Samstag, 20. August 2011

Baskenland

Liebe Pilgerfreunde am PC!

Heute morgen startete ich in eine weiße Milchsuppe. Ein dichter Nebel hatte sich breit gemacht und läßt die Umgebung fast geisterhaft erscheinen. Ist hier schon der Herbst eingetroffen? Nein, die Feuchtigkeit der letzten Tage läßt sich am kühlen Morgen nieder und nur langsam dringt die Sonne immer mehr durch. Spätestens um 11h verrichtete sie ihr Tagewerk mit aller Kraft und die Pilgerseele stöhnt auf: "Haaas is!" (für bundesdeutsche oder schweizer Ohren: "Es ist sehr heiß!")
Noch während des Nebels tropfte es von den Laubbäumen und von der Pilgerstirn, weil die Luftfeuchtigeit so hoch war. Später, in der Sonneneinstrahlung, floss dann der Schweiß von der Pilgerstirn in Strömen. Ich kam mit dem Abwischen mit dem Schweißtuch nicht mehr nach und die salzigen Bächlein brannten in den Augen.

Den heutigen Weg konnte man mit zwei Varianten abkürzen und natürlich nahm ich diese Angebot an. Es gab auch keinen Grund, den längeren Weg zu gehen. Eine Wegvariante wurde sinnigerweise von einem heiteren Schneckensymbol, die die symbolhafte Jakobsmuschel als Haus mitträgt, gekennzeichnet. Was man damit wohl sagen will?
Ist es eine Markierung für Pilgerschnecken (siehe Tagebucheintragung vom oberen Inntal)?
Oder soll das das schneckenhafte Tempo eines Pilgers zeigen, wenn man die Europadurchquerung auf einer Satellitenkarte beobachtet. Das kleine Pünktchen, welches sich langsam, aber beständig immer weiter westwärts vorschiebt, das bin ICH! Und nun bin ich doch schon fast am Frankreichende angelangt.

Entlang des Weges sind auf den Weiden große Schafsherden zu sehen. Sie sind die Grundstofflieferanten für den würzigen baskischen Käse. Gestern abend habe ich diese Köstlichkeit wieder kredenzt bekommen und man ißt diesen Käse mit leckerer Brombeermarmelade. Ich sage Euch, da werden alle Geschmacksknospen gefordert - einfach lecker diese Kombination. Die Schafe und ich plauden noch miteinander über die Weide- und Arbeitsbedingungen im Baskenland. "Mäh, määäh, Mähhh, mähä, ...", was frei übersetzt heißt, es gibt hier saftige Gräser für eine gute Milchproduktion und viel Freiheit und Selbständigkeit auf den Weiden, was der baskischen Schafsseele gut tut.

Ein anderes kulinarisches Detail des gestrigen guten Abendessens am Bauernhof, möchte ich Euch auch noch näher bringen. Zum Hauptgang gab es gebratene Hühnerkeulen und -brüste. Da war in der Mitte des Tabletts noch ein Häufchen kleiner Pilzstückchen, so wie aus der Dose, wie ich dachte. Ich langte zu, bis meine Mitstreiter/-esser, drei Franzosen mich lachend und mit Gesten aufklärten. Das waren gewürzte und mitgebratene Knoblauchstücke, und keine Champignonstücke. Ich habe trotzdem einen guten Schöpfer davon gegessen und es passte sehr gut zum gebratenen Huhn. Den Nachteil, für diesen Abend und den heutigen Tag, niemanden küssen zu können, war für mich alleinreisenden Pilger unrelevant.
Einen Vorteil hatte diese Knoblauchverabreichung auch. Im Zimmer hatte sich, wie es am Bauernhof üblich ist, eine sehr lästige Fliegeninvasion breit gemacht. Zu viert haben wir schon denn Beginn des Märchens "Das tapfere Schneiderlein" nachgespielt, aber nun konnte ich eine vollbiologische Geheimwaffe einsetzen. Ein paarmal kräftig ausgeatmet und die Fliegen streckten am Boden alle sechse von sich (Ich glaube nun mich meine Märchentheatervergangenheit eingeholt :-) )
Leider gab es des Nächtens kein Gegenmittel gegen die noch lästigeren Gelsen und trotz Hitze kroch ich bis zur Nasenspitze in meinen dünnen Hüttenschlafsack - vergeblich wie ich heute an den Kratzstellen feststellen kann. Ein Fliegengitter kennt man in Frankreich noch nicht. Ich habe noch nie eines gesehen.

Nach einem, nun immer öfteren Anstieg und und dem gemütlichen Marschieren durch einen Wald öffnet sich der Blick auf die fernen und doch schon so nahen Pyrenäen. Und in der nahen Umgebung ist es eine liebliche Hügellandschaft mit weidenden Kühen. Ich komme mir wie zu Hause im oberen Murtal vor, nur dass die Baumgrenze sehr nieder ist.

Bei der Mittagspause in Ostabat-Asme saßen neben mir Einheimische, die baskisch geredet haben und da versteht man gar nichts mehr. Rund ein Drittel der Bevölkerung spricht diese über 2.500 Jahre alte Sprache.
Kein Problem sind hier auch die zweisprachigen Ortstafeln. Es gibt vielleicht auch keinen verrückten Ortstafelverrücker.

Meinen kurzen Gehttag bis Larceveau mit 26Km habe ich mir nochmals verkürzt, weil ich einen Km nach Ostabat-Asme auf eine feine und neue Gite gestossen bin und gleich hier in der Mittagshitze für heute Schluss gemacht habe. Die restlichen 2-3Km kann ich morgen leicht nachholen, denn bis zum französischen Endpunkt Saint-Jean-Piet-de-Port sind es nur 22Km. Aber hier, in einem großen und neuen Gebäude, habe ich eine ordentliche Unterkunft und wieder mein eigenes Zimmer. Diese Gite-/Chambre d'Hotes ist empfehlenswert.

Und so hat sich, von oben betrachtet, Eure Pilgerschnecke im irdischen PGV-Tempo wieder ein Stück nach Westen zum Ziel vorgeschoben. Es geht weiter und weiter.
Euer Pilger Walter

3 Kommentare:

  1. Lieber Walter, es ist schön, von dir so viel Positives vom Baskenland zu lesen - sonst liest man leider (allerdings auf spanischer Seite) viel Negatives. Nette Gegend, nette Leute, gutes Essen, neue "Pilzvariante" und ein schönes Zimmer zum Franzosen-Schluss - Pilgerfreund, was willst du mehr?? könnte man fast sagen. Aber wahrscheinlich soll Frankreich auch dir in guter Erinnerung bleiben!Es ist fast unglaublich, dass du nur mehr wenige KM in Frankreich unterwegs bist und dann geht`s schon in Spanien weiter! Super. Auch der Satelit muss erstaut feststellen, wie weit du es bisher schon geschafft hast und sein Visier genauer auf das "kleine steirische Pilgerpünktchen" einstellen! Übrigens, die Hitze, die dir so zu schaffen macht, war für uns sehr positiv - endlich einmal ein gemütlicher Abend auf Balkonien... mit Sternenglitzer, kleinen Kerzen und einem Glas Rotwein und zünftiger Musi (Ursprung-Buam & Co)
    Lieber Walter, wir wünschen dir für den restlichen französischen Weg noch alles Gute, nicht zuviel Hitze und ein tolles abschliessendes Quartier mit einem supertollen Menü - das wären die Franzosen dir schuldig nach deiner Super-Leistung! Alles, alles Gute und liebe Grüsse Ingrid und Werner

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  2. hallo pilger walter! gratulieren zu deiner erbrachten leistung, frankreich ist so gut wie geschafft!! freuen uns auch, dass sich deine stimmung, die aus deinen letzten berichten heraus zu lesen war, wieder die alte motivierte ist!!! damit frankreich und pilger walter als freunde auseinander gehen. wünschen dir noch gutes essen und das es in spanien auch so weiter geht. alexandra und werner

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  3. Lieber Walter, ich wollte nur nicht, dass Du Dir nur die negativen Sachen suchst; du hast ja auch sehr viel Schönes in Frankreich erlebt. Nach dem Motto: man könnte sich den ganzen Tag ärgern, aber man ist nicht verpflichtet dazu. Es lohnt sich meist, in die Situation zu schauen; oft haben die erlebten Sachen was mit uns oder mit unserer Wahrnehmung zu tun. Ich habe z.B. in Cahors in der gleichen Jugendherberge gute Erfahrungen u. vor allem ein gutes Frühstück gehabt(schon früh um kurz nach 6 !)Ich wünsch Dir, dass Du weiterhin alles so gut meisterst!
    Ultreja- Martina

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