Dienstag, 26. Juli 2011

Es geht auch anders

Liebe Pilgerfreunde,
dass es andere und bessere Wege gibt, das war heute zu erleben und auch das Wetter hat sich verbessert, wenn es auch noch immer verbesserungswürdig ist.

Am Abend im Gasthaus konnte ich die "Pilger" zählen. Wir waren 17 Personen beim Abendessen. Alles Franzosen, die jetzt im Urlaub diese Strecke erwandern. Der Abschnitt von Le Puy über die nächsten etwa 300Km sollen landschaftlich die schönsten sein und mit den historischen Orten, wie z.B. Conques, Figeac und Cahors zu den touristischen Highlights gehören. Danach sollte der Massenauftrieb besser werden.
Ausser den Franzosen sollen auch noch deutschsprechende Pilger in der Herberge gewesen sein, die aber nicht zum Essen kamen.
Beim Essen saß ich zwischen vier Pariserinnen, von denen drei auch deutsch sprachen. Zwei nicht mehr junge Damen sind mit dem Rad unterwegs, was bei 70Km-Etappen und bergauf und ab, auch eine Leistung ist.
Es waren sehr freundliche Damen und das Gespräch am Tisch war anregend.

Beim Frühstück war ich um 7h der Erste und bei dem "sehr petit dejeuner" war ich bald auf der Piste und somit der Erste. Das taugt mir und ich kann gehen, wie ich will und ausser der Holländerin später einmal, bin ich allein unterwegs.
Heute regnete es zum Glück nicht mehr und die Berge waren noch nebelverhangen. Trotzdem kann man die landschaftliche Schönheit dieser wildromantischen Schlucht erkennen. Noch im Ort geht es gleich steil hoch, so wie gestern bergab. Aber heute ohne Regen und mit kaum schwierigen Wegen. Zwischen den Nebelschwaden kann ich mit dem Fotoapparat schöne Motive einfangen. Heute auch von diesen Basaltformationen, die hier vorherrschen.
Nach den ersten steilen Anstieg auf schmalen Steigen und Stiegen mit einer unklaren Wegstelle und Zusatzmetern, geht es über gute Wege weiter zünftig nach oben, teils auch über schöne Almwege.
Ich bin stark drauf und gehe mit Doppelstockeinsatz wie mit Allrad nach oben. Da kommt keiner nach :-)
Das macht Spaß und trotzdem genieße ich die tolle Umgebung und mache viele Fotos von teils mystischen Stimmungen.
Die ersten 400Hm sind auf 4,5Km in gut einer Stunde bezwungen und es geht in ein flacheres Bergaufstück über. Es geht den ganzen Tag auf etwa 1.000 bis 1.300m dahin. Es ist heute ein gutes Gehen ohne extra Erschwernisse.

Der flachere Weg hat nur einen Nachteil. Es gibt hier nach dem Regen eine Pfützenversammlung und sie machen eine Abstimmung welche dieser Pfützen ist die Größte. Sie darf sich für heute "le grande lac" nennen.
Zwischen den kleinen Seen ist Slalomgehen gefragt und ein Kanu wäre praktisch.

Es wird eine schöne Almstraßenwanderung und der Weg ist gut gepflastert mit der "Kuhflacis alpensis" - gemeinhin als "Kuhfladen" bezeichnet. Auf 1.100 wächst sogar noch Weizen, der schon reif wird, sollte es endlich wieder sonnig werden. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie die Sonne aussieht. In den Wetterberichten wird von ganz Frankreich Schlechtwetter und viel zu tiefe Temperaturen angesagt. Für diese Region hat der Fernseher im morgentlichen Gastraum, in jeder Bar läuft der Fernseher den ganzen Tag, ein Wetter angesagt, wo man am Besten daheim bleibt. Da habe ich aber Glück und Segen gehabt.

Ein Blick in die Pfützen läßt aber erkennen, das die Wolken nicht inkontenentfrei sind :-(
Somit ergeht ein Eiltelegramm an Jakobus:
"SPUERE REGENTROPFEN STOP LEGE PROTEST EIN STOP KANN UND WILL REGEN NICHT GEBRAUCHEN STOP DRINGEND TROCKENES WETTER ERBETEN STOP KANN SONST GRUSS BON CAMINO NICHT MEHR VERWENDEN STOP STOSSGEBET FOLGT STOP MIT DEMUETIGEN GRUSS JAKOBSPILGER WALTER"
Antwort folgt sofort:
"GEH STOP ABER GEH MIT GOTT STOP UM DAS WETTER KUEMMERE ICH MICH STOP JAKOBUS"

Jakobus hat sich gleich ans Werk gemacht und für kurz passt wieder alles. Fünfzehn Minuten später eilt das nächste Telegramm nach oben:
"REGENSCHUTZ WIRKT NICHT STOP HINTER MIR SONNE STOP VOR MIR REGEN STOP SCHICKE GPS DATEN ZUR STANDORTBESTIMMUNG STOP PILGER WALTER"
Keine Antwort ist auch eine, vorallem wenn kurz die Sonne über mir aus den Wolken bricht und keine Regentropfen das Pilgern beeinträchtigen.
Im ständigen Zittern und Wetterbeten erreiche ich nach 12Km den ersten Ort Saugues. Hier mache ich in einer Bar eine kurze Sandwich/Bier-Pause, denn das wenige Frühstück ist schon verbraucht. Unter Dach macht mir auch ein kurzer Regenschauer nichts aus und danach besuche ich die örtliche Kirche.
Jakobus hat da auch eine (Jausen)Pause eingelegt und es regnet richtig, wie ich wieder aus der Kirche komme. Alle Telegramme und Stoßgebete helfen nichts und ich gehe regenschutzversiegelt weg. Nur Minuten später: "Warum gehe ich mit dem Verhüteli?" Also stehen bleiben und Regenschutz abnehmen und hinten auf den Rucksack spannen.
Diesen Teil der Geschichte überspringe ich nun, denn ich müsste ca. 10x über das Gleiche berichten. Schlussendlich bin ich mit vielen Bitten und Gebeten trocken in meiner Unterkunft angekommen. Ich wollte unbedingt trockene Schuhe haben, denn in einem Fachgeschäft in Saugues habe ich mir ein Sport-Wax mit deutscher Beschreibng für die Schuhe gekauft. Die brauchen diese Behandlung, damit die Nässe nicht mehr eindringt.

Das Gehen war heute meist sehr angenehm. Über diese Hochetappe mit Anstiegen bis 1.300m (ca. 700Hm) führten gute Almwege oder Straßen. Ich sage Euch, dass tut gut und wenn es nicht das Regenzittern gegeben hätte, wäre es fast ein perfekter Tag gewesen.
Bei der Quartierfrage habe ich mich leider etwas verpokert. Ich wollte der Herberge in meinem Etappenort ausweichen, etwas anderes hätte es nicht gegeben und bin noch vor dem Zielort abseits in einen Ort gegangen. Dort hätte es Chambres d'hotes gegeben, nur es war niemand zuhause. Nachdem ich nicht ins Ungewisse warten wollte, bin ich in ein nahe gelegenes Gite gegangen. Hier liege ich derzeit noch, und es ist 17h, allein in einem 4-Bettzimmer. In den anderen Zimmern sind Franzosen und die Niederländerin, die verfolgt mich schon den ganzen Tag!

Jetzt lasse ich das Schreiben und werde meine Schuhe pflegen.
Euer Pilger Walter
PS: Siehe auch zusätzlichen Bericht "In eigener Sache"

1 Kommentar:

  1. Lieber Freund Walter, - "es geht auch anders" schreibst du in deiner heutigen Überschrift und jeder Tag bringt dir etwas anderes, etwas Neues - und vor allem jeden Tag deinem Ziel SdC näher!! Es muss heute wieder eine schöne Pilgerwanderung gewesen sein, vor allem auf einem Hochplateau - und du wirst sehen, der Hl. Jakobus wird dich auch wettermässig nicht ganz im Stich lassen, so wie er dir auch bisher immer wieder geholfen hat. Sauge auch ein wenig vom kühlen Nass auf, möglicherweise wirst du es später - vor allem in Spanien - noch brauchen. Aber wir wünschen dir, dass du das Verhüterli endlich ganz wegstecken und so die schöne Landschaft besser geniessen kannst. In diesem Sinne einen angenehmen (regenfreien) morgigen Tag und ganz liebe Grüsse und viel Kraft - Ingrid und Werner

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