Montag, 15. August 2011

Immer am richtigen und doch am falschen Weg

*** mit diesem Bericht ging auch der Bericht vom Sonntag online. Es gab keine Telefonverbindung ***

Liebe Freunde, die Ihr mich immer aufmuntert, weiter zu gehen.
Heute war diese Motivation notwendig, auch wenn die Rahmenbedingungen passten. Somit sang ich mir öfters selbst Kraft zu: Geh, nur geh! Alter Pilger, geh, nur geh ...

Das Weggehen in Manciet, einem Ort ohne Telefonsignal, war sehr angenehm. Es war ganz ruhig, als wenn ich alleine unterwegs wäre und die ersten Stunden traf ich auch niemand. Vielleicht habe ich mir da die Kraft für den Tag geholt. Zum Glück hat sich mein rechter Fuß sehr beruhigt und den Rest an Schmerzen, wenn sie zu spüren waren, die habe ich einfach verdrängt. Das Wetter war anfangs bedeckt, aber es war sehr schwül und schweißtreibend. Die Schweißsuppe ist nur so geronnen.

Und es geht ja doch. Das nächste Positive am heutigen Tag, waren die Wegmarkierungen. Sehr gut gesetzt und weithin sichtbar, denn hier hat jemand mit einem dicken Pinsel mächtige Markierungen gesetzt, die auch ein Kurzsichtiger ohne Brille finden würde. So war das Gehen von dieser Seite, fast unproblematisch. Ich vergebe somit für diesen Streckenteil den Ehren-Jakobus für vorbildliche JW-Markierung. Auch das gehört einmal gesagt.

Der Weg führt heute durch endlose Maisfelder, die leider auch den Blick einschränken. Erst später wechseln sich Weingärten mit den Maisfeldern ab.
Bei den Weinstöcken merkt man aber, dass hier viel Masse, statt Klasse produziert wird. Das Zurückschneiden oder Ausdünnen wird hier kaum angewandt. Aber die Franzosen brauchen auch viel (leichten) Tischwein, der aus Großgebinden gezapft wird. Mein 1/2 Liter Rotwein, den ich gestern zum Pensionspreis dazubekommen habe, wurde z.B. von eine 15-20L Tetraboxgebinde abgezapft.
Vor 3 Tagen bin ich bei einer Vinothek vorbei gekommen und ich habe hineingeschnuppert, ob es vielleicht Kostproben gibt, was leider nicht der Fall war. Aber im Nebenraum habe ich eine Weintankstelle gefunden. Hierher kommen die Menschen mit großen Plastikkanistern und mit Schläuchen kann man mehrere Sorten Wein abfüllen. Die Literanzeige läuft mit und man bezahlt an der Kasse. So ist der Nachschub an notwendigen Tischwein immer gegeben.

Heute habe ich einen besonderen Punkt erreicht, ich habe den Greenwich Meridian überschritten. Eine große und einfache Holztafel hat dies kundgetan.Somit ist die Stunde Zeitverschiebung offiziell und bis SdC wird noch ca. eine halbe Stunde dazukommen, wie es mein Sohn Klaus ausgerechnet hat. Trotzdem gilt immer die selbe Zeitzone.

Bis auf einen Ort, noch im ersten Drittel der Etappe gab es heute keine Infrastruktur und auch keine besonderen Punkte, die einem bei der Orientierung der noch zu gehenden Strecke halfen und auch die Beschreibung im Führer war da schwach. So war heute ein starkes Nachvormarschieren notwendig und ein Blick auf den Führer, das Navi oder die Uhr, war da kaum aufschlussreich.

Die heutige Etappe habe ich so geplant, dass ich eine Kurzvariante gehen wollte, die 5Km kürzer als die offizielle Wegstrecke ist und es gibt keinen Grund die lange Variante zu wählen.
Doch leider! Es gibt keinen Hinweis, wo der Weg weggeht. An der vermuteten Stelle, aus dem Führer war das nicht herauszulesen, gibt es nur die Markierung für den langen Weg. Es gibt auch kein Schild mit Ortshinweisen und das ist mir doch zu riskant, ins Ungewisse zu gehen.
Ich gehe notgedrungen und mit der Hoffnung, das die Abzweigung doch noch kommt, die unnötige lange Strecke - Geh, nur geh! Alter Pilger, geh, nur geh ...
Im Wissen nun 5Km mehr gehen zu müssen, braucht es eines starken Willen, genauso unbeschwert den Weg weiter zu gehen. Müdigkeit, was ist das? Hitze, noch habe ich etwas Wasser! Schmerzende Füße gibt es nicht - es spielt sich alles im Kopf ab! Und so marschiere ich gottgegeben den (langen) Weg weiter, wo es keine Abwechslung gibt. Einzig einige Bewässerungsanlagen für die Felder, können etwas aus der Monotonie reissen. Sie bewässern auch den JW und das in einer Form, die ich nicht gebrauchen kann. So beobachte ich das Drehverhalten und die Zeit, die mir bleibt, relativ trocken vorbei zu kommen. Und wenn der Wasserstrahl einen bestimmten Punkt erreicht hat, dann starte ich los und sage dann Ätsch! Mit so kleinen Dingen kann man sich auch unterhalten, wenn man sich einen schnurgeraden acht Kilometer langen Weg erkämpfen muss.

Dankbar nehme ich eine kleine Pilgerrast im Schatten mitten in den Maisfeldern an und lasse mir einen fleckigen Apfel schmecken, der hier bereitgelegt wurde.
Die letzten 4 Km werden noch etwas mühsamer, denn um in meinen Etappenort zu kommen, muss ich dieses Stück an einer stark befahrenen Straße ohne Seitenstreifen gehen. Dafür bekomme ich von oben etwas Erleichterung, denn es hat sich bewölkt und ein ganz leichter Wind machen das Gehen zuminderst nicht schlimmer.
Endlich erreiche ich den Ort Barcelonne-du-Gers, der an der kürzeren Variantenstrecke liegt und nur 2 Km von der nächsten Stadt entfernt ist. Zu meinem im Führer genannten Quartier, muss ich leider noch einen Km gehen, um dort zu erfahren, dass dieses Quartier für immer geschlossen hat.
Also umdrehen und zurückgehen. Geh, nur geh! Alter Pilger, geh, nur geh ...

Im Ort die nächste Freude, auch die Alternative, ein Hotel, hat zu. Was nun? Da sehe ich eine nicht im Führer erwähnte Gite/Chambre d'Hotes und es ist auch was frei. Zuerst muss ich Schuhe und Rucksack in einem Spind eines Nebengebäudes deponieren und bekomme einen Korb, wo ich alle benötigten Sachen in mein Zimmer bringen kann (das hat Reinlichkeitsgründe und Bettwanzen werden nicht so leicht eingeschleppt). Zuvor bekomme ich noch einen Wasserkrug mit einem Zitronensirup und ich kann meinen Durst löschen - ein halber Liter rinnt schneller meinen Schlund hinunter, als man den Krug anfüllen kann.
Die positive Überraschung: das ist die sauberste Gite am ganzen Weg und viele Hotels hätten sich hier ein Beispiel holen können. Sogar die Duschen sind perfekt. Nur die negative Nachricht schockiert. Hier gibt es nur Schlafen und kein Essen oder Frühstück. Kein Problem, ich gehe dafür in ein Restaurant oder in eine Bar. Geht nicht, hier gibt es nichts oder es hat zu!!! Ich könnte mir bei einem Supermarkt, bei dem ich vor einem Km vorbei gekommen bin und der offen hat, etwas zu Essen oder Kochen kaufen, denn es gibt in der Unterkunft auch eine Küche. NEIN, nicht nach 34Km! Da kann ich gleich die zwei Km nach Aire-sur-l'Adour weitergehen, wo ich morgen durch muss, bevor ich die zwei Km einkaufen gehe und am Herd irgend etwas aufwärme. Das sage ich auch und die Zimmervermietern sieht mich im Geiste schon davon gehen und sie überlegt. Ja, ein Frühstück kann ich haben, wenn ich mit dem Standard zufrieden bin. Das muss ich tagtäglich und fürs Abendessen greife ich eben meine Notverpflegung an. Schlussendlich bekomme ich auch noch ein Abendessen. Ich bin nicht wählerisch und satt wird es mich machen.

So scheint der Tag, mit sehr viel Motivationsarbeit und vielen Geh-Km, noch gut zu enden.
Inzwischen geht es den Füßen auch schon bedeutend besser.
Ich grüße Euch aus dem hintersten französischen Winkel
Euer Pilger Walter

2 Kommentare:

  1. Hallo!
    Ich bin der erste der dem Pilger Papa einen Eintrag auf der westlichen Seite unserer Welt schreibt.
    Wenn man sich den Strich auf der Landkarte anschaut und dann sieht, dass du schon 15° und 6' immer Richtung Westen gegangen bist merkt man, dass es eine wahnsinns Leistung ist, die du schon voll bracht hast. Jetzt hast du nur mehr 8° 32' vor dir! Auch diesen Meilenstein wirst du trotz falscher Einlage noch schaffen!
    Liebe Grüße
    Peter

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  2. hallo piger walter! gratulieren dir zu deiner leistung. dreistellig ist schon wieder ein kleiner motivationsschub. die einlagen mögen vielleicht nicht richtig sein, aber das soll einen pilger wie " walter" (pgv) nicht daran hindern nach sdc zu gehen. immer mit einem lächeln und dem selbst kommponierten song " geh nur geh!alter pilger, geh.... wünschen noch alles gute in den hintersten winkel frankreichs. alexandra und werner

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