Dienstag, 9. August 2011

Ueberleben in Frankreich

Liebe Freunde zu Hause!
Oft bin ich schon gefragt worden, wie ich in Frankreich zurecht käme, mit den Verhältnissen, dem Essen und der Sprache? Vielleicht erklärt folgender Bericht einiges auf.

Zuerst einmal, die Qualität der Quartiere und da nehme ich einmal beispielshaft das von gestern auf heute her. Das Zimmer gefällt mir und es scheint auch sauber zu sein. Am NM beim Duschen nehme ich den Zustand als gegeben hin. Dass ein Duschkopf über Kopf und fixierbar ist, das erwarte ich nicht mehr. Es stört mich auch nicht, wenn ich trotz Müdigkeit in den Beinen, in der Dusche hin- und herlaufen muss, damit mich die wenigen Wasserstrahlen erwischen und abschwemmen. Dass die Wasserhähne vertauscht sind - warm ist rechts und kalt links, trotz anderer farblicher Markierung, ist auch fast normal und man merkt es von selbst, wenn der Rücken von einem brühend heißem oder von einem kaltem Strahl abgeduscht wird, dann kann man sich entsprechend richten.
Interessant wird es abends, wenn die Betätigung eines kleinen metallenen Schalters keine erhoffte Wirkung hat - es bleibt finster in der Sanitärecke. Gewitzt von anderen Erfahrungen taste ich die Lampe ober dem Spiegel nach einem weiteren Schalter ab. Das Einzige was ich zu fassen bekomme, ist die gesamte Lampe, die jetzt mit zwei Kabeln hintenan, in meinen Händen liegt. Leider habe ich mein E-Werkzeug nicht mit, denn dann wäre das Problem keines mehr. So drücke ich die Lampe mit den Befestigungsdübel wieder in die Wand und übergebe somit das Problem meinem Nachfolger. Ich gebe mich in der Badeecke mit 4-5 Watt der 25-Watt-Beleuchtung des Wohnzimmers zufrieden und beim Rasieren am Morgen stelle ich mir das Nachtkästchenlicht auf das Glasfach und sehe mich leidlich genug, aber ich kenne mich nun eh schon seit 61 Jahren.

Und nun ein beispielshafter Exkurs über die Essenserfahrungen und die Sprachenkenntnisse.
Leider bietet meine Zimmervermieterin keine Halbpension an und ich muss mich ernährungstechnisch ins feindliche Gebiet, sprich Bar/Restaurant begeben.
Wie immer bin ich viel zu früh dort, schließlich sind wir es gewohnt früh zu essen und der Pilgermagen ist auch schon leer. Es gab untertags nur ein Sandwich, eine Schnittensüßigkeit und ein kleines Schokogebäck von einer Bäckerei und das für 32Km. Da ist es verständlich das sich Pilger wie hungrige Katzen schon vor den Öffnungszeiten der Wirtshausherde um die Essenszentren herumtreiben.
Vor den Tischen auf und ab zu gehen schaut auch blöd aus und so nehme ich Platz und bestelle ein Pilgergrundnahrungsmittel - ein Bier und das schmeckt. Dann im Vorbeigehen meine ich zur Kellnerin, "le menu?" und zeige auf die Tafel mit einer diesbezüglichen Aufschrift. Ich will ein günstiges Menü essen, dass ein Knochengerüst (siehe Vorbericht) sättigt und füllt. Ich wollte wissen ob es das Menü gibt und ich es bekommen kann. Die Kellnerin bestätigt meinen Wunsch und deckt meinen Tisch auf, mit den obligaten Papiertischsets, Besteck und Weinglas. Die Papiersets sind in Frankreich entweder mit Werbeinseraten bedruckt oder in diesem Fall sinnigerweise mit der Speisekarte. Ich brauche sie nicht, denke ich, sie bringt mir gleich, bzw. wenn die Küche öffnet, das Menü.
So sitze ich und warte und trinke mein Bier und weil ich Zeit habe übersetze ich mit meinem Handyübersetzer das Hauptgericht des Menüvorschlags: "Tendrons de Veau ..." - das hat was mit "Brustspitzen" zu tun (Super!), aber vom Kalb (anders wäre es attraktiver gewesen). Was auch immer das ist, ich bin aufgeschlossen für die regionale Küche und lasse mich überraschen.
Auf einmal kommt die Kellnerin, ob ich gewählt hätte. Nein, ich will ja das Menü, das mit den Brustspitzen, eh schon wissen :-)
Menü gibt es aber nicht und ich muss mir aus der Karte mein Menü zusammen suchen. Na gut, jetzt muss es schnell gehen, denn die Essenskonkurrenz ist groß, aber größer ist der Pilgerhunger. Nun muss ich etwas wählen, das mit minimalsten Aufwand (Geld) einen höchstmöglichen Sättigungsgrad erreicht. Also muss es eine Vorspeise sein, denn da gibt es einen Korb Brot dazu und das alleine füllt einen Teil des Magens. Und dann noch eine zünftige Hauptspeise. Das sollte reichen, dass gar keine Gelüste für teuren Käse oder verlockender Nachspeise mehr aufkommen.
Ich wähle also: Salade de gesiers (im englischen Teil der Speisekarte kann ich Huhn identifizieren) und Hache frites (faschiertes Leibchen oder Hamburger mit Pommes). Damit schätze ich, werde ich satt.
Dazu bestelle ich ein 1/4 Pichet Rose und deute auch auf die Karte. Dazu möchte ich auch eine "Carafe de l'eau". Die Kellnerin frägt mich noch ob es eine große sein soll. Natürlich, ich habe Durst und Wasser ist gratis.
Bekommen habe ich sogar einen Liter Wasser, aber auch einen halben Liter Rosewein. Na gut, an einem zusätzlichen 1/4 Wein wird es bei mir nicht scheitern und mir wird es schmecken.
In der Wartezeit schaue ich nach was "Salade de gesiers" vom Huhn ist. Es ist ein Salat mit Hühnermägen. Kein Problem, den ich weiß, das die Hühnermägen gut schecken und so war es auch. Sie waren auf Salat angerichtet und mit Dressing verfeinert. Es hat geschmeckt und dazu habe ich alle sechs Stück Baguette (kleine Stücke) gegessen - sie sind lecker und cross gebacken und sie füllen den Magen! Die Hochrechnung ergibt: Ich werde satt werden!
Es kommt die Hauptspeise, so wie ich es vermutet und bestellt habe und ein weiteres Körbchen Brot. Beides lasse ich mir schmecken, aber anstandshalber lasse ich zwei kleine Stücke Brot im Körberl über - ich bin satt und könnte nichts mehr essen. Zwanzig Euro habe ich dafür bezahlt, dafür ist das Zimmer billig.
In der Unterkunft wäre noch ein Schnaps gut, denn die 10 (kleinen) Brote waren vielleicht doch zu viel :-)

Und nun zum Tagesbericht.
In diesem Quartier gibt es fürs Frühstück "Self Service". Somit brauche ich nicht warten und kann gleich nach dem Munterwerden (6h) mich fertig machen und schon um 7h bin ich in den noch sehr grauen Morgen losgegangen. Man merkt hier schon sehr den westlichen Standort - ich schätze, dass die Sonne mindestens um eine Stunde später aufgeht.

Das frühe Losgehen wird belohnt von einer tiefen Stille. Keine Menschen und Pilger sind unterwegs. Es ist ein Genuss und es scheint nun wirklich etwas weniger los zu sein, denn ich treffe nur wenig "Pilger".
Das gibt auch Ruhe für den Pilger Walter. Ich kann den Weg genießen und ohne Druck gehen. Am VM bummle ich sogar und genieße die Natur.
Weite Sonnenblumenfelder wohin man schaut. Meist sind sie schon abgeblüht, aber eines erlebe ich in Hochblüte - es ist wunderschön. Kurios ist, was oft ungezählte Pilgerkomiker aus den Sonnenblumen am Wegrand machen. Sie zupfen die kleinen Blütenkelche aus dem Kerngesicht in einer Art aus, dass sich mit den dunklen Kernen ein Smilie-Gesicht bildet. Und so begleiten meinen Weg nicht nur tausende Sonnenblumen, sondern auch zig Smilies am Wegrand.

Nur ein paar hundert Meter vom Talboden weg, wird der Boden wieder unfruchtbar und nach dem Sonnengelb kommt nun das lilafärbige der hohen Disteln, gemischt mit dem Blau der Kornblumen ins Blickfeld.
Auf der anderen Seite lockt das Schwarz reifer Brombeeren und nicht weit davon ist der Boden rot-blau bedeckt von den abgefallenen Zwetschken einer großen Plantage. Die Früchte sind schon überreif, picksüß und sehr saftig. Ich gebe mein OK für die Ernte zur Schnapsgewinnung.

Bald sind wieder weite Sonnenblumenfelder zu sehen und auch kleine Bambuswäldchen (!) sind zu finden.
An den Südhängen wird Weinbau betrieben und auch die Trauben nehmen schon Farbe an und werden schon blau.

Dann steht ein steiler Aufstieg am Progamm. Es ist sehr erdig-steiniges Bergaufstück und der Weg ist zum Glück trocken. Sonst wäre der Aufstieg schwierig, es wurde dafür auch extra ein Seil gespannt. Auch der Abstieg von der Hochebene war gleichfalls so schwierig zu begehen, auch hier gab es Seile zum Festhalten. Bei Regenwetter möchte ich hier nicht gehen.

Nach 16Km ist der wunderschöne Ort Lauzerte erreicht. Er liegt am Hügel und ist schon von weitem sichtbar. Der kleine Dorfplatz ist von einer schlichten Schönheit und die Häuser sind wunderbar renoviert.
Noch ist es ruhig hier (um 11h) und ich kann in Ruhe meine Jause am Dorfplatz verzehren, doch laufend kommen nun Touristen, die sich dieses Kleinod ansehen wollen. Von dem Dorf hat man auch einen fantastischen Rundumblick in die Umgebung.
Bis hier gehörte das Wegstück zu den attraktivsten, die ich "erleben" durfte und ich genoss das schöne Gehen.

Die Pause in Lauzerte hat statt Erholung eher das Gegenteil bewirkt. Ein wenig müde bin ich weiter gegangen. Die Füße wollten rebellieren, aber da gabs von mir keinen Pardon, auch sie müssen mit und weitergehen.
Vielleicht lag es daran, dass es wenig spektakulär, aber doch immer wieder auf und ab ging. Im Wanderführer gleicht das abgebildete Höhenprofil des heutigen Tages den spitzen Zähnen eines Sägeblattes.

Heute war ein Obsttag. So viele verschiedene Obstsorten habe ich heute am Weg genossen. Zuerst reife Brombeeren, dann eine große Hand voll Zwetschken. Vom Frühstück hatte ich eine reife Pfirsich und eine saftige Nektarine mit. Unterwegs hat dann jemand einen Stand mit saftigen Zuckermelonen und auch einem Messer bereitgestellt (für freie Spende) und später habe ich noch einen roten Apfel von einem Baum verkostet. Er war schon recht reif und hätte sicher nicht verkauft werden können, weil er Hageldellen hatte.

In einem sehr schönen Herrenhaus fand ich heute ein komfortables Zimmer, eigentlich eine Suite und hier lasse ich es mir jetzt gut gehen. Den Mehrpreis zu den Herbergsbetten nehme ich gerne in Kauf. Hier bekomme ich am Abend auch zu Essen und brauche nirgendwo hingehen. Ich wüsste zwar nicht wohin, denn sonst gibt es hier nichts.

Liebe Freunde, nach einem schönen und doch auch anstrengenden Tag, schicke ich Grüße in die Heimat - alles was östlich von mir ist, ist Heimat!
Euer Pilger Walter

3 Kommentare:

  1. Hallo unser Pilgerfreund! Das mit der Essensbestellung ist so eine Sache, ein Grund für manche Missverständnisse könnte der sein, das die Kellner-inen keine Franzosen sind. Als wir mit den Reiti´s in Frankreich waren haben wir auch versehentlich einen Salat bestellt mit Hühnermägen und anderen Innereien. Franz und ich waren total begeistert, der Rest der Truppe hat ein langes Gesicht gezogen.
    Es freut uns sehr, dass du heute einen sehr schönen Abschnitt deiner Pilgerwanderung hattest.
    Mit dem Obst von deinem heutigen Tag hoffe ich doch sehr, dass du das Morgen nicht bereuen wirst, so mit von einem Busch zum anderen hüpfen.
    Alles Gute und Gottes Segen von deinen Freunden
    Werner und Ingrid

    AntwortenLöschen
  2. Lieber Pilger Walter!
    Wir haben nun wieder einige Pilgertage im Stück in uns aufgenommen und auch festgestellt , dass du Kraft für den weiteren Pilgerweg aufgetankt hast! Die Augen und die Freude deiner Schwiegermutter müssen ja riesig gewesen sein! Das war sicher eine ganz gute Entscheidung, für dich und auch für die Familie. Ich glaube, Katrin wird zu Hause das Knochengerüst wieder gut aufpäppeln! Frankreich hast du nun schon ganz gut kennengelernt, sei es die tägliche Qual der Wahl des Menüs oder auch die kleinen Probleme in den Quartieren. Du erzählst es so lebendig, man kann sichs richtig bildlich vorstellen und muß immer wieder schmunzeln. Heute mußt du ja das Gefühl gehabt haben im Paradies zu leben! Das sind die Belohnungen für so manche deiner Strapazen! Bei uns sind momentan Brombeeren und Zwetschken angesagt, die Marillen sind schon aus. Wir wünschen dir alles Gute, Gottes Segen und wir freuen uns schon auf die nächsten Pilgerberichte. Leni und Walter

    AntwortenLöschen
  3. Bonjour,

    du hast recht, du bist nun nicht mehr weit weg vom Nullmeridian und da Leoben auf ca. 15° Ost liegt, geht die Sonne bei dir jetzt ca. eine Stunde später auf. SdC liegt W 8° 32', d.h. nochmal eine gute halbe Stunde später gegenüber Leoben.

    Bon voyage, Klaus

    AntwortenLöschen