Montag, 15. August 2011

Ein Auf und Ab

Liebe Freunde eines Pilgers!
Ein Hoch der Gefühle läßt mich durch unnötige Widrigkeiten oft gleich wieder in ein Tief des Ärgers stürzen.
Der gestrige Abend und auch heute das Frühstück, haben mir bei heiterem und ernsthaften Plaudern mit den Schweizer Pilgern Edi ud Doris viel Freude bereitet. Es tat gut wieder ein normales Gespräch auf Deutsch zu führen und sagen zu können, was man meint. Mit einem gutem Essen (wieder gab es feine und regionale Feinheiten) und zwei Flaschen Wein (inkl.) wurde es ein fröhlicher Abend.
Edi und Doris machen heute ihren sonntägigen Ruhetag und so werde ich sie, bei ihren geringen Etappenlängen, kaum mehr am JW begegnen - leider, ich hätte gerne länger ihre Gesellschaft genossen. Und so ging ich trotzdem fröhlich gestimmt in den Tag, auch mit dem befreienden Wissen, für heute ein Zimmer zur Verfügung zu haben.

Mein Unternehmen JW hing oder hängt derzeit noch, an einem seidenen Faden. Es hängt mit der falsch gefertigten orthopädischen Schuheinlage des rechten Fußes zusammen. Schon am ersten Tag nach Cahors, dem Weitermarschieren nach dem Heimausflug, spürte ich Schmerzen zwischen Fußballen und Ferse. Statt besser, dass sich der Fuß daran gewöhnt, schmerzte es jeden Tag mehr und das Gehen wurde zur Qual, besonders am Morgen und wenn der Gehtag länger wurde. Da half auch der Spruch: "Es geht, wenn man geht" nichts mehr. Gestern merkte ich an der Fußaussensseite vor dem Knöchel eine Schwellung. Nun musst ich etwas unternehmen und so kann ich nicht weitergehen, denn sonst kann es passieren, dass ich gar nicht mehr weitergehen kann.
Zuerst bearbeitete ich die Schwellung und die schmerzenden Stellen mit einer Volteren-Salbe und heute ich die Schwellung fast weg. Dann überlegte ich ohne Einlagen weiter zu gehen, bis ich mir einen guten Ersatz kaufen kann. Dann erinnerte mich meiner Laufschuhe und wirklich gehen dort die Einlagen heraus und sie passen.
Nun ist die Druckstelle weg, aber schmerzfrei bin ich noch nicht unterwegs. Ich hoffe, dass sich die Stelle beruhigt und sich durch die einfache Einlage keine anderen schmerzenden Stellen am Fuß ergeben.

Für heute ist eine Wetterverschlechterung angesagt und dreimal gab es warnende leichte Regenspritzer, aber meine Bitten nach oben haben gewirkt. Ich war in der Unterkunft und es kam ein kurzer Regenschauer. Am Vormittag, der Gehtag war erst eine Stunde alt, gab es vom dunkler werdenden Himmel, einige dumpfe und warnende Grolllaute.
Und auch Euer Pilger Walter gab wegen schlechter und fehlender Markierungen sehr dumpfe und laute Grolllaute von sich. Es gibt zwei Wegvarianten. Und es gibt Richtung rechts eine Wegmarkierung mit Richtungsänderung und zugleich wird der Weg gleich 2x hintereinander mit "No-go"-Symbolen als gesperrt für Pilger markiert. Also wird die Markierung vielleicht für geradeaus gelten, aber es gibt keine weitere Markierung und ich versuche diesen Weg zu erkunden. Nach 100m endet der Wald und man steht vor einem endlosen Weinberg. Da führt zwar ein Weg weiter, aber er sieht nicht vertrauensvoll aus. So probiere ich einen zu ahnenden Weg neben den Wald weiter, aber da wird bald klar, dass kann auch nicht der Weg sein. Und wohin dann, nach oben oder unten vielleicht. Ich bin angefressen. Inzwischen haben sich an der Stelle fünf ratlose Pilger eingefunden. Es werden Streckenkarten gelesen und nichts gibt Aufschluss, wo könnte der Weg weitergehen. Ich, als guter Geher, probiere den Weinbergweg nach unten und marschiere etwa 500m nach unten und da wird klar, auch hier geht es nicht weiter. Also wieder zurück hinauf, ich gehe sowieso zu wenig und meine Füße sehnen sich nach Bewegung! Ein lautes und vom Herzen kommendes MERDE kommt über meine Lippen. Wir sind alle ratlos und drei Pilger gehen einfach querfeldein in eine andere Richtung, die aber sicher nicht richtig sein kann. Ich schaue einmal auf mein Handy-Navy, damit ich eine Straße in der Nähe orten kann, da zeigt es mir wider Erwarten, den schlechten Feldweg mit den Stoppmarkierungen als Weg an. Nun vertraue ich der Technik und gehe diesen Weg. Nach fast einem Km komme ich wieder an eine Markierung! Was soll das, fällt das unter Pilgerquälen? Auf jeden Fall ist meine Stimmungslage sehr tief und so richtig macht nun das Weitergehen keinen Spaß mehr.

Ich erreiche Eauze und will hier eine Rast machen, denn heute drängt nichts. Ins Zentrum finde ich auch ohne Markierung hinein, der Kirchturm reicht als Orientierungshilfe. Ich komme auf den Platz vor der Kirche und ein buntes Treiben eines Markttages empfängt mich. Das gefällt mir. Aus der Kirche strömen um 1/2 12 die Menschen und da komme ich fürs Erste nicht hinein und ich wende mich zur zweitwichtigsten Station zu, einem Restaurant, um ein Sandwich ein Bier und das Treiben am Platz zu genießen.
Ich warte schon eine Weile, bis endlich der Wirt mit einem Glas Wasser aus dem Lokal kommt und an einem Tisch serviert. Dann nimmt er Bestellungen an, auch meine. Nur gibt er mir zu verstehen, ich müsste mitkommen. Vermutlich will er, dass ich mir auf einer Tafel die Sandwichart aussuche. Er reagiert nicht auf meine Bestellung und weist mich an zu warten. Ich warte ..., er serviert ein Tablett nach dem anderen und ich mache mich bemerkbar ... warten! Er kassiert und noch immer wendet er sich mir nicht zu. Meine Füße rebellieren und wollen im Sitzen ausgestreckt werden und mein Durst ist auch groß. Als der Wirt nochmals vorbei geht, rufe ich ihm ein kräftiges L.M. zu, packe meinen Rucksack und gehe zum Nachbarrestaurant, wo ich freundlich aufgenommen werde.
Hier treffe ich ein reizendes älteres Ehepaar, die begeistert sind, mich als Pilger, der schon so weit unterwegs ist, kennen zu lernen. Ich bekomme zwei leckere Mehlspeisstücke geschenkt, die sie gerade am Markt gekauft haben. Sie bieten mir ihre Hilfe an, wenn ich etwas brauche, zum Beispiel ein Zimmer oder sie würden mich auch mit dem Auto zu meinem Etappenort Manciet bringen. Mit einem herzlichen Dank kann ich beides ablehnen, den Zimmer habe ich schon und es sind nur mehr 11Km.
Diese Bekanntschaft, ein gutes Sandwich, 2 Bier (0,25l) und das fröhliche Treiben haben mich gleich den blöden Wirt vergessen lassen.
Dann besuche ich kurz die interessante Kirche, es beginnt leider gerade eine Taufe. Und so gehe ich noch zwischen den Ständen herum und erspähe einen Weinstand. Ich bin schließlich im Herzen der Armagnac und plaudere kurz mit der Standbesitzerin. Sie bietet mir Kostproben an und ich bitte um einen Armagnac. Ich darf einen 15 Jahre alten Brand verkosten und das schmeckt dem Pilger Walter. Ich danke und will gehen, da bietet die Frau mir auch einen 20 Jahre gelagerten Armagnag an - die 0,7 Flasche um 45,- Euro. Da kann ich nicht nein sagen und ich sage Euch, die Kostprobe war großartig.

So mache ich mich gut gestimmt auf den Weg, wenn man hinausfinden würde aus der Stadt (kommt Euch das bekannt vor?) Keine Markierungen und der kleine Stadtplan im Führer ist auch keine Hilfe. Ich irre herum und frage drei Personen und bekomme vier unterschiedliche Antworten. Das hilft mir auch nicht weiter und ich steuere auf Gefühl eine große Straße an, die ist im Führer beschrieben ist und da finde ich dann auch die Ausgangsstraße. Da finde ich auch etwas anderes, nämlich bronzene Wegmarkierungen mit der Jakobsmuschel am Gehsteig. Nur diese Markierungen musst du erst sehen und das mitten auf einem Platz mit hunderten Menschen.

Über den Rest des Weges heute, ist nicht viel zu sagen, ausser dass man an vielen Weinstöcken vorbei geht.

Ich weiß nicht, ob Ihr das Auf und Ab nachvollziehen könnt. Aber die Umwege kosteten drei zusätzlich quälende Gehkilometer und da wird ein Pilger mit 1.800Km in den Beinen sensibel.
Übrigens, mit dem heutigen Tag, sind die geplanten Geh-Km bis SdC dreistellig geworden
Euer Pilger Walter

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