Mittwoch, 3. August 2011

Brennende Sohlen

Liebe Freunde,
die Ihr derzeit so sparsam mit dem Kommentaren seid! Seid Ihr auch schon müde?

Gestern saß ich am NM auf einer Bank bei der Kirche und gegenüber war die Gite de comunale. Da hörte ich von obersten Stock erfreut meinen Namen rufen. Ich blickte auf und erschauerte. Es war wieder die singende
Niederländerin, die mich seit Tagen verfolgt. Nein, ich will mit ihr keinen Kontakt. Ich wollte schon flüchten und mich in Sicherheit bringen, da rettete mich Martina, die Kinderärztin aus Frankfurt a.d.O. Sie kam gerade aus der Herberge und setzte sich zu mir. Gegen ihre Gegenwart hatte ich nichts, im Gegenteil, sie ist mir eine willkommene Gesprächspartnerin.
Sie beklagte auch, dass dieser Ort hinterm Mond lebt. Das Geschäftchen mit seinem mickrigen Angebot reizt nicht, sich für das Abendessen einzudecken. Im ganzen Ort gibt es keine Bar oder Restaurant. Nur am Ortsende gäbe es ein Restaurant, so hat mir meine Zimmervermieterin verkündet. Ich wollte unbedingt dorthin zum Essen gehen, denn die Kekspackung als spätes Mittagessen war nicht füllend und meine Hose ist schon recht weit geworden. Ich brauche ein ordentliches Abendessen. Das hat Martina überzeugt, es mir gleich zu tun und ich hatte eine willkommene Begleitung.
In dem Restaurant, wo wir äusserst freundlich bedient wurden und ausgezeichnet aßen (4-gängiges Menü um 14,- Euro), waren wir die einzigen Gäste. Wie gesagt, hier in Livinhac ist tote Hose.

In der Nacht höre ich einmal ein leichtes Plätschern von der Terrasse, ein leichter Regen hatte eingesetzt.
Der gestrige Wind hat wie befürchtet eine Wetterverschlechterung herbei geblasen und am Morgen, bis ich fertig war, hat es ein paar Mal kurz, aber stark geregnet. Ich überlegte und hielt mit Jakobus Zwiesprache: was soll ich machen? Zuwarten ob sich das Wetter bessert? Überhaupt bleiben und wenn es den ganzen Tag stark regnet, den Bus nehmen? Oder soll ich losgehen, gerade regnet es nur leicht?
Ich gehe los, in meinem geliebten Regenschutz eingepackt. Es hört auch gleich zum Regnen auf und mit flottem Schritt verlasse ich den nichtssagenden Ort.
Das einzig Berichtenswerte dieses Ortes waren dann die tausenden Schwalben, die hier herumflogen und sich am Morgen auf den Stromleitungen sammelten und beim Vorbeigehen in Schwärmen aufflogen. Das Sammeln der Schwalben ist doch bei uns erst im September und überrascht mich.

Ich bin noch nicht weit gegangen am offiziellen GR65, wie der JW hier heißt, da sehe ich auf der paralell laufenen und etwas kürzeren Aspaltstraße 100m vor mir die "Niederländerin". Sie muss mich von der Herberge beobachtet haben und ist mir "nachgerannt". Ich leide schon an einen Verfolgungswahn und drossle meinen Schritt um hinten zu bleiben. Aber so leicht kann ich mich nicht aus ihren Fängen entziehen, sie bleibt an der nächsten Weggabelung stehen und verpackt ihren Regenschutz. Jetzt muss ich vorbei, ob ich will oder nicht. Mit ein paar Worten ziehe ich an ihr vorbei und schalte gleich auf den höchsten Gehgang. Das rächt sich aber sofort, denn bei meiner Flucht übersehe ich gleich danach eine unscheinbare Wegmarkierung und laufe 100m zu weit und muss zurück, um ihr geradewegs "in die Hände" zu laufen. Sie grinst mich an und ich gehe mit mürrischen Kommentar wegen meines Umweges gleich an ihr vorbei. Zum Glück waren wir, ich vorne und sie 20m hinter mir, bald im nächsten Ort, da dürfte sie, wie üblich, ihr Frühstück in einer Bar eingenommen haben, denn ich habe sie dann den ganzen Gehtag nicht mehr gesehen. Vermutlich wartete sie dort, wie eine Spinne, auf das nächste Pilgeropfer.

Nun konnte ich alleine meinen Weg fortsetzen. Auf einmal ein ordentlicher Schreck. Unbemerkt hat sich von hinten ein mittelgroßer Hund leise angeschlichen und zwei Meter hinter mir wollte er mit Gebell angreifen. Gerade noch konnte ich die Stöcke ausbreiten und ihn erfolgreich in die Flucht schlagen. Vorm Weitergehen musste ich nur noch das Herz aus der Hose holen und kurz durchschnaufen. Ein ordentlicher Schnaps wäre gut gewesen. Leider fand ich etwas später, bei einem verlassenen Bauernhof, auf einem Baum nur das unveredelte Rohmaterial des Zwetschkenschnapses, aber diese Früchte schmeckten auch gut.

Zweimal traf ich die viel früher weggegangene Matina am Weg. Einmal bei einer Jause und das zweite Mal bei einem Kirchenbesuch. Sie hatte mit ihrem Führer mit Detailkarten eine Abkürzung gefunden und war somit gleich schnell, wie ich. Gegen dieses Zusammentreffen hatte ich nichts, denn wir Beide gehen immer unseren eigenen Weg. Nur eine kurze Rast lang, saßen wir mit anderen Pilgern vor der Kirche auf den Rastbänken.

Ich war besorgt, wie sich das Wetter entwickeln wird. Es war recht grau und sehr schwühl. So blieb ich nur ein paar Minuten und gönnte meinen schmerzenden Beinen eine kleine Erholung. Schon ein paar Minuten später begann es wirklich zu regnen und wieder musste der Regenschutz umständlich über Mann und Rucksack gezogen werden. Ein Wind sorgte dafür, dass der untere Teil der Hose gleich ordentlich nass wurde. Zum Unterstehen war nirgends eine passende Gelegenheit, also weiter - Ultreia!

Zum Glück wurde daraus kein Dauerregen und nach einer Sicherheitshalbenstunde wurde der Regenschutz wieder verpackt. Nun war das Ziel, Figeac nicht mehr weit. Figeac ist mit über 10.000 EW eine größere Stadt, mit einem historischen Altstadtkern, der auch zur Liste der schönsten französischen Orte gehört.

Gerade wie ich am Stadtrand auf Zimmersuche war, hat es wieder etwas zum Regnen begonnen, somit habe ich mir gleich ein nicht ganz billiges, aber gutes Zimmer genommen und der Preis mit 58,- Euro mit HP ist gerade noch vertretbar, wenn ich an die Schweizpreise und die Hotelpreise am Beginn von Frankreich denke.

Nun werde ich trotz brennender Füße, die vergangenen 1.500Km machen sich schon bemerkbar, einen kurzen Altstadtbummel machen. Zum Glück habe ich mir ab Freitag drei Tage vom JW frei genommen (Ruhetage) und kann meinen Füßen längere Erholung verschaffen.

Ich grüße Euch nach schon 600Km auf französischem Boden und wie ihr seht, komme ich mit etwas Französisch recht gut durch.
Euer Pilger Walter

2 Kommentare:

  1. Lieber Pilgerfreund, der du für uns ganz unerwarte vor Frauen flüchtest!?!?!?!? So kennen wir dich ja gar nicht. Diese Holländerin muss ja eine gar aussergewöhnlich nette Frau sein...Da du dich aber mit einer anderen Frau offensichtlich ganz gut verstehst ist für uns die Welt wieder in Ordnung und dein guter Ruf wieder hergestellt. Irgendwie haben wir aber auch den Eindruck, dass du dich mit den vierbeinigen Freunden (Hunde, Kühe, etc) nicht wirklich gut (auf französisch) verständigst, oder? Hast ein paar Lektionen geschwänzt? Aber wichtig ist, dass dich die zweibeinigen gut verstehen und du gut vorankommst. Wir waren total überrascht, dass du nun auch in Frankreich bereits sagenhafte 600 (!) km gepilgert bist - unsere Hochachtung! Wirklich toll. Die nächsten 3 Ruhetage hast du dir wirklich verdient - aber geniesse sie wirklich und ruhe dich aus, so schön der Ort oder die Umgebung auch sein mögen - dein Körper wird es dir danken! Sowieso unglaublich, soviele Kilometer (über 1500!!!) durchzugehen - toll!!! Lieber Walter, wir wünschen Dir eine gute Erholung und Entspannung die nächsten Tage - du wirst es für die restlichen rund 1300 km brauchen!
    Ganz liebe Grüsse und alles Gute Ingrid und Werner
    PS: Falls Du den Missionar treffen solltest - alles Gute und liebe Grüsse und gib uns bitte über deine Familie Bescheid.

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  2. Salut,

    nun bist du ja wirklich schon weit "unten" in Frankreich angelangt! Gratulation!
    Ein paar Tage Pause haben sich deine Füße - und auch deine Daumen! - wirklich verdient.

    Schade, dass du uns drei gestern nicht beim Villacher Kirchtag als Trachtenfamilie sehen konntest (Lukas & Papa in der Lederhose und alle drei im Pleamle-Laiberl).

    Liebe Grüße aus Villach,

    Lukas, Susanne & Klaus

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