Gestern Abend hatte ich vor dem Abendessentreffen mit Erich, meinen Pilgerfreund seit Einsiedeln, noch die Möglichkeit, Lust und Zeit einen Besichtungsbummel durch das historische, auf einem Hügel gelegene Romont zu machen. Fast ganz um die Innenstadt führt eine Wehrmauer mit einem breiten begehbaren Weg, von dem man einen guten Eindruck über das alte Romont bekommt und man hat auch wunderbare Sicht in die Umgebung, die von diesem Blickwinkel gar nicht so nichtssagend ist. Ich laß von einer gerade aktuellen Skulpturenausstellung und konnte sie, beim Vorbeigehen, in einem Wehrturm finden. Ich wurde eingeladen die sehr tollen Exponate zu besichtigen. Es waren moderne Metallplastiken a la Bronzeguss mit Patina. Mir haben sie sehr gut gefallen. Leider konnten wir uns nicht so gut verständigen, dass ich die Technik und das Material erfragt hätte. Auf jeden Fall sind der Künstler und seine etwas deutschsprechende Schwester sichtlich zugängiger geworden, als ich ihnen auf französisch sagte, dass ich Österreicher und Jakobspilger sei. Ich wurde sogar eingeladen ein Glas Rotwein zu trinken.
So wurde die kleine Stadtbesichtigung noch wertvoller und mit Erich habe ich mich dann bei Spaghetti Carbonara gut unterhalten.
Das morgentliche Weggehen war im ersten Moment angenehm. Es waren am Himmel keine Reste der gestrigen kleinen Störung zu bemerken. Der Himmel war klar und es würde ein schöner Tag werden. Heute hatte ich es auch leicht, nur 15 bis 16 Km standen am Programm. Die Tourenplanung unter Bedachtnahme der gesicherten Quartiermöglichkeiten, ließ nur eine Kurzetappe oder eine überlange Gehstrecke (40 Km) zu. Ich habe mich für die kürzere Variante entschieden.
Vom Hügel der Stadt war ein reizvolles Hinterland zu sehen, doch leider führte der Weg in eine andere Richtung und zuerst durch ein unattraktives Industriegebiet. Hier und auch anschließend auf den Landwegen war es schon drückend schwül und mein Schweißtuch kam schon am frühen VM mehrmals in Verwendung.
Damit ich mir die Zeit beim Gehen vertrieb und nicht immer auf die Sonne und das Schwitzen achtete, zog ich aus der Tasche das Liederbuchgeschenk von Einsiedeln heraus und schlug wahllos eine Seite auf, bis ich ein Lied mit mir bekannter Melodie fand.
Ich probiere es also mit singen und folgendes ergab sich:
1) Ein Jäger aus Kurpfalz
2) My Bonnie is over the ocean
3) Lobet und preiset ihr Völker den Herrn. Hier hat der Text "... Grünende Fluren ..." sehr gut zur Gegend gepasst.
Irgendwie hatte ich, während ich laut singend durch die Landschaft zog, das Gefühl, dass die Kühe ans andere Ende der Weide flüchten und die Vögel am Baum zeigten ein eigentümliches Verhalten, sie stülpen ihre Flügel über ihre Köpfe. Wollten sie mir damit zu verstehen geben, dass sie mit meinem Gesang nicht einverstanden sind? Aber die kleine Geh- oder Hitzeschwäche habe ich damit schon übertaucht und ich konnte mit meiner Umwelt Frieden schließen. Ein schwacher aufkommender Wind machte nun das Gehen auch wieder leichter.
Bei Curtilles war die alte Kirche mit Glasmalereien aus dem 15. Jhd. leider geschlossen. Ich habe von dort, dem Rat des Führers folgend, eine andere und reizvollere Route genommen. Es ging dann rechts von der Broye flussaufwärts am Flussdamm dahin. Zu meiner rechten Hand ein großes reifes Weizenfeld und ein Grünstreifen. Der Dammweg wurde begrenzt mit einer schattenspendenden Birkenallee. Links dann ein breiterer Grünstreifen und die langsam dahinfließende Broye. Links waren zuerst hohe Einfräsungen in Felsmauern vom Fluss zu sehen. Es war sehr idyllisch.
Schon vor den Stadtgrenzen von Moudon traf ich einen älteren Herren, der mit seinem Auto an einem schattigen Platz Ruhe suchte. Beide waren wir deutschsprechend und er lud mich ein, mit ihm ein (Dosen)Bier zu trinken. Im Wissen, ich bin schon am Ziel, nahm ich das Angebot gerne an und wir beide setzten uns auf die Bank. Er erzählte mir noch, dass einige Minuten vorher ein Pilger, der wie ein Pirat aussah, vorbei ging. Das konnte nur Pilgerfreund Erich sein!
Ich habe von dem Mann ein Bier geschenkt bekommen, aber ich glaube ich habe ihm ein größeres Geschenk gemacht. Nur dadurch, dass ich mir Zeit genommen habe und ihm zugehört habe. In der Dreiviertelstunde habe ich seine ganze Lebensgeschichte gehört und auch seine gescheiterten Beziehungen. Er erwähnte zwar immer, wie gut es ihm gehe und wie viele Bekanntschaften er hätte, aber in seinen Worten war viel Einsamkeit zu spüren. Ich glaube, dass war heute eine von Gott gewollte gute Tat, einem Menschen nur zuzuhören. Ich bin dann mit Dank und mit lieben Wünschen ganz nachdenklich, aber auch dankbar, wie gut es mir geht, weitergezogen.
Moudon war dann schnell erreicht, aber das Touristoffice war dann schon für die Mittagszeit geschlossen. Ich besuchte dafür gleich die nebenliegende frühgotische Pfarrkirche und konnte mein Dankgebet für das Erreichen des heutigen Zieles verrichten.
Im nahen Supermarkt deckte ich mich für die Mittagsbrotzeit ein und im Schatten des Touristoffices stärkte ich mich und wartete auf die Öffnung nach der Mittagspause. Mir wurden einige Quartiere angeboten, dass annehmste war dann aber am Stadtrand. Mit Stadtplan versehen startete ich gleich zum Quartier los und vor dem Touristbrüo traf ich zufällig Kurzzeitpilger Thomas aus Hamburg wieder. Er sah ganz gelöst aus und berichtete, dass es ihm nun zuviel wurde und für seine letzte Etappe nach Lausanne zur Tochter, nehme er den Zug. Bon Camino, Thomas.
Mein Weg zum Quartier führte mich durch die Altstadt und über einen Hügel zum Chateau und dann entlang einer alten und engen Staße mit kleinen alten Häusern. Das war gleich ein kleiner Stadtbummel durch Moudon. Ein Blick zum Himmel reichte, den Schritt zu forcieren. Unbemerkt hatte sich der Himmel zugezogen und es sah nach Regen aus. Ich beeilte mich mein Quartier zu suchen und wurde sehr überrascht. Ich kam in ein sehr schönes und elegantes Haus und bekam ein reizendes Zimmer mit großer Terrasse mit Tischen und Liegen. Das Badezimmer verdiente die Bezeichnung "Zimmer", es war gut doppelt so groß, wie sonst oft mein ganzes Zimmer. Da fühlte ich mich gleich wohl. Und es kostet 50,- Franken. Wenn ich denke, was mir sonst oft zugemutet wurde (Jugendherberge, Merlingen usw.), da lebe ich nun wie Gott in Frankreich (wir sind auch in der französischen Schweiz).
Nach dem Waschen der Wäsche und meiner Wenigkeit, hat es wieder zum Regnen aufgehört und es ist auch wieder schön. So kann ich im Schatten auf meiner Terrasse liegen, ein Bier trinken, etwas schlafen und nun den Bericht schreiben.
Es geht mir gut, will ich damit sagen,
Euer Pilger Walter
Lieber Walter, Dein heutiger Bericht hat mit einer ganz tollen Überschrift begonnen: ES GEHT MIR GUT! Dies hören wir ganz besonders gerne und freuen uns mit dir! War ja auch der gestrige Abend schon sehr gut für dich, auch der heutige Tag - für deine Begriffe ein kurzer Weg mit "nur" 15 bis 16 km - hat dir einiges gebracht. Nicht nur eine gute Tat mit dem einsamen Mann sondern auch die Erkenntnis, dass das Singen auch in freier Natur, wo "kein Mensch" zuhört, es doch Lebewesen gibt, die ein feines Gehör haben ... Aber sing einfach, wenn dir danach ist. Schön ist es auch, dass du jetzt einige sehr schöne Quartiere bekommen hast, mit vielen netten und tw auch freigiebigen Besitzern. Musst bei deinen Berichten nur aufpassen, dass dich für die nächsten Jahre nicht ein paar Leute engagieren und dich als Reiseführer haben wollen, sind immer wieder eine Freude, diese zu lesen. Nicht nur vom Weg, der Umgebung, den Bergen, usw, sondern auch von den vielen kleinen Schönheiten, die von Menschenhand erschaffen wurden. Für deinen morgigen Weg wünschen wir dir alles Gute und noch viele schöne Eindrücke in der franz. Schweiz. Ganz liebe Grüsse Ingrid und Werner
AntwortenLöschenPS: waren bis vor ein paar Minuten am Balkon, jetzt ist es finster, es gewittert und schüttet.
Lieber Walter, keine gute Nachricht aus der Kathedrale von SdC: soeben wurde in den Nachrichten gemeldet, dass das erste Pilgerbuch (stammt aus dem 12. Jhdt) gestohlen wurde. Mit diesem ersten Pilgerbuch haben die Pilgerreisen nach SdC begonnen. Hoffentlich wird dies wieder gefunden!!! Liebe Grüsse Werner
AntwortenLöschenHallo pilger walter. gratulieren dir zur erbrachten leistung. bei deinen wegen hast du immer wieder tolle leute getroffen und ein paar worte plaudern können, ist auch eine gute tat und tut auch gut!!! das mit dem singen ist voll toll, auch wenn dir am anfang dabei nicht ganz wohl dabei ist, weil du meinst es klingt nicht richtig, egal du hast auf deinem weg viel zeit zum üben. deine enkelkinder werden sich freuen wenn du wieder zu hause bist und ihnen lieder vorsingst. die werden augen machen wie gut du singen kannst!! alles gute für deine nächste etappe, viel spaß und mut zum singen. Alexandra und Werner
AntwortenLöschenHallo unser tüchtiger Pilger Walter, es grüßen dich Elvira und Helmut aus Mautern. Vorerst unsere Gratulation und unseren Respekt vor deiner Leistung. Nun hast du also auch, so wie wir, die Strecke Leoben bzw. Mautern bis Genf geschafft. Bitte klopfe dir anstelle meiner Hand selbst auf deine Schultern und sei stolz auf deine ersten fast 1000 km. Wir sind ja wirklich fast jeden km mit dir insbesonders durch die Schweiz mitgegangen, nachdem diese Strecke bei uns noch so frisch war. Viele Etappenziele haben wir auch gemeinsam gehabt. Wir freuen uns jetzt schon auf einen ausführlichen Gedankenaustausch irgendwann im Winter. Wir laden dich und deine Gattin jetzt schon dazu einmal nach Mautern zu uns ein. Natürlich sind wir dir die Wegersparnis von Lausanne nach Genf wohl vergönnt (deine Schifffahrt), doch landschaftlich und wegmäßig war diese Strecke für uns aber ganz, ganz einprägend und einzigartig. Und nun wartet Frankreich auf dich! Deine Französischkenntnisse, die wir ja gemeinsam in Leoben mehr oder weniger "perfektioniert" haben, hast du ja bereits in der franz.Schweiz, bei den Welschen, anwenden können. Doch jetzt wirds ernst, denn die Franzosen wollen ja pardu nur französisch reden. Freuen uns jetzt schon auf deine tollen Berichte aus Frankreich, das wir ja auch noch - gebs Gott - in Angriff nehmen wollen. Walter, mach weiter so!
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