Freitag, 22. Juli 2011

Wieder da!

Liebe Freunde,
gestern gab es nur eine schlechte Telefonverbindung und so kann der gestrige Bericht erst heute Freitag online gehen (siehe unten).

Heute muss ich Euch schreiben, wie es mit dem gestrigen Quartier, der vermeintlichen Gite mit offiziellen Gitekennzeichen, weiter gegangen ist. Ich warte endlos, dass jemand vorbei kommt und mein "Einbruch", bei Herbergen üblich wenn niemand da ist, legal wird, aber es kommt niemand. Na gut, dann wohne ich eben als U-Boot hier. Am Abend will ich in die naheliegende Auberge zum Essen gehen. Ich schreibe ein paar Worte auf einen Zettel und finde sogar einen Schlüssel zum Absperren der Herberge, schließlich sind meine Sachen im Haus und ich will wieder hineinkommen, wenn der Besitzer zusperren sollte.
Beruhigt gehe ich Abendessen und treffe in der Auberge die zwei Schweizerinnen wieder. Sie sind in der offiziellen Gite untergebracht und klären mich auf, dass die Haustüre nicht versperrt war, nur die Türe klemmte. Das war mir jetzt egal, ich wohnte bestens und alleine.
Der Wirt ist auch Ansprechpartner und Kassier für die Gite-Nächtigung. Nicht nur das Abendessen nimmt man hier ein, auch das Frühstück und ich buche auch gleich die Verpflegung.
Das Abendessen hat auch hier den gewohnten Aha-Effekt, was alles beim Menü auf den Tisch kommt und in guter französischer Hausmannskost. Ein großer Käseteller mit 5 bis 8 verschiedenen leckeren Sorten gibt es zu jedem Essen in Frankreich. Natürlich auch Vorspeise und Nachspeise.
In dieses Gasthaus kommt auch Dirk, ein Schwabe, der auch den ganzen JW gehen will, nur so wie er ihn gestern gegangen ist und nach seinen Berichten immer tut, glaube ich nicht, dass er SdC erreicht. Sein Aussehen entsprach seiner Meldung, dass er oft im Freien schläft und sein Auftreten und sein Zustand war das eines Trinkers und das war er dann auch. Er brüstete sich, dass er 30Km gegangen wäre und ist auch aus dem selben Ort wie wir gestartet und das waren keine 20Km. Aber er erzählte auch, dass er in jeder Bar auf ein bis mehrere Biere Halt gemacht hat und nun war sein Zustand klar. Er hatte einen ordentlichen sitzen!
Das macht er mehr oder weniger jeden Tag und er ist schon länger unterwegs wie ich und er startete am Bodensee. Beim Essen, dass er aber kaum anrührte, erfuhren wir mehr über ihn und er ist eine gescheiterte Existenz. Mehr will ich da nicht schreiben.
Es ist schon beeindruckend welche Menschen und auch Spinner auf dem JW unterwegs sind. Auch die Beweggründe und Schicksale beeindrucken. Da bin ich ja fast "normal" unterwegs - oder?
Der sehr freundliche Wirt hat uns auch zwei Liter Rotwein zum Essen dazugestellt.
Um 21:30 bin ich dann aufgebrochen und da hat der Wirt auch mitbekommen, dass ich nicht in der offiziellen Gite schlafe. Mit Hilfe der Schweizerinnen machten wir ihm klar, wo und wie ich dort untergebracht bin. Er schüttelte den Kopf, den die Besitzer wohnen weit weg.
Ich ging in "meine" Gite und es war noch immer niemand da und sperrte mich ein. Mit meinem Hüttenschlafsack richtete ich mir das Bett und ging die Zähne putzen.
Auf einmal klopfte es laut bei der Türe. Ich erschrak! Es war der Wirt mit einer Schweizerin da und sie machten mir klar, dass dies ein Privathaus wäre. Dabei gibt es das Gite-Zeichen, die Türe war offen und das Innere entsprach einer (schönen) Gite. So wechselte ich um 22:00 mit Sack und Pack in die offizielle Gite. Man kann schon was erleben am JW.
Aber auch die offizielle Gite war recht schön und sauber. Bezahlt habe ich für die Nächtigung, Abendessen mit Wein und Frühstück 30,- Euro.

Bei bedeckten Himmel und kühlen Morgentemperaturen (12 Grad auf 1140m) ging ich wie immer frühmorgens los und es wird ein Tag der unklaren Wegmarkierungen. Drei oder viermal war heute der Weg unklar.
Gleich nach 3Km in einem kleinen Weiler bin ich 100m zu weit und es kommt mir gleich spanisch vor, ich sehe nur eine für mich falsche Markierung und gehe in alle Richtungen schauend zurück und sehe die versteckte Markierung, die nur von der anderen Seite zu sehen ist.

Heute geht es die meiste Zeit durch einsame Wälder und es gibt kaum einmal ein Haus. Der nächste Ort ist 17Km entfernt. Und es geht in einem Höhenzickzack dahin. Das Höhenprofil zeigt drei Spitzen mit je 100 bis 150 Höhenmetern.
Der Weg führt zuerst über eine gute Forststraße. Man ist hier ganz einsam unterwegs, nur die Vögel singen und jubilieren ihr Lied. Ganz allein bin im schönen Wald unterwegs, auch keine Herren sind zu sehen - Herrenpilze! Feucht wäre es, aber viel zu kalt für das Pilzwachstum.
Bald darauf kommt leider wieder ein weiteres markierungsloses Wegstück, obwohl im Wald immer wieder Wege abzweigen. Da gehe ich fürs Erste nicht weiter und suche mich zur letzte Markierung zurück. Es gibt aber keine übersehene Markierung, also gehe ich doch wieder den vorher eingeschlagenen Weg und habe +500m mit dem Zurück und wieder Vor auf meinem Tourenzähler. Der eingeschlagene Weg war doch richtig, aber erst beim Weitergehen wurde das klar.

Der Weg zum letzten Aufstieg dieser drei Spitzen, der mit 150Hm, wurde als Extrembüßerstrecke für Todsünden angelegt. Beim Abbüßen meiner Sünden muss ich, a la Buddhismus, schon bei einem meiner Vorleben angelangt sein :-)

In der Chapelle Notre-Dame in Montfaucon-en-Velay, dem einzigen Ort auf der Stecke, sind 12 schöne Tafeln über die Monate des Jahres vom Flamen Abel Grimmer aus dem Jahr 1592 ausgestellt. Somit ist die Kirche zugleich Museum.

Ein heiteres Hundeerlebnis hatte ich heute auch. Ich komme bei einem einsamen Buernhof vorbei und sehe zwei mittelgroße Hunde frei im Hof liegen. Sie nehmen aber kaum Kenntnis von mir und schaun mich nur an. Sie scheinen zu denken: Wegen dem odirrden Pücha (auf deutsch: abgemagerten Pilger) machen wir keinen Aufstand, das kostet nur Kraft. Mir ist es recht so und bin dann schon mehr als 10m an den Hunden vorbei, als der Bauer aus dem Stall kommt. Wie von der Tarantel gestochen springen beide Hunde auf und kläffen mir wütend nach. So nach der Devise, dass Herrl, Herr über das Futter, muss das Pflichtbewusstsein sehen. Es kommt mir wie in der Arbeitswelt vor, wenn der Chef kommt, dann beginnt regsames Treiben.

Bei einer großen Mülldeponie, wo alles unsortiert abgeladen wird, fliegen hunderte Krähen herum, wie im Film "Die Vögel". Sie holen sich aus dem Mist für sich "Köstlichkeiten" und am Weg, ca. 200m entfernt und im angrenzenden Wald, finden sich überall die von den Krähen vertragenen Müllstücke. Alle paar Meter liegen abgenagte Knochen herum. Ich hoffe es waren keine Überreste verirrter oder von Hunden zerfetzter Pilger.

In meinem Etappenziel Tence erlebe ich noch eine große Freude. Im Hotel am Platz gibt es für Pilger ein spezielles Preisangebot. Die Nächtigung kostet mit Abendessen und Frühstück nur 30,- Euro und das erstmals seit langem in einem sauberen und schönen Zimmer mit WC und Dusche. Das lasse ich mir sehr gefallen. Danke lieber Wirt und danke lieber Jakobus. Dabei wäre ich fast schon bei einer Gite um 48,- zugekehrt.
Noch eine Freude habe ich nun erlebt. Während ich bequem im Hotelzimmer sitze und den Bericht schreibe, hat es zu regnen begonnen. Da freut es mich, dass ich rechtzeitig im Trockenen bin.

Wollte Ihr noch mehr von meinen Erlebnissen lesen? Kein Problem, morgen geht es weiter.
Euer Pilger Walter

2 Kommentare:

  1. Schön, dass du wieder da bist. Auch wir sind leider aus Htbg wegen Schlechtwetters wieder zuhause. Wir hoffen sehr, dass es zumindest abends besser wird - wir haben Karten für die Vorstellung "Phantom der Oper" im Asia Spa, eine Freiluftveranstaltung. Aber auch uns wird der Hl. Jakobus beistehen.
    Wir freuen uns immer ganz riesig über deine tollen Berichte, deine Erlebnisse. Sind aber auch beeindruckt von deinem Willen, deiner sehr positiven Einstellung, wenn mal die Wegmarkierungen nicht passen oder es sonst nicht ganz nach deinen Vorstellungen geht. Wirklich sehr bewundernswert - mach bitte weiter so!!! Wir finden es auch toll, dass du abends für deine Tagesstrapazen immer wieder mit der herrlichen französischen Küche verwöhnt wirst (neben dem frischen Obst tagsüber) und dass du dies auch immer in Gesellschaft geniessen kannst. Wichtig für dich ist es aber sicherlich auch, dass du tagsüber alleine pilgern und so deinen Gedanken nachgehen kannst. Lieber Walter, alles Gute auf deinen weiteren Wegen - jeder neue Tag, jeder Schritt bringt dich deinem grossen Ziel, die Kathedrale von SdC zu erreichen, näher. Das wünschen dir ganz herzlich Ingrid und Werner

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  2. Danke für deine Berichte.

    Super, daß du nach deinen strapazen immer köstliche Speisen +Getränke bekommst, daß du nicht ganz odirrst und zum klappern beginnst.
    Bei uns gibt es auch keine Pilze , ganz wenig Eierschwammerl erst.
    Weiterhin viel Kraft und Ausdauer wünscht dir Kathrin

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