Donnerstag, 4. August 2011

Weg der Irrnisse

Hallo Freunde!
Die Altstadt von Figeac hat mich gestern noch gefangen genommen. Es gibt hier einen markierten Rundgang, bei dem man bei allen Schönheiten der Stadt und bei den interessanten Stationen vorbei kommt. Gleich bei der ersten Station, bei der Kirche Saint-Saceur, treffe ich auch wieder Martina. Auch sie will die Stadt besichtigen und so gehen wir gemeinsam und es wird ein angeregtes Bummeln durch die mit Touristen volle Stadt und wir finden viel Gesprächsstoff und genießen auch genug Stille um zu schauen und zu erfassen.

Der heutige Tag war anscheinend nicht der meine. Dreimal verlaufe ich mich. Aber vielleicht bin ich mit den Gedanken wo anders und nicht genug konzentriert aufs Gehen.
Gleich am Beginn wird man mit den Markierungen unnötigerweise zu einem kleinen Umweg "gezwungen", obwohl es laut Führer einfacher ginge. Das bedingt gleich den ersten kleinen selbstverursachten Umweg, weil ich die Markierung an einem großen Parkplatz nicht sehe und zur vermeintlichen Straße laufe. Dabei macht der JW einen Haken wie ein Hase und geht anders weiter. Etwas ärgere ich mich und übersehe gleich wieder eine nichterwartete Richtungsänderung. Diesmal sind es ein paar hundert Meter, die extra zu verbuchen sind.
Scheinbar schlafe ich noch beim Gehen und es macht sich etwas Schlafmangel bemerkbar. In den Nebenzimmern meines Quartiers, ist gestern um 22:00 Uhr, ich war gerade eingeschlafen, eine französische Familie mit einigen Kindern mit Getöse eingezogen. Wie es so ist, bei den Franzosen wird alles lautstark besprochen und die Türen geschmissen. Es dauerte eine geraume Zeit, bis es stiller wurde, aber da war der Pilger Walter hellwach. Ich kann nichts dafür, ich bin lärm- und geräuschempfindlich. Und so hörte ich auch den lauten Fernseher der Nachbarn, der an meiner Schlafwand hing. Meinen Zimmernachbarn war es nach einem Film und das war leider kein Wiegenlied für mich. Nach einigen Rotierungen im Bett, blickte ich auf die Uhr - es war Mitternacht! In stillen Filmscenen waren aber deutlich Schnarchlaute zu hören. Handelt es sich bei meinen Zimmernachbarn um Fernsehschläfer mit Schnarchfunktion?
Dann kann das heiter werden, denn die Franzosen leben den ganzen Tag mit laufenden Fernsehgeräten. Eine Bar wird erst aufgesperrt, wenn der Fernsehkübel läuft.
Da mache ich nicht mit und will mit kräftigen Faustschlägen gegen die dünne Wand Abhilfe schaffen. Aber die "erschöpften" Franzosen schliefen tief und fest. So musste ich auf den Gang und habe noch lauter gegen ihre Zimmertüre geklopft. Endlich höre ich ein verschlafenes "Pardon?". Ich rufe einfach "Silence" (ob das richtig war, weiß ich nicht) und wirklich wird der Fernseher abgeschalten - Ruhe! Nun musste nur noch die geplagte Pigerseele Ruhe finden und auch der Pilger Walter kam spät, aber doch zu seinem Schlaf.

Nach dem zweiten Mal Verlaufen ging ein steiler, steiniger Weg nach oben und bei einem Plateau wird eine schöne Aussicht auf Figeac angepriesen. Nur heute präsentiert sich das Tal im milchigen Weiß - Bodennebel! Später wird es dann zum Hochnebel und die Umgebung versinkt für Stunden in eine trübe Suppe.

Nun war es ein trostloses Dahingehen und die Aufmerksamkeit schwand dahin und ich merke, dass ich nicht am richtigen Weg bin. Super, jetzt habe ich mich schön verfranzt, aber nicht ich alleine. Ein junges französisches Paar weiß auch nicht weiter. Sie palavern lange mit einem zufällig daherkommenden Einheimischen und wir finden wieder auf einem anderen Weg zum JW.

Es gibt heute auf der gesamten Strecke, ausser gleich am Beginn, keine Infrastruktur, wie Bar oder Geschäft, und so nagte nach einem spärlichen Frühstück schon der Hunger. Vor einer kleinem Gite stand ein gedeckter Tisch und drei Franzosen hatten dort gegessen und ich fragte die Herbergsmutter, ob man hier etwas zu essen bekommt. Esther eine liebenswert "verrückte" Schweizerin aus dem Rheintal meinte, das kriegen wir schon hin. Sie sieht nach was der Kühlschrank bietet und sie machte mir eine Art Thunfischsalat mit Kartoffeln und Gemüse. Zu zahlen war es mit freiwilliger Spende. Die Rastpaue dort hat gut getan und gestärkt, auch in der Motivation, und so marschierte ich weiter.

Auf einmal höre ich knapp hinter mir etwas rascheln und ich drehe mich um. Etwa fünf Meter hinter mir flitzt eine Smaragdeidechse über den Weg und wird genau so schnell verfolgt von einer etwa 1,50m langen grünen Schlange. Die Eidechse kommt aus dem Dickicht heraus und läuft direkt auf mich zu und genau so schnell windet sich die Schlange auf Beutetripp ihr nach. Ich stampfe schnell mit den Füßen und Stöcken und die Schlange verharrt kurz und dreht dann ins hohe Gras ab. Die Eidechse war gerettet und ich bin mit erhöhten Pulsschlag rasch weiter gegangen.

Am restlichen Weg war noch eintöniges und karges Land vorzufinden. Es gibt nur ungenutzte Grasflächen mit blaugrünen dünnen Gras, große Wacholdersträuche und wilden Buchsbaum. Nur wenige Bäume geben in der trockenen Hitze etwas Schatten. Hier ist eine verlassene und unwirtliche Gegend, wie hoch oben in den Bergen, dabei liegt die Gegend auf etwa 300m Höhe.
Die Wege waren genauso schlecht und es war ein mühsames Gehen. Der Tag wird in meiner Beliebtheitsscala eher ganz unten zu finden sein.

Nun habe ich mehr als die Hälfte meines JW hinter mir und es geht mir gut. Doch die fast 1.600Km hinterlassen auch Spuren. Meine Füße fühlen sich wie eine heiße Herdplatte an und so ist es gut, einmal eine längere Pause zu machen. Die nächsten 3 Tage gehe ich nicht, zuminderst nicht den JW. Und ich mache auch eine Schreibpause. Vermutlich werde ich schon am Sonntag eine Zusammenfassung meiner Ruhetage online stellen. Am Montag geht die Tour wieder weiter und ich hoffe mit frischen Kräften. Zirka 1.200Km sind und werde ich noch schaffen.
Bis zum Wiederschreiben und Wiedergehen,
Euer Pilger Walter

4 Kommentare:

  1. Hallo!
    Nach diesem öden und anstrengenden Pilgertag hast du dir mal wirklich eine ordentliche Pause verdient. Lade deine Tanks wieder ordentlich auf, dass du die "nur mehr" 1200km auch noch so super schaffst wie diee vergangen 1600!

    Leibe Grüße
    Peter

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  2. Helmut und Elvira4. August 2011 um 18:19

    Hallo unser lieber Pilger Walter!
    Gerade habe ich wieder – wie so alle 3 – 4 Tage meiner Frau Elvira – deine Jakobsberichte vorgelesen und wir haben in unseren Frankreichführern und Frankreich-Wanderkarten wie immer geschaut, wo Du momentan so „umgehst“: Tüchtig, tüchtig, Du scheinst ja deinen Draht zum Hl. Jakobus ziemlich gut ausgebaut haben, dass es bist jetzt ja fast reibungslos am JW dahingeht. Gratulation – wie immer – und: wir beneiden dich!

    Als ehemaliger Lehrer muss ich wirklich sagen, dass dein Schreibstil, deine Formulierungen und Milieuschilderungen so wirklichkeitsnah sind, dass wir ja fast meinen, neben Dir zu gehen und alles selbst genau wie Du zu sehen. Das Buch von Hape Kerkeling ist ja ein drittklassiger Anfängerroman gegen deinen Bestseller über deinen JW. Bitte nur weiter so!!!

    Ist die „Niederländerin“ wirklich so ein Besen, dass Du immer Reißaus nimmst, wenn Du sie siehst? Nach deinen Schilderungen habe ich in meinem Kopf ein genaues Bild dieser Frau, wie sie aussieht. Bin neugierig, ob es mit der Wirklichkeit übereinstimmt, wenn wir dann im Winter einmal plaudern werden. Ich hoffe doch, dass Du sie wenigstens einmal fotografiert hast! Vielleicht kannst Du ja doch ein bisschen missionarisch wirken und ihr christlich ihrem „spöttischen Nichtglauben“ ein wenig kontern.

    Fein, dass Du mit Deinen Französischkenntnissen so auf Zack bist und so gut über die Runden kommst. Da haben wir ja doch im Französischkurs bei Frau Steiner allerhand gelernt. Weiß sie deine Internet-Blogadresse? Ich werde sie anrufen und sie auf deine Reiseberichte hinweisen.

    Es ist jetzt Donnerstag, 4. Aug. 2011, 17:30 Uhr, und dein Bericht über den heutigen Tag ging ja noch nicht on air und ich denke mir, dass Du vielleicht bereits in Cajarc am Ufer des Lot angekommen bist oder sogar da nächtigst. Wir sind jedenfalls in Gedanken bei und mit Dir und schicken Dir auf diesem Weg weiterhin viel Kraft, Energie und Ausdauer aus unserer Steiermark.

    Ein „Wegzeichen“ für Dich als geistliches Abendgebet:

    Leb diesen Tag und leb ihn recht, er ist dir geschenkt,
    Denke nicht an den gestrigen Tag, er gehört der Vergangenheit,
    Gib ihn in Gottes Vergebung.
    Kümmere dich nicht um den morgigen Tag,
    er ruht im Verborgenen, lass ihn in Gottes Sorge.
    Leb einfach im Heute und glaube, dass du geführt
    Und behütet bist von dem, aus dessen Händen deine Zeit
    Und dein Leben kommen, dir zum Heil und zum Frieden.
    Leb diesen Tag und leb ihn recht,
    denn seine Augenblicke sind dir geschenkt.
    Aus ihnen erwächst die Ewigkeit.

    Ultreia und buon camino!

    Helmut und Elvira aus Mautern

    Nachsatz:
    Jetzt kurz nach 18 Uhr schaue ich noch schnell ins Internet und siehe da, der schreibfleißigste aller Jakobspilger hat bereits wieder „zugeschlagen“ – unter dem Titel „Weg der Irrnisse“. Es scheint zwar nicht auf, wo du deine verdienten drei Ruhetage verbringst, doch es seien Dir erholsame, aufbauende und kraftbringende Tage in ruhiger und herrlicher Gegend vergönnt.

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  3. Hallo unser Pilgerfreund! Habe deinen Irrwegbericht eben gelesen, und sieh es einmal so, vielleicht solltest du zu einer bestimmten Zeit am richtigen Ort sein. Eidechse - Schlange. Das die Südländer Nachtvögel sind ist ja allgemein bekannt, hast du schon einmal über Ohropax nachgedacht, jetzt wo immer mehr Pilger unterwegs sind. Wir hoffen du findest mit deinen Gedanken schnell wieder zurück und wünschen dir schöne Ausruhtage. Im Gedanken bei dir Werner und Ingrid

    PS: Habe das Abendgebet als "Wegzeichen" von Helmut und Elvira gelesen und finde es sehr passend für dich. Auch Werner und ich erfreuen sich daran.

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  4. Hallo Walter!

    Wie immer bin ich hin und weg! Deine reich geschmückten Schilderungen lassen keinen Zweifel daran, dass du mit all deinen Sinnen diese Erfahrung aufsaugst. Da ist es auch gar nicht verwunderlich, dass du bei so vielen unscheinbaren Beobachtungen die ein oder andere Markierung übersiehst.
    Deinem Bericht jedenfalls würzt dieser Umstand bestens...

    Lg, Gerald

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