Sonntag, 3. Juli 2011

An der Riviera

Liebe Freunde!
Ich beginne den Bericht mit gestern abend. Der Wirt war nicht unbedingt die Freundlichkeit in Person. Am späten Frühstückstermin 8h ließ er nicht rütteln. Er will nicht bis 1h morgens hinter der Theke stehen und dann so früh aufstehen. Auch 1/2 8 war ihm nicht zu entlocken, also muss ich mich fügen und später mit meinem Weg beginnen.
Am Abend hatte ich dann einmal Lust auf ein kleines Glas rotem Pilgerwy und da sah ich wie das Thekenstehen vom Wirten aussah. Er saß bei anderen Gästen und die Bedienung musste ihm Glas um Glas Wein bringen.
Am Morgen bin ich dann gewitzt, schon 10 Minuten vor 8h zum Frühstück gegangen. Die Bedienung, eine andere als am Abend, wartete schon mit fertig vorbereiteten Frühstück. Da habe ich den ungastlichen Wirt, wer weiß wohin gewünscht. So wie er das Hotel betreibt, kleinste Zimmerchen mit kaum mehr als 5 m2 und einfachster, alter und 100fach abgeschrieber Einrichtung, läßt sich von Pilgern gutes Geld machen. Wobei, ich muss sagen, alle biligen Zimmer um 60 CHF in der Schweiz, waren klein und einfachster Standard.

Der heutige Weg geht entlang der Riviera des Thunersees. Es ist landschaftlich sooo schön und das Klima ist an den Hängen sehr mediterran.
Vom milden Klima merke ich am Morgen, es war schon fast halb Neun, nichts. Es war zwar ein traumhaft schöner Morgen, nur sehr frisch, fast noch kalt wie im März. Aber hinten geschützt vom Rucksack wird einem beim Gehen bald warm. Vor allem wenn es so weitergeht, wie der gestrige Tag. Nach dem Ort geht es, richtig erraten, wieder saftig nach oben. Aber die Aussicht entschädigt für den Schweiß beim Raufkämpfen. Natürlich geht es bei Gunden, der Perle vom Thunersee wieder nach unten. Sonst würde man die Perle ja nicht sehen - auf die eine Perle mehr oder weniger könnte ich pfeifen, wenn eine ganze Perlenkette hinter- und voreins liegt. Trotzdem bleibe ich beim angegebenen Weg und bin ein folgsamer Pilger. Wieder am Hang oben und 100Hm mehr in den Beinen, sieht man warum das Teilstück die Rivera des Thunersees genannt wird. In diesem milden Klima gedeihen an den steilen Sonnenhängen Feigen, Kiwi und auch Wein. Es ist 9h und ich denke an zu Hause. In der Jakobikirche feiern sie jetzt die Messe und ich kann im größten Gotteshaus der Waldkathetrale beim Gehen beten und singen. Das sind schöne Momente.
Wieder unten im nächsten Ort, komme ich endlich wieder einmal zu einer Kirche (evangelisch natürlich). Ich will sie kurz besichtigen, auch wenn die evangelischen Kirchen eher schmucklos sind. Aber ein Gebet kann ich auch hier sprechen. Es ist gerade Messe und Sonntag ist auch. Also gehe ich hinein und setze mich in die letzte Reihe. Hier höre ich der (langen) Predigt zu. Dann gehe ich aber weiter, ich bin durch das späte Frühstück schon spät dran.
Hinauf und wieder im nächsten Ort hinunter und ich komme zu einem besonderem Blickpunkt direkt am See. Das Neurenaissance-Schloss Hünegg bietet prachtvolle Fotomotive.
Jetzt geht es weiter, der Stadt zu, von der der See seinen Namen hat. Die Stadt Thun ist eine große Stadt (37.000 EW), was ich dann bei der Durchwanderung leidvoll zur Kenntnis nehmen muss.
Man wandert zielstrebig an der Aare auf Gehwegen der Stadt zu, dann kann man den Fluss endlich bei einer alten und gedeckten Holzbrücke überqueren. Diesen Moment hätte ich genießen sollen, denn hier war das letzte JW-Zeichen durch die ganze lange Stadt. Wenn ich nicht in meinen Führer wichtige Anhaltspunkte nachlesen hätte können, wer weiß wohin ich gegangen wäre. Obwohl blöder hätte ich auch nicht gehen können. Es gab nur die bekannten und für alle Wege gültigen Tafeln mit dem Aufdruck "Wanderweg". Nur wohin und welcher Weg, war nie ersichtlich. Diese Tafeln führten wohl auch zu wunderbaren Stellen am Ufer des Sees mit Blick auf die Jungfraugruppe (das sind hohe Viertausender und keine Mädchens!!!). Und es gab hunderte Touristen und ich dazu wie ein bunter Vogel der angeglotzt wird. Bei einer sehr alten Marienkapelle habe ich dann ein Aha-Erlebnis, wie ich sie betreten will. Eine Frau im typisch bundesdeutschen Dialekt, spricht mich an und meint: "Sie gehen jetzt da hinein, weil sie einen Stempel haben wollen!?". "Nein, ich besuche alle Kirchen um zu beten!", war meine Antwort. Sie schluckte und ging desperat weiter.
In einem nicht zu durchschauendem Zickzack ging es entlang oder entfernt vom See einen Riesenbogen bis hinaus aus der Stadt, dabei kann man auf den Führerkarten erkennen, dass die Luftlinie viel kürzer sein muss. Das und das Nichtwissen wo man ist und ob man richtig geht, ist nervtötend und ärgert mich. Eine so große Stadt hat es nicht notwendig gute und informative Richtungstafeln aufzustellen. Es kommt wie es kommen muss. Ich folge einem "Wanderweg" und finde mich bald Richtungstafellos auf eine Durchzugsstraße - grrrr. Nun muss ich mich in der Mittagshitze an dieser Straße weiter durchkämpfen, so nach gut Glück und wie es mein Orientierungssinn sagt. Das bessert meine Laune nicht.
Endlich erreiche ich den Nachbarort und ein im Führer beschriebenes Restaurant. Hier mache ich Rast und halte Mittagsmahl. Beim Weitergehen sehe ich gleichdarauf die bekannten Richtungstafeln und die JW-Markierung - Juhuu, aber etwas zu früh gefreut. Auf den Tafeln finde ich keinen einzigen Ort, von dem ich im Führer lese. Ich gehe aber trotzdem diesen Weg weiter, wenn auch nicht mit bestem Gefühl.
Es geht wieder nach oben, aber diesmal bleibt der Weg oben. Hier hat sich das Panorama geändert. Links von mir begleitet mich zwar noch eine imposante Gebirgskulisse, aber vor mir und nach Norden hin, zeigt sich jetzt eine liebliche und sanfte Hügellandschaft. Der Weg geht an schattigen Waldrainen und über Wiesenfuhrwegen entlang. Die Gegend ist wieder sehr ländlich geworden. Nach diesen, wohl sehr schönen Tagen, entlang prächtigster Landschaftsformen und geprägt vom Fremdenverkehr, ist diese stille und liebliche Gegend für mich wie Balsam. Jeder Wegärger ist weggeblasen und ich gehe auch nach einem langen Gehtag mit Freude weiter.
Im nächsten Ort, Amsoldingen (oder so ähnlich - meine Daten habe ich beim Essen nicht mit), gibt es die Überraschung des Tages und der letzen Zeit. Ich komme zu einer wunderbar romanischen und unverfälschten Kirche. Es ist ein Juwel an romanischer Baukunst, an der keine Generationen herumgepfuscht haben. Hier spürt man eine starke Kraft und ich gehe mit einem glückseeligen Gefühl etwas Schönes und Beeindruckendes gesehen zu haben, weiter.
Mein Zielort Blumenstein ist nach 30 Km nicht mehr weit entfernt. Hoffentlich hat Peters Zimmerreservierung von gestern im Hotel Bad geklappt. Bestätigung ist keine gekommen. Leider hat es auch nicht geklappt. Die unfreundliche und gestresst wirkende Wirtin meinte, sie kann nicht 24 Stunden am PC sitzen. Es hätten schon fünf Minuten gereicht.
Es ist kein Zimmer frei oder sie wollte keines hergeben, weil sie morgen Montag geschlossen hat. Sie hat mir ein Matrazenlager im Camingplatzbereich angeboten. Das wars nicht, was ich wollte. Warum nicht, war ihre Frage. Sechzig Jahre, müde Glieder, ungestörten Schlaf, waren meine Argumente. Es half nichts. Entweder auf die Unbestimmte weitergehen oder .. - nichts oder. Es gab keine Alternative, aber bis jetzt (16:30) sei ich der einzige Gast. Na gut, in Gottes Namen ich nehme es und zahle 18.- CHF ohne Frühstück. Aber naheliegend soll es eine Bäckerei geben, bei der ich ein Frühstück bekommen kann. Ich werde durch den Campingplatz, dessen Sanitäranlagen ich benutzen muss, in ein altes Haus geführt und unter dem Dach gibt es ein heimelig wirkendes Lager. Es ist nicht so schlecht und wenn ich alleine bleibe, passt es.
Jetzt sitze ich im Restaurant und habe gut gegessen und mit meiner Welt zufrieden.

Euch liebe Freunde schicke ich liebe Grüße aus der immer mehr fanzöselnden Schweiz.
Bleibt mir treue Leser,
Euer Pilger Walter

PS: gerade ist noch ein Pilger angekommen, also doch nicht alleine.

4 Kommentare:

  1. Hallo Walter!
    Mit den Zimmern hast du nicht immer Glück. Schade. Ich denke aber, wenn mehr Pilger so fleißig wie du bloggen würden, dann würden diese miesen Gaststätten bald kein Geschäft mehr machen.
    Weiterhin gute Reise und ich freue mich schon auf die nächsten Berichte.
    Liebe Grüße
    Werner Ö.

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  2. Lieber Walter!
    Jetzt, wo die Ferien bald beginnen, habe ich endlich Zeit, deinen blog zu lesen.
    die Seidl-family wünscht dir weiterhin alles Gute, viel Kraft, Gottes Schutz und Segen und ganz wunderbare Erlebnisse auf deiner wunderbaren Reise zum Heiligen Jakob!
    Alles Liebe
    Bärbl und Familie

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  3. Hallo pilger walter! Gratulation, du bist ja schon richtig weit gekommen. Wir haben erst heute wieder deine Berichte gelesen, waren dieses Wochenende mit unsere Kapelle unterwegs. Das mit deinen Unterkünften klappt anscheinend nicht so richtig, oder sind die Vermieter nur gut betuchten Leuten wohlwollend. Was solls du hast ja wieder ein Quartier bekommen,der heilige Jakob ist mit dir. Wir beneiden dich für deine Aussichten bei deinen Wanderungen, nach deinen Beschreibungen vergisst man dann anscheinend die Mühen des Weges. Alles Gute Alexandra und Werner

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  4. Hallo Walter, dass du jetzt auf deine alten Tage Lust aufs Campieren bekommen hast hätten wir nicht gedacht. Es muss ein tolles Gefühl sein,als Pilger auch in Ortschaften zu kommen, wo es unverfälschte schöne Kirchen gibt und zu einem Gebet einladen - oder ganz einfach im grössten Gotteshaus zur gleichen Zeit wie in St. Jakob zu beten. Auch so kann es eine Verbindung zur Heimat geben. Übrigens haben deine Freunde heute wie versprochen ein gutes Glas Wein auf Dein Wohl und gutes Gelingen getrunken. Lieber Walter, wir wünschen dir für den weiteren Weg alles Gute und liebe Grüsse Ingrid und Werner

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