Freitag, 19. August 2011

Frankreich

Hl. Jakobus, wir sind ein gutes Team!
Nicht nur, was wir schon alles geschafft haben, sondern auch, wie wir uns gegen Widrigkeiten zu wehren wissen. Nicht umsonst zeigt man Dich oft als Kämpfer. Um uns übers Haxl zu hauen, da muss man früher aufstehen.
Dem gestrigen Wirt haben wir ein ordentlichen Schnippchen geschlagen und wir haben uns 30,- Euro gespart. Hehehe!
Er wollte für das mickrige Zimmer ohne Bad u. Dusche inkl. HP zur Alleinbenutzung ganze 55,- Euro haben. Aber wenn er noch einen Gast in mein kleines Zimmerchen unterbringen darf, dann bekomme ich den DZ-Tarif um 35,- für meinen Teil. Dem habe ich zugestimmt und Du lieber Jakobus hast aber vor der Türe gewacht, dass kein Gast mehr an die Türe klopft und mein Schlaf nicht von anderen Sägegeräuschen gestört wurde.
Dabei war der junge Mann sehr bemüht und kochte sehr gut, aber seine erste Million muss er sich härter verdienen. Meine Pilgerkasse ist nicht sein Sponsor für ein Leben in Saus und Braus.

Liebe Freunde,
viele von Euch sind sicher auch Freunde der frankophilen Lebensweise und waren vielleicht irritiert, dass ich Frankreich nicht gelobt, sondern getadelt habe..
Zum gestrigen Beitrag, der auch aus aufgestauten Frust geschrieben war, passen noch ein paar Bemerkungen.
Ich weiß, man soll nicht im Frust etwas los werden, doch wie und wann, wenn nicht auf diesen Weg, ich platze sonst :-) Bei der Fülle von Erlebten, muss auch wieder Platz werden, für Neues. Ich meine, auch das gehört zu MEINEM Weg und es ist auch notwendig nieder geschrieben zu werden. Eigentlich fehlen noch viele "Erlebnisse". Nicht alles ist immer nur gut und schön, denn damit würde sich vielleicht jemand verlocken lassen, auch den Weg zu gehen - siehe Harpe Kerkeling Syndrom.
Ich habe mir den gestrigen Bericht nochmals durchgelesen und alles würde ich wieder so schreiben, nein, vieles fehlt was da nervt an der Grande Nation. Dass ich mit meiner Meinung nicht alleine bin, habe ich gestern zweimal bestätigt bekommen, nur diese Menschen haben das selbst noch nicht offen ausgesprochen.
Ich war gestern um 18h bei einem Pilgerempfang in der Kirche mit Besichtigung, Gebeten und Texten. Danach war man noch zu einer kleinen Agape mit Wein und Keksen eingeladen. Da bin ich mit einem Paar, welches ich bei meiner Mittagspause schon kennen gelernt habe, ins Gespräch gekommen. Sie ist eine Hamburgerin und ihr Mann ein Engländer, der gut deutsch spricht. Beide gehen seit Le Puy und wollen auch bis nach SdC. Beide haben meine Ansichten voll bestätigt und auch sie ärgern sich über manches. Dabei sind sie vergleichsweise erst kurz am JW.
Beim Abendessen, zu viert im Quartier, kam ich mit den Zimmernachbarn, die aus dem Elsaß sind und nicht aus der Schweiz, ins Gespräch über dieses Thema. Voll inhaltlich haben sie meine Ansichten bestätigt. Und der vierte Gast, ein Franzose, der etwas deutsch spricht und mit dem ich nun schon 3 Nächte unterm selben Dach schlafe, hat zustimmend genickt, bei den Themen (Nicht)Gast in Fankreich, Frühstück, Redeschwall und Pilgertourismus mit seinen Auswirkungen.
Also ich bin nicht alleine mit meiner Meinung und anderen geht es auch so. Es ist auch ein Unterschied, ob ich zwei Wochen Urlaub mache oder ob man sechs Wochen jeden Tag wo anders nächtigt und immer auf die gleichen oder auch auf neue Unzulänglichkeiten stoßt. Als Pilger dürfte man sich Hilfe erwarten und habe sie auch teilweise erhalten - Danke! Ich komme aber zum Glück recht gut auch alleine weiter und ich zahle oft sehr gutes Geld dafür. Ich will nur nicht ausgenutzt werden.

Ein kleiner Absatz noch zu den Menschenmassen, die den JW überschwemmen. Vom Wirt des gestrigen Quartiers haben wir erfahren, dass viele "Pilger" mehrere Quartiere vorreservieren und dann das Bessere nehmen oder die Reservationen auf verschiedene Orte streuen und dann soweit gehen, wie sie Lust haben. Der Wirt hatte auch für 5 Personen ausgezeichnet gekocht und ein Quartiergast kam nicht. Für mich ein Vorteil, denn das 5. Stück Lachsfilet landete dann auf meinem Teller :-) Mit diesen Doppelreservierungen wird dann in Pilger von der Türe gewiesen, weil alles vollreserviert ist. Das meine ich auch damit, dass der JW überlaufen ist und zwar von Menschen, die KEINE Pilger sind.

Aber Ihr wollt keine Klagen hören, sonders gute Reiseberichte von mir lesen und ich will auch positiv nach vor schauen, jetzt wo ich den Müll vor Eurer Türe abgeladen habe :-)

Am heutigen Tag mache ich doch keinen Ruhetag, denn der hat nur Sinn, wenn ich mich im Quartier wohl fühle. Der Ort Navarrenx wäre für einen gemütlichen Stadtbummel um die Befestigungsmauern einer Bastion ideal gewesen. Das Modell der Stadt schaut beeindruckend aus. Vielleicht findet Ihr im Internet nähere Informationen.
So bin ich heute in eine Kurzetappe von 19Km eingestiegen und bin Quartierabhängig nur bis Aroue gegangen. Das Dörfchen bietet zwar auch nur eine Gite communal ohne irgend etwas. Aber einen Km davor habe ich einen alten verwahrlosten Bauerhof gefunden mit Gite-Schlafmöglichkeiten und Halbpension. In dem Zimmer sind 7 Betten und drei sind schon mit mir bekannten Pilgern belegt. Mit einer Frau habe ich schon vor zwei Tagen gemeinsam genächtigt.

Nach einem nächtlichen Gewitter, brauchte es heute lange, bis sich die Sonne durchkämpfte. Erst jetzt am NM trocknet die warme Sonne meine frisch gewaschene und die halb feuchte Wäsche von gestern.
Meinen Schuhen, mit denen ich gut gehe, habe ich heute schon eine Fettwachspastete gegönnt, damit sie mich vor Nässe schützen. Aber bei dem feuchten Wetter schwitze ich von innen heraus.

Landschaftlich hat sich nichts geändert, auch wenn ich seit heute in einem anderen Land unterwegs bin. Rechtlich ist es immer noch Frankreich, aber in den Herzen der Einwohner ist das ihr Land, das Baskenland!
Gestern habe ich zum Abendessen einen großartigen baskischen Schafskäse bekommen, der hier berühmt ist. Und heute hat an der Strecke, nur zwei Km vor meinem Ziel, unerwartet ein Privathaus eine kleine Labe- und Einkaufsmöglichkeit eingerichtet. In meinem obligaten Mittagssandwich, steckte heute ein luftgetrockneter und würzig schmeckender baskischer Schinken.

Beim Essen ist Frankreich große Klasse, wenn nicht ... (siehe oben und gestern)

Auf der Strecke hatte ich heute wieder ein heiteres Hundeerlebnis.
Zwei kleine weiße Hunde sahen mich und wollten schon zum Zaun, um ihr Arbeitspensum, Pilger zu verbellen, zu erledigte. Auf einmal drehten sie um, flitzten schnurstracks in den Stall um ihren großen Bruder zur Unterstützung zu holen. Schon stürmte ein großes schwarzes Fellbündel heran und verbellte mich nach Strich und Faden. Nun trauten sich die zwei kleinen Feiglinge auch laut zu sein und hüpften aufgeregt am Zaun entlang. Da hinter dem Zaun, macht ihr mir nur Spaß und bietet etwas Abwechslung beim Gehen.
Da waren die zwei freilaufenden Golden Retriever anders. Denen traute ich nicht so recht, also mussten sie 1,20m Abstand halten (ist gleich Stocklänge).

Liebe Freunde, ich danke Euch für die vielen aufmunternden Kommentare. Es macht großen Spaß sie zu lesen und sie helfen auch immer die Motivation zu stärken. Danke!
Euer Pilger Walter

1 Kommentar:

  1. Lieber Freund und Pilger Walter, der du nun bald Frankreich verlassen wirst. Schade, dass die letzten Tage in F deine durchaus positiven Erlebnisse stark getrübt haben - ausgezeichnete 4-6gängige Menüs mit gutem Wein dazu, nette und günstigte Quartiere mit Quartiersleuten, schöne Wanderwege - und viele Tiere, die mit einem steirischen Pilger ihre Freude hatten. Es macht natürlich einen Unterschied, wenn man - so wie du - viele Wochen in einem fremden Land und fremder Sprache unterwegs ist, aber diese deine Erlebnisse gibt es auch bei uns. Wie z.B. kürzlich bei unserer Semmering-Runde, "Geöffnet-Tafeln" bis zum GH-Eingang, dann "Betriebsurlaub", seit Jahren geschlossene Labestationen, Cafes, etc. oder wie du dies auch in deinen ersten Wochen teilweise selbst erlebt hast, oder auch in der Schweiz.
    Denke "einfach" an solchen Tagen an dein grosses Ziel, das auch nach schwierigen Tagen oder Nächten immer näher rückt, denke an die Kathedrale von Santiago de Compostela!! Du hast bisher grossartiges geschafft und geleistet - auch den Rest durch Spanien wirst du toll schaffen. Wir wünschen dir für die restlichen französischen Tage alles Gute, viel Kraft und Gottes Segen! Deine Freunde Ingrid und Werner

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