Montag, 8. August 2011

Wieder am Jakobsweg

Liebe Freunde!
Das Zurückfahren nach Cahors zum JW hat genau so problemlos funktioniert, wie die Heimfahrt. Auch wenn das Flugzeug von München eine halbe Stunde Verspätung hatte, war noch ein genügend großer Zeitbuffer bis zur Zugabfahrt vorhanden. Auch die Rezeption der Jugendherberge war besetzt (was nicht immer der Fall ist) und so war das Wiedereinchecken mit dem Auslösen meines "Ho Ruck - Sack du" auch kein Problem.

Die drei Tage waren für mich eine gute Erholung und ich habe im Familienkreis und mit den Freunden bei der Geburtstagsfeier meiner Schwiegermutter meine Körperbatterien wieder aufladen können, um gestärkt den noch erheblichen Rest meines Weges erfolgreich beschreiten zu können.

Im Flugzeug nach Toulouse hatte ich eine sehr angenehme Sitznachbarin, mit der ich mich gut unterhalten konnte (besonders über den JW). Sie ist in München eine selbständige Buchlektorin, auch für Reisebücher. Sie hat sich an meinem Tagebuch interessiert gezeigt und wird es sich nach dem Urlaub ansehen und mir auch ihr Urteil abgeben, ob es für ein Buch genügend Potential hat. Das wäre sehr interessant, auch wenn ich nicht auf ein Buch hinarbeite. Jetzt am JW zählt nur der JW und ich werde meine Berichte wie bisher für Euch alle verfassen. Was danach kommt, das überlasse ich jetzt noch dem Herrgott.

Etwas wäre noch von zu Hause nachzutragen: Meine Frau meinte, ich sei ein Knochengeist, weil ich 5 bis 6Kg abgenommen habe. Dem muss ich energisch widersprechen, den um die Knochen herum gibt es noch feste Muskelpartien, ohne die ich den Weg nicht gehen könnte.
Aber dieses Knochengerüst musste sich heute Nacht, von seinem Bett in der Jugendherberge dangsalieren lassen. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Die Zimmer selbst, sind auf der Stufe einer Gefängniszelle und die Häftlinge in der modernen Justizanlage in Leoben wohnen sicher konfortabler.
Besonders arg war diesmal die Matratze und das Bett. Das Bett hatte keinen Einsatz, sondern nur fixe Stahlverstrebungen und da lag eine jahrzehntealte Federkernmatratze darauf. Alles was diese Matratze jemals konfortabel gemacht hat, war längst durchgelegen und so musste Euer Pilger Walter auch in der Nacht Buße tun, denn jede Stahlfeder spürte Euer Knochengespenst und von einem angenehmen Ruhen war keine Spur. Da gibt es das Märchen von der "Prinzessin auf der Erbse" und wer schreibt sowas vom "Pilger am Stahlgerüst"?
Ich kann Euch nur sagen, dass war eine laaange Nacht, nochdazu sind oberhalb meines Zimmers anscheinend Wohnungen und der Besitzer kam um 1:30 heim und werkte etwa zwei Stunden herum und ging immer auf und ab. Nur der Boden, der die Decke meines Zimmers war, ist ein ganz einfacher Holzboden mit entsprechendem Lärmpegel. Somit hatte die Nacht etwas von Stasimethoden - den Verdächtigen nicht schlafen lassen und ihn dann auf den ungezählten bohrenden Stahlfedern liegend, wahnsinnig werden lassen, bis er alles gesteht (zum Beispiel, warum er sich den JW antut).
Für diese Auberge de Jeunesse vergebe ich taxfrei "Drei Daumen nach unten" und warne alle Nachahmungstäter.

Mit frischem Schuhwerk, also mit "neuen" alten Bergschuhen und mit neuen orthopädischen und auf meine Füße angepassten Sporteinlagen ging es heute auf den lächerlichen "Rest" des JW mit etwa 1.200Km. Die neuen Einlagen merkt man schon, denn sie federn den Tritt wieder etwas ab und doch mussten sich meine Füße wieder an die neue Umgebung anpassen. Der Weg des heutigen Tages war fast wie eine Teststrecke für Pilger bzw. ihre Füße.
Alles was sich ein Pilger (nicht) wünscht, war heute vertreten.
Ein sehr steiler Anstieg mit Felsstiegen, Wanderwege, Geröllstrecken und Asphaltstraßen mussten bei der heutigen 32Km-Etappe begangen werden. Ein Test für den pausierenden Pilger und für sein Schuhwerk.

Testergebnis:
- Schuhwerk und Füße ok, keine zusätzlichen Erschwernisse, wie Blasen usw.
- Pilger noch nicht voll funktionsfähig. Blickfeld, Reaktion und Aufmerksamkeit sind verbesserungswürdig, damit nicht weitere Stürze auf der Tagesordnung sind.

Ihr habt richtig gelesen, heute hat es mich erwischt. Einmal nicht gut aufgepasst, weil ich beim Gehen den Führer zu Rate ziehen wollte, und ich übersehe ein etwa 10cm tiefes Loch in einer groben Asphaltstraße und Euer Pilger Walter küsst französischen Boden mit einem Kniefall ins Gestein. Es ist ausser ein paar Abschürfungen - linker Handballen, rechter Ellbogen und rechtes Knie - nicht viel passiert. Handballen und Knie besprühte ich mit einer antiseptischen Lösung und gab zum Schutz ein Pflaster darauf.
Keine Sorge, ich bin wieder ganz ok.

Der Gehttag an sich, schließt an die voran gegangenen Etappen an. Er war sehr erreignislos. Die Landschaft ist weiter durch die Kalkböden so karg, dass kaum etwas wächst oder der Boden sich als Weide eignet und so ist auch kaum eine menschliche Besiedelung zu finden. Einzig einige Sonnenblumenfelder und später dann große und weiter Sonnenblumenkulturen wachsen hier. Wenn sie noch nicht abgeblüht sind, sind sie auch eine Augenweide im trostlosen Land.

Auf den ganzen 1.600Km habe ich bis auf einen weit entfernten Rehbock und ein paar Kaninchen keine Wildtiere beobachten können. Und heute hatte ich ein tragisches Erlebnis. Nur etwas 5m neben der Straße sehe ich liegend im Gras einen Rehbock, der auch nicht flieht, als ich heran komme. Er dürfe verletzt oder sterbend gewesen sein, auch wenn man nichts erkennen konnte. Das Haupt hielt er noch hoch,aber seine Augen hielt er geschlossen. Er tat mir leid und ein Jäger hätte ihn erlösen können.

Vom Wetter wurde ich heute gut bedient. Es war bedeckt bis sonnig und es ging ein starker Wind. Gegen Mittag trieb er zwar einen kleinen Regenschauer daher, aber meine Bittmails nach oben haben doch geholfen. Gleich wieder hat es aufgehört zu Regnen und nach meiner Mittagsrast und Jause in geschützter Lage, konnte ich gleich wieder weitergehen. Nun hatte der Wind den Himmel fast freigeputzt und ohne Wettersorgen erreichte ich mein Ziel Montquc.
Heute habe ich wieder Glück bei der Quartierfrage und bekomme wieder ein gutes Privatquartier und das zentrumsnah. Interessant ist hier, dass der Ort für Engländer als Zweitwohnsitz sehr beliebt sein soll. Ich hoffe aber, dass das Essen nicht "very british", sondern bodenständig französisch ist.

Wieder kann ich einen Tag von meinem Kalenderstreifen abschneiden. Es sind nur mehr 43 Tage zu gehen und da wünsche ich mir wieder gute Gehtage, die anregend sind.

Euer Pilger Walter

4 Kommentare:

  1. Hallo!
    Diese "Ruhetage" hattest du dir wirklich verdient, obwohl so wirklich ruhig waren sie ja nicht! Jedenfalls hast du mit Sicherheit genug Kraft gesammelt für die letzten 43 Tage!
    Danke fürs Heimkommen
    Peter

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  2. Hallo Walter!
    Ein Kniefall in Demut, so gehört sich das ja auch für einen Pilger.
    Dass dir in dieser kargen Gegend Begenungen mit Weidevieh erspart bleiben sollte dir Auftrieb geben.
    Lg, Gerald

    P.S.: Wie spricht man das aus, "Montquc"?

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  3. hallo pilger walter!! wahnsinn wie weit du schon gegangen bist. gratulation, haben deine berichte aufgesaugt, da wir uns eine auszeit(urlaub) genommen haben. Es ist jedes mal faszinierend, deine berichte über das erlebte zu lesen, die ergreifenden tiefs und dann auch die vielen schönen und motivierenden hochs. das mit der geburstagsüberraschung - einfach "spitze". glaube, dass es auch der seele gut tut, solch eine freude zu machen und motiviert dann wieder. sind ein bisschen überrascht, dass das quartier suchen fast schon zu einer rally wird. gott sei dank hast du immer nette menschen kennen gelernt, die bei der zimmersuche behilflich waren. wünschen dir das es bis sdc zu solchen begegnungen kommt. hoffentlich ist das mit deinem sturz wirklich so glimpflich ausgegangen. eine frage noch, was macht das singen? also alles gute weiterhin, vor alem unfallfrei!!! alexandra und werner

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  4. Lieber Walter,
    schön, dass du wieder gut auf deinem Jakobsweg angekommen bist - nur schade, dass der heutige Gehtag sich nicht an die sehr positiven letzten Tage angeschlossen hat. Aber - und da sind wir sicher - es werden wieder viele schöne Erlebnisse und Begegnungen auf dich zukommen. Dem Hl. Jakobus sei Dank, dass dein "Fehltritt" im fremden Land so gimpflich ausgegangen ist und dir (fast) nichts passiert ist. Wir wünschen dir weiter alles Gute und pass auf dich auf! Liebe Grüsse Ingrid und Werner

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