Mittwoch, 6. Juli 2011

Gesucht und gefunden

Liebe Pilgerfreunde, die Ihr täglich mehr werdet. Das freut mich sehr, dass Ihr so Anteil nehmt an meinen Pilgerwegfreuden und -leiden (ich hoffe doch ohne Schadenfreude).

Nachzutragen wäre noch von vorgestern, von "Mamisheim", dass ich dort Blutspenden war. Zehn hiesige Gelsen fliegen nun mit Steirerblut herum, welches bekanntlich kein Himbeersaft ist (siehe Hödlmoser / Reinhard P. Gruber).
Im Zimmer waren, trotz Fliegengitter eine Menge an Blutsauger versammelt und 40 davon konnte ich beseitigen. Wie man nun an mir sieht und abzählen kann, habe ich um 10 heimtückische Gelsen zu wenig erschlagen.
Ich hätte am NM schon stutzig werden sollen, als die Bäuerin stolz von 30 Schwalbennestern berichtete. Und was fressen die Schwalben? Jede ca. 100.000 Gelsen. Damit gibt es dort 3 Millionen dieser Blutsauger und die konnte man in der Abendsonne schwärmen sehen.

Der Tag begann etwas kühler und man erkennt eine beginnende Wetterveränderung. Aber lange wirkt die kühlere Morgenluft nicht, dann wird es warm und schwül. Den ganzen Tag wechseln Sonne und bedeckter Himmel ab. Etwas angenehm ist ein wenig Wind.
Ich marschiere vom Stadtrand weg. Das ist heute praktisch, dass ich gestern bis hier her zum Bildungszentrum gegangen bin. Ich treffe im Quartier am Abend auch Thomas einen Kurzpilger (Thun - Lausanne) aus Hamburg wieder. Wir haben gemeinsam im Matrazenlager am Campingplatz geschlafen und uns immer wieder kurz getroffen. Wir sind in dem Bildungshaus die einzigen Pilger. Wir nehmen gemeinsam das Abendessen ein und zwei Jesuiten in Zivil essen mit uns. Es entstehen interessante Gespräche und ich konnte von meinem Weg schon viel berichten, wie ich das lange Pilgern empfinde. Besonders beeindruckt mich ein 91-jähriger Pater mit sehr wachem Geist, mit dem zu diskutieren eine Freude war.
Thomas wollte noch das historische Freiburg besichtigen, was ich verstehen konnte, aber nocheinmal 2-3 Km zurück und wieder heimgehen, dass tat ich meinen Beinen nicht an. Etwas, ich glaube das Wichtigste, habe ich von Freiburg gesehen. Ich muss mit meinen Kräften auch haushalten und im Bildungszentrum ist es gemütlich und ein gutes Vierterl Rotwein tut sein übriges.

Bald nach dem Weggehen geht es abwärts durch eine kleine Schlucht und dann über eine historische Römerbrücke. Dort steht auch eine alte Kapelle, die der Hl. Appoline geweiht ist.

Bei der Kirche von Ecuvillens, zu der ich auf Verdacht hingegangen bin, weil schon eine Weile keine Wegweiser zu sehen waren, bekam ich "Besuch" aus der Heimat. Zwei Radpilgerinnen schoben ihr Rad auf den Kirchplatz. Ich grüße mit einem Bonjour und höre vorher noch einen deutschen Wortfetzen. Ich frage, sprecht ihr deutsch?
"Ja, wir sind aus Österreich!" kommt es spontan.
"Ich auch, aus der Steiermark."
"Sind sie, bist du - der, der aus Leoben weggegangen ist?"
Ich bin perplex, woher kennen die mich? Es stellte sich heraus, dass es Priska aus der Teichalmgegend ist und ihre Schwester/Schwägerin (so genau weiß ich es nicht mehr), Judith aus Tirol. Von ihrem Partner Herbert, Bademeister und Saunaaufgießer im Leobener AsiaSpa, wo ich wöchentlich schwitze, hatte Priska von mir gehört und sie haben schon nach mir Ausschau gehalten. Die Beiden fahren, nach dem durchwanderten österreichischen JW, heuer schnell mit dem Rad durch die "teure" Schweiz.
Der Zufall, sich hier im entlegendsten Viertel getroffen zu haben, erstaunt uns sehr. Ich gebe den beiden Radpilgern, deren Weg nur bis Genf geht, noch Grüße für die Top-Saunawachler, Herbert, Peter und Wolfgang mit und lasse auch das Actic-Fitnessteam grüßen und weiter gehen unsere Wege - sie auf Straßen und ich auf Wegen.

Vom Weg gibt es heute nicht viel zu berichten. Die Landschaft ist ländlich geprägt, aber ohne Akzente. Auch die Häuser haben keine Besonderheiten aufzuweisen. Sie könnten überall stehen. So wird das Gehen fast langweilig. Etwas Interessantes gibt es vom Hausbau zu berichten. Bevor hier zu Bauen begonnen wird, werden die Umrisse und Höhen mit langen Stangen ausgesteckt und man kann im Vorhinein erkennen, wie sich der Bau in die Landschaft einfügt bzw. wie sehr Nachbarn vom Neubau betroffen sind. Ich finde das klug.

So gehe ich durch eine Gegend, die nicht viel hergibt und ich werde müde, auch im Geist. Man geht und geht.
Ich habe ein Lokal zum Essen gesucht, aber das Einzige im Mittagszeitrahmen, verhieß keine Pilgerpreise - Menü ab 25,- da gehe ich doch lieber weiter. Aber nach einer Zeit brauche ich eine Pause und etwas zu essen (Geschäft war in der abgelegenen Gegend auch keines zu finden). So habe ich ein liebes Angebot bei einer Scheune angenommen. Die Besitzer haben einen kleinen Tisch mit zwei Sesseln bereitgestellt. Am Tisch stand eine Blumenvase mit Feldblumen und an der Wand war eine Tafel mit der Einladung hier Pilgerrast zu machen, was ich auch gerne tat.
Als Menü gab es heute, ein Keksmenü aus dem Rucksack - Mürbgebäck mit Haselnusskrokant - dazu klares Eau. Als Nachspeise gönnte ich mir noch einen Apfel vom Frühstücksmenü.
So fugal war heute das Mittagessen eines richtigen Pilgers.

Vielleicht war auch das entgangene Mittagsmahl schuld daran, dass sich der Weiterweg zog wie ein Strudelteig. Es ging fast nur auf uninteressanten Nebenstraßen und betonierten Feldwegen dahin. Über viele Kilometer konnte ich erkennen, wohin der Weg ging und ich maschierte teils schwitzend, wenn wieder die Sonne durchkam, dahin. Wenn ich dann hochblickte, kam mir der Ort weiter entfernt, als näher gerückt vor. Das motiviert dann nicht.
Seit den VM-Stunden sehe ich links von mir, auf einem entfernten Berg einen großen Senderturm stehen und jetzt am frühen NM hat sich der verflixte Turm noch immer nicht weiterbewegt. So ist es heute ein mühsames Gehen ohne dass man Antrieb zum Weitergehen findet.
Wer nun kommentieren will, dass ist zum Eingewöhnen für später, für Frankreich oder Spanien, dem sperre ich den Zugang zu meinem Tagebuch :-)

Gegen 15h war diese ca. 29 Km lange Strecke fast absolviert. Der letzte steile Anstieg zur historischen Stadt Romont, war trotz müder Füße fast eine angenehme Abwechslung zum eintönigen Wandertag.
Wie ich zur Kathedrale und zur Touristinfo hochsteigen will, höre ich hinter mir eine bekannte Stimme, meinen Namen rufen. Es ist Erich, der schon ein paar Stunden hier ist und mich in Thun überholt hat, weil er mit dem Schiff den See überquerte. Wir umarmten uns voller Freude. Er begleitete mich noch auf der Quartiersuche und wir verabreden uns am Abend in einem naheliegenden Restaurant.
Übrigens, Erich hat den Tag ähnlich erlebt. Er war Romont nur näher und brauchte heute einmal einen halben Erholungstag.
Das einfach B&B-Zimmer kostet heute mit Frühstück 47,- CHF und liegt aber zentral hinter der interessanten Kirche mit alten und schönen Glasfenstern. Somit werde ich mich jetzt noch ein wenig umschauen.

Ich grüße Euch
Euer Pilger Walter

3 Kommentare:

  1. Auch wir verfolgen (virtuell) den Pilgerweg !
    Viele Grüße aus der Stadtapotheke Leoben

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  2. Hallo!
    Bei der österreich Rundfahrt sind sie heute einen Teil deines Pilgerweges gefahren. Über den Dientner Sattel gings echt ganz schön heftig drüber (Schöffmann Martin bester Österreicher der Etappe)
    Da merkt man wieder wie klein die Welt und wie groß der Zufall sein kann, dass man gerade am richtigen Ort zur richtigen Zeit ist, da hatte sicher der hl. Jakobus seine Finger im Spiel.
    Alles Gute Peter

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  3. Hallo lieber Pilgerfreund,
    wie heute zu lesen war könntest du dich nirgendwo anonym herumtreiben - wirst schon fast überall erkannt oder erwartet.
    Nachdem du gedroht hast, das Tagebuch zu sperren, wenn über deine heutige Tour ein Kommentar abgegeben wird lassen wir es lieber bleiben. Ausser - du hast auch dieses Stück HINTER dir! Wir finden es ganz toll, dass du Erich immer wieder triffst - es ist schön, wenn du dich dann abends gut unterhalten kannst - liebe Grüsse auch an Erich und alles Gute! Auch dein gestriges Gespräch mit den Jesuiten - toll, welche Leute du auf deinem Weg triffst - und vor allem kannst du ihnen schon viel erzählen, nachdem du ja schon soviel erlebt hast - und es wird noch einiges dazukommen. Jetzt hast du auch die Schweiz bald geschafft - alles Gute noch für die restliche Strecke, der Hl. Jakobus möge dich weiter beschützen und begleiten! Ganz liebe Grüsse - Ingrid und Werner

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