Nachzutragen für Logrono ist noch, dass ich beim Betreten der Stadt über eine schöne Brücke den Ebro überquert habe. Logrono ist die Hauptstadt der Region La Rioja. Ich hoffe, dass der berühmte Wein dieser Region, noch manches Abendessen begleiten wird.
Aus der Stadt hinauszufinden ist nicht einfach. Es gibt im Zentrum keine Zeichen und Markierungen, dabei hat die Stadt eine künstlerische Form der Jakobsmuschel schaffen lassen. Dieses Zeichen war ausserhalb der Stadt auf quaderförmigen Granitsteinen zu finden und in der Stadt auf besonders schön gestalteten Bodenplatten. Nur im innersten Zentrum habe ich nichts davon gesehen. Wurde das vergessen? Dabei ist es ganz einfach aus der Stadt hinauszugehen, einfach gerade aus von der Kathetrale weg. Das erkennt man, wenn man einen Stadtplan besitzt, aber wie kommt man auf die Idee ohne eines solchen? Erst wenn man den Weg schon ein gutes Stück gegangen ist, beginnen wieder die Markierungen. Vom Zentrum weg, geht man 5Km zuerst auf gepflasterten Wegen und kommt dann auf einen Betonweg. Die Stadt hat viel Sinn für gepflegte Parkanlagen und auch für eine attraktive Freizeitanlage im Bereich eines Stausees.
Am Ende der Parkanlage nach dem Stausee erwartet einem ein originelles Unikum. In einem kleinem Unterstand begrüßt der vollbärtige Macelino die Pilger. Er stempelt den Pilgerpass mit einem eigenen Logo ab und verschenkt Äpfel, Feigen, Kekse und selbstgefertigte Pilgerstöcke. Er ist ein ganz lieber Lichtblick am Jakobsweg und der Herr möge ihm diesen Dienst vergelten.
Etwas später kommt man an eine Autobahn und entlang dieser, haben am Zaun Legionen von Pilgern tausende einfache und improvisierte Kreuze aus Ästen, Blumen, Gräsern und sogar Fahhradschläuchen in die Zaunmaschen gesteckt. Der Sinn und der Ursprung dieses skurillen Tuns ist unbekannt, aber es regt viele an, es den Vorgängern gleich zu tun.
Heute sehe ich ihn erstmals, den in Spanien früher so präsenten schwarzen Torro, den 10m hohe Stier als Werbetafel für einen Weinbrand, der immer weithin sichtbar auf Hügeln thront. Per Gesetz müssen nun alle Werbetafeln, die in Spanien entlang der Straßen wucherten, entfernt werden. Und so wird auch dieser Torro nur mehr eine begrenzte Lebenszeit haben.
Ein rastender, spanischer Pilger wollte heute von mir gesegnet werden. Er dachte, dass ich wegen meines schon oft bewunderten Holzkreuzes auf meiner Brust, ein Priester wäre. Ich kläre ihn auf und wünsche ihm zumindest einen "Buon Camino".
In der fast finsteren Kirche von Navarette gewöhnen sich die Augen beim Beten langsam an das Dunkel des Gottesraumes. Zuerst schemenhaft und immer deutlicher treten die prachtvollen Altaraufsätze hervor. Es ist ein langsames Erkennen der vergoldenen Schätze aus früheren Zeiten. Viele die Kirchen am Weg sind sehr finster und man darf sie um Euro für Euro erhellen. Gestern in der Kathetrale von Logrono war dies sehr "räuberisch", jeder Seitenaltar, jedes Bild usw. war mit einem Lichtautomaten versehen. Da investiert man schnell 20€, wenn man alles erhellt sehen will. Ich genieße aber die Dunkelheit beim Beten und mit der Zeit wird die Sicht besser. Es ist wie mit dem Glauben an Gott, je mehr man sich damit abgibt, umso sichtbarer wird Gottes Wirken. Und genau das habe ich am JW ganz besonders erlebt.
Am Vormittag kommt mir das Gehen heute mühsam vor. Meine Oberschenkel fühlen sich kraftlos an. Etwas was ich sonst nicht kenne. Nur gut, dass ich mir für morgen einen Ruhetag eingeplant habe.
Aber beim Betrachten des Höhenprofils sieht man auch, dass der Weg von Logrono bis Ventosa fast unmerklich, aber stetig ansteigt und so kommen gleich 300Hm zusammen.
In Ventosa mache ich in einer Bar eine kurze Rast und führe mir wieder eine Stärkung zu - ein Sandwich, ein Bier und etwas Süßes. Das habe ich schon gebraucht. Das Frühstück in der Bar war nicht wirklich stärkend. Nach dieser Rast und dem Kaloriennachschub geht das Gehen auch gleich wieder besser.
Nun dominiert der Weinanbau die Landschaft. Weingärten wohin man schaut und die Trauben reifen schon. Die weißen Sorten brauchen noch viel Sonne, aber die blauen Weintrauben sind schon saftig prall und zuckersüß.
Immer wieder hört man in den Weingärten Selbstschussanlagen als Vogelabwehr oder ist das gegen die gefräßigen Pilger gerichtet?
Zu meiner Ehrenrettung darf ich sagen, dass ich mir nur wenige Trauben stibize und dann die, die auf kleinen verkümmerten Reben hängen, die sicher niemand erntet, weil der Zeitaufwand zum Ertrag zu hoch wäre. Eigentlich tue ich damit etwas Gutes, denn es ist ein Ausdünnen der Reben, damit die verbleibenden mehr Saft bekommen und qualitätsvoller werden. Bei einzelnen Weingärten sieht man auch die Hälfte der Reben abgeschnitten am Boden liegen.
Wie schon einmal geschrieben, trifft man am JW alle Nationen. Sie aufzuzählen wäre mühsam. Interessant ist, dass sehr viele Kanadier diesen Weg gehen. Erst vor ein paar Tagen hatte ich Kontakt mit einem reizenden und über siebzigjährigen Paares, die von Deutschland und Ungarn nach Kanada ausgewandert sind.
Es gibt am JW laufend skurille Menschen und Dinge zu beobachten. Immer wieder verewigen sich Pilger auf die originellste Art.
An einer Stelle vor einer Anhöhe, hat es sich durchgesetzt, dass hier neben dem Weg ein ganzer Wald kleiner Steinpyramiden, man könnte sie auch Steinmännchen nennen, errichtet wurde. Steinchen auf Stein, teilweise originell geschichtet, stehen sie da und lassen raten, was die Geschichte dieses Tuns ist. Es ist zumindest eine nette Abwechslung am JW.
Sehr viel Glück habe ich derzeit mit dem Wetter. Es ist sehr schön, aber nicht zu heiß - zu Mittag um 13h hat es in Najera 24°. Immer geht auch etwas der Wind und der hat mich am VM auch gebremst, denn er ist heute von vorne gekommen.
In Najera habe ich nun, symolisch gesehen, meine Zelte aufgebaut. Das Zelt heißt Hotel San Fernando und ich habe mir ein gutes Zimmer genommen. Mit 35€ ist es nicht billig, aber in den Zimmern der Herbergen musste ich auch den DZ-Preis von 40,- zahlen. Hier habe ich es gemütlich für die nächten zwei Nächte, denn morgen gibt es wieder einen wohlverdienten Ruhetag. Das wird dann auch ein schreibfreier Tag sein.
So verabschiedet sich bis Mittwoch von Euch
Euer Pilger Walter
Hallo Walter!
AntwortenLöschenHast du dich eigentlich schon irgendwo verewigt, oder überlässt du das den anderen?
Marcelino ringt mir Respekt ab, wo doch allerorts versucht wird, den Pilgern das Geld aus dem Kreuz zu leiern. Schön, dass es auch sowas gibt.
Lg, Gerald
Buenas tardes, Walter! Ich habe gleich nachgeschaut in meiner Credencial: wir waren 2008 im gleichen Hotel. Allerdings hatten wir nicht so eine nette Begegnung mit Marcelino. Schön, dass es ihn gibt. Hast Du die Nachricht an der Mauer über den Pilgerruf noch lesen können? Mich hat es damals sehr angesprochen u. ich schreib ihn auf, weil er mir aus dem Herzen spricht.
AntwortenLöschenStaub, Schlamm, Sonne und Regen
das ist der Weg nach Santiago.
Tausende von Pilgern
und mehr als tausend Jahre.
Wer ruft dich? Pilger.
Welch geheime Macht lockt dich an?
Weder ist es der Sternenhimmel
noch sind es die großen Kathedralen
weder die Tapferkeit Navarras
noch der Rioja- Wein
nicht die Meeresfrüchte Galiziens
und auch nicht die Felder Kastiliens.
Pilger, wer ruft dich?
Welch geheime Macht lockt dich an?
Weder sind es die Leute unterwegs
noch sind es die ländlichen Traditionen
weder Kultur und Geschichte
noch der Hahn von Sto.Domingos
nicht der Palast von Gaudi
und auch nicht das Schloß Ponferradas.
All` dies sehe ich im Vorbeigehen
und dies zu sehen ist Genuß
doch die Stimme, die mich ruft
fühle ich viel tiefer in mir.
Die Kraft, die mich voran treibt.
Die Macht, die mich anlockt
auch ich kann sie mir nicht erklären.
Dies kann allein nur Er dort oben!(E.G.B.)
Ich wünsche Die einen guten freien Tag u. viel Erholung, besonders für Deine Beine.
AntwortenLöschenBuen camino!- Martina
Jeder sieht wohl auf dem Weg das, was er sehen will. Ich bin 1080 Kilometer quer durch Spanien und dann weiter auf dem Camino Frances ab Logroño bis nach Santiago de Compostela gepilgert. Doch ich ging den Weg als Heide - auch, um mich selbst zu prüfen.
AntwortenLöschenAll die wunderbaren Dinge, von denen Du erzählst, lieber Walter, habe ich auch gesehen (leider bis auf Marcelino). Ich denke nicht, dass ich den Weg und seine Mystik weniger empfunden habe als so mancher Gläubige. In der einen oder anderen Kirche stand ich am Morgen manchmal ganz allein, während viele meiner Mitpilger schon dem nächsten Herbergsbett entgegenstürmten.
Immer war mir bewusst: Das Alles, das kleinste Steinkreuz wie die riesigste Kathedrale, haben Menschen gemacht mit ihrem unglaublichen handwerklichen und künstlerischen Können.
Am Ende - es tut mir leid - bin ich ein Heide geblieben. Dennoch hat mir der Weg unendlich viel gegeben.
Und das tut er immer noch ...