Montag, 4. Juli 2011

Ein wunderbarer Tag

Lieber Gott, heute danke ich Dir ganz besonders für diesen, meinen bisher schönsten Pilgerwandertag. Die letzten Gehtage, bei den Seen und Bergen, hast Du mich Deine Werke bestaunen lassen. Heute aber spüre ich Dich und Dein werken.
Dein Pilger Walter
Helga St. stimme bitte für mich das Lied an "Ein wunderbarer Tag ...".

Liebe Pilgerfreunde,
für Euch singe ich "So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag, der dürfe nie vergehn ..."

Es ist/war mein schönster und innigster Pilgertag. In solch schönen Gebieten, auf solchen Wegen und bei Begegnungen mit den lieben Menschen, sollte der Pilgerweg weiter gehen. Da machen auch die zwei steilen 200Hm Anstiege nichts, man ist einfach beschwingt und fröhlich.
Vielleicht hat dazu auch beigetragen, dass ich heute hoffentlich das kostenfressende Datenproblem gefunden habe. Es hängt vermutlich mit den Navi-Funktionen des Handys zusammen. Es sollte eigentlich offline funktionieren und ich habe eine x-malige Meldung irrtümlich bestätigt, statt abzulehnen. Ich teste es heute noch aus und wenn es das war, dann brauche ich die Berichte nicht einstellen. Anderseits könnte ich es mir nicht leisten täglich bis zu 40,- Kosten auf mich zu nehmen.
Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen.

Begonnen hat der Tag schon sehr früh. Im ersten Grau wachte ich einmal auf, weil sich ein Drang meldete. Nein, ich stehe nicht auf und gehe nicht zu nachtschlafender Zeit quer durch den Campingplatz zum WC. Ich versuche weiter zu schlafen und es gelingt leidlich. Um 5:30 wird das Drängen stärker - ein bischen noch durchhalten. Um 3/4 6 hilft nichts mehr und ich gehe gleich mit dem Waschzeug auf Wanderschaft. Im linken Wohnwagen werde ich von einem Schnarcher begrüßt, rechts hustet ein starker Raucher seine Seele aus dem Leib und eine Katze streunt über den Platz. So komme ich zu den Sanitäranlagen. Und dann ein tolles Gefühl sich im Freien, bei gefühlten 10 Grad, zu waschen, wobei der Wasserhahn nur einen Drehknopf hat und der ist mit einem blauen Punkt markiert. So verzichte ich heute auf die Rasur.
Auch gestern beim Duschen wären 4 Franken fürs Warmwasser zu zahlen gewesen. Ich bin doch kein Warmduscher und Weichei, das kalte Wasser ist viel besser für die Haut und erfrischt nach einem warmen Tag so richtig. Hoffentlich ist das Tinkwasser für die Flasche auch so kalt, denke ich mir dabei.
Ich liebe dieses Campingplatzfeeling und räume leise meinen schon gestern im Vorraum deponierten Rucksack ein, damit mein Zimmerkollege nicht wach wird.
Beim Verlassen des Campingplatzes sehe ich zum Hotel hinüber und stelle fest, das kein einziges Auto auf einen Gast und auf volle Zimmer hinweist. Auch gestern abend waren nur Einheimische im Restaurant. Die Wirtin wollte nur keine Arbeit.
Mangels Frühstücksangebot bin ich zur Bäckerei zurück gegangen und habe dort ausgiebig gefrühstückt.

Ich marschier somit schon vor sieben Uhr weg und folgte einem Dammweg durch eine Aulandschaft. Auf einer Wiese sehe ich meinen langen Schatten heute links von mir und später dann auf der Position 7Uhr.
Wer mir nun sagen kann in welche Richtungen ich da gegangen bin gewinnt ein Gebet von mir am JW.

Es ist ein sehr gutes Gehen durch eine liebliche ländliche Gegend. Die Stille und die von der Morgensonne gelb beschienen Wiesen und Felder der hügeligen Landschaft lassen meinen Geist wach und meine Seele offen sein.

Wie ich nach Wattenwil durch diese anmutige Landschaft gehe, rechts und links von mir Weidewiesen mit kräftig läutenden Kühen, da fällt mir noch eine Episode vom 2. bzw 3. Schweiztag ein. Es ist am Tag nach Wattwil beim Frühstück nach dem "Schlafen im Stroh".
Mit der Bäuerin plauderte ich auch über die Almen und die (Gefahren mit den) Rindviechern. Sie erzählte mir von einer Wanderin, die klagte, dass ihr immer die Rindviecher nachlaufen und sie wäre schon ganz verängstigt. Das sei ungewöhnlich und die Bäuerin ließ sich die Ausrüstung beschreiben. Unter anderem hatte die Wanderin über den Rucksack einen dottergelben Regenschutz gespannt. Da wusste die Bäuerin Bescheid. In der Schweiz, vielleicht auch bei uns, wird das für die Rindviecher leckere Kraftfutter in dottergelben Eimern auf die Weide getragen. Man sieht diese Kübel auch immer wieder. Und die Wanderin geht mit solch gelben Rucksack durch die Weide und Kuh, Kalb, Ochs und Stier sehen "Dottergelb" und es läuft ihnen das Wasser aus dem Mund. Nichts wie hin zu dem Kraftfutterspender auf zwei Füßen!
MERKE, oh Wanderer:
Wenn du eine Alm- oder Weidewanderung machen willst, dann erkundige dich beim zuständigen Bauern, in welchen Gebindefarben das Kraftfutter ausgetragen wird. Und du Wanderer wähle dann eine andere Ausrüstungsfarbe, sonst bist du für die Rindviecher nur leckeres Hamm, Hamm.

Ich gehe nun schon beim geschätzen 50. Waldlehrpfad vorbei. Alle lehrreich und interessant angelegt. Wenn ich mich in das Studium dieser Tafeln mehr vertieft hätte, könnte ich dann Professor an der Boku (für alle Nichtösterreicher: Universität für Bodenkultur) werden.
Dann komme ich, wie schon Tage davor, an überreifen Kirchbäumen vorbei. Die Kirschen leuchten rot und locken, aber man weiß Kirschen und Wasser verträgt sich nicht. Aufs Wasser kann ich nicht verzichten, also dann verzichte ich auf die saftigen Kirschen. Nur eine oder zwei gönne ich mir und die sind direkt vom Baum ganz lecker.

Heute ist auch ein Tag mit ganz freundlichen Menschen am Wegrand, mit denen ich ins Gespäch komme und die auch in paar Meter mit mir gehen. Wer sagt, das ich am JW allein bin? Ich fühle das nicht so. Gott und Jakobus sind sogar immer bei und mit mir. Ich muss sie nur anreden, so wie die Menschen am Wegrand. Eigentlich ist mir dabei Gott begegnet.

Zwei schöne und alte Kirchen kann ich besuchen und dort beten. In Rüeggisberg steht eine alte und sehr schöne Klosterruine eines Cluniazenser Ordens.
Gleich hinter der Ruine habe ich ein weiteres nettes Erlebnis. Im Schatten eines Strauches sitzt ein etwa zehnjähriger Bub mit seiner dreijährigen Schwester. Sie haben einen kleinen Tisch vor sich und bieten dort Getränke und Äpfel zur Labung für Pilger zum Verkauf an. Die ausgebreiteten Knappergebäckstücke gibt es gratis. Ich kaufe ihnen gerne einen Apfel um 50 Rappen ab und wünsche noch guten Geschäftserfolg.

Wegen des frühen Starts heute morgen, kann ich entspannt gehen, den ich habe einen Zeitbuffer. Trotzdem bin ich bis Mittag schon recht weit gekommen. Wieder einmal unten im Tal komme ich zum einsam gelegenen Gasthaus Lamm, welches auch im Führer erwähnt wird. Hier will ich Mittag halten und habe eine gute Spürnase gezeigt. Hier gibt es sechs Menüs mit Suppe, Hauptspeise und Dessert um je 16,50 CHF. Ich entscheide mich nach der Tomatensuppe mit frischem Weißbrot, für einen Rindsjägerbraten mit Pommes (die müsten nicht sein) und Gemüse. Ich bekomme einen großen Teller mit zwei mit Speck umwickelten und gegrillten Rindsschnitzel und die Pommes und bestes gedünstetes Gemüse (10 Sorten). Als Nachspeise gibt es noch einen kleinen Bananensplit. Ich schlemme und freue mich über dieses wohlfeile Mahl. An dem kann es nicht liegen, dass in dem Monat des Marschierens meine Hosen weiter geworden sind und sich in meinen Wangen reizende Grübchen zeigen :-)

Gut gestärkt marschiere ich in der Frühnachmittagssonne weiter, aber ohne Zeitdruck. Einmal geht es noch recht kräftig nach oben, wo ich dann auf gewonnener Höhe durch die schöne Gegend wandere.
Heute wollte ich ca. 30 Km bis nach Schwarzenburg gehen und morgen wären es aus Quartiergründen bis Freiburg nur 21 Km gewesen. So dachte ich, wenn ich am Weg vor Schwarzenburg einen Bauernhof mit Zimmerangebot finde, dann bleibe ich gleich dort. Und so war es auch, eine Ankündigung für B&B (Bed&Breakfast) ließen die paar hundert Meter meine Schritte hurtig werden, damit mir ja kein Zimmerkonkurrent das Zimmer vor der Nase wegschnappt. Dabei bin ich mutterseelenallein unterwegs. Ja, wird mir freundlich geantwortet, es gibt ein Zimmer und es kostet mit Frühstück für die Schweiz günstige 40,- CHF und so schlafe ich heute in einem Zimmer, dass sich auch so nennen darf, am Bauernhof. Da fühle ich mich wohl. Es ist früher NM und ich kann alles erledigen. Zuerst kann ich in der Waschmaschine wieder die ganze Wäsche waschen. Das ist praktischer und die Wäsche wird sauberer.
Nach meiner eigenen Wäsche, gehe ich zur Bäuerin hinunter und bestelle mir einen Apfelmost (süß und alkfrei) mit Wasser. Ich bekomme noch einen Kirschenkuchen angeboten und beim Sitzen und Essen kann ich schon viel erzählen.

Jetzt reicht mir das Herumgetippe auf dem Handyklavier und beende meinen Bericht. Aber nicht ohne Euch allen zu erzählen, dass ich gerade ein SMS bekommen habe, in dem geschrieben steht, dass mein Enkerl Lukas heute seine ersten Schritte gemacht hat. Ich schrieb schon eingangs, das heute ein wunderbarer Tag ist. Ich glaube, die Schlussetappe geht er schon mit mir mit :-)
Euer mit dem Tag glücklicher und stolzer Pilgeropa Walter

4 Kommentare:

  1. Hallo!
    Das freut mich, dass du heute einen so tollen Tag hattest mit der TOP Meldung am Schluss. Der Tag war eindeutig besser als bei unter 10 Grad und Regen auf der Aflenzer Bürgeralm, aber wie sich das anfühlt, weißt du leider auch von deinem Weg!
    Liebe Grüße
    Peter

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  2. Hallo !
    Deine Berichte sind echt super, kannst nach deiner Heimkehr ein Buch binden lassen.
    Die Schweiz kann man sich richtig vorstellen zum Bergsteigen, aber nichts für Radfahrer.
    Alles Gute und liebe Grüße
    Kath

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  3. Grüezi,

    ja, das ist wahrlich DIE Topmeldung heute von Lukas. :-)

    Bzgl. Waschen: Ich kann mich noch erinnern, dass ich mich eines Jahres Mitte November auf 1400m auch mit fließendem Wasser gewaschen und rasiert habe: Mit dem fließenden Wasser eines eiskalten Gebirgsbachs bei der Feldlagerwoche. Das erfrischt...

    Alles Gute für morgen, Klaus

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  4. Lieber stolzer Pilgeropa! Als ebenfalls stolze Oma und Opa können wir nachfühlen, was in dir vorgegangen ist, als du die sms bekommen hast. Finden wir ganz toll und freuen uns auch schon auf das WE in St. Jakob mit ihm - da haben wir gleich einen fleissigen Helfer mehr! Das wird dir sicherlich auch grossen Auftrieb geben - neben den ganz tollen Tag, den du heute erleben konntest. Aber begonnen hat`s ja eigentlich am Campingplatz, oder nicht?? Wirst sehen, du kommst auf den Geschmack.... Offensichtlich wird in der Schweiz auch der JW besser "vermarktet", wenn die Jugendlichen da am Wegrand Äpfel an die Pilger verkaufen. Finden wir toll. Vor allem, dass etwas auch ausserhalb des "klassischen Pilgerweges" in Spanien für diesen tollen Pilgerweg getan wird. Und um die wunderschönen Landschaften beneiden wir dich Tag für Tag. Vielleicht bereisen wir diese Strecke mal mit unserem Mobili. Haben von Kathrin deine Detailroute bekommen, so können wir noch genauer nachlesen, wo du gerade bist. Wir wünschen dir für die letzten "Schweizer-Tage" noch viele solche Momente, wie du diese heute erleben durftest! In diesem Sinne - alles Gute und "Es geht, wenn man geht"! Liebe kollegiale Oma/Opa Grüsse Ingrid und Werner

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