Mittwoch, 10. August 2011

Kraft und Motivation

Liebe Freunde,
nun muss ich ein Geständnis machen. Die Kraft und die Motivation sind die wichtigsten Faktoren beim Gelingen meines Zieles, den JW im Gesamten zu begehen. Alles andere ist nur Beiwerk, ob es besser oder schlechter geht.
Und seit etwa zwei Wochen merke ich, das Beides schwindet. Das geht ganz langsam vor sich, wie bei einem Fahrrad mit schleichendem Patschen. Zuerst wollte ich es gar nicht wahr haben, aber es ist so und ich muss dies zur Kenntnis nehmen und darauf reagieren. Der gestrige Tag war das beste Beispiel.
Der demotivierende Moment war, so glaube ich, die Halbzeit. Auf der einen Seite das stolze Gefühl, schon die Hälfte geschafft zu haben und dabei die fast schreckliche Erkenntnis, noch einmal soviel Gehen zu "müssen".
Von da an wurde das Gehen schwerer. Und wie gesagt, man (ich) will es zuerst nicht wahrhaben. Auch das kurze Luftholen zu Hause, brachte wohl Erholung und Freude, aber die Kraft und die Motivation hat es mir auch nicht verbessert. Das konnte ich nach den ersten zwei Gehtagen bemerken, auch wenn ich den Zustand selbst nicht merkte. Erst der gestrige Tag zeigte es auf.
Gestern hatte ich, wie auch beschrieben, am Beginn einen wunderbaren Gehtag mit vielen schönen Momenten und ich war glücklich das so zu erleben. Zugleich und vielleicht war dies auch eine Reaktion auf das "Müdewerden", trödelte ich für meine Verhältnisse.
Eigentlich wäre alles bestens gewesen und doch war es fast erschreckend, wie schwer mir das Weitergehen nach der kurzen Rast am schönen Platz in Lauzerte geworden ist. Der Rest des Tages war dann wieder, wie schon auf einigen Streckenteilen, ein mühevolles Nachvormaschieren zum Tagesziel. Vielleicht habe ich mir gestern unbewußt ein gutes Quartier genommen, damit ich mir etwas Gutes tue. So richtig ist mir die Erkenntnis, über das Schwinden meiner Kräfte trotzdem gestern noch nicht gekommen. Erst eine lange Nacht mit gutem Schlaf, in einem guten Quartier und Bett, haben mir die Augen geöffnet.
Ich muss etwas tun, damit ich mein Ziel erreiche und das sofort. Diese Erkenntnis ist der wichtigste Punkt, eine Änderung herbei zu führen. So wie oft in den Berufsjahren, wenn es Tiefschläge gab, kann nur ich den Zustand verbessen. Da waren mir oft drei Aspekte hilfreich: erkenne, reagiere, handle!
Endlich erkannt und eingestanden habe ich mir das Problem. Nun also nicht hinauszögern, sondern reagieren. Das ist dann schon leicht gemacht, denn mit dem Erkennen ist die Schwelle überschritten. Was hat mich für den Weg stark gemacht? Der Wille ein großes Ziel zu erreichen und das mit aller Kraft umzusetzen. Ich brauche nur, wie am Beginn mit aller Energie, und die habe ich, wenn ich nur will, meinen Weg beschreiten. Vorwärts stürmen und sich nicht irre machen lassen, von anderen Pilgermassen. Geh einfach deinen Weg, so wie du ihn gehen willst und kannst - Vorwärts!
Ja, und so handelte ich heute und ich muss Euch sagen, dass heute war wieder der alte (junge) Pilger Walter.
Mit voller Energie bin ich den Weg angegangen und es hat wieder Spaß gemacht, zu Marschieren in meinem bewährten und flottem Trott.

So, liebe Freunde, nun ist das "Geständnis" draussen und ich bin wieder guter Dinge, dass ich meinen Weg schaffen werde.

Die heutige Etappe hat mir zum Aufrichten auch sehr geholfen. Das Wetter war prächtig und zum Gehen war es heute sehr gut. Viele Wege waren neben der Straße angelegt und da war ein ausgreifendes Gehen möglich. Schnell war die Stadt Moissac erreicht und die Abteikirche Saint-Pierre ist hier ein Schmuckstück. Berühmt ist da auch das Portal mit vielen figürlichen Darstellungen, besonders die der Völlerei. Und dann besichtigte ich den berühmten Kreuzgang (gratis, denn ich habe die Kasse nicht gesehen).
Der Kreuzgang soll der größte und schönste in ganz Frankreich sein. Es sind noch 76 Kapitellen erhalten und somit der am reichsten ausgestattete Kreuzweg der Romantik. Es war wirklich beeindruckend und das einfallende Sonnenlicht hat die Perspektiven gut betont. Das war heute ein schönes Erlebnis.
Dann ging es am Damm des Flusses Tarn und noch viele Kilometer entlang der Garonne weiter. Immer eben am asphalierten Dammweg mit gutem Baumschatten. Das war ein schönes Gehen und viele Radfahrer und Wanderer waren unterwegs. Im Kanal fuhren die in Frankreich bekannten Hausboote und das ergab ein lebendiges Bild. Und dazwischen marschierte im wieder flottem Schritt, ein Pilger, der unbedingt SdC erreichen will, nämlich ich!
Die letzten 5Km bis zu meinem heutigen Ziel Auvillar, nun abseits der Garonne und in voller Sonnenbestrahlung, waren schnell marschiert und ich konnte nach 32Km ein sehr nettes und gutes Privatquartier um 30,- direkt neben der Kirche finden.
In dieser Kirche habe ich heute so mein Kreuzzeichen gemacht:
"Mit Segen des Vaters, der Kraft des Sohnes und dem Willen des Heiligen Geistes. Amen."!

Ich wurde gefragt, was macht das Singen? Ja, jeden Tag singe ich Lieder aus meinem Repertoire und es kommt auf die Stimmung und die Schwere des Weges an, wieviel und mit welcher Begeisterung ich singe. Eines weiß ich aber schon, mit den 3 Tenören werde ich sicher nie auftreten. Es macht mir einfach Freude zu singen und oft ist es befreiend und es geht dann wieder mit Schwung weiter.
Folgendes Wanderlied habe ich heute beim Gehen entlang des Dammweges umgedichtet:
"Hühao, alter Schimmel, Hüaho, ..."
Das wird nun mein Pilgerlied:
"Geh nur geh, alter Pilger, geh nur geh, tun dir auch deine Füße schon weh, geh nur weiter, geh recht viel, dann erreichst du auch dein Ziel, geh nur geh, alter Pilger, geh nur geh.
Singt es einfach einmal. Mir geht nun die Melodie nicht mehr aus dem Kopf.

Somit wird morgen Euer Pilger Walter wieder weiter GEHEN! Ultreia Walter, rufe ich mir selbst zu.

3 Kommentare:

  1. Hallo!
    Das ist sicherlich das Wichtigste: Es ist DEIN Weg! Was die anderen tun ist völlig egal, gehe deinen ganz eigenen Weg und dann erreichst du dein großes großes Ziel: Santiago de Compstella!!
    Liebe Grüße und Alles Gute
    Peter

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  2. hallo pilger walter! danke, es ist bewundernswert wie du dich aus deinen weniger guten gehtagen wieder aufbauen kannst und dann wieder voller tatendrang weiter marschierst. wünschen dir weiterhin diese kraft sowie gesundheit für die restlichen km nach sdc. alexandra und werner

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  3. Lieber Freund Walter! Nach einer so langen Wanderung mit vielen Höhen, einigen Tiefen, einer - wenn auch schönen - Unterbrechung des gewohnten Trotts ist es nicht verwunderlich, wenn ein Einbruch kommt. Aber unser Herrgott und der Hl. Jakobus hat dir zur rechten Zeit die notwendige Kraft und Energie geschickt, um dich wieder selbst zu motivieren (das kannst nur du alleine und du hast es geschafft!!) - dein Ziel, die Kathedrale von Santiago de Compostela zu erreichen!!! Wir sind sehr stolz und glücklich, dass dir dies gelungen ist und wie Peter schreibt - geh deinen ganz eigenen Weg - dann wird es klappen! Denk auch an deinen Spruch von ganz, ganz weit entfernten Gegenden "Es geht wenn man geht"! Und denk dran, jeder Schritt, jede Etappe, die du gehst, bringt dich näher - bald bist du in Spanien, das letzte Land, dass du "erobern" wirst, bevor du SdC erreichen wirst!!!
    Wahrscheinlich war auch dein heutiger sehr schöner Weg ein Zeichen oder "Dank von oben", dass du die Kraft und Freude wiedergefunden hast - auch dein eigenes Wanderlied ist eine tolle Sache. Wir wünschen dir, lieber Walter, alles, alles Gute, viel Kraft und Gottes Segen! Wir sind alle sehr stolz auf dich - und auch, dich als Freund zu haben! Ganz liebe Grüsse Ingrid und Werner

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