Ab jetzt werde ich leben wie Gott in Frankreich oder doch wie ein demütiger pelerin.
Aber zuerst muss ich noch aus Genf hinausmarschieren. Die Markierungstafeln sind reichlich und gut zu finden, so als wolle man die kapitalschwachen Pilger schnell und gut aus der Stadt hinausbekommen (nicht ernst gemeint).
Um 8:20 ist es noch ein schöner und sehr ruhiger Sonntagmorgen, kaum dass man Leute oder Autos auf der Straße sieht. Mit lockerem Schritt gehe ich durch die alte Zentrum und dann weiter hinaus aus der Stadt und besuche noch eine katholische Kirche romanischen Ursprungs am Weg. Hier halte ich mein sonntägliches Gebet, denn zur anschließenden Messe um 9h will ich nicht bleiben. Eine Stunde Messgestaltung in unverständlicher französischer Sprache dient nicht meiner innerlichen Einkehr, dass habe ich schon in Freiburg bei den Jesuiten bemerkt. Ich werde jetzt sonntags in Gedanken den Gottesdienst feiern.
Heute denke ich ganz besonders intensiv an meine Jakobikirche in Leoben. Dort feiern sie heute das Jakobifest und ich bin nicht dabei! Dabei wäre ich gerne mit Lukas an der Hand durch die Tischreihen spaziert.
Ich bin schon etwa drei Km gegangen, als die Häuser an der Straße einen noch typisch alten Charme der Vorstadt annehmen. Hier ist es noch persönlich und nicht so steril wie in der Stadt.
Aber von Minute zur Minute wird der Himmel finsterer, Regen kündigt sich an. Das gefällt mir gar nicht, trotzdem, und auch nach Bitten zum Jakobus, beginnt es zu regnen. Ich kann mich noch schnell unter einen überdachten Radabstellplatz einer Firma flüchten und hier sitze ich "äusserst bequem" auf den verschieden hohen Metallgestängen für die Räderfixierung und warte einmal ab, wie sich das Wetter weiter entwickelt. Ich habe heute nur eine kurze Etappe zu gehen. Die Regenwartezeit nutze ich, den heutigen Bericht bis hier her zu schreiben - Punkt
Nach einer Stunde kann ich weiter gehen. Das bischen Regen stört mich nicht. Aber zwei Km später, ich gehe gerade schutzlos entlang eines idyllischen Bachbettes durch einen Wald, da wird der Regen stärker und ich brauche mein Verhüteli. Ohne Probleme und Verrenkungen bekomme ich heute die Regenperlerine über mich und den Rucksack. Eh klar, da gab es auch keine Zuseher für eine kabarettreife Verrenkungsshow. So ging es ein Stück weiter und der Regen hörte fast auf. Nein, den Gefallen tue ich ihm nicht. Das Verhüteli bleibt oben, noch dazu gewittert es rechter Hand und der Regen kommt sicher zurück. Im letzten kleinen Dorf vor der Grenze wird es auch schon bedrohlich finster. Ich suche ein Gasthaus oder ähnliches. Ein paar Franken wären noch zu verputzen und ich könnte dort den sicher kommenden Regen abwarten. Aber da gibt es nichts und ich suche vorsorglich in einem Planenkuppelschuppen Schutz. Hier gibt es auch einen wackeligen Stuhl und bin leidlich gut aufgehoben für das nun niedergehende Gewitter mit Starkregen. Der Regen macht auf dem Planendach enormen Lärm.
Und den Bericht weiterschreiben, dass geht hier auch.
Nach 1 1/2 Stunden des Wartens keimt Hoffnung auf, dass ich weitergehen kann. Ich rüste mich und versuche den Regenumhang überzuziehen. Ich weiß nicht, lag es am noch nassen Umhang oder dass ich beobachtet werde - von einer Katze! Es wurde wieder zu einer für Zuseher heiteren Pantomimenshow. Habt ihr schon einmal eine Katze lachen gesehen? Ich denke schon und meine noch dazu ein sehr schadenfrohes Lachen von einer weißgrauen Katze gesehen zu haben.
Gut eingepackt marschierte ich weiter und ein paar hundert Meter weiter, konnte ich mich wieder auspacken. Es wurde sogar wieder richtig schön und der Boden dampfte, so wie ich aus allen Poren. Die Feldwege waren durch den vielen Regen voller Pfützen und total schlammig. Über eine kleine Brücke betrete ich französichen Boden. Jetzt heißt es achten auf die geänderte Wegmarkierung. Jetzt sind nur ganz kleine ca. 6 x 6 cm große Jakobsmuschelsymbole (gelb auf blauem Grund) zu sehen, wenn man sie aus der Ferne überhaupt erkennen kann. Man braucht dazu richtige Adleraugen.
Um 14h kam ich bei einem Restaurant Campingplatz vorbei, dem einzigen Lokal des heutigen Tages. Ich wollte essen, aber die Küche war schon geschlossen. Ich war aber auch mit einem leckerem Schinkensandwich und einem Bier zufrieden.
Nach einem steilen Anstieg mit klarem Umweg ereicht man eine Anhöhe, wo man einen guten Blick zurück auf Genf und den See nehmen kann. Man sieht sogar gut die hohe und berühmte Wasserfontäne. Über sehr schlammige Wege war dann das heutige Ziel Beaumont bald erreicht und die Quartiersuche begann. Es gab wie befürchtet keine Zimmer und es blieb mir nur das einzige Gite (Herberge). Was soll's, schön langsam finde ich mich drein. Die Herberge wirkt gemütlich und ich bin der Erste. Wenn ich Glück habe, bleibe ich auch alleine. Aber das sind Wunschträume. Nach und nach füllt sich die Herberge. Ein deutscher Pilger, ehmaliger Missionar und mit wenig Geld, schaut wie ein Rübezahl aus. Er schlief bis jetzt meist im Freien und so sah er aus.
Jetzt sind nochmals 2 x 3 Schweizerinnen gekommen. Das wird eine "unterhaltsame" Nacht.
Fürs Schlafen, Frühstück und Abendessen verlangt die Wirtin, eine sympathische Norwegerin mit sehr guten Deutschkenntnissen 33,- Euro.
Das wärs für heute, was es zu berichten gibt. Wann dieser Bericht online geht, steht in den Sternen, weil mein Telefonbetreiber "bob" wegen der hohen Kosten den Anschluss bis zur nächsten Rechnung gesperrt hat und vorerst nicht bereit war, den Anschluss wieder freizuschalten. Der Slogan "sprich mit bob" wird damit ad absurdum geführt.
Euer wegen der zweitägigen Telefonlosigkeit angefressener Pilger Walter
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