Sonntag, 31. Juli 2011

Sommer in Frankreich

Liebe Freunde!

Nun ist der Sommer in Frankreich endlich eingekehrt. Endlich gibt es keine Wettersorgen mehr, auch wenn die Hitze auch belastend sein kann. Aber lieber so, als nass.
Sogar gestern Abend war es einmal angenehm warm, so etwa 25°. Das tat dann beim Bummel durch den kleinen und netten Ort Saint-Come-d'Old richtig gut. Essen gab es dann beim Verwalter der kommunalen Gite und Besitzer der einzigen Zimmervermietung. Wir waren zum Essen zu siebend. Sechs Frauen und ich. Drei kamen aus Frankreich, wobei ich zwei nette und etwas deutsch sprechende Frauen (Mutter und Tochter) schon vor fast einer Woche kennen gelernt habe. Dann waren noch zwei getrennt gehende Deutsche, die ich auch schon kennen gelernt habe, aber deren Gesellschaft ich nicht unbedingt suche. Beide sind ein wenig anstrengend und ich bezeichne sie als alternative Vergeistigte. Dann war noch eine bummelnde Schweizerin auf Erholungs- und Erfahrungsurlaub.
Nicht alleine essen zu müssen war das Positivste am Abend. Aber auch das Essen war sehr gut und reichlich. Ich habe mir dazu einen halben Liter Rosewein um 3,- Euro gegönnt, nur hat auch er keine Schlafvertiefung (siehe nächsten Absatz) gebracht.

Die Nacht war leider nicht störungsfrei. Der einzige Bettnachbar, ein Belgier, war des nächtens sehr mitteilsam. Zum Einen versuchte er sich mit Erfolg an den Schnarchsinfonien in Dur und auch in Moll. Erzählen wollte er mir auch etwas, nur das Gemurmel war nicht zu verstehen. Was er mir mit seinem ständigen lauten Gefurze mitteilen wollte, weiß ich nicht.
So war die Nacht nicht sehr schlaferholsam und deshalb habe ich lieber mein eigenes Zimmer.

Heute stand wieder eine lange Etappe mit 33Km am Programm und die war dann recht anstrengend. Etwa dreiviertel der Strecke ging es auf Asphaltstraßen dahin und das merkt man dann schon.
Einige recht giftige Anstiege standen heute auch am Programm und die waren durch die Hitze besonders gewürzt.
Schon am VM musste ein steiler Anstieg, ca. 150Hm, bezwungen werden. Dafür ging es dann auf einem Plateau mit schöner Aussicht dahin. Die Landschaft war fast österreichisch, so wie im Waldviertel.

Besondere Höhepunkte waren die Orte Espalion und Estaing. Wobei letzterer sehr von Touristen belagert wurde. Auf den Aufstieg zur Burg mit einer guten Aussicht verzichtete ich aber. Ich gönnte mir bei einer Bäckerei etwas zu Essen und zum Trinken und saß beobachtend an einen Straßentischchen.

Von Estaing ging es noch gemütlich, auf Asphalt, neben dem Fluß Lot dahin, aber dann kam die heutige Bergetappe.
Auf einer abwechselnd steilen Asphaltstraße und noch viel steileren "Abkürzungssteigen" ging es etwa 350Hm nach oben. Die Sonne hatte inzwischen ihren Zenit erreicht und so war dieser meist schattenfreie Anstieg fast brutal.
Ich kann nicht sagen, was mir lieber war? Die fast ganz schattenlose, aber natürlich nicht so steile Asphaltstraße oder die extrem steilen und zur Hälfte schattigen Anstiege. Wenn ich schon Probleme habe, die Schritte nach oben zu setzen, dann kann man sich vielleicht vorstellen, wie steil es war.
Dafür war die Asphaltstraße ein Backofen, von oben war die höchste Grillstufe eingeschalten und von unten, vom Asphalt die Pizzastufe.
Ich weiß nicht, wie ein gegrillter Pilger schmeckt, aber er muss sehr salzig schmecken.

Bis zum Zielort Golinhac ging es zwar ein paar Mal etwas bergab, aber die Gesamttendenz war nach oben und es wurde schon ein langes Gehen.
Endlich war das Ziel erreicht und neben meinem ausgesuchten Hotel habe ich zuerst die Kirche besucht. Durch das anstrengende Gehen leidet auch die Bet- und Singfreudigkeit und hier konnte ich es nachholen.
Im Hotel wurde gerade geschlossen, alle Zimmer sind belegt/reserviert. Super, und was nun?
Die einzige Zimmeralternative war noch ein Chambre d'hotes, nur dazu musste ich fast 2Km zurück gehen. Dort angelangt, gab es den nächsten Rückschlag, es ist auch alles belegt!
Die nette Vermieterin, die perfekt Deutsch sprach, ihr Vater war Deutscher, versuchte Alternativen zu finden. Die Gite sei vermutlich auch voll und ist für mich auch nicht attraktiv.
Zuerst wollte ich weitergehen, bis zu zwei Stunden, wenn es dort ein freies Zimmer gab. Die Vermieterin rief an, doch das Hotel nahm keine Gäste auf, weil das Hotel wegen Bettwanzen, die in der Region aufgetreten sind, entseucht wurde. Sie erzählte mir, dass sie von ihrem Gatten, der Tierarzt ist, wusste, welche Herberge und welches Quartier man derzeit meiden musste. Das hat mir noch gefehlt!
Die Frau war aber so nett und rief an die 10 Vermieter in der ganzen weiten Umgebung an und immer hieß es: Belegt! Dann endlich, die erfreuliche Nachricht. Weit weg vom JW, etwa 10-15Km, gibt es ein freies Zimmer und der Vermieter holt mich mit dem Auto ab - Gerettet! Morgen muss ich halt einen anderen Weg nach Conques beschreiten.

Nun sitze ich hier in einem netten Chambre d'hotes und schreibe wieder alles auf, damit Ihr zu Hause seht, wie so ein Pilgerleben ist.
Euer Pilger Walter

Samstag, 30. Juli 2011

Zitterpartie

Hallo nach Hause!

Heute morgen beim Aufstehen blickte ich gewohnheitsmäßig beim Fenster hinaus um die Wetterlage zu erkundigen und ich ziehe die Datumsanzeige meiner Uhr und die des Handys zu Rate. Da stimmt etwas nicht. Habe ich jetzt vielleicht wie ein Bär ein paar Monate verschlafen? Ich schalte noch den Fernseher ein und dort sprechen sie auch davon, das heute der 30. Juli ist. Aber warum ist dann draussen ein Oktober/Novemberwetter? Ein dichter Nebel läßt keinen Blick in die nahe Umgebung zu!

Beim Frühstück bin ich fest entschlossen, die 8,- Euro, die das "Petit Dejeuner" kostet auch zu konsumieren. So nach dem Motto: "Lieber den Magen verrenken, als den Wirt was schenken".
Von den Gedeck für 2 Personen habe ich gut 3/4 davon in meinen Magen versenkt. Der hohe Frühstückspreis wurde gemildert, durch die erstmalige Beigabe in Frankreich, von einem Rohwürstel und zwei Stück Käse.

Dann ging es in den grauen und kühlen Morgen los und zwar einmal nach oben. Aber es waren aber gute Anstiege ohne schwere Passagen. Es ging heute erstmals seit Langem wieder durch ein recht gutes und endloses Weideland mit hunderten Rindern, Kälbern, Kühen und auch Stieren.
Gleich am Beginn der Weidelandschaft steht etwa 8m vom Weg entfernt, ein stolzer Stier in Fotopositur. Natürlich tue ich ihm den Gefallen, seine Statur und sein Aussehen ist einfach klassisch für die Aubrac-Rinder. Nur er würdigt mich (Gott sei Dank) keines Blickes und schaut nur eine Kuh jenseits des Weges an.
Weiter geht es durch die offene Weide und an Rindern vorbei, nur von einer Markierung keine Spur. Ich überlege und schaue, soll ich rechts oder links gehen. Zum Glück kommt ein französisches Wanderehepaar nach, die ich vorhin überholt habe, und sie haben ein Wege-Navi und können so die Richtung vorgeben und sie ist richtig.

Leider ist vom höchsten Punkt dieses Abschnittes, der Via Podiensis, (1.368m) keine Aussicht zu genießen, denn der Nebel hat sich noch nicht verzogen.

Dann steht mitten im Weg eine Rindergroßfamilie von ca. 50 Stück und jede Kuh, es ist eine Rasse mit langen, gekrümmten und spitzen Hörnern, sieht mich skeptisch an, ob ich ihren Kälbern etwas antuen will. Nein, da habe ich vor ihren Hörnern zuviel Respekt und von den daneben weidenden Ochsen und kapitalen Stieren. Zum Glück habe ich heute das tarnfärbige Leibchen an und nicht das leuchtende orangerote Wandershirt. Mit etwas Ausweichen des Klügeren, in diesem Falle muss das ich sein, denn die Rindviecher bleiben bockig auf ihrem Platz, komme ich da vorbei und kann das Gatter erleichtert hinter mir schließen.
Doch ich kann mich nicht lange der Sicherheit erfreuen, denn das Ende einer Weide ist der Beginn einer nächsten Weide und wieder glotzen mich an die 200 Augen an.
Trotzdem ist es ein schöner Weidenspaziergang, den ich genieße.
Doch auf einmal höre ich Getrampel hinter mir, eine schöne braune Kuh läuft hinter und dann neben mir her. Was will sie??? Mit uns wird es aber nichts, denn ich bin gut verheiratet. Doch die Kuh läuft vor und das pralle Euter schwabbelt nur so hin und her. Vermutlich ist sie bei der Schlagobersproduktion eingesetzt. Wenn eine Kuh zu laufen beginnt, dann setzt der Herdendrang ein, nun laufen alle Kühe hinter mir her. Ich versuche schleunigst Meter zu machen und da bleibt die erste Kuh stehen und sieht mich an. Was will sie jetzt? Aber da sehe ich 50m vor mir, am Ende der Weide, ein ganz kleines liebes Kalb im Gras liegen. Deshalb die ganze Aufregung. Ich mache einen großen Bogen und kann so an Kuh und Kalb vorbei kommen. Zum Glück komme ich nun an das Ende der Weide, die mit Stacheldraht von der Straße abgetrennt ist, denn der Rest der Herde läuft weiter bis zum Gatter, nur ich bin schon durch - Ätsch! Jetzt bin ich von den Rindern in Sicherheit und muss nun aber auf die Autos achtgeben.

Gleich ist das reizende kleine Dorf Aubrac erreicht und es erreichen mich auch die ersten Sonnenstrahlen und es wird noch ein prächtiger Sonnentag.

In dieser Weidegegend, die im Mittelalter wegen ihrer dichten Wälder und der dort hausenden Räuber gefürchtet war, gibt es heute kaum mehr Bäume. Vielleicht war mein Zimmernachbar von heute Nacht schon öfters hier. Denn so wie der in der Nacht gesägt hat, deutlich auch durch die Wand hörbar, da bleiben keine Bäume stehen.

Immer wenn man ganz oben ist, dann geht es wieder hinunter. Das ist eine Wanderweisheit und auch eine Lebensweisheit. Nur wenn man von unten aufsteigt, kann man den Gipfel, das Oben, auch so richtig genießen.
So geht es nun einmal 550Hm abwärts bis zum nächten Ort. Und damit ist es auch mit den schönen und angenehmen Wegen vorbei. Über einen wieder einmal sehr steinigen Weg geht es nun bergab und meine geplagten Füße jubeln auf.

In Saint-Chely-d'Aubrac habe ich dann die Hälfte der heutigen Etappe erreicht. 16 Km liegen hinter mir. Heute und auch morgen gibt es nur die Wahl zwischen kurzen 16-17Km zu gehen oder das Doppelte. Meinen Tourenplan habe ich auf die längeren Strecken ausgelegt. Ich muss doch bis SdC kommen.
In dem Ort mache ich auf einer Bank Mittagsrast und verzehre meine Jause, die ich im Geschäft gekauft habe.

Und weiter geht es. Im ersten Teil des Tages begegnen mir einige Wanderer, die diese Gegend erleben wollen und im zweiten Teil des heutigen JW überhole ich dann einige Wanderpilger.
Heute lichten sich die Reihen schon. Die erste Woche seit Le Puy ist vorbei und im Ort meiner Mittagspause werden schon einige Wanderer von einem Sammelbus abgeholt - die bin ich los :-)

Der zweite Teil der heutigen Etappe geht auf einem wunderschönern Weg durch einen schattigen Buchenwald dahin. Das entschädigt für das anstrengende Bergabgehen am VM.
Bald aber ist es mit dem angenehmen Gehen vorbei und es geht nochmals 150m nach oben, um dann nochmals über 500Hm bergab gehen zu können, natürlich wieder auf sehr schwierigen Wegen.
In diesen gemäßigten Höhen wachsen auch viele Edelkastanienbäume. Aber für das Rundherum bleibt bei dem anstrengenden Bergabgehen nicht viel Sinn und Zeit.
Und es geht bergab und bergab. Es scheint kein Ende zu nehmen und schön langsam reicht es mir, vorallem wegen des schlechten Weges. Doch noch einmal sind 120Hm Anstieg zu bezwingen um dann diese Hm wieder hinunter zu gehen. Endlich, nach 33Km ist mein heutiges Ziel, Saint-Come-d'Old erreicht. Ein ganz reizender alter Ort.
Wie befürchtet, sind die wenigen Zimmer schon vergeben und ich muss in eine der Gites ausweichen. In einem alten Gebäude aus dem 16Jh. hat die Gemeinde eine Herberge errichtet. Nun sitze ich in meinem Zimmer mit 3 Stockbetten und schreibe meinen heutigen Bericht. Gerade hat ein Belgier auch das Zimmer bezogen. Ich hoffe es wird nicht voll.

Das war mein heutiger Bericht und trotz schweren Tag geht es mir sehr gut.
Euer Pilger Walter

Freitag, 29. Juli 2011

Einsame Gegend

Liebe Freunde zu Hause.
Der gestrige Ruhetag tat der Pilgerseele sehr gut. Der Tag begann mit der Pflege meiner Ausrüstung und mit dem Herausarbeiten der Besonderheiten der nächsten Gehtage. Das heißt, den verbalen Text im Führer so anzustreichen, dass die markanten Wegrichtungen auffällig zum Finden sind.
Zu Mittag nahm ich die Einladung der Dominikanerpatres an und schaute bei ihren temporären Pilgerstützpunkt vorbei. Zuerst war in der Kirche ein Gebet und die Patres sangen Psalmentexte. Für alle anwesenden Pilger gab es dann den Pilgersegen und die Einladung zum gemeinsamen Mittagessen. Im angrenzenden Pfarrsaal, wo die Patres auch zur Zeit wohnen, wurde dann von allen der Tisch gedeckt. Als Vorspeise waren Salate vorbereitet, Wurst und Brot wurden aufgeschnitten und Pasteten, die von früheren Mahlzeiten übrig geblieben waren, wurden auch gereicht. Für den Hauptgang bereiteten die Patres eine landestypische Bratwurst vor, mit Nudeln und einem Topf Gemüse. Käse, Obst und ein von den ansässigen Frauen gebackener Kuchen bzw. eine Art süßer und lockerer Eierkuchen mit Früchten beschlossen das Mahl. Dazu wurde Rotwein und Wasser gereicht. Wer wollte bekam noch einen Kaffee. Vor und während dem Essen wurde reihum geplaudert und erzählt woher man kam und wohin man ging usw. Natürlich wurde meine Pilgergeschichte allgemein bestaunt. Von den ca. 15 Pilgern kamen die meisten aus Frankreich, ein paar Belgier und eine Deutsche waren auch dabei.
Gemeinsam wurde dann der Tisch abgeräumt und das Geschirr abgewaschen und die Patres richten sich für den Pilgerdienst am NM.
Diese freundliche Aufnahme war für mich und im speziellen am gestrigen Ruhetag ein ganz besonderes Geschenk und eine Wohltat. Das wollten die Patres damit auch erreichen. Danke liebe Dominikaner und danke lieber Jakobus.
Ich besuchte am Abend auch noch die Vesper und die Messe. So ist aus einem Ruhetag etwas Besonderes geworden.

Und heute ging es wieder weiter und in das Aubrac-Hochland. Die nächsten Kantone sind sehr einsam. Die Bevölkerungsdichte liegt hier zwischen 6 und 9 Einwohner pro Km2. Wie die Vergleichswerte in Österreich sind, überlasse ich gerne Euch.
In den kommenden Tagen war früher in den Wäldern und einsamen Gegenden immer die Gefahr von Räubern ausgeraubt zu werden. Diese Sorge wird mich nicht betreffen, obwohl heute und in den nächsten Tagen, sind die Quartierpreise wieder um einiges höher. Angebot und Nachfrage oder modernes Raubrittertum nennt man das. Mein "noch günstiges" Hotelzimmer kostet ohne alles 37,- und mit HP würde es 64,- Euro kosten. Da werde ich schauen, ob ich am Abend wo günstiger essen kann. Unterwegs, ein paar Km vor Nasbinals, ging ich bei einem Minicampingplatz vorbei. Da wird Schlafen in Jurten (Großzelte) angeboten - ohne alles, nur mit Matratze um 15,- und inkl. HP kostet es 32,-. Da habe ich im Hotel der letzten zwei Tage um 37,- inklusive alles günstig geschlafen.

Wie es sich für eine einsame Gegend gehört, waren heute auch wenig Pilger unterwegs. Zwei Langzeitpilger habe ich auch getroffen. Einer kommt aus Belgien und der zweite aus Zürich. Mit beiden habe ich mich kurz unterhalten und ich bin sicher, dass ich sie wieder treffen werde.

So einsam die Gegend ist, auch die Vegetation ist karg. Niedere Föhren mit Flechtenbewuchs, viele genügsame Ginstersträucher und ein paar dürre Grasbüschel, die die Rinder nicht dick machen können. Ich habe fast das Gefühl, sie schauen mich so hungrig an. Fast hätte ich mein Sandwich, die Mittagsjause, verteilt.
Die Landschaft war schon fast eintönig, aber vielleicht gerade deshalb doch auch reizvoll. In vielen Aufnahmen versuchte ich diese Stimmungsbilder einzufangen, aber ich bin nicht sicher ob ein Foto das wiedergeben kann.

Am höchten Punkt (1.234m) des heutigen Tages, man geht hier immer über 1.000m, gibt es eine endlose Sicht und wohin man blickt, fast immer der gleiche Eindruck: endloses karges Weideland, fast schachbrettartig mit Steinwällen unterteilt und kaum Häuser sind zu sehen. Im Weidergebiet liegt das Rindvieh oft zwischen Felsen, Steinen und altem abgestorbenen Holz. Das bischen dürres Gras kann doch die Kühe nicht satt machen.

Es ist interessant durch dieses Land zu gehen und heute macht es auch gleich wieder mehr Spaß zu pilgern, wenn es nicht so überlaufen ist.
Nach meinem Bericht werde ich noch diesen kleinen und reizvollen Ort erkunden gehen.

Euer Pilger Walter

Mittwoch, 27. Juli 2011

Jubel - Halbzeit

Ja, liebe Pilgersfreunde, ich habe heute sicher die Halbzeit meines Pilgerweges überschritten. 1.407Km stehen in meinem Tourenbuch und bis SdC sind es geplant nicht mehr soviele Km, aber es kommen sicher Zusatz Km dazu, so wie heute.
Wie bei einer Fußballhalbzeit habe ich mir in meinem Hotel als Erstes ein großes Bier genehmigt und das hat heute so richtig geschmeckt - siehe dann den Tourenbericht.
Die Hälfte der Km meines Weges bin ich schon gegangen und noch einmal soviel und ich bin an meinem Ziel!
Das ist ein unbeschreibliches Gefühl, aber ich darf nicht an die noch zu bewältigende Strecke denken. Das wäre ob der langen Zeit und Km fast zu viel. Ich denke an morgen und an das Ziel am nächsten Gehtag, welches ich wieder erreichen werde. So kann man den Weg schaffen.
Für morgen habe ich mir einen Ruhetag eingeplant und übermorgen geht es mit frischen Kräften weiter. Wobei, wenn man den heutigen Gehtag betrachtet, wieviel mehr an Kraft soll es noch geben?
Jetzt, heute und morgen, genieße ich den bisherigen Erfolg und dann heißt es wieder "Ultreia" - Weiter - immer weiter!

Der heutige Tag hat es von der Gehlänge in sich. 37Km habe ich heute geschafft und das in 7,5 Stunden inkl. der kleinen Pausen. Es waren (leider) 10Km mehr als geplant.
Das Warum ist schnell erklärt. Zuerst musste ich die gestern fehlenden Km nachholen, weil ich schon ca. 5Km vor dem Etappenplan genächtigt habe, ich wollte ja der großen Gite ausweichen.
Und als zusätzliche Km hat am Morgen ein zielstrebiges Falschgehen beigetragen.

Ich bin heute mit einem selbstgemachten Frühstück, weil es in der Bar erst um 7:30 Frühstück gegeben hätte, schon um 7h weggekommen. Ich wollte die zusätzlichen Geh-Km bald aufholen und in meinem Zielort unbedingt das gewünschte und preisgünstige Hotelzimmer ergattern. Ich hatte zwar gestern noch per Mail vorreserviert (auf französisch!), aber ob es auch OK geht, wusste ich nicht.

So bin ich am Morgen anscheinend übermotiviert und mit zuviel Kraft losgestürmt und mit einer Sicherheit, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben (das Quartier lag ja abseits des JW).
Erst ein Blick auf mein Handy-Navy, welches zwar auch nicht den JW anzeigen kann, aber eine effiziente Straßenroute vorschlägt, ließ mich zweifeln, ob ich richtig sei. Es zeigt nämlich unbeirrbar zurück und ich glaube ihm nicht. Ich glaube fest daran, dass ich auf einer im Führer erwähnten Abkürzungsroute bin, die die Mehr-Km um 2Km verringen soll. Endlich kommt mir das Navy-Verhalten spanisch vor, dabei bin ich noch in Frankreich, und ich vergrößere die Ansicht und merke, dass mein eingeschlagener Weg nicht passen wird. Stopp und zurück! 4 bis 5 Km zusätzlich und der erhoffte Zeitvorteil und die gewünschte Abkürzung ist zum Gegenteil geworden. Das war eine Bußfleißaufgabe von einem Pilgerstreberer!

Dafür waren heute die Wege fast nur so, wie sich das ein fussgeplagter Pilger nur wünschen kann. Besser geht es nur auf rotem Teppich und den werden sie für mich nicht ausrollen.

Die gesamte Tagesstrecke war eine schöne Almwanderung und wenn nicht einzelne Passagen durch die vielen Pfützen und nassen Böden schlechter begehbar gewesen wären, wäre es ein optimales Gehen gewesen.

Doch was sich am Weg an Pilgerverkehr ergeben hat, ist fast schon unbeschreiblich. Gezählte 79 (in Worten Neunundsiebzig) Wanderer (Pilger will ich dazu nicht sagen) überholte ich heute!!! Da sind die noch untergekommenen Wanderer am Zielort nicht mehr mitgezählt. Bis auf die schon erwähnte Niederländerin, die mich bei einer Pause einholte und weil sie sich nicht verlaufen hatte, waren es alles Franzosen, die durch die Region wanderten. Zuminderst habe ich keine anderen Sprachen gehört.
Begonnen hat es gleich bei der großen Gite, die ich gestern, vielleicht zum Glück, nicht aufsuchen wollte. Hier sind gerade 32 Personen gemeinsam gestartet. Es gibt hier 40 Plätze ohne Ausweichmöglichkeit und es werden sicher noch andere Gäste hier geschlafen haben. Vielleicht hätte ich gar keinen Platz bekommen, den die Gruppen hatten sicher vorbestellt.

Auf einmal eine so große Gruppe vor sich zu haben, ist fast ein Schock. Gut, ich bin zwar flott unterwegs, aber ich schalte noch auf Overdrive. Der Weg ist super zu gehen. Es ist ein ganz glatter und verfestigter Sandboden, der durch den vergangenen Regen wie ein Teppichboden zu begehen ist. Mit meinem zu Hause oft erprobten 6Km/h-Gehschnitt rolle ich die Gruppe von hinten auf und kann so manches Staunen und auch einige Lobesworte bezüglich meines "marche" einheimsen. Besonders wenn ich gefragt werde, woher ich komme "Autriche" und wie weit ich schon gegangen bin - "une mille et quatre cents kilometres!" (sicher nicht ganz richtig ausgesprochen, aber jeder versteht mich)

Das Wetter ist zum Gehen optimal. Es ist bedeckt, aber ohne Regengefahr und immer wieder versucht die Sonne durchzukommen, was ihr zu Mittag fast zwei Stunden gelingt. Somit passt heute fast alles.

Heute führt der Weg über das Margeride-Hochland und später genauso immer zwischen 900m und 1300m über das Aubrac-Hochland.
Es ist ein recht angenehmer Almwanderweg an Kuh- und Schafherden vorbei.
Immer wieder sehe ich vor mir wieder Wanderer marschieren. Die zweitgrößte Gruppe war 12 Personen groß. So wie ich heute unterwegs war, fliege ich fast an den anderen Wanderern vorbei. Und Steigungen sind nur eine fast willkommene Abwechslung und ich halte auch hier meinen Schritt bei.
Trotzdem beobachte ich die Umgebung, nur ändert sie sich nur selten. Ich fotografiere Motive und Blumen und nehme mir auch Zeit ausgiebig von den vielen Wildhimbeeren zu naschen. Sie sind schon sehr reif, aber man merkt, dass ihnen die Sonne fehlte, sie sind nicht so süß, wie sie sein könnten.

Eine kurze Pause vor Mittag leiste ich mir in einer Bar schon. Es gibt hier noch nichts zu essen und von einer naheliegenden Bäckerei hole ich mir eine kleine kalte Pizza und trinke dazu vor der Bar ein gutes Bier. In Summe kostet mir das nur 3,80!

Eine ganz besondere Freude erwartete mich in meinem Zielort in Aumont-Aubrac. Wie üblich besuche ich, bevor ich noch ins Quartier gehe, die Kirche. Mein täglicher Dank an Gott, unsere Himmelsmutter und an den Hl. Jakobus war heute ganz besonders innig.
In der dunklen Kirche (fast alle alten Kirchen der letzten Tage sind sehr dunkel innen) begeisterten mich die bunten Glasfenster.
Wie ich wieder nach aussen komme, werde ich von mehreren Dominikanermönchen begrüßt und bei einem Labestand auf einen Kaffee eingeladen. Sie sind für eine Woche hier in der Stadt zu Besuch und haben die Kirche und den Pfarrsaal "gemietet". Hier leisten sie Pilgerdienste und leben ihr Mönchsleben. Sie kommen von überall her und sprechen mehrere Sprachen, auch deutsch und soweit ich alle gesehen habe, werden es acht Mönche sein. Sie schlafen auch im Pfarrsaal und auch ich wäre eingeladen hier zu nächtigen. Für morgen haben sie mich zu Mittag auf ein kurzes Gebet und zum Mittagessen eingeladen. Und ich werde vermutlich auch am NM zur Vesper und Messe gehen. Das ist mir ein Anliegen, mit diesen freundlichen Mönchen mehr Zeit zu verbringen. Jedem Pilger, egal ob Kurz- oder Langzeitpilger singen sie beim Weggehen über den ganzen Platz das schöne Compostell-Lied nach. Das ist für mich so ergreiffend, besonders heute, an meinem Halbzeittag.

Beim Hotel angelangt, es liegt eher am Stadtrand, kann ich mich freuen. Die Reservation hat funktioniert und ich bekomme ein gutes Zimmer inkl. WC und Dusche in ausgewiesener 2-Stern-Qualität. Wenn ich denke, was mir sonst oft zu höheren Preisen zugemutet wurde, das dürften nur 0-Stern-Hotels sein.
Mit Halbpension zahle ich hier als Pilger nur 37,- Euro und das ist sehr freundlich.

Nun ist die Wäsche wieder gewaschen, inkl. der Wanderhose, die bei den Nasswegen recht gelitten hat. Und für morgen steht Ruhe am Programm.
Auf jeden Fall bin ich stolz auf das bisher Erreichte und so werde ich sicher noch weiter gehen können.
Euer Pilger Walter
PS: Ob ich morgen einen Bericht schreiben werde, weiß ich noch nicht.

Dienstag, 26. Juli 2011

Es geht auch anders

Liebe Pilgerfreunde,
dass es andere und bessere Wege gibt, das war heute zu erleben und auch das Wetter hat sich verbessert, wenn es auch noch immer verbesserungswürdig ist.

Am Abend im Gasthaus konnte ich die "Pilger" zählen. Wir waren 17 Personen beim Abendessen. Alles Franzosen, die jetzt im Urlaub diese Strecke erwandern. Der Abschnitt von Le Puy über die nächsten etwa 300Km sollen landschaftlich die schönsten sein und mit den historischen Orten, wie z.B. Conques, Figeac und Cahors zu den touristischen Highlights gehören. Danach sollte der Massenauftrieb besser werden.
Ausser den Franzosen sollen auch noch deutschsprechende Pilger in der Herberge gewesen sein, die aber nicht zum Essen kamen.
Beim Essen saß ich zwischen vier Pariserinnen, von denen drei auch deutsch sprachen. Zwei nicht mehr junge Damen sind mit dem Rad unterwegs, was bei 70Km-Etappen und bergauf und ab, auch eine Leistung ist.
Es waren sehr freundliche Damen und das Gespräch am Tisch war anregend.

Beim Frühstück war ich um 7h der Erste und bei dem "sehr petit dejeuner" war ich bald auf der Piste und somit der Erste. Das taugt mir und ich kann gehen, wie ich will und ausser der Holländerin später einmal, bin ich allein unterwegs.
Heute regnete es zum Glück nicht mehr und die Berge waren noch nebelverhangen. Trotzdem kann man die landschaftliche Schönheit dieser wildromantischen Schlucht erkennen. Noch im Ort geht es gleich steil hoch, so wie gestern bergab. Aber heute ohne Regen und mit kaum schwierigen Wegen. Zwischen den Nebelschwaden kann ich mit dem Fotoapparat schöne Motive einfangen. Heute auch von diesen Basaltformationen, die hier vorherrschen.
Nach den ersten steilen Anstieg auf schmalen Steigen und Stiegen mit einer unklaren Wegstelle und Zusatzmetern, geht es über gute Wege weiter zünftig nach oben, teils auch über schöne Almwege.
Ich bin stark drauf und gehe mit Doppelstockeinsatz wie mit Allrad nach oben. Da kommt keiner nach :-)
Das macht Spaß und trotzdem genieße ich die tolle Umgebung und mache viele Fotos von teils mystischen Stimmungen.
Die ersten 400Hm sind auf 4,5Km in gut einer Stunde bezwungen und es geht in ein flacheres Bergaufstück über. Es geht den ganzen Tag auf etwa 1.000 bis 1.300m dahin. Es ist heute ein gutes Gehen ohne extra Erschwernisse.

Der flachere Weg hat nur einen Nachteil. Es gibt hier nach dem Regen eine Pfützenversammlung und sie machen eine Abstimmung welche dieser Pfützen ist die Größte. Sie darf sich für heute "le grande lac" nennen.
Zwischen den kleinen Seen ist Slalomgehen gefragt und ein Kanu wäre praktisch.

Es wird eine schöne Almstraßenwanderung und der Weg ist gut gepflastert mit der "Kuhflacis alpensis" - gemeinhin als "Kuhfladen" bezeichnet. Auf 1.100 wächst sogar noch Weizen, der schon reif wird, sollte es endlich wieder sonnig werden. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie die Sonne aussieht. In den Wetterberichten wird von ganz Frankreich Schlechtwetter und viel zu tiefe Temperaturen angesagt. Für diese Region hat der Fernseher im morgentlichen Gastraum, in jeder Bar läuft der Fernseher den ganzen Tag, ein Wetter angesagt, wo man am Besten daheim bleibt. Da habe ich aber Glück und Segen gehabt.

Ein Blick in die Pfützen läßt aber erkennen, das die Wolken nicht inkontenentfrei sind :-(
Somit ergeht ein Eiltelegramm an Jakobus:
"SPUERE REGENTROPFEN STOP LEGE PROTEST EIN STOP KANN UND WILL REGEN NICHT GEBRAUCHEN STOP DRINGEND TROCKENES WETTER ERBETEN STOP KANN SONST GRUSS BON CAMINO NICHT MEHR VERWENDEN STOP STOSSGEBET FOLGT STOP MIT DEMUETIGEN GRUSS JAKOBSPILGER WALTER"
Antwort folgt sofort:
"GEH STOP ABER GEH MIT GOTT STOP UM DAS WETTER KUEMMERE ICH MICH STOP JAKOBUS"

Jakobus hat sich gleich ans Werk gemacht und für kurz passt wieder alles. Fünfzehn Minuten später eilt das nächste Telegramm nach oben:
"REGENSCHUTZ WIRKT NICHT STOP HINTER MIR SONNE STOP VOR MIR REGEN STOP SCHICKE GPS DATEN ZUR STANDORTBESTIMMUNG STOP PILGER WALTER"
Keine Antwort ist auch eine, vorallem wenn kurz die Sonne über mir aus den Wolken bricht und keine Regentropfen das Pilgern beeinträchtigen.
Im ständigen Zittern und Wetterbeten erreiche ich nach 12Km den ersten Ort Saugues. Hier mache ich in einer Bar eine kurze Sandwich/Bier-Pause, denn das wenige Frühstück ist schon verbraucht. Unter Dach macht mir auch ein kurzer Regenschauer nichts aus und danach besuche ich die örtliche Kirche.
Jakobus hat da auch eine (Jausen)Pause eingelegt und es regnet richtig, wie ich wieder aus der Kirche komme. Alle Telegramme und Stoßgebete helfen nichts und ich gehe regenschutzversiegelt weg. Nur Minuten später: "Warum gehe ich mit dem Verhüteli?" Also stehen bleiben und Regenschutz abnehmen und hinten auf den Rucksack spannen.
Diesen Teil der Geschichte überspringe ich nun, denn ich müsste ca. 10x über das Gleiche berichten. Schlussendlich bin ich mit vielen Bitten und Gebeten trocken in meiner Unterkunft angekommen. Ich wollte unbedingt trockene Schuhe haben, denn in einem Fachgeschäft in Saugues habe ich mir ein Sport-Wax mit deutscher Beschreibng für die Schuhe gekauft. Die brauchen diese Behandlung, damit die Nässe nicht mehr eindringt.

Das Gehen war heute meist sehr angenehm. Über diese Hochetappe mit Anstiegen bis 1.300m (ca. 700Hm) führten gute Almwege oder Straßen. Ich sage Euch, dass tut gut und wenn es nicht das Regenzittern gegeben hätte, wäre es fast ein perfekter Tag gewesen.
Bei der Quartierfrage habe ich mich leider etwas verpokert. Ich wollte der Herberge in meinem Etappenort ausweichen, etwas anderes hätte es nicht gegeben und bin noch vor dem Zielort abseits in einen Ort gegangen. Dort hätte es Chambres d'hotes gegeben, nur es war niemand zuhause. Nachdem ich nicht ins Ungewisse warten wollte, bin ich in ein nahe gelegenes Gite gegangen. Hier liege ich derzeit noch, und es ist 17h, allein in einem 4-Bettzimmer. In den anderen Zimmern sind Franzosen und die Niederländerin, die verfolgt mich schon den ganzen Tag!

Jetzt lasse ich das Schreiben und werde meine Schuhe pflegen.
Euer Pilger Walter
PS: Siehe auch zusätzlichen Bericht "In eigener Sache"

In eigener Sache

Liebe Freunde, die Ihr mich im Geiste begleitet!
Nun muss ich einmal in eigener Sache ein paar Worte schreiben.
Ich möchte Euch wissen lassen, wie meine Berichte entstehen und was mich bewegt soviel zu schreiben. Natürlich möchte ich allen, die sich daheim um sich sorgen und das ist in erster Linie meine Familie, damit zeigen, wie es mir geht und dass es noch "geht". Aber das Niederschreiben hat auch gute Gründe für mich. Ich erlebe, sehe und fühle soviel, dass dies in der Fülle verloren gehen würde und ich glaube, einer der größten Schätze dies JW sind die aufgeschriebenen Berichte. Das ist und war MEIN Weg und an dem möchte ich alle teilhaben lassen. So bin ich zwar alleine unterwegs, doch nie allein. Die Berichte sind das Erste was der Weg in mir bewegt und erreicht hat und dafür bin ich schon sehr dankbar. Das war nichts geplantes, sondern hat sich so entwickelt, auch durch Euer Lob und Eure Begeisterung.

Ich möchte mich bei Euch allen bedanken für das im Geiste Mitpilgern. Ich spüre diese Kraft, die mich da trägt und vielleicht sind meine "Erfolge" nur so möglich. Bedanken möchte ich mich allen, die "nur" mitlesen und bei allen, die mir mit Kommentaren zu meinen Berichten helfen, meinen Weg zu gehen. Die vielen Wünsche, Anfeuerungen und Lobesworte sind täglich für mich wie ein Labsal und treiben mich an, weiter und weiter zu gehen, denn der Weg ist weit. Aber ich brauche immer nur für einen Tag mein Ziel erreichen und das sollte immer schafbar sein. Die Rückmeldungen, die mir auch von meiner Frau berichtet werden, feuern mich auch an, das alles nieder zu schreiben. Es ist daraus fast ein zweiter Pilgerweg geworden, den ich gerne beschreite. So vieles gäbe es noch zu berichten, aber dazu fehlt mir die Zeit und ein ordentliches Schreibgerät. Und einiges ist gerade nicht im Kopf präsent, wenn man schreibt und wenn man sich untertags keine Notizen davon gemacht hat. Später kommt oft die Erinnerung zurück und es dann schade das oder jenes vergessen zu haben. Ich versuche es dann später oft einzuflechten.
Wenn ich Berichte schreibe und das auch oft direkt am Weg, wenn mir etwas einfällt oder gefällt oder auch in einer (Regen)Pause, dann habe ich Eure helfenden Kommentare oder Ratschläge vom letzten Bericht noch gar nicht gelesen. Mit dem Geizen an Datenvolumen und den damit verbundenen hohen Kosten (siehe Telefonsperre) versuche ich immer zuerst den Bericht hochzuladen und dann in einem Schwung Eure Kommentarmails herunter zu saugen. So, dass wo möglich die Verbindung nicht abreißt. Oft hänge ich dabei mit dem Oberkörper aus dem Fenster, um ja eine stabile Verbindung zu haben. In Frankreich oder in den Regionen wo ich mich befinde, ist das Telefonsignal sehr schwankend - von nichts bis voll in Minutenabständen
Das bedingt, dass ich erst danach Eure Worte (gierig) lesen kann und das sogar öfters. Aber reagieren darauf könnte ich erst wieder am nächsten Tag und da ist sowieso alles wieder anders. Bitte habt Verständnis, dass ich auf Eure Kommentare, Mails und Ratschläge nicht eingehe. Ich würde auch mit dem Schreiben nie fertig werden und ich will ja den Weg gehen :-)
Viele wohlgemeinte und helfende Kommentare erreichen mich und ich danke Euch dafür, denn sie zeigen, wie Ihr Euch sorgt um mich. Einiges versuche ich auch zu beherzigen und für anderes ist es schon zu spät - wie ich immer sage, dass ist schon Geschichte.
Ich will Euch absichtlich auch in meiner Gefühlswelt mitleben lassen, weil ich meine, dass das auch ein Teil des Weges ist. Es ist nicht alles nur schön und einfach. Wenn es beschwerlich ist, dann helfen auch die besten Absichten und die frommsten Gedanken nichts, dann fühlt man das Beschwerliche direkt am Körper oder im Kopf. Ich glaube, mit meinem Niederschreiben mache ich das Beste aus der Situation. Ich schreibe es mir aus der Seele und überreiche Euch die Kümmernisse. Jetzt könnt Ihr damit leben :-)))
Ich glaube, so wie es ist, ist es gut und ich freue mich von Euch weiterhin zu lesen. Mehr könnte ich schon aus Kostengründen nicht lesen. Wenn jemand selten meine Berichte kommentiert, dann sind sie genauso willkommen, wie die meiner treuersten Pilgerfreunde.

Somit Ultreia (weiter, weiter),
Euer Pilger Walter

Montag, 25. Juli 2011

Begegnungen, Wettlauf und Erschwernisse

Wie erwartet, wird es heute ein Tag der Begegnungen. Viele sind ab Le Puy unterwegs. Es ist ein Wettlaufen um die Unterkunftsplätze.

Gestern in Le Puy waren schon viele "Pilger" und noch mehr Touristen zu sehen. Ein wenig bin ich auch durch die beeindruckende Stadt gebummelt. Wobei, bei einem Bummeln stellt man sich ein gemütliches Gehen vor. Das ist in Le Puy nicht möglich, denn der alte Teil liegt auf einem Hügel und alle Straßen sind steingeplastert und gehen steil nach oben. Vielfach sind an den Straßenrändern Stufen angebracht, die man früher für die Esel-Tragtiere baute, damit sie die Wege leichter ersteigen konnten. Und die Steinpflasterungen behagen nach 1.300Km des Gehens nicht besonders.
Dafür ersparte ich mir die Aufstiege zu den besonderden Sehenswürdigkeiten, wie der übergroßen Marienstatue. Überall wäre zu zahlen gewesen. Ich spare nicht an mir und gebe dann das Geld aus für touristische Besichtigungen. Ich bin sowieso auf Pilgerreise und nicht auf Besichtigungsreise. Dafür habe ich ein kleines kostenfreies Museum in einer ehemaligen Kapelle besichtigt, die eine wunderschöne Kasettendecke mit Gemälden von Marias Himmelfahrt hat.
Vom kulinarischen Angebot lasse ich mich auch nicht verlocken. Erstens müsste ich bis 1/2 8 herumbummeln und warten und die Preise sind nicht gerade pilgerfreundlich - ein Restaurant bot das Menü um 65,- Euro an.
In einer Bäckerei kaufte ich mir ein sehr wohlschmeckendes Schinken- und ein Gemüsetarte, welche ich mir im Hotelzimmer in der Mikro wärmte. Ein gutes Bier dazu und ich war zufrieden und konnte beim Essen die Füße hochlagern und mich vom Fernseher berieseln lassen - zuerst eine Nachrichtensendung und dann eine gigantisch schöne BBC-Sendung über Eisbären.
Die Meteo-Sendungen verhießen leider für heute und die nächsten Tage für ganz Frankreich nichts Gutes.

Der Morgen präsentiert sich auch mit dickem, dunkelgrauen Himmel, aber es ist (noch) trocken und bis 13h bleibt es auch so. Zwischenzeitlich ist es sogar ein wenig freundlich.
Gleich beim Einschwenken in den JW sehe ich vor mir zwei jüngere Frauen zügig den Weg hochsteigen. Es geht heute 650m hoch und sie werden auch noch langsamer werden. Jetzt sind sie ja noch frisch.
Ich gehe meinen Schritt, der sich bewährt hat und ich bin guter Dinge - mental und körperlich passt alles.
Ich bin wieder unterwegs und schon beim vorletzten Abschnitt. Das Alleingehen und die positive Stimmung bringen mich auf folgende Gedanken.

Ich bin wieder unterwegs, auf dem Weg zu dir, oh Herr.
Ich bin wieder unterwegs, gestärkt durch deine Kraft, oh Herr.
Ich bin wieder unterwegs, geführt durch deine Hand, oh Herr.
Ich bin wieder unterwegs, geleitet durch deinen Geist, oh Herr.
Ich bin wieder unterwegs, behütet durch deinen Segen, oh Herr.
Ich bin wieder unterwegs, mit offenen Glauben an dich, oh Herr.
Ich bin wieder unterwegs, begleitet vom des Hl. Jakobus, heute am Weg und jeden Tag meines Lebens.

Nicht lange gehe ich und ich hole die zwei Damen bei einer Rast ein. Es sind zwei Schweizerinnen, die sich auf der Herfahrt kennen gelernt haben und nun gemeinsam gehen. Eine hat schon etwas Pilgererfahrung und die zweite ist recht unbedarft in den JW eingetreten und so war sie auch unterwegs. Keine Stöcke, dabei hat sie Angst vor Hunden, der Rucksack prall gefüllt und die Wasserflasche in der Hand tragend, ist sie unterwegs. Gegen meine Reisebegleitung hätten sie nichts, es wäre kurzweiliger und interessant. Nur ich will alleine gehen und wenn es nur darum geht, dass ich mir jeden Schritt am Weg selbst aussuchen kann und ich suche die ebensten Stellen quer über den Weg. Bei einer alten romanischen Kapelle, die dem Hl. Rochus geweiht ist (er wird auch als Pilger dargestellt), kann ich sie ziehen lassen und später überhole ich sie auf einem kurzen und steilen Bergabstück.

Die interessanteste Begegnung, war die eines Belgiers. Er war auf dem Rückweg von SdC !!! Seit 2. Februar ist er unterwegs und schläft immer im Zelt. Er beklagt auch den Pilgertourismus auf der Strecke. Bis zu 60 Leute seien ihm jetzt begegnet. Das zeigt, welches G'riß es um die Schlafplätze gibt.

Zwei Pilgertourismusbegegnungen der netten Art hatte ich heute auch.
Zuerst eine französische Großfamilie mit 6 Kindern und 6 Erwachsenen, die mir noch auf deutsch "gute Reise" nachriefen. Das finde ich nett.
Und dann noch ein junges, französisches Ehepaar, wo sie etwas deutsch kann, mit 5 Kindern! Das jüngste sitzt noch im Traggestell und die älteste ist maximal 11 Jahre alt. Die Frau trägt einen großen Tagesrucksack und das restliche Gepäck wird von einer Organisation von Quartier zu Quartier gebracht. Sie gehen täglich etwa 10 Km, eine stolze Leistung für die Kinder und auch die Erwachsenen. Vorallem wenn ich an den heutigen Abstieg denke - siehe weiter hinten.

Eine weitere Begegnung war mit einer Niederländerin, die offen heraus sagte, dass sie nichts mit dem Glauben am Hut hat und sie den Weg geht, weil sie ihren eigenen Glauben hat.
Ja, das alles trifft man hier am JW und noch eine Reihe anderer "Pilger" sind unterwegs. In den Orten oder bei Pausen sieht man sie dann.

Am Weg, wenn ich einmal alleine bin, kann ich dann meinen Gedanken nachhängen (heute leider viel zu wenig). Im ersten Teil des Weges sind wieder viele Steine am Weg, nur jetzt sind es braunrote poröse Lavasteine. Wenn die Steine zu Sand zerstoßen sind, sieht es aus wie auf einem Tennisplatz.
Eine sehr schöne romanische Kirche wurde auch aus diesem roten Lavastein gebaut. Und fast alle Häuser sind mit den Steinen der Umgebung erbaut. Als Zaunersatz dienen feste Steinmauern oder lose aufgeschichtete Steinwälle.
Ich weiß nicht, wer Frankreich den Namen "Frankreich" gegeben hat. "Steinreich" wäre ein passender Name für dieses Land gewesen :-)
Und diese Steine hatten es heute noch in sich.

Bis zum höchsten Punkt des heutigen Tages, auf 1.206m, also 650Hm, so etwa wenn man von Leoben auf die Präbichlpasshöhe geht, war das Marschieren für mich kein Problem. Der Aufstieg war stetig und nicht außergewöhnlich fordernd. Auch der Abstieg bis zum ersten Ort war noch passabel und auch das Wetter hielt durch. In diesem Ort konnte ich endlich eine kleine Pause einlegen und eine Labung zu mir nehmen. Davor war leider immer Ruhetag.
Beim Wiederlosgehen fing es leider an zu regnen und ich suchte fürs Erste Schutz. Es sah eher aus, dass der Regen bald vorbei wäre. Einige Pilger zogen während meiner Regenrast vorbei und nach fast einer halben Stunde beschloss ich mit Regenschutz weiter zu gehen. Es regnete gerade nicht soviel und ich musste/wollte weiter - siehe Bettnachfrage und jeder der an mir vorbei geht ist ein Konkurrent! So blöd sich das für einen Pilgerweg anhört, es ist aber so.

Und dann kam es stark. Vor diesem Wegabschnitt wird auch im Führer gewarnt und man kann ihn nur großräumig auf der Straße umgehen. Nur diese Entscheidung hätte ich schon am VM treffen müssen und da regnete es noch nicht.
Es sind 350m äusserst steil bergab zu bezwingen. Im ersten Teil geht es über erdige, steile und durch den Regen extrem rutschige Wege nach unten. Mariazellgeher kennen das vom Kastenriegel. Einmal musste ich im Abrutschen einen Baum umarmen, denn sonst wäre es bergab mit mir gegangen. Dann wird aus dem Erdweg ein Felsenweg. Rundgeschliffene Felsen mit großen Abstiegen machten den Abstieg auch nicht leichter. Sie waren genau so rutschig wie der Erdboden, nur griffen hier die Stockeinsätze nicht. Gut, dass ich einen sicheren Tritt habe und einen guten Beschützer habe, aber das war sehr anstrengend, weil man zu 100% konzentriert aufsteigen muss und immer gefasst sein muss, dass man wegrutscht, was bei der Hangneigung gefährlich ist.
Im dritten und letzten Abschnitt wechselte dann der "Bodenbelag" auf lose Geröllhalden mit bis zu kopfgroßen und scharfkantigen Basaltsteinen. Für diese Basaltformationen und -säulen hat man im Führer ein eigenes Kapitel vorgesehen - man möge sie beachten. Man möge mich einen Banausen nennen, aber für diese Gesteinsformationen und noch weniger für diese Steinbrocken, habe ich heute keinen Gedanken verschwendet, eher habe ich sie, wer weis wohin verwünscht.
Es hat sich ordentlich eingeregnet und die Hose ist klitschnass. Da sieht man ca. 100m unter sich den kleinen Ort Monistrol-d'Allier in einer Schlucht liegen und ich sehe Pilger mit ihren roten Regenpelerinen ins Gasthaus strömen (5-6 Personen). Super, wenn ich Pech habe, dann ist es hier voll und ich muss als waschelnasser in eine Herberge gehen, wenn noch etwas frei ist. Ich beschleunige meinen Schritt trotz des schlechten Weges und es dauert aber noch, bis ich im Ort eintreffe, weil der Weg einen großen Umweg macht.
Endlich, nach 32Km, bin ich am Ziel und bekomme doch noch ein Zimmer, das letzte wie ich später bemerke (und das um 15h). Wie früh soll ich noch aufstehen und wie schnell soll ich noch gehen? So macht pilgern gar keinen Spaß.
Zu guter Letzt muss ich, nass wie ich bin, noch eine Stunde im Gastzimmer warten, bis mein Zimmer fertig ist. Zum Glück kann ich die nassen Schuhe ausziehen und gleich mit Papier ausstopfen, damit sie trocknen.
Hier kann ich beobachten, wie andere Pilger im Regen weiter geschickt werden. Sie tun mir leid.

Nun sitze ich bequem in meinem Bett, ich habe sogar eine kleine Wohnung, die E-Heizung läuft auf Hochtouren und die gewaschene Wäsche wird morgen wieder trocken sein. Nun warte ich aufs Abendessen, dann passt wieder alles. Der heutige Tag und seine Beschwernisse sind Vergangenheit. Was hätte ich Euch auch sonst schreiben können? Ach richtig, die Lanschaft ist toll, wenn es nicht regnet!
Und morgen geht der Kampf weiter und ich hoffe es wird besser.

Aus dem steinigen und mühsamen Frankreich unter vielen Pilgern grüßt Euch,
Euer Pilger Walter

Sonntag, 24. Juli 2011

Wieder ein Abschnitt geschafft

Liebe Freunde,
nun ist auch der 3. Abschnitt meines Weges, die Via Gebennensis von Genf bis Le-Puy-en-Velay (353 Km) geschafft.
Le Puy war im Mittelalter nach Chartres das zweitgrößte Marienzentrum. Mit der Schwarzen Madonna ist die Kathetrale für Frankreich von ähnlicher Bedeutung wie Mariazell für Österreich.
Sucht Euch selbst im Internet die Infos von Le-Puy-de-Velay - es lohnt sich.
Heute ist Le Puy vorallem auch ein Pilgerzentrum. Hier vereinigen sich zwei große Pilgerwege, den meinen und einen aus Trier. Viele beginnen Ihren JW hier in Le Puy, hier wo ich schon mehr als 1.300Km in den Beinen habe.
Morgen geht es in den langen 4.Abschnitt, der Via Podiensis, der 724Km bis vor den Pyrenäen nach Saint-Jean-Pied-de-Port führt.

Heute gehen meine Gedanken zurück und nach vor. Zu Hause in der Jakobikirche feiern sie schon heute den morgigen Jakobustag und treffen sich danach bei der Agape bei Kaffee und Kuchen. Sicher bin ich da auch ein Gesprächsthema. Im Geiste bin ich dabei.
Und nach vor gehen meine Gedanken nach SdC, wo der Jakobustag ein großer Fest- und Feiertag ist. Vor 23 Jahren durfte ich das fröhliche Treiben am Vortag, also heute, und den Festtag in der Kathetrale miterleben und mitfeiern. Alle Mitpilger von damals werden sich sicher noch gut erinnern daran.

Es war heute wieder überwiegend ein gutes Gehen und wichtig war, dass heute das Wetter trocken war und so startete ich bei grauem Himmel und recht kühlen Temperaturen schon vor 1/2 8h morgens. Den gestrigen Tag habe ich mit 9 1/2 Stunden Schlaf vergessen lassen und ich war wieder guten Mutes. Das merkte man an meinem ausgreiffenden Schritt. Die ersten zwei Stunden war ich mit einem 6er-Schnitt unterwegs. Ich wollte auch Le Puy bis Mittag erreichen, damit ich für diese schöne Stadt ein wenig Zeit habe.

Nach Le Puy zu gehen ist trotzdem recht fordernd. Von Weitem (ca. 8-10Km) sieht man die markanten Wahrzeichen und es braucht noch ein gutes Gehen, bis man am Ziel ist.

Ein ca. 2Km langes Wegstück forderte wieder die Füße und den Körper. Es ist eine Schotterpiste, die vorallem von jugendlichen Motorcrossfahren für ihre Testzwecke missbraucht wird. Es ist dort kein kontrolliertes Bergabgehen möglich und unfreundliche Gedanken kommen gegen diese Biker auf. Nicht, dass ich ihnen die Pest an den Hals wünschen würde, aber bei einer Reifenpanne müsste ich mit Gewalt ein schadenfrohes Lächeln unterdrücken.
Diese "bösen" Gedanken büße ich dann gleich darauf. Ich missdeute eine Markierung und gehe 1-2Km in die falsche Richtung, aber immer mit der JW-Markierung. Wohin dieser Weg geführt hätte, weiß ich nicht. Vielleicht um Le Puy herum. Ich muss den falschen Weg wieder zurück gehen und es dauert bis ich in Le Puy ankomme.
Bevor ich in die Kathetrale gehen wollte, wollte ich zuerst zu meinem ausgesuchten Quartier gehen. Doch wie von Gottes oder Jakobus Hand geleitet, schlage ich unbewusst den Weg zur Kathetrale ein. Es geht dort extrem steil hinauf und man ist im historischen Zentrum. Ich blicke hoch und stehe vor der Kathetrale. Natürlich gehe ich gleich hinein und es ist gerade eine Messe und dafür bin ich dankbar. Ich komme zum Glaubensbekenntnis zu recht. Diese Messe am späten Sonntag-VM feiere ich gerne mit. Sie wird vom Bischof selbst zelebriert und viele Kinder und Jugendliche nehmen teil. Es ist für mich wieder ein sehr emotionales Erlebnis, gesund hierher gekommen zu sein und das auf meinen Beinen! Am Ende geht der Bischof durch die Kirche und spricht mit den Leuten. Auch mit mir spricht er auf deutsch und segnet mich und speziell meine Beine.

Ich mache mich danach auf die Suche zum ausgesuchten Quartier im Zentrum und dass ist trotz GPS und Navi in den verwinkelten engen Gassen nicht leicht. Leider machte bei dem Chambre d'hotes niemand auf und ich ging zu einem am Rand des Zentrum liegenden Hotel. Das war voll, aber die Frau packte mich in ihr Auto und brachte mich ca. 500m entfernt in eine Depentance. Das schöne Zimmer kostet nur 35,-

Das wärs für heute. Meine Füße sind ausgerastet und warten auf eine kleine Besichtigungstour.
Ich grüße Euch, 1300 entfernt,
Euer Pilger Walter

Samstag, 23. Juli 2011

Harter Tag mit gutem Ende

Hallo, Ihr Jakobspilgerfreunde!
Der heutige Tag gehörte zu den schwierigsten Tagen meines Pilgerweges. Von der Kraft und mental gesehen. Aber davon später.

Meine Erlebnisse mit dem gestrigen Hotel muss ich Euch unbedingt noch vorher schreiben, auch wenn Ihr vom Essen in Frankreich nichts mehr hören wollt, das gehört berichtet. Wie ich gestern geschrieben habe, kostete mich die HP nur 30,- Euro und das Zimmer ist voll in Ordnung.
Ich komme abends in den Speisesaal und fühle mich momentan um 25 Jahre gealtert, so hoch war der Altersdurchschnitt der Gäste, nur Frauen. Das Hotel ist vermutlich eine Urlaubsunterkunft für Senioren, so wie es in der Oststeiermark oft der Fall ist, wenn die Wiener Senioren für Wochen billig Urlaub machen wollen. Jede Frau hatte ihren angestammten Platz und für mich gab es Platz 1,5m vor dem 120cm großen Fernseher. Die anderen Gäste, also die Seniorinnen, waren fast nicht bemerkbar - brav und leise nahmen sie ihr Essen ein.
Für mich gab es ein eigenes Pilgermenü - 5-gängig und von der Menge hätten 3 Pilger satt werden können. Eine große Schüssel Kürbiscremesuppe, als Vorspeise eine Salatschüssel mit Majonaisesalat aus Wurst, Käse, Kartoffel, Gemüse usw. und darauf zur Garnierung verschiedene Wurst- und Schinkenscheiben und ein Stück Schafskäse. Da stellte sich schon ein erstes Sättigungsgefühl ein und die Schüssel war trotzdem nicht leergegessen. Als Hauptspeise gab es ein dickes gratiniertes Fischfilet mit frittierten Kartoffelknöderln, Nudeln und Gemüse. Außer dem Fisch, ging mehr als die Hälfte wieder zurück. Ohne Fromage geht in Frankreich nichts, nur hätte es kein ganzes Käsegeschäft sein müssen. Auf dem Brett lagen 15 (in Worten: fünfzehn) Sorten Käse - so cirka 1,5 Kilo. Ich konnte nur mehr naschen davon. Und damit der Magen sicher bis ganz oben voll ist, wurde noch ein Eis gebracht. Da war das inkludierte 1/4 Rotwein fast zu wenig zum Hinunterschwemmen. Ich habe mich bemüht, dieser Gastlichkeit zu folgen, aber was zu viel ist, ist zu viel. Zum Schluss konnte ich nur mehr japsen - "un Cognac s'il vous plait". Wie ein Hängebauchschwein bin ich dann die Stiegen hochgekrochen und habe mich bewegungsunfähig aufs Bett fallen lassen.
Ich sage Euch, da ist nichts aufgeschnitten oder gelogen, denn das müsste ich wieder büßen und ich weiß was büßen heißt.
In diesem Hotel, werde ich dann gut schlafen, so dachte ich. Die Damen sind ab 1/2 9h alle brav nach oben gegangen und wie es dem Alter entspricht, wird bald alles ruhig sein - auch das dachte ich.
Wie ich mit meinem Mahl fertig war und nach oben ging, hörte ich aus jedem Zimmer, bei der Leichtbauweise der französischen Häuser sind Wände nur Sichtschutz, aber kein Schallschutz, die Fernseher mit den verschiedenen Programmen röhren. Sofern vorhanden, wurden die Höhrgeräte zwecks Schonung abgeschalten - ich kenne dies von zu Hause. Solange sich der Lautstärkeregler noch nach rechts drehen läßt, ist ein Höhrgerät ein unnützes Gerät. Diese Geräuschkulisse nahm ich noch recht gelassen hin und um 22h probierte ich einzuschlafen, was bei dem eher gleichmäßigen Lärmpegel auch fast gelungen wäre.
Aber dann! Die bevorzugten Sendungen waren zu Ende und da wollten es die alten Leute aber wissen.
Was nun folgte, war einer klassischen Theaterkomödie ähnlich. Es wurden laufend Türen geöffnet und lautem Knall geschlossen (jede Türe hatte einen schweren Türschließer montiert) und die "Golden Girls" palaverten in den Zimmern, am Gang oder von Zimmer zu Zimmer über den Gang und es gab viiiiel zu erzählen, schließlich hat sich an diesem Tag sicher viel ereignet in diesem Hotel - zum Beispiel der Frischfleischzuwachs meiner Wenigkeit. Natürlich wurde die ganze Diskussion ohne Hörgeräte geführt, nur die Zähne dürften nicht im Glas deponiert gewesen sein, denn die Aussprache war deutlich zu verstehen - jedes Wort, wenn man französisch könnte. Ich war erstmals froh, diese Sprache nicht zu verstehen.
So ging das ohne Ende dahin. Ausdauer beim Palavern musste man ihnen zugestehen und dazwischen immer wieder das laute Öffnen und Schließen der Zimmertüren.
Nach 23h klopfte ich einmal an die Wand meiner Nachbarinnen, die praktisch direkt neben meinem Kopf sich viel zu erzählen hatten. Es war dann auch schlagartig ruhig, aber nur in diesem Zimmer. Bei den anderen war noch volles und lautes Diskutieren angesagt. Kein Schlaf für einen Pilger!
Um 23:30 ging ich, nur mit meiner Turnhose bekleidet auf den Gang und sah den Seniorenklub in ihren langen Nachthemden am Gang stehen oder schnell im Zimmer verschwinden. Mit aller Freudlichkeit entbot ich den lustigen Witwen, ein deutliches "bonne nuit, madames!" und wirklich es wirkte, im Seniorenhotel kehrte Ruhe ein und gegen Mitternacht dürfte Euer Pilger Walter seinen Erhohlungsschlaf gefunden haben - zwei Stunden später als geplant und notwendig.

Heute beim Frühstück um 7Uhr trödelte ich und treue Leser meiner Berichte können sich denken warum? Richtig, es regnete. Ein wenig wollte ich zuwarten, aber dann gab ich mir einen Stoß und brach doch auf. Er regnete nicht sehr stark und gut eingepackt ging ich gottergeben los. Den ersten Ärger des Tages durfte ich schon im Ort "genießen". So dumme Markierungen ließ mich auf dem ersten Kilometer ein paarmal ratlos stehen und das im Regen. "Wohin soll ich mich wenden, ..." heißt es in einem Kirchenlied. Und so ging es heute einige Male. So schlecht oder besser, so dumm, wie in dieser Region, war die Beschilderung in Frankreich noch nie. Bei dieser Beschilderung war nicht die geistige Intelligenz Frankreichs am Werk.
Wisst Ihr, wie nervend es ist, bei einer Wegkreuzung zu stehen und keine oder eine unklare Wegmarkierung zu sehen. Wo und wie soll ich weitergehen und es regnet ... Oft sind die Markierungen so gut versteckt, wie für einen Orientierungslauf. Und bei jeder Wegkeuzung stehen zu bleiben und 360° rundherum zu schauen, da bräuchte ich einen Eulenhals, aber meine Halswirbelsäule kracht bei jeder Bewegung. Dazu ist man mit Rucksack und Regenschutz zusätzlich bewegungs- und sichteingeschränkt. Versucht einmal mit schweren Rucksack gebückt steil nach oben zu gehen und den Kopf hoch zuhalten um etwaige Markierungen zu finden. Der Ärger kriecht hoch, denn ich weiß, es ginge auch besser.

Die Wege waren heute meistens auch wieder grauslich zum Gehen. Es war erstens nass und dann wieder einmal so grobsteinig. Ich musste sehr aufpassen um nicht auszurutschen. Es war oft kein Marschieren, sondern ein Stolpern und Taumeln. Meine schmerzenden Füße wurden heute sehr geplagt. So war heute auch die Motivation eher unten. Es gab am Weg auch nichts, was einen Anreiz für die Augen oder den Geist gab und so wurde es ein stumpfes Hinaufgehen oder besser gesagt Hinaufkämpfen und das ohne Pause, weil sich nichts anbot, Rast zu machen. Zum Glück hatte der Regen nach ca. 2 Stunden aufgehört.
Das ist nicht mein Tag heute, so meine Gedanken.

Endlich sind die 500Hm Anstieg über die steinigen Wege überwunden und oben angelangt bot sich ein gandioser Blick. Am höchsten Punkt des Abschnittes Genf - Le Puy, sieht man endlos weit in die Gegend in der man in der nächsten Zeit unterwegs sein wird. Toll sind die vielen Bergkegel, die einmal Vulkankrater gewesen sein mussten.
An eine Steinmauer gelehnt, verzerre ich mein karges Mittagsmahl - zwei Müsliriegel. Alternativen gibt es nicht.
Aber die Aussicht, auch auf besseres Wetter und der kleine Energieschub hoben gleich die Stimmung fürs Weitergehen. Aber nicht lange hielt die positive Stimmung, wieder und wieder gab es unklare Wegstellen oder ich musste mich wieder zurück suchen.

Dann kam ein folgenreicher Fehler. Im Wissen, dass im geplanten Ziel Saint-Julien-Chapteuil keine attraktive Quartiersituation auf mich wartete, wollte ich eine Alternative einschlagen. Schon über einige KM gab es am Weg Aushänge einer interessanten Gite, abseits des Weges. Zusätzlich wäre dann der Weg morgen nach Le Puy kürzer und die Zeit könnte ich dort nutzen. Ich entscheide mich den JW zu verlassen und den 8Km langen, recht gut beschilderten Weg zu beschreiten und diese Entscheidung musste ich schwer büßen. Dieser Weg ging oft durch ungangbare Kuhweidensümpfe und durch nasses und loses Geröll. Ich kann mich gar nicht mehr ärgern, es war ja meine Entscheidung und Jakobus hatte da gerade ein Mittagsschläfchen gehalten.

Auf diesem Weg wäre ich zweimal fast von Hunden angefallen worden. Jedesmal waren es zwei aggressive Köter, die ich nur mit schnell schwingenden Stöcken von mir fernhalten konnte. Beim zweiten Angriff kamen sie bis an die Stocklänge heran und ein Hund spürte dann auch den kräftigen Hieb auf den Kopf. Er zog sich jaulend zurück und dann war auch die Angriffslust des zweiten Hundes gebremst und ich konnte flüchten.

Die 8Km wollten bei den schlechten Wegen kaum vergehen, aber endlich wurde aus dem Weg wieder Straßen und auch Häuser kamen in Sicht. Da motivierte ich mich selbst wieder und wie es so ist, kommt auch ein Licht von irgendwo.
Einer Frau begegnete ich und sie lud mich auf einen Kaffee in Ihr Haus und zu ihrer Familie ein. Ich trinke schon Jahren keinen Kaffee mehr, aber das Angebot nahm ich gerne an, zusätzlich begann es wieder einmal zu regnen.
Die Familie, Ehepaar mit drei Kindern zwischen 25 und 35 Jahren, nahm mich wie einen Freund auf und alle waren sehr an meinem JW interessiert. Auf Englisch konnten wir uns recht gut unterhalten, vorallem mit den jungen Leuten. Der schwarze Espresso und die liebe Diskussion aktivierten meine Lebensgeister und ich war wieder der alte Pilger Walter. Gelabt mit Wasser und reifen Marillen konnte ich nach dem Regenschauer weiterziehen. Danke Jakobus für diese Familie als Geschenk am Weg, als ich es notwendig hatte. Nun waren es nur mehr 2Km bis zur Gite und der Weg war gut. Nicht gut war dann das Eintreffen bei der Herberge. Obwohl es in der abgelegenen Gite 12 Plätze gab, war nichts mehr frei. Eine ganze Gruppe hat alles in Beschlag genommen. Was nun? Umsonst war der weite und beschwerliche Umweg und wo kriege ich jetzt eine Unterkunft her? Muss ich doch dorhin marschieren, wo ich ausweichen wollte? Das hätte ich einfacher haben können.
Aber die Gite-Besitzer waren sehr hilfreich. Bei einem Glas Rotwein telefonierten sie herum und fanden auch etwas abgelegen ein kleines Chambres d'hotes. Für den 3Km langen Weg bekam ich noch einen handgezeichneten Plan mit genauester Erklärung (auf französisch) mit. Während des Aufenthaltes in der überdachten Gartenlaube ging ein heftiger Regenguss nieder und wie der vorbei war, war auch alles klar wohin ich zu gehen hatte.

Den Rest des heutigen Weges ging ich schon wieder mit Optimismus weiter - einfach nicht zurück, sondern nach vorschauen. Das ist sowieso mein Motto.
Nach 32Km, statt der Etappenlänge von 26 Km, kam ich nach einem schweren Tag (auch mental) endlich bei meinen älteren Quartiergebern an. Hier bekomme ich auch etwas zu essen, aber erst um 1/2 8. Ich bat um zwei Schnitten Brot und um 2 kleine und verdiente Bier. Dann führt mich die Frau in mein einfaches Zimmer und ich höre eine bekannte Stimme aus dem anderen Zimmer. Peter der Missionar ist auch hier. Wir fallen uns in die Arme und tauschen Erfahrungen aus. Am Montag wird er in Le Puy von seiner Mutter Geld bekommen und einige seiner Sorgen los werden. Er will sich den Weg bis SdC erkämpfen. Um wieviel leichter habe ich es da. Es geht mir doch gut, trotz der Wegprobleme.
Das Bier und die Brotschnitten essen wir gemeinsam.

So hat ein harter Tag, doch sein gutes Ende.
Euer Pilger Walter

Freitag, 22. Juli 2011

Wieder da!

Liebe Freunde,
gestern gab es nur eine schlechte Telefonverbindung und so kann der gestrige Bericht erst heute Freitag online gehen (siehe unten).

Heute muss ich Euch schreiben, wie es mit dem gestrigen Quartier, der vermeintlichen Gite mit offiziellen Gitekennzeichen, weiter gegangen ist. Ich warte endlos, dass jemand vorbei kommt und mein "Einbruch", bei Herbergen üblich wenn niemand da ist, legal wird, aber es kommt niemand. Na gut, dann wohne ich eben als U-Boot hier. Am Abend will ich in die naheliegende Auberge zum Essen gehen. Ich schreibe ein paar Worte auf einen Zettel und finde sogar einen Schlüssel zum Absperren der Herberge, schließlich sind meine Sachen im Haus und ich will wieder hineinkommen, wenn der Besitzer zusperren sollte.
Beruhigt gehe ich Abendessen und treffe in der Auberge die zwei Schweizerinnen wieder. Sie sind in der offiziellen Gite untergebracht und klären mich auf, dass die Haustüre nicht versperrt war, nur die Türe klemmte. Das war mir jetzt egal, ich wohnte bestens und alleine.
Der Wirt ist auch Ansprechpartner und Kassier für die Gite-Nächtigung. Nicht nur das Abendessen nimmt man hier ein, auch das Frühstück und ich buche auch gleich die Verpflegung.
Das Abendessen hat auch hier den gewohnten Aha-Effekt, was alles beim Menü auf den Tisch kommt und in guter französischer Hausmannskost. Ein großer Käseteller mit 5 bis 8 verschiedenen leckeren Sorten gibt es zu jedem Essen in Frankreich. Natürlich auch Vorspeise und Nachspeise.
In dieses Gasthaus kommt auch Dirk, ein Schwabe, der auch den ganzen JW gehen will, nur so wie er ihn gestern gegangen ist und nach seinen Berichten immer tut, glaube ich nicht, dass er SdC erreicht. Sein Aussehen entsprach seiner Meldung, dass er oft im Freien schläft und sein Auftreten und sein Zustand war das eines Trinkers und das war er dann auch. Er brüstete sich, dass er 30Km gegangen wäre und ist auch aus dem selben Ort wie wir gestartet und das waren keine 20Km. Aber er erzählte auch, dass er in jeder Bar auf ein bis mehrere Biere Halt gemacht hat und nun war sein Zustand klar. Er hatte einen ordentlichen sitzen!
Das macht er mehr oder weniger jeden Tag und er ist schon länger unterwegs wie ich und er startete am Bodensee. Beim Essen, dass er aber kaum anrührte, erfuhren wir mehr über ihn und er ist eine gescheiterte Existenz. Mehr will ich da nicht schreiben.
Es ist schon beeindruckend welche Menschen und auch Spinner auf dem JW unterwegs sind. Auch die Beweggründe und Schicksale beeindrucken. Da bin ich ja fast "normal" unterwegs - oder?
Der sehr freundliche Wirt hat uns auch zwei Liter Rotwein zum Essen dazugestellt.
Um 21:30 bin ich dann aufgebrochen und da hat der Wirt auch mitbekommen, dass ich nicht in der offiziellen Gite schlafe. Mit Hilfe der Schweizerinnen machten wir ihm klar, wo und wie ich dort untergebracht bin. Er schüttelte den Kopf, den die Besitzer wohnen weit weg.
Ich ging in "meine" Gite und es war noch immer niemand da und sperrte mich ein. Mit meinem Hüttenschlafsack richtete ich mir das Bett und ging die Zähne putzen.
Auf einmal klopfte es laut bei der Türe. Ich erschrak! Es war der Wirt mit einer Schweizerin da und sie machten mir klar, dass dies ein Privathaus wäre. Dabei gibt es das Gite-Zeichen, die Türe war offen und das Innere entsprach einer (schönen) Gite. So wechselte ich um 22:00 mit Sack und Pack in die offizielle Gite. Man kann schon was erleben am JW.
Aber auch die offizielle Gite war recht schön und sauber. Bezahlt habe ich für die Nächtigung, Abendessen mit Wein und Frühstück 30,- Euro.

Bei bedeckten Himmel und kühlen Morgentemperaturen (12 Grad auf 1140m) ging ich wie immer frühmorgens los und es wird ein Tag der unklaren Wegmarkierungen. Drei oder viermal war heute der Weg unklar.
Gleich nach 3Km in einem kleinen Weiler bin ich 100m zu weit und es kommt mir gleich spanisch vor, ich sehe nur eine für mich falsche Markierung und gehe in alle Richtungen schauend zurück und sehe die versteckte Markierung, die nur von der anderen Seite zu sehen ist.

Heute geht es die meiste Zeit durch einsame Wälder und es gibt kaum einmal ein Haus. Der nächste Ort ist 17Km entfernt. Und es geht in einem Höhenzickzack dahin. Das Höhenprofil zeigt drei Spitzen mit je 100 bis 150 Höhenmetern.
Der Weg führt zuerst über eine gute Forststraße. Man ist hier ganz einsam unterwegs, nur die Vögel singen und jubilieren ihr Lied. Ganz allein bin im schönen Wald unterwegs, auch keine Herren sind zu sehen - Herrenpilze! Feucht wäre es, aber viel zu kalt für das Pilzwachstum.
Bald darauf kommt leider wieder ein weiteres markierungsloses Wegstück, obwohl im Wald immer wieder Wege abzweigen. Da gehe ich fürs Erste nicht weiter und suche mich zur letzte Markierung zurück. Es gibt aber keine übersehene Markierung, also gehe ich doch wieder den vorher eingeschlagenen Weg und habe +500m mit dem Zurück und wieder Vor auf meinem Tourenzähler. Der eingeschlagene Weg war doch richtig, aber erst beim Weitergehen wurde das klar.

Der Weg zum letzten Aufstieg dieser drei Spitzen, der mit 150Hm, wurde als Extrembüßerstrecke für Todsünden angelegt. Beim Abbüßen meiner Sünden muss ich, a la Buddhismus, schon bei einem meiner Vorleben angelangt sein :-)

In der Chapelle Notre-Dame in Montfaucon-en-Velay, dem einzigen Ort auf der Stecke, sind 12 schöne Tafeln über die Monate des Jahres vom Flamen Abel Grimmer aus dem Jahr 1592 ausgestellt. Somit ist die Kirche zugleich Museum.

Ein heiteres Hundeerlebnis hatte ich heute auch. Ich komme bei einem einsamen Buernhof vorbei und sehe zwei mittelgroße Hunde frei im Hof liegen. Sie nehmen aber kaum Kenntnis von mir und schaun mich nur an. Sie scheinen zu denken: Wegen dem odirrden Pücha (auf deutsch: abgemagerten Pilger) machen wir keinen Aufstand, das kostet nur Kraft. Mir ist es recht so und bin dann schon mehr als 10m an den Hunden vorbei, als der Bauer aus dem Stall kommt. Wie von der Tarantel gestochen springen beide Hunde auf und kläffen mir wütend nach. So nach der Devise, dass Herrl, Herr über das Futter, muss das Pflichtbewusstsein sehen. Es kommt mir wie in der Arbeitswelt vor, wenn der Chef kommt, dann beginnt regsames Treiben.

Bei einer großen Mülldeponie, wo alles unsortiert abgeladen wird, fliegen hunderte Krähen herum, wie im Film "Die Vögel". Sie holen sich aus dem Mist für sich "Köstlichkeiten" und am Weg, ca. 200m entfernt und im angrenzenden Wald, finden sich überall die von den Krähen vertragenen Müllstücke. Alle paar Meter liegen abgenagte Knochen herum. Ich hoffe es waren keine Überreste verirrter oder von Hunden zerfetzter Pilger.

In meinem Etappenziel Tence erlebe ich noch eine große Freude. Im Hotel am Platz gibt es für Pilger ein spezielles Preisangebot. Die Nächtigung kostet mit Abendessen und Frühstück nur 30,- Euro und das erstmals seit langem in einem sauberen und schönen Zimmer mit WC und Dusche. Das lasse ich mir sehr gefallen. Danke lieber Wirt und danke lieber Jakobus. Dabei wäre ich fast schon bei einer Gite um 48,- zugekehrt.
Noch eine Freude habe ich nun erlebt. Während ich bequem im Hotelzimmer sitze und den Bericht schreibe, hat es zu regnen begonnen. Da freut es mich, dass ich rechtzeitig im Trockenen bin.

Wollte Ihr noch mehr von meinen Erlebnissen lesen? Kein Problem, morgen geht es weiter.
Euer Pilger Walter

Bergtour

(Bericht vom Donnertag)

Hallo Freunde!
Der heutige Tag begann mit einem schönen, aber kalten Morgen. Es hat Temperaturen wie im September. Zum Marschieren war es das richtige Wetter und beim Bergaufgehen wird einem sowieso gleich warm, man muss nur einfach die Schrittzahl erhöhen, dann braucht man auch keine Jacke.
Zuerst ging es aber entlang einer schmalen Straße den Ort hinaus. Da brausen einem die Autos und die großen schweren LKW's nur so um die Ohren. Bei den Zebrastreifen bleibt kaum einmal ein Auto stehen. Man muss dann schon mutig sein und einen sich einen halben Meter in die Straße hinein wagen, um eine Chance zu bekommen, die Straße zu überqueren. Ja, ja, die Franzosen sind als rasante Autofahrer bekannt. Vor einigen Tagen, wie ich bei Regen mit dem Auto an mein Ziel gebracht wurde, da hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, die Fahrweise aus der Autoperspektive zu "genießen". An der Straße zu gehen, ist in Frankreich nicht lustig und recht gefährlich. Es gibt auch keine Strassenbankette.

Heute stand eine Bergetappe von 550m auf 1209m am Programm und nach dem kurzen Straßenstück ging es einen schönen Wandersteig weiter, der dann in eine unbefahrene Asphaltstrecke überging. Man geht hier auf einer aufgelassenen Bahntrasse bergauf. Diese Bahnstrecke über Viadukte und durch Tunnels (nicht beim Gehweg) wurde schon 1880 gebaut. Durch die geringe Steigung war es am glatten Asphalt ein gemütliches, aber stetiges Bergaufgehen. Mit meinem guten Schritt spürte ich das Bergaufgehen gar nicht. Ich genoss die herrliche Ruhe, abseits jeglicher Zivilisation. Der Blick zwischen den Bäumern durch, zeigte ein Bergtal und eine Hügelkette, die von der Morgensonne goldgelb gefärbt wurden. Kaum Häuser waren zu sehen und ein kleines Dorf konnte man fast nur an den leisen Geräuschen festmachen. Hähne hört man krähen, Hunde bellen, ein leichtes Rauschen des entfernten Straßenverkehrs und schrill durchdringt das gequälte Kreischen einer Säge, die sich durchs Holz frisst, die Idylle. Und bald wieder totale Stille, nur meine Schritte und das Klappern meiner Stöcke waren zu hören.
So liebe ich das Berggehen, auch wenn es wieder ein steilerer Forstweg geworden ist. Bis auf wenige Steinwegstücke, waren es heute gute Wege, so wie sie auch bei uns zu finden sind. So gehe ich stetig in einem Tannenwald bergan.
Fritz und Franz: Hier hätten wir reichlich Tannen und Reisig für das Adventkranzbinden. Ich glaube, es bringt nichts, wenn ich gleich einige Äste mitbringe, oder?

Mitten im Wald treffe ich, auf einem Stein sitzend, Daniel, einen älteren Schweizfranzosen, der von Genf nach Le Puy pilgert. Wir fotografieren uns gegenseitig und wechseln ein paar Worte auf französ-englisch, eine Sprachkombination, die sich bisher gut bewährt hat.
Auch gestern am Abend beim Essen zwischen 5 "Pilgern" war dieses Sprachkauderwelsch nützlich. In meinem Hotel kamen auch andere Pilger, die in Gites oder Chambres d'hotes untergebracht waren, um hier gut zu essen. Am Tisch waren 2 der 3 jüngeren Schweizerinnen (siehe erste Frankreichtage), eine ist schon heimgefahren, Michael ein Oberösterreicher, der auch den ganzen Weg machen will und ein französischer Pilger auf der Strecke Genf - Le Puy. Da wurde die Konversation auch multilingual geführt.

Wie schon die letzten Tage hat sich die Wegmarkierung etwas geändert. Es gibt nicht mehr nur den JW und dafür eine eigene Markierung. Hier wird der JW gemeinsam mit einem anderen Weitwanderweg GR65 markiert und das noch dazu in beide Richtungen. Dazu kommen oft bis zu 4 weitere Markierungen für andere Wege, die teils den selben Wegverlauf haben. Das macht das Wegfinden oft kompliziert, aber wenn man genau achtet und nach vorschaut, wie könnte es weitergehen, dann findet man die richtige Richtung. Auch dann, wenn man meint, es gibt keine Markierung und weiß nicht welchen Weg soll man gehen. Es erinnert mich an eine Kinderfernsehsendung vor vielen Jahren mit dem Titel "Augen auf, Helmi ist da" und hier könnte es heißen "Augen auf, Markierung ist da". Wenn man genau schaut, dann findet man auch die "unscheinbare" Markierung.
Wenn man "schaut" und nicht durch Gedanken oder Schwarzbeerenessen abgelenkt ist, so wie Euer Pilger Walter! Schon zum Ende meiner Etappe und nach Überschreiten des höchsten Punktes, bin ich einmal nicht konzentriert und gehe einer falschen Markierung nach und übersehe eine Abzweigung. Das beschert mir einen ordentlichen Umweg, auch über Straßen, bei dem mein Navi wieder gute Dienste leistet.
Aber es war heute soweiso nur eine Kurzetappe (nächstes Quartier wäre erst in 17km gewesen) und so war das Mehrgehen nicht tragisch.

Um die Mittagszeit war ich auf Quartiersuche. Es gibt hier nur Herbergen und darauf war ich auch eingestellt, aber die eine öffnet erst um 17h, da könnte ich auch weiter gehen, nur es bringt mir nichts. So probiere ich es bei der zweiten Gite. Hier ist auch niemand da, aber die Herberge ist offen und ich beziehe gleich mein Favoritenzimmer. Wir werden sehen, wie es weiter geht.

Den freien NM nutze ich nicht nur zum Berichtschreiben, ich muss auch meine Ausrüstung auf Vordermann oder -frau bringen. Nun ist Nadel und Zirnarbeit angesagt. Meine Hosentasche gleicht meiner Geldtasche. Beide haben ein Loch. Wobei bei der Geldtasche bisher täglich ein Schwund feststellbar war.
Auch meiner anderen Ausrüstung merkt man die lange Reisedauer an. Obwohl die Wäsche täglich gewaschen wird, sind Flecken zu sehen, die mit der Handwäsche und vielleicht auch mit der Maschinenwäsche nicht mehr herausgehen. Das Gewebe bei den Leibchen und auch bei der Wanderhose ist durch die Beanspruchung teilweise aufgezogen. Das Aussehen nähert sich einer bemitleidenswerten Pilgerfigur :-)
Und mit meinen Schuhen traue ich mich nicht mehr an Polizeikontrollen vorbei zu gehen. An einigen Stellen ist die Mindestprofiltiefe deutlich unterschritten. Diese Stellen sehen nun aus, wie mein Hinterhaupt, wenn Ihr Euch noch an mich erinnern könnt. Bis SdC werden es Sliks werden, wie bei den F1-Autos und ich bin dann sehr aquaplaninggefährdet.
Also auf zur Hausarbeit.

Ich freue mich wieder von Euch zu lesen,
Euer Pilger Walter

Mittwoch, 20. Juli 2011

Wieder geht es hinauf

Liebe Jakobspilgerfreunde!

Nun geht es wieder einmal hoch hinauf in die Berge und im ständigen Auf und Ab bringen die acht Gehtage bis zum nächsten Ruhetag rund 4.000Hm (heute 800)! Da kann ich nur nach einem Volkslied sagen: "In die Berg bin ich's gern".

Der Morgen war kühl, grau und noch trocken. Das Wetter hat derzeit gar nichts julihaftes an sich. Mit neuem Schwung, der Ruhetag hat sehr gut getan, gehe ich von meinem Quartier los. Zuerst in den Ort hinunter und von dort einen steilen Steig zu einer weithin sichtbaren Kalvarienkapelle.
Diese neu renovierte Kapelle ist ein wunderbarer Ort mit viel Kraftquellen. Interessant ist das Kreuz im Inneren der Kapelle, es nur ein kreuzförmig gewachsenes Wurzelholz.
Die Sicht auf Chavanay, die gegenüberliegenden Weinberge und zur Rhone hinunter, ist prachtvoll.
Aber auch an meinem Weg geht man entlang von Weingärten und dann an endlosen Apfelkulturen vorbei. Bei Sonnenschein muss es hier sehr lieblich sein.

Nach dem ersten Anstieg, bevor es wieder ein Stück in den Graben hinunter geht, kann ich in den vor mir
liegenden Bergen leider schon Regenschleier erblicken und auch bei mir kündigt sich das wechselhafte Wetter mit leichtem Regen an. Gerade einmal eine Stunde bin ich unterwegs, da suche ich wegen des stärker werdenden Regens in einem Folienschuppen der Apfelplantagen Unterschlupf und warte einmal, ob sich der Regen wieder verzieht.
Drei bis viermal lockt mich fast aufhörender Regen zum Weitergehen, aber Jakobus meint: "Bleib!" Es war richtig so, denn wie Wellen kamen immer wieder die Regenschauer.
Nach einer halben Stunde Regenpause scheint es nun zu passen und ich gehe weiter und nach einer weiteren halben Stunde kommt erstmals die Sonne ein wenig heraus und das Wetter ist ganz gut. Mitten in den Weinbergen singe ich dafür: "Lobet und preiset ihr Völker den Herren".
Aber vorweggreifend ist dazu zu sagen: "Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben". Den ganzen Tag blieb es spannend, ob ich trocken an mein Ziel kommen werde. In dieser Berg- und Hügellandschaft halten sich die Regenwolken. Vor mir und seitlich sieht man immer dunkle Wolken und die weißen Schleier der Regenschauer ziehen. Immer wieder weht der Wind feine "Weihwasserspritzer" heran. Aber durch meinen guten Kontakt nach oben, bleibe ich bis zum Ziel vorm Regen verschont. Danke lieber Gott und lieber Jakobus!

Die Landschaft ist fast ausschließlich vom Obstanbau geprägt. Wohin man schaut sind an den Hängen die Apfelbaumkulturen zu sehen. Aber auch Pfirsich-, Zwetschken- und Pflaumenbäume sind dabei.
In einem Dorf bietet mir eine Frau nach einem freundlichen "Bonjour Madame!" aus ihrer Obststeige einen frischgepflückten Pfirsich an. "Merci Madame!" und der Pfirsich hat großartig geschmeckt - zuckersüß, geschmackig und sehr saftig.

Wie abgehackt war der Obstanbau an der 500m-Grenze aus und es folgte ein eher wildes Landschaftsgebiet mit nur wenig Ackerbau und Weiden.
Hier gab es dann die zweite Obstjause, wieder wilde Brombeeren, aber noch nicht so reif wie zwei Tage davor.

Im Ort St-Julien-Molin-Molette, welcher früher durch Seidengewebeproduktion bekannt war, hat jetzt eine andere feine Handwerkskunst Platz gefunden. Hier kann man bei der Bonbon-Erzeugung zusehen, wie aus einem teils mehrfärbigen Zuckerteig kleine Kuntwerke am Stiel erzeugt werden. Für Kinder und Naschtiger ein Erlebnis. Der Naschtiger in mir wurde auch durch Gratiskostproben belohnt, er hat es sich auch verdient.
In diesem Ort habe ich auch noch ein kleines Mittagsmahl mit Produkten aus der Bäckerei genossen.

Und weiter ging es nach oben. Heute waren die schlechten Wegstellen endlich in Minderheit. Es gab sogar sandige Wege - eine Wohltat für geplagte Füße. Das zeigt, dass der liebe Gott bei der Erschaffung von Frankreich auch andere Materialien wie grobe Steine verwendete.
Nur der Abstieg zu meinem Etappenort Bourg-Argental, war wieder ein grauslicher Geröllstreifen (Weg möchte ich das nicht nennen). Das ist dann bei 28Km in den Beinen noch unangenehmer zu gehen.

Hier in diesem Ort sind in meinem Führer keine günstigen Privatquartiere (Chambre d'hotes) angeführt. Zwei Hotels bieten dafür günstige Zimmer an und so sehen sie auch aus. Bei uns könnte mit diesem Standard kein Hotel überleben und hier am JW wird noch gutes Geld damit gemacht, 45,- Euro zahle ich für die HP inkl. WC und Bad im Zimmer. Aber immer noch besser als eine Herberge. Hier habe ich mein eigenes Zimmer und kann mich gut ausruhen.

Mehr gab es heute nicht zu berichten, aber ich warte dafür auf die Berichte aus der Heimat, oder wo das Tagebuch überall gelesen wird.
Ach ja, eine Kleinigkeit noch: Es geht mir gut und das Zielerreichungsbier hat geschmeckt.
Bis morgen, Euer Pilger Walter

Dienstag, 19. Juli 2011

Doch ein Ruhetag

Der Mensch denkt, doch Gott lenkt.
Dachte ich gestern, heute und noch ein paar Tage weiter zu gehen, bis zum nächsten Ruhetag, da hat mir das Wetter einen Streich gespielt.
Um 6h morgens blickte ich aus dem Fenster und sah gegen Osten hin, einen schönen Sonnenaufgang. Das muss ich fotografieren. Doch was ist das, was kleppert da? Erste Regentropfen fielen auf die Straße. Kommt nun doch der angekündigte Pluie (Regen)?
Ich hoffe noch auf eine rasche Besserung und dehne das Frühstück aus. Was soll ich tun? Soll ich gehen und mir den Ruhetag für später aufheben oder soll ich den für heute geplanten Ruhetag doch halten, noch dazu in einem feinem Quartier.
Es regnet zwar nicht so stark wie vorgestern, aber nass wird man alleweil. Und für eine Wetterbesserung sind keine Anzeichen zu sehen.
Ich beschließe, mit dem Gedanken hier zu bleiben, noch bis 9h zuzuwarten und zu sehen wie es mit dem Regen weitergeht. Leider wurde der Regen teils stärker und ich blieb hier in Chavanay im Trockenen.
Erst am späten VM hörte es zu regnen auf, aber für die angepeilte Etappe war es nun zu spät. Außerdem konnte ich nicht mehr weg, denn die Zimmerwirtin war mit dem Auto unterwegs und richtete sich ein, dass sie mich am Abend bekochen muss.
So machte ich nur einen kleinen Bummel in den alten Stadtkern und besorgte mir eine Kleinigkeit zum Essen, denn mit dem Abendessen muss ich bis mindestens 19:30 warten, früher gibt es in Frankreich kein "diner".
Den Tag nutzte ich zum Ausarbeiten des Streckenverlaufs der nächsten Etappen und wie es ab Le Puy weitergeht.
Es tut gut, einfach den Tag, Tag sein zu lassen und auch ein zwischenzeitliches Schläfchen, wie es im Büro oft gut gewesen wäre, zu genießen.

Mit dem Quartier habe ich einen Glücksgriff gemacht. Nicht nur, dass es schön und angenehm ist, auch das Essen ist einfach ein Hit. Gespeist habe ich gestern mit weiteren Gästen, einer jungen Mutter, zwei kleinen Mädchens und der Großmutter. Sie schliefen oberhalb im Schlafsaal. Und über das Essen MUSS ich einfach berichten:
Vor dem Essen gab es einen Aperitif, einen Weisswein mit Kastaniensirup - ganz fein.
Zur Vorspeise gab es eine Platte mit Paradeisern (Tomaten, für meine Schweizer Freunde) mit feingehackten Eiern, Balsamico usw., weiters eine Platte mit feinstem luftgetrocknetem Schinken und getoastete Brotscheiben mit einer Pastete darauf. Die Hauptspeise war ein "les quenelles", eine Spezialität aus Lyon. Das zu beschreiben ist schwer. Es ist ein Souffle mit zarten daumendicken Nockerln aus Mehl, Milch usw. und alles mit einer geschmackigen Bechamelsauce überbacken. Das schmeckte himmlisch fein.
Dann gab es einen frischen Käse, eine Art gestocktes Joghurt, welchen man mit verschiedenen Marmeladen oder einem Zucker mit Blumenextrakten verfeinert. Und danach musste unbedingt ein Schokoladepudding alles zudecken. Ein halber Liter Rotwein achtete darauf, dass alles gut hinuntergespült wurde.
Von der noch aufgetragenen Scholadenschüssel will ich gar nicht mehr sprechen oder schreiben.
So wurde ein schwerer Wandertag noch zu einem Fest - danke lieber Jakobus. Ich bin neugierig, was ich heute kulinarisch entdecken darf.

Die Konversation am Tisch wurde in Französisch (ich bemühte mich sehr und mein Übersetzer am Handy half mir da) und mit einigen Brocken Englisch und Deutsch geführt. Wir haben uns gut unterhalten und gelacht. Zum Abschluss habe ich mit vier Frauen (2, 5, 30+ und 64 Jahre alt) noch "Uno" gespielt und wir hatten viel Spaß daran.
Sollte wer sehen wollen, wie dies Quartier ausgesieht, dann ist hier der Link dazu:
http://gitepigeonnier.site.voila.fr
Wobei ich die Seite selbst nicht gesehen habe (zu teuer für mich am Handy). Ich habe nicht im Gite (Herberge) geschlafen, sondern in einem 2-Bettzimmer. Und ich weiß nicht, ob die Site nicht nur für ein beworbenes Kinderangebot ausgerichtet ist.

Das war heute mein "anstrengender" Tag und morgen geht es wieder in gewohnter Manier weiter. Ich hoffe die angesagte wechselhafte Wetterlage präsentiert sich trocken.

Euer Pilger Walter, der Euch auch von einer kulinarischen Pilgerschaft (zu Mittag gab es nur ein frisches Baguette und Cola light) grüßt.

Montag, 18. Juli 2011

Kommentieren

Hallo liebe Blogleser!
Ich habe gehört, dass viele meine Berichte mit Begeisterung lesen (schön!), aber beim Kommentieren scheitern. Mein Sohn Klaus hat folgendes dazu geschrieben:

Das Problem dürfte sein, dass alle nur auf die Startseite des Blogs gehen. Dort kann man zwar alle Beiträge lesen, aber die Kommentare verstecken sich nach jedem Beitrag hinter dem Link, der z.B. "0 Kommentare" lautet. Und erst wenn man darauf klickt, bekommt man das Kommentarformular zu sehen. Würde auf der Übersichtsseite hinter jedem Beitrag ein "Kommentar erstellen" Link stehen, würdens wohl alle leichter finden.
Klickt man einzelne Blogbeiträge z.B. in der Zeitleiste rechts an und liest sie so, erscheint das Kommentarformular hingegen nach jedem Beitrag (weil nur dieser eine angezeigt wird).
Ich hab grad grad versucht, in meinem Blog an den Kommentareinstellungen zu schrauben, aber das ändert sich nicht. Vermutlich aus Übersichtlichkeitsgründen.

Vielleicht hilft Euch dieser Tipp,
Euer Pilger Walter

Nassweicher Lehm oder grober Stein

Nach dem erzwungenen Ruhetag, der nächste wäre morgen gewesen und den verschiebe ich nun um ein paar Tage, bin ich heute wieder unterwegs. 32 Kilometer sind es heute geworden. Mehr als geplant, aber für die nächsten Tage mit vielen Höhenmetern ist es auch gut so. Auch bei der Quartiersuche kann ich dann andere Orte mit mehr und besseren Möglichkeiten anstreben (so wie heute).
Heute war bestes Wanderwetter. Mehr oder weniger bewölkt oder sonnig und etwas kühl.

Nach Revel-Tourdan ging es ins Tal und wieder auf eine leichte Anhöhe. Der Blick in eine weite Tiefebene war großartig.
Der Beginn der heutigen Etappe führte an einigen Bauernhöfen vorbei und es war die gesamte Haustierwelt vertreten. Hier wäre ein Ausflug für Stadtkinder ideal, die die Milch nur als weiße Flüssigkeit im Tetrapack kennen und eine Kuh als ein lilafarbenes Tier für die Schokoladeproduktion ansehen.
Lachen musste ich mit einem jungen schwarzen Esel. Sobald er mich sah, kam er an der Zaun und sah mich interessiert an. Vermutlich hat er schon öfters etwas abbekommen. Für Eseln habe ich aber nicht mit, da wäre ich auch ein großer Selbiger, wenn ich noch Tierschleckereien mittragen würde. Von mir bekam er nur drei herzliche I-A zur Begrüßung. Sprachlos sah er mir nach und auf einmal erschall hinter mir ein langgezogenes und kräftiges Iiiiiaaaaaa! Was er mir damit sagen wollte, weiß ich nicht. Vielleicht beschwerte er sich, schimpfte mir nach oder wünschte mir Buon Camino?
Die Franzosen halten viel Damwild in Gehegen. Nun bin ich schon bei einigen vorbeigegangen. Das heutige war bisher das größte Wildgatter mit bis zu 50 Tieren.

Heute habe ich zum ersten Mal den französischen Paradezug TGV vorbeirauschen gesehen und gehört.
An der Trasse, die wie Autobahnen eingezäunt ist, hört man zuerst leichtes Sausen, welches schnell naht und zu einem lauten Brausen wird. Und mit Windeseile ist der Zug schon wieder vorbei. Ein gutes Fotomotiv ist sich leider nicht ausgegangen. Dabei war auf der Strecke Paris - Valence alle paar Minuten ein Superzug unterwegs.

Die heutigen Wege führten im ersten längeren Teil durch eine sehr einsame Gegend. Viele Felder, Wiesen und Wälder. Kaum einmal ein Haus und noch weniger Orte, die man noch als Dorf bezeichnen könnte.
Durch den gestrigen Regen gab es zu den Steinwegen, die hier fast wie steingeplasterte Straßen in historischen Orten glichen, ausnahmsweise aufgeweichte und rutschige Lehnböden. Die vielen Pfützen und der rutschige Weg machten das Gehen auch nicht einfacher. Besonders in den einsamen Wäldern.
In einem dieser Wälder wird mein Schleckermäulchen fündig. Am Wegrand standen große Brombeersträucher mit schon vielen reifen und zuckersüßen Brombeeren. Gierig schaufelte ich die köstlichen Früchte in mich hinein. Sollte es hier Bären geben, dem lasse ich nichts über. Am liebsten würde ich meine Frau herholen und dass sie daraus eine gute Marmelade kocht.

Die Infrastruktur am Wegesrand ist in Frankreich eher zu vergessen. Es gibt keine Bänke oder sonstige Aufenthaltsplätze, die es in der Schweiz überreich gibt (inkl. Feuerstelle, oft Wasser und Dachschutz). Heute hätte es am Beginn und am Ende eines langen Waldstückes solche Picknickplätze gegeben, aber in einem nicht einladenden Zustand. Mitten durch den Wald, ich war schon über drei Stunden unterwegs, wäre eine kleine Rast gut gewesen. Die einzige Sitzmöglichkeit war ein niedriger Jagdsitz, auf den ich kletterte. Endlich konnte ich meinen Spinnzehen (für neu dazugekommende Leser siehe Vorberichte) wieder befreien und massieren. Das Gehen war schon nicht mehr lustig und schon gar nicht auf den unebenen Böden.

Nach diesem langen Waldstück änderte sich die Bebauung der Felder. Nun kamen immer mehr leuchtende Sonnenblumenfelder in das Blickfeld. Und diese in unterschiedlichen Reifegraden, von gerade einmal 40cm hoch bis zu kopfgroßen abgeblühten Kerntellern. Vielleicht könnt Ihr Euch vorstellen, wie es ist, wenn man ausnahmsweise auf einem guten Weg unterwegs ist, vor sich ein großes leuchtendgelbes Sonnenblumenfeld sieht und man singt mit voller Brust ein Lied mit bekannter Melodie. Das sind die schönsten Gehmomente.

Als nächstes kommen Obstplantagen ins Bild. Viele Apfel-, Pfirsich- und Nektarinenbäume. Ich stelle mich in den Dienst der Obstbauern und der Konsumenten und teste einen der roten Äpfel. Ja, das Süßsaure ist da, auch die Saftigkeit ist schon gut, aber bis zur vollen Reife braucht es noch ein wenig :-)

In Clonas-sur-Vareze versorge ich mich bei einer Bäckerei mit einer Mittagsjause und kann diese auf einer Bank vor der Mairie (Rathaus) einnehmen. Da beobachte ich das schöne alte Haus, es ist gleich wie andere Häuser und Mauern mit den, am Weg zu findenden Rundling-Steinen kunstvoll gebaut.
Warum werden nicht mehr von diesen Häusern mit den am Weg oder in den Feldern liegenden Steinen gebaut, dann wäre es wieder lustig zum Gehen?
Bei einigen Feldern und bei den Obstplantagen war zu sehen, dass der Boden nur aus diesen groben Steinen besteht. Ich glaube, wie Gott die Welt erschuff, ist ihm ein großer Kübel dieser Murnockerl (steirischer Ausdruck für runde Steine) übrig geblieben und die hat er dann über Frankreich ausgeleert. Nun ist Frankreich steinreich!

Ein letztes Mal komme ich zur Rhone und muss sie überqueren. Hier ist sie breit wie die Donau und das Wasser schimmert grünblau.
An dieser Stelle gibt es noch einen strahlenden Tag, aber nicht vom Himmel her, wo sich eine dunkle Wolkenbank ansammelt, sondern flussabwärts stehen zwei Atommeiler in der Landschaft. Ich will gleich dagegen demonstrieren, aber ich achte meine französischen Gastgeber. Die müssen selbst zur Überzeugung gelangen, dass diese Technologie keine Zukunft hat.

In Chavanay, einem netten Ort mit historischen Kern, finde ich ein etwas abgelegenes reizendes Quartier, Chambre d'hotes, mit einem gemütlichen und sauberen Zimmer. Mit Halbpension, vermutlich wieder mit Familie, zahle ich günstige 35 Euro. Die Aussicht ist wunderbar. Ich sehe auf den historischen Kern der Stadt und auf die Rhone. Die beiden Atommeiler werden glücklicherweise von einem Baum verdeckt.

Und jetzt sitze ich bei einem "grande biere" (0,75l Flasche) auf meinem Bett, ruhe meine pochenden Füße aus und schreibe Euch den Bericht.
Es geht mir gut,
Euer Pilger Walter

Sonntag, 17. Juli 2011

Hilfsbereitschaft

Liebe Freunde,
für den heutigen Bericht zieht Euch fürs Erste, besser die Regenschutzbekleidung an.

Was soll man zu einem solchen Morgen sagen? Die Vorhersagen gingen Richtung Regen über ganz Frankreich.
Ein Blick beim Fenster hinaus, ließen beim Aufstehen Hoffnung aufkeimen. Der Himmel war zwar grau, aber noch kein Regen. Nur schon während des Frühstücks ging diese Hoffnung in Regenwasser unter. Erst ließ ich mir Zeit und wollte eine Regenpause abwarten und nach einer Stunde sah es auch so aus, dass es beim verbliebenen Regen gangbar wäre. Eingehüllt in meinen Regenüberhang startete ich mit viel Zuversicht und Bitten nach oben. Nur 5 Minuten später wurde der Regen wieder stärker und stärker. Die Hose wurde nass und ich suchte einen Unterstand. Stehend unter einem Hausvordach wartete ich eine Dreiviertel Stunde auf Besserung und die sah so aus: nach sehr starken Güssen kam dann nur starker Regen usw. usw.
Gegen 9h wurden die Hausbesitzer munter und bemerkten mich. Sie boten mir an ins Trockene zu kommen und so sitze ich in der Garage und blicke verdrießlich nach draussen. Es ist keine Wetterbesserung zu erkennen, im Gegenteil, er wird dunkler.

9:25 - Nun schüttet es in Kübeln und zusätzlich treibt starker Wind den Regen trotz Vordach, unter dem ich zuerst stand, bis in meinen Garagenplatz.

10:30 - Ich sitze seit einer Stunde in der Küche meiner unfreiwilligen und netten Gastgeber. Die Frau versucht mit
vielen Worten, einigen Englischbrocken und mit Hilfe ihres 15-jährigen Enkels, mir aus meiner verfahrenen Situation zu helfen. An Hand einer Karte werden alle schon gegangenen und demnächst zu gehenden Etappen besprochen. Wenn ich es richtig verstanden habe, wollen sie mich zu Mittag mit dem Auto in den nächsten Etappenort bringen. Für den morgigen Tag hätte sie in Chavanay, mein Ziel für morgen, eine Freundin, die auch den JW gegangen ist und wo ich nach einem Telefonat unterkommen könnte.
Aber wenn ich 10% der Worte verstehe oder richtig interpretiere, dann ist das viel was ich aus den vielen Worten mitbekomme.
Lieber Jakobus hilf mir und Jakobus half.

11:25 - Ich sitze in einer Bar mit einfachen Zimmern im heutigen Etappenziel Revel-Tourdan bei Bier und warte auf mein Plat du jour (Tagesteller = Fisch in Sauce und Nudeln). Da hat aber Jakobus kräftig mitgeholfen und die hilfsbereite französische Familie.
Monsieur hat mich die über 20 Km mit dem Auto geführt und ohne Diskussion. Sie zeigten einfach in den Regen hinaus und hießen mich ins Auto einsteigen. So ein Geschenk darf man nicht ablehnen und ich danke dafür.
Diese Wegstrecke bzw. diese Kilometer scheinen natürlich nicht in meinem Tourenbuch auf.

Wie ich gerade beim Essen bin, aufs Freiwerden des Zimmers musste ich noch warten, sehe ich die Gasse und im Regen fünf vermummte Gestalten zielstrebig auf die Bar zugehen. Es sind fünf der 7-Personengruppe aus Österreich. Die zwei jungen Burschen mussten schon nach Hause fahren.
Die Gruppe hat sich 10Km durch den Regen gekämpt und suchte einen trockenen Platz und etwas zu essen. Aber sie wollten weitergehen, denn nass wären sie schon und möchten ihr Etappenziel erreichen. Bus gibt es hier keinen.
Irgendwie beneidet mich jeder für sich, dass ich hierbleiben kann, aber der Gruppenzwang ist größer.
Ich beziehe dann mein Zimmer und mache es mir gemütlich.

15:15 - Ahh, ich erwache aus einem köstlichen kleinen Mittagschläfchen und es sieht aus, als ob es zu regnen aufgehört hätte. Inzwischen hat die Bar zugesperrt und deshalb habe ich mir zu Mittag noch ein Sandwich für den Abend geben lassen. Ich bin ganz allein in dem Haus.

15:45 - Ich mache einen Spaziergang durch diesen kleinen, alten und typischen Ort und erste zaghafte Sonnenstrahlen treffen mich. Vom Westen sieht man eine Wetterbesserung herankommen, aber noch bleibt es wechselhaft. Doch um wieviel freundlicher sieht der Tag gegenüber am Vormittag aus.

In der Zeit des Wartens in der Garage möchte ich über meine Erfahrungen über die Essgewohnheiten in französischen Haushalten berichten.
Der Tisch wird nur mit einem Teller und einer Besteckgarnitur gedeckt. Vom Salat, über die Vorspeise bis zum Käse, wird alles von diesem Teller gegessen. Nach jedem Gang wird der Teller mit viel gutem Baguette aufgetunkt und aufgewischt. Das ist praktisch und erspart der Hausfrau/-mann viel Abwasch.
Die zweite Beobachtung ist vom Frühstück. Statt Tassen stehen kleine Schüsseln am Tisch. Ich dachte erfreut, dass es auch ein Müsli geben wird. Nein, aus diesen Schalen wird der Kaffee oder Tee getrunken. Die Franzosen tauchen ihr Gebäck gerne in ihr Frühstücksgetränk ein und das geht in Schalen besser.

Nachzutragen wäre noch der gestrige Abend. Neben Thomas dem Aussteiger ist noch ein dritter Pilger im Hotel. Es ist Adrian, in pensionierter Pastor aus Ostdeuschland. Wir werden an den selben Tisch gesetzt und es gibt viel zu ezählen. Adrian ist sehr gesprächig und vergisst dabei aufs Essen und dieses Essen hat es ob seiner Riesenportionen in sich. In der HP ist für Drei auch ein Liter guter Rotwein enthalten.

Das war es von einem erzwungenen Ruhetag. Wie es weitergeht und ob ich den übermorgigen Ruhetag nutze oder verlege, muss ich erst anschauen.

Seid mir alle recht herzlich gegrüßt,
Euer Pilger Walter