nach einem Tag des Rastens, geht es wieder weiter. Ich habe mich körperlich und seelisch gut erholt und mein Pilgerherz strebt weiter.
Heute gab es keine großen berichtenswerten Erlebnisse. Heute kann ich "nur" über den Weg berichten. Aber der ist auch das Wichtigste. Heute war den ganzen Tag gutes Wanderwetter. Meist bedeckt und eher kühl. Das hat beim Gehen gut getan.
Von Flüeli-Ranft und von Bruder Klaus führt der Weg ins Tal nach Sachseln, welches ich gestern schon mit Monica und Alex besuchte. Toll war der Blick vom Hang hinunter auf den Sarnersee, aber die diesige Wetterlage verhinderte gute Fotomotive und das den ganzen Tag.
Es ging direkt am See entlang und es war gut zu gehen. Die heutige Etappe könnte man auch als Drei-Seen-Wanderung bezeichnen. Es ist eine wunderschöne Strecke, die nur dazwischen ihre Tücken hat.
Nach 2 1/2 Stunden komme ich im Ort Kaiserstuhl (die Herkunft des Names ist unklar) bei einem Haus vorbei, bei dem zwei Männer mit einem Bier eine Arbeitspause machten. Ich grüße wie immer, laut und fröhlich, mit einem "Grüß Gott" und füge auch ein herzhaftes "Prost" dazu. Beide Männer schauen auf, erwidern den Gruß und meinen lachend, als Pilger dürfe man um diese Zeit sicher noch kein Bier trinken. Ich schau auf die Uhr: 10:02 und sage, ab 10 Uhr ist es erlaubt. Beide lachen und heißen mich hinzusetzen und geben mir auch ein kleines Bier. Ahhh, das schmeckt. Es ersetzt eine Reihe von Spurenelementen, die ich bei einer Steigung ausgeschwitzt habe. Wir unterhalten uns eine Viertelstunde lang sehr gut und beider Pause endet. Sie werken weiter und ich gehe mit herzlichen Dank weiter.
Gleich wird dann der nächste See sichtbar, der Lungener See. Es ist wieder eine landschaftlich sehr schöne Gegend. Es muss hier bei blauem Himmel fast kitschig sein. Überhaupt nicht kitschig waren die noch stark sichtbaren Schäden der starken Regenfälle von vorgestern. Es sind eine Reihe von Muren die steilen Hänge herunter gekommen und die Bauern arbeiteten daran, ihre Wiesen wieder von Geröll und Erde zu befreien. An einem Bach muss die Straße total verlegt gewesen sein. Hier arbeiteten zwei Bagger, dass die Straße und das Bachbett wieder frei wurden. Und bei umliegenden Häusern mussten auch Schäden beseitigt werden. Da wird mir klar, unter welchem Schutz und Segen ich vorgestern gegangen bin. Es hat nur geregnet und rundherum gab es große Regenmassen und Überschwemungen, wie die Zeitungen auch berichteten.
Im nächsten Ort Lungern suchte ich mir ein hoffentlich günstiges Gasthaus um Mittagessen gehen zu können. Unterwegs, aber schon um 9h morgens, bin ich bei einem Gasthaus vorbeigekommen, welches ein Pilgermenü um 12,50 CHf anbot. Ich dachte mir, das könnte mir zu Mittag recht kommen. Ich gehe also in den Ort Lungern hinein und schon ist das Hotel/Restaurant zum Hirschen sichtbar. Ob ich da billig essen kann? Ich bezweifle es und schaue trotzdem auf den Aushang und könnte jubeln. Es gibt drei Menüs zwischen 12,- und 18,- und schon sitze ich drinnen an einem Tisch. Ich nehme das 12er Menü: Lauchsuppe, Brot, Salat vom Buffet und ein großes Schinkenomlett mit Mischgemüse. Das ist für Schweizer Verhältnisse ein Schnäppchen und ich kann satt und gestärkt weiter gehen.
Für das Kommende war die Rast und die Stärkung genau richtig. Gleich nach der Lungener "Kathedrale", es ist eine erhöht stehende hohe kathedralenhafte Kirche, geht es für heute 400Hm nach oben (200Hm liegen schon hinter mir). Wie in der Schweiz üblich, geht es wieder sehr steil nach oben. Und dass auf groben Geröll. Wenn es noch viele solche Wege wie in der Schweiz gibt, dann fürchte ich um meine Schuhe. Sollten die das aushalten werde ich zum Werber für die Schuhmarke. Zum Glück ging es nach der Hälfte des Anstiegs auf einer gut ansteigender Forststraße weiter. Man geht hier neben der Brüniger-Zahnradbahn. Also könnte man auch fahren, aber nicht ein Pilger, denn um die Fahrtkosten kann man einmal nächtigen. Bei 1000m erreicht man dann den Brünigpass und wird es gemein. Die Autofahrer zischen mit ihren 100 und mehr Pferdestärken talwärts zu und ich armer, müder Pilger muss mit meinen zwei Beinen und einem schweren Rucksack weitere 100Hm hochsteigen. Im nächsten Leben werde ich ein Auto! Und dann der Abstieg. Es ist der steilste, ärgste und grauslichste Abstieg, den ich kenne. Es geht hier fast senkrecht hinunter, auf einem sehr felsigen, extrem steinigen, nass erdigen und laubigen Weg abwärts. Da habe sogar ich guter Berggeher Probleme und muss meine Stöcke stark zur Absicherung einsetzen, damit ich nicht wegrutsche. Ich bin so froh, sehr gute und feste Bergschuhe zu haben. Jeder der für den Weg anderes empfiehlt ist irr oder ist den Weg noch nie gegangen. Unten im Dorf musste ich meinen Füßen Erholung gönnen, sie zitterten fast.
Der nun erreichte Ort Brienzwiler war dann aber die Entschädigung für den grauslichen Abstieg. Ein so schöner Ort mit noch alten und typischen Ortskern und schönen Häusern. Leider war das Wetter noch immer diesig, dass man die gewaltige Bergkulisse des Berner Oberlands nur erahnen konnte. Die Gipfel waren alle schamhaft mit Wolken bedeckt.
Bald war dann auch der nächste See, der Brienzer See erreicht und der Fremdenverkehrsort Brienz. Beim ersten Hotel hätte ich fürs günstigste Zimmer 110CHF bezahlen müssen (fast 100 Euro!). Bei der Information war mir dann Glück, Zuvorkommenheit und Freundlichkeit hold. Ich saß mit der Quartierliste vor dem Schalter und suchte ein "günstiges" Quartier, da merkte ich wie das Fräulein telefonierte und für mich nachfragte, wer günstige Zimmer hätte und sie wurde fündig. Ganz zentral in einem älteren Hotel mit einer österreichischen Serviertochter, so heißt das hier, gab es leistbare Zimmer um 60,-. Da ging ich dann auch hin, denn in der ansässigen Jugenherberge hätte ich wie in Rapperswil auch 57,- Franken bezahlt und das mit - eh schon wissen.
Das Zimmer wäre zur Straße gegangen und das Seezimmer hätte 65,- gekostet. Ich habe dann gehandelt und auch dieses Zimmer um 60,- bekommen. 10 Meter vor meinem Fenster wäre der See zu sehen, wenn nicht meine zum Trocknen aufgehängte Wäsche den Blick blockieren würde. Aber zum See hin ist es viel leiser.
Auf dem Weg zum Hotel, kam mir wie ausgemacht mein Pilgerfreund Erich entgegen, der heute auch in Brienz nächtigt. 100m von mir entfernt, aber um stolze 80,-
Wir haben uns dann in meinem Hotel zu einem Erfahrungsaustauschbier getroffen. Er hat auch viel erlebt, inklusive kaputter und jetzt neu gekaufter Bergschuhe.
So, das wäre es für heute. 33 Km waren zum Gehen und morgen werden es kaum weniger.
Ich grüße Euch alle aus der Mitte der Schweiz
Pilger Walter
Lieber Walter, nach deinem Bericht nach hast ja mächtiges Wetter-Glück gehabt bzw hättest dort vermutlich nicht gehen können. Aber was uns fasziniert - bitte darüber nicht böse sein - sind die vielen Hochs und Tiefs des Weges, den du bestreiten musst - wird dir sicher nicht so gefallen. Aber wir kennen dich gut genug und wissen, dass es dir immer eine Freude bereiten dürfte, wenn du oben ankommst, zumeist eine herrliche Fernsicht hast und wieder talwärts gehst. Wobei es sich ja heute ganz gefährlich angehört hat. Aber du hast es geschafft! Dann wieder eine nette SchweizerIn getroffen, die dir geholfen hat. Muss gestehen, dass sich unsere Meinung über die Schweizer durch deine Berichte doch verändert hat. Es freut uns auch, dass du Erich wieder getroffen hast - auch für ihn alles Gute weiterhin! Lieber Walter, wir wünschen dir auch für die zweite Schweizer-Hälfte ein gutes Gehen, weiterhin so nette Leute und viele schöne Eindrücke! Ganz herzliche Grüsse aus der Heimat Ingrid und Werner
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