Heute Nacht kam es, wie es zu befürchten war. Die Nacht war zum Vergessen und mit diesem Bericht will ich das auch tun.
Generell fühle ich mich in einer beengten Herberge mit Stockbetten (es soll auch Dreifachbetten geben!) nicht wohl. Kein Platz für die eigenen Sachen, keine Steckdose, keine frische Bettwäsche (Schlafen im Schlafsack), kein Handtuch, nur das kleine, dass ich mithabe und KEINE Intimität, zum Beispiel beim Waschen und Zähneputzen und KEINE RUHE!
Wie es heute Nacht war?
Begonnen hat es beim Schlafengehen. Alle zehn Pilger waren im Bett, da meldet sich das Mädchen von den vier jungen Deutschen (siehe Essen am Vorabend), jemand soll das Licht abschalten und die Türe zur Terrasse schließen. Licht ist gut, aber wer? Und die Türe schließen? Es hat noch fast 30° und geht ein angenehmer Wind. Im Zimmer, bei max. 25m2 für 10 Personen, wird es dann nur noch heißer. Dabei liegt sie im entferntesten Bett und im oberen Stock. Es wird sie schon kein Untier fressen, und wenn, gar so schade wäre es auch nicht. Einer ihrer drei Begleiter erfüllt ihren Wunsch und die nun folgende drückend heiße Luft war fast augenblicklich zu spüren. In diese Luft hinein, gibt einer dieser jungen Deutschen die Parole aus: "Um 5:15 stehen wir wieder auf!"
"NEIN", war meine Antwort darauf, "Es gibt Regeln, die hier sogar niedergeschrieben sind. Von 22h bis 6h ist hier Ruhe. Ab 6h könnten sie aufstehen und losziehen."
Die Antwort darauf war: "Es wird heiß morgen und sie können aufstehen, wann sie wollen."
"Nein. Alle anderen wollen schlafen. Außerdem bringt das frühe Aufstehen nichts, denn es ist bis 7h stockfinster und nicht ungefährlich".
Ich bekam nur die patzige Antwort: "Wenn es mir nicht passt, könne ich in ein Hotel gehen."
Wie recht er hat, wenn es nur eines gäbe. Meine Antwort war nicht druckreif und mit Ärger im Bauch drehte ich mich zur Wand und versuchte cool zu werden. Versucht das einmal bei den Temperaturen.
Das war aber erst der Beginn einer schlaflosen Nacht. Die Betten waren ein Holzriegelgestell mit einer Spannplatte als Einsatz. Wenn man sich bewegte, dann knarrte und quietschte das ganze Bett, besonders bei Bewegungen des oberen Bettpartners. Mein junger Deutscher ober mir hatte ca. 100Kg und wenn sich der bewegte, dann hörte sich dass einem mittleren Gewitterdonner an. Und der junge Mann muss auch an der Hitze mit Einschlafproblemen gekämpft haben. In seinem Beruf muss er Ventilator in einer Großküche sein. In einer Regelmäßigkeit von 30 Sekunden bis 3 Minuten drehte er sich um und warf sich auf die andere Seite. Bei dem Gekrache ober mir, war an ein Schlafen nicht zu denken und so zählte ich die Glockenschläge der nahen Kirche mit. Warum die Kirchturmuhr schlug, weiß ich auch nicht, schließlich war auch die Kirche verschlossen.
So verging eine halbe Stunde nach der anderen (z.B. ich habe 3x nur einmal läuten gehört - wie spät war es da?) und nun begann ein Schnarcherduett die letzte Schlafmöglichkeit zu rauben. Schlimme Gedanken quälten mich, bis zum Abbruch meines Weges, der immer weniger mein Weg ist.
Irgendwann habe ich dann doch einen seichten Schlaf gefunden, bis um 5:15 - siehe oben! Natürlich haben sich dem Geräuschpegel andere auch angeschlossen und um 6h war ich mit zwei älteren Damen, der letzte der aufstand. Für ein Weiterschlafen war es zwecklos, denn aus den Sanitärräumen hörte man auch schon die Pilger aus den anderen Zimmern.
Nach einem Automatenfrühstück, ein Automat für Heißgetränke, einer für Essenswaren (z.B. verpackte Kuchenstücke für mich) und einer für Kaltgetränke. Bei dem habe ich heute ein Freispiel gewonnen. Nachdem ich das chlorierte Wasser nicht zum Trinken verwende, verwende ich als Trinkwasser Mineralwasser. Der eingeworfene Euro kam zurück, aber das Guthaben für die Wasserflasche war trotzdem vorhanden. Ein gutes Zeichen für einen guten Tag.
Wie sinnlos und blöd das frühe Weggehen ist, wurde mir und anderen schnell klar. Um 3/4 7h war es noch stockdunkel und die Markierungen waren schwer zu sehen. Glatt haben wir, ein Pulk von sieben Pilgern, eine versteckte Abzweigung übersehen und durften eine ordentliche Ehrenrunde ziehen.
Auch das Gehen auf den unebenen und schottrigen Wegen ist in der Finsternis sehr gefährlich.
Übrigens die Frühweggeher habe ich 6Km später, vermutlich nach einer Frühstücksrast bei einem Minieinkaufsladen wieder eingeholt und ohne Worte überholt. So nach dem Motto: Nicht einmal ignorieren!
Es war heute Morgen ein sehr grauer und windiger Tag. Der Wind war sogar kühl, aber er kam oft von hinten und da bekam der PGV fast Flügel.
Viele Flügel drehten sich auch auf der Hügelkette, die zu erklimmen war. Ein großer Windpark erzeugt hier Strom und man kann ringsum auf den Bergen die Windräder sehen.
Der lebhafte Wind trieb immer wieder Regentropfen her, bis er leider die ganzen Regenwolken über den JW geschoben hat. Es regnete oft nicht stark und ich ging weiter, aber zwei Kirchen bzw. eine Vorhalle, weil sie versperrt war, dienten mir als Rast und Schutz.
Trotz des regnerischen Wetters nahm ich heute einen Umweg von ca. 4Km in Kauf. Ich wollte unbedingt wieder, nach einer Pilgerreise 2006, zur wunderschönen romanischen kleinen Kirche Eunate gehen. Für mich ist diese achteckige Kirche mit Kuppel und schöner Apsis und Alabasterfenster in seiner Schlichtheit so ziemlich das Schönste was der JW zu bieten hat. Schade dass der Weg hier nicht vorbei geht (ich war der Einzige dort, ausser Autofahrern). Aber vielleicht ist diese Abgeschiedenheit gut für diesen spirituellen Ort. Besonders beeindruckend an dieser einsamen Kirche, sind die Streben. Bögen und vielen Köpfe an den Ausenmauern rund um die Kirche. Man kann hier zweimal betend oder singend rundherum gehen, bevor man in die dunkle Kirche eintritt.
Nachdem es gerade stärker zu regnen begann, bin ich nach meinen Gebeten schweigend in diesem Kraftort gesessen und habe die fast magischen Kräfte auf mich einwirken lassen. Das hat jeden letzten Ärgerrest der vergangenen Nacht weggewaschen.
Auch das Gehen hat mir geholfen wieder zu mir zu kommen. Nach etwa zwei Stunden war ich alleine unterwegs, alle waren hinter mir und ich konnte wieder singen und für mich und Gott gehen.
Dass nach den Regenpausen und meinem Umweg wieder die bekannten und teilweise unerwünschten Gesichter auftauchten, war mir dann egal. Nun war ich wieder mental gestärkt.
In Obanos richtete sich die Bevölkerung, besonders die Jugend, für ein Fest (welches blieb mir verborgen) und die Jugend war weiß gekleidet und mit roten Schals geschmückt. Musik kam aus den Lautsprechern, aber der Festbeginn war anscheinend erst später, denn die gingen alle in das Rathaus. In dem Ort traf ich auch das französische Ehepaar aus dem Elsaß (siehe Nächtigung in Navarenx) wieder, mit denen ich mich gestern in der Herberge und beim Essen gut unterhielt. Zum Bleiben fehlte leider die Zeit und so ging es nach Puente la Reina, einem der bekanntesten Orte am JW. Die alte Pilgerbrücke aus dem 11.Jh ist Motiv für viele Fotos.
Leider ist mein Akku ausgegangen (Herbergenproblem, weil es keine Steckdosen gab), aber da habe ich glücklicherweise die Fotos vom letzten Besuch.
Mein Ziel für heute war aber Cirauqui, noch 6Km weiter (in Summe mit Irrweg und Umweg 35Km). Unterwegs traf ich ein etwa gleich altes nettes Schweizer Ehepaar, die ich auch gestern kennen gelernt habe. Sie haben auch ein Herbergssyndrom und wollen lieber in einem Zimmer schlafen. Gestern haben sie es geschafft und heute sind wir gemeinsam auf Zimmersuche gegangen. Der Ort Cirauqui liegt am Hügel und der Ort ist hinreißend schön und unverfälscht. Es gibt hier nur eine gute private Herberge zum Schlafen, aber mit dem Info, dass es zwei Zimmer gäbe und die wollen wir haben. Wir haben Glück und können uns beim Jakobus bedanken. Beide Zimmer sind noch frei und es sind wunderbare Zimmer mit Dusche und WC - welche Wohltat. Leider muss ich den DZ-Preis zahlen. Nach einer durchwachten Nacht ist mir alles recht.
So bin ich wieder gestärkt und hoffe, das es so positiv weitergeht. Danke allen, die mir ein gutes Quartier gewunschen haben. Die Kommentare kann ich erst nachher lesen.
Euer Pilger Walter
hallo pilger walter! so wie sich das heute liest haben die leute keinen sinn für den jw. egoisten!
AntwortenLöschenoder pilgertouristen, man muß heute ja mitreden können und dazugehören. rücksicht nehmen ist heute anscheinend nicht zeitgemäß. bevor man in einer herberge übernachtet, wäre es in spanien überlegenswert, bei trockenem wetter, im freien zu schlafen, wenn es kein zimmer gibt. da hätte man seine ruhe und härter als die holzeinlagen bei den betten ist es auch nicht.? halten dir die daumen, dass du bei deinen übrigen stationen immer ein eigenes zimmer findest. einen guten und erholsamen schlaf wünschen dir alexandra und werner.
Lieber Walter, ich kann mich noch gut an ähnliche Ärgernisse erinnern u. bewundere Dich, dass Du es doch ganz gut wegstecken konntest. Ich finde diese rücksichtslosen Leute auch schwer erträglich u. hoffe, das Du jetzt in Ciraugui gut schläfst u. morgen ein wunderschöner Tag wird! Jakobus wird Dich begleiten. Ultreja! Martina
AntwortenLöschenHallo Walter!
AntwortenLöschenIch hoffe, du findest auf "deinen Weg" zurück. Wäre schade, wenn die negativen und frustrierenden Ereignisse die schönen Erlebnisse überlappen.
Schlaf dich aus, und dann weiter!
Lg, Gerald
Hallo Walter! Wünsche dir noch viel Kraft für deinen Weg, deine Leistungen sind unglaublich und viele Menschen im Studio denken an dich und hoffen, dass du dein großes Ziel erreichst!
AntwortenLöschenLiebe Grüße aus Leoben Caro
Lieber Walter! Nach deinem Bericht von der Herberge kann kaum ein Preis zu hoch sein, um ein eigenes Zimmer zu haben. Ich hab schon beim Lesen mit dir mitgelitten - wie schlimm muss es dann erst für dich in der Realität gewesen sein.
AntwortenLöschenIch wünsche dir für deinen "Endspurt" nur mehr schöne ruhige, saubere und nette Zimmer!
Liebe Grüße
Werner Ö.
Ultreja Walter! Haben 2008 sehr schönen Gottesdienst i.Los Arcos erlebt u. mir hat bes. der Kreuzgang mit den filigranen Arkaden sehr gut gefallen. Bei uns gab es in Potsdam eine königl.Hochzeit mit einem passenden Trauspruch für uns alle, die wir Pilger auf Erden sind: Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg, aber der Herr allein lenkt seinen Schritt.
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