die Eintönigkeit des Vormittag nicht mehr hochkommen. Es gibt auch wieder Rinder auf den Feldern.
Nun sieht man auch laufend Hinweistafeln für Bauernhöfe, die Entenmastfleisch und -leber anpreisen. So wie die grässliche Farm vor einer Stunde? - Nein danke!
Aber es gibt auch glückliche Enten mit viel Auslauf, Wasser und Erde zum Buddeln. Diesen Enten zuzuschauen, wie sie durch den Garten watscheln, macht Spaß.

Lieber Jakobus, machst Du Dir einen Scherz mit den Pilgern? Heute komme ich an 4 Stellen mit Km-Angabe bis SdC vorbei und überall ist die Zahl anders, also nicht linear absteigend.
Begonnen hat es mit 932Km bis SdC und dann etwa 20Km weiter, steht auf einem Grenzstein 953 Km! Ich will weniger Km sehen und nicht mehr! Oder gehe ich vielleicht verkehrt in meinem Hitzetaumel?
Und so geht es weiter. Auf die Zahl 911Km folgt ein paar Km weiter die Zahl 924 Km. Und wenn ich dann an meinem Ziel meine geplanten Km zusammenzähle, komme ich auf 906Km ab morgen.
Lieber Jakobus, lass die Wegeverantwortlichen zu einer gemeinsamen Meinung kommen. Es könnte sonst passieren, dass ich in meinem PGV-Tempo übers Ziel hinaus gehe, weil ich glaube, es sind noch 10, 20 oder 50Km.

Hier noch eine heitere Episode vom JW.Vor meinem geplanten Etappenort sehe ich vor mir eine Aufregung. Ein Auto mit Anhänger steht mitten auf der Straße, einige Menschen rings herum und drei prächtige Packesel. Eigentlich nur zwei Packesel, denn ein Esel hatte beschlossen zu streiken. Hier war eine Wandergruppe mit Packeselbegleitung unterwegs. Anscheinend reichte es einem Esel und man musste Ersatz mit dem Auto herbringen. Das Ersatztier wurde ausgeladen und beladen und das streikende Tier sollte verladen werden. Doch ein störrischer Esel bleibt in allen Phasen störrisch. Stumm und bockig, mit allen vier Beinen fest im Boden verspreizt, stand der arbeitsunwillige Esel vor der Rampe in den Tieranhänger. Wenn ich nicht will, dann bringt mich hier nichts von diesem Fleck weg! Nur der Tierbändiger wusste ob solcher Marotten auch, wie man so einen Esel in den Wagen bringt. Zu zweit haben sie mit verschränkten Händen das Tier hinten hochgehoben und von vorne hat eine dritte Person am Strick gezogen und der Esel, nun seiner Sperrigkeit beraubt, wurde zentimeterweise in den Anhänger bugstiert.
Ich marschierte mit meinem Gepäck am Rücken weiter und musste sinnieren, wer ist nun der Esel, er oder ich. Er hat sich seinen Feierabend erkämpft, ganz ohne Gewerkschaft, und ich Esel marschiere freiwillig weiter - IiiiAaaa!

Dabei, von freiwillig kann heute wieder nicht die Rede sein. Kurz nach der Eselei komme ich in meinen Etappenort und durfte freudestrahlend zur Kenntnis nehmen, dass auch hier das erhoffte Chambe d'Hotes für immer gesperrt hat. Es gibt auch keine Alternativen, wie mir die Frau vom Tourismusbüro mitteilt.
Für was leisten die sich so ein Büro, wenn sie keinen Pilger unterbringen können? Sie ruft aber rundherum an und bekommt entweder Absagen oder sie bietet mir ein Hotel im nächsten Ort an, um wohlfeile 75,- Euro. Das passt für einen Euro-Millionär, aber nicht für einen Geh-Millionär. Die große Gite (77 Plätze) im nächsten Ort ist nicht erreichbar und ich gehe "freiwillig" und aufs Geradewohl weiter. Ich muss und werde ein Quartier finden, sonst läute ich beim Pfarrer an, wozu habe ich die Empfehlung von Markus, meines Pfarres, mit.

Nun wurde das Gehen schon sehr mühsam, denn auch sie Sonne ist voll im Dienst. Der Vorteil daran, man braucht nicht wegen nahendem Regen zittern ;-) Statt der erhofften 28Km, weil es wegen einer neuen Wegeführung um 2-3Km weniger geworden wären, kommen nun 5-6Km mehr dazu und so waren es heute wieder 34 fußtötende Kilometer - Aaaah! Da helfen auch keine Motivationstexte und -lieder, da gibt es nur Eines: Weiter, immer weiter und noch weiter!

Im nächsten Ort, der mit dem "preiswerten" Hotel, probiere ich es gleich bei der großen kommunalen Gite und werde nach einigen langen Warteminuten, angenehm überrascht. Ich bekomme auch ein tolles und sehr sauberes Einzelzimmer mit Dusche und WC und direktem Zugang vom Garten.
Nur warum das Zimmer von aussen nicht versperrbar ist, ich bekomme keinen Schlüssel, weiß ich nicht. Vielleicht ist ein Extraschlüssel im Preis von 32,50 für die HP nicht mehr drinnen.

Vom nahen Geschäft habe ich mir zwei Dosen Heineken Bier geholt und damit fülle ich meine ausgeschwitzen Mineralstoffe wieder nach. Nur ein Mittel gegen brennende und schmerzende Füße habe ich noch nicht gefunden, ausser einer Flasche Wein. Das wird sich erst ab 25. September bessern, wenn ich mein Ziel erreicht habe.
Euer Pilger Walter

Montag, 15. August 2011

Immer am richtigen und doch am falschen Weg

*** mit diesem Bericht ging auch der Bericht vom Sonntag online. Es gab keine Telefonverbindung ***

Liebe Freunde, die Ihr mich immer aufmuntert, weiter zu gehen.
Heute war diese Motivation notwendig, auch wenn die Rahmenbedingungen passten. Somit sang ich mir öfters selbst Kraft zu: Geh, nur geh! Alter Pilger, geh, nur geh ...

Das Weggehen in Manciet, einem Ort ohne Telefonsignal, war sehr angenehm. Es war ganz ruhig, als wenn ich alleine unterwegs wäre und die ersten Stunden traf ich auch niemand. Vielleicht habe ich mir da die Kraft für den Tag geholt. Zum Glück hat sich mein rechter Fuß sehr beruhigt und den Rest an Schmerzen, wenn sie zu spüren waren, die habe ich einfach verdrängt. Das Wetter war anfangs bedeckt, aber es war sehr schwül und schweißtreibend. Die Schweißsuppe ist nur so geronnen.

Und es geht ja doch. Das nächste Positive am heutigen Tag, waren die Wegmarkierungen. Sehr gut gesetzt und weithin sichtbar, denn hier hat jemand mit einem dicken Pinsel mächtige Markierungen gesetzt, die auch ein Kurzsichtiger ohne Brille finden würde. So war das Gehen von dieser Seite, fast unproblematisch. Ich vergebe somit für diesen Streckenteil den Ehren-Jakobus für vorbildliche JW-Markierung. Auch das gehört einmal gesagt.

Der Weg führt heute durch endlose Maisfelder, die leider auch den Blick einschränken. Erst später wechseln sich Weingärten mit den Maisfeldern ab.
Bei den Weinstöcken merkt man aber, dass hier viel Masse, statt Klasse produziert wird. Das Zurückschneiden oder Ausdünnen wird hier kaum angewandt. Aber die Franzosen brauchen auch viel (leichten) Tischwein, der aus Großgebinden gezapft wird. Mein 1/2 Liter Rotwein, den ich gestern zum Pensionspreis dazubekommen habe, wurde z.B. von eine 15-20L Tetraboxgebinde abgezapft.
Vor 3 Tagen bin ich bei einer Vinothek vorbei gekommen und ich habe hineingeschnuppert, ob es vielleicht Kostproben gibt, was leider nicht der Fall war. Aber im Nebenraum habe ich eine Weintankstelle gefunden. Hierher kommen die Menschen mit großen Plastikkanistern und mit Schläuchen kann man mehrere Sorten Wein abfüllen. Die Literanzeige läuft mit und man bezahlt an der Kasse. So ist der Nachschub an notwendigen Tischwein immer gegeben.

Heute habe ich einen besonderen Punkt erreicht, ich habe den Greenwich Meridian überschritten. Eine große und einfache Holztafel hat dies kundgetan.Somit ist die Stunde Zeitverschiebung offiziell und bis SdC wird noch ca. eine halbe Stunde dazukommen, wie es mein Sohn Klaus ausgerechnet hat. Trotzdem gilt immer die selbe Zeitzone.

Bis auf einen Ort, noch im ersten Drittel der Etappe gab es heute keine Infrastruktur und auch keine besonderen Punkte, die einem bei der Orientierung der noch zu gehenden Strecke halfen und auch die Beschreibung im Führer war da schwach. So war heute ein starkes Nachvormarschieren notwendig und ein Blick auf den Führer, das Navi oder die Uhr, war da kaum aufschlussreich.

Die heutige Etappe habe ich so geplant, dass ich eine Kurzvariante gehen wollte, die 5Km kürzer als die offizielle Wegstrecke ist und es gibt keinen Grund die lange Variante zu wählen.
Doch leider! Es gibt keinen Hinweis, wo der Weg weggeht. An der vermuteten Stelle, aus dem Führer war das nicht herauszulesen, gibt es nur die Markierung für den langen Weg. Es gibt auch kein Schild mit Ortshinweisen und das ist mir doch zu riskant, ins Ungewisse zu gehen.
Ich gehe notgedrungen und mit der Hoffnung, das die Abzweigung doch noch kommt, die unnötige lange Strecke - Geh, nur geh! Alter Pilger, geh, nur geh ...
Im Wissen nun 5Km mehr gehen zu müssen, braucht es eines starken Willen, genauso unbeschwert den Weg weiter zu gehen. Müdigkeit, was ist das? Hitze, noch habe ich etwas Wasser! Schmerzende Füße gibt es nicht - es spielt sich alles im Kopf ab! Und so marschiere ich gottgegeben den (langen) Weg weiter, wo es keine Abwechslung gibt. Einzig einige Bewässerungsanlagen für die Felder, können etwas aus der Monotonie reissen. Sie bewässern auch den JW und das in einer Form, die ich nicht gebrauchen kann. So beobachte ich das Drehverhalten und die Zeit, die mir bleibt, relativ trocken vorbei zu kommen. Und wenn der Wasserstrahl einen bestimmten Punkt erreicht hat, dann starte ich los und sage dann Ätsch! Mit so kleinen Dingen kann man sich auch unterhalten, wenn man sich einen schnurgeraden acht Kilometer langen Weg erkämpfen muss.

Dankbar nehme ich eine kleine Pilgerrast im Schatten mitten in den Maisfeldern an und lasse mir einen fleckigen Apfel schmecken, der hier bereitgelegt wurde.
Die letzten 4 Km werden noch etwas mühsamer, denn um in meinen Etappenort zu kommen, muss ich dieses Stück an einer stark befahrenen Straße ohne Seitenstreifen gehen. Dafür bekomme ich von oben etwas Erleichterung, denn es hat sich bewölkt und ein ganz leichter Wind machen das Gehen zuminderst nicht schlimmer.
Endlich erreiche ich den Ort Barcelonne-du-Gers, der an der kürzeren Variantenstrecke liegt und nur 2 Km von der nächsten Stadt entfernt ist. Zu meinem im Führer genannten Quartier, muss ich leider noch einen Km gehen, um dort zu erfahren, dass dieses Quartier für immer geschlossen hat.
Also umdrehen und zurückgehen. Geh, nur geh! Alter Pilger, geh, nur geh ...

Im Ort die nächste Freude, auch die Alternative, ein Hotel, hat zu. Was nun? Da sehe ich eine nicht im Führer erwähnte Gite/Chambre d'Hotes und es ist auch was frei. Zuerst muss ich Schuhe und Rucksack in einem Spind eines Nebengebäudes deponieren und bekomme einen Korb, wo ich alle benötigten Sachen in mein Zimmer bringen kann (das hat Reinlichkeitsgründe und Bettwanzen werden nicht so leicht eingeschleppt). Zuvor bekomme ich noch einen Wasserkrug mit einem Zitronensirup und ich kann meinen Durst löschen - ein halber Liter rinnt schneller meinen Schlund hinunter, als man den Krug anfüllen kann.
Die positive Überraschung: das ist die sauberste Gite am ganzen Weg und viele Hotels hätten sich hier ein Beispiel holen können. Sogar die Duschen sind perfekt. Nur die negative Nachricht schockiert. Hier gibt es nur Schlafen und kein Essen oder Frühstück. Kein Problem, ich gehe dafür in ein Restaurant oder in eine Bar. Geht nicht, hier gibt es nichts oder es hat zu!!! Ich könnte mir bei einem Supermarkt, bei dem ich vor einem Km vorbei gekommen bin und der offen hat, etwas zu Essen oder Kochen kaufen, denn es gibt in der Unterkunft auch eine Küche. NEIN, nicht nach 34Km! Da kann ich gleich die zwei Km nach Aire-sur-l'Adour weitergehen, wo ich morgen durch muss, bevor ich die zwei Km einkaufen gehe und am Herd irgend etwas aufwärme. Das sage ich auch und die Zimmervermietern sieht mich im Geiste schon davon gehen und sie überlegt. Ja, ein Frühstück kann ich haben, wenn ich mit dem Standard zufrieden bin. Das muss ich tagtäglich und fürs Abendessen greife ich eben meine Notverpflegung an. Schlussendlich bekomme ich auch noch ein Abendessen. Ich bin nicht wählerisch und satt wird es mich machen.

So scheint der Tag, mit sehr viel Motivationsarbeit und vielen Geh-Km, noch gut zu enden.
Inzwischen geht es den Füßen auch schon bedeutend besser.
Ich grüße Euch aus dem hintersten französischen Winkel
Euer Pilger Walter