Montag, 18. Juli 2011

Nassweicher Lehm oder grober Stein

Nach dem erzwungenen Ruhetag, der nächste wäre morgen gewesen und den verschiebe ich nun um ein paar Tage, bin ich heute wieder unterwegs. 32 Kilometer sind es heute geworden. Mehr als geplant, aber für die nächsten Tage mit vielen Höhenmetern ist es auch gut so. Auch bei der Quartiersuche kann ich dann andere Orte mit mehr und besseren Möglichkeiten anstreben (so wie heute).
Heute war bestes Wanderwetter. Mehr oder weniger bewölkt oder sonnig und etwas kühl.

Nach Revel-Tourdan ging es ins Tal und wieder auf eine leichte Anhöhe. Der Blick in eine weite Tiefebene war großartig.
Der Beginn der heutigen Etappe führte an einigen Bauernhöfen vorbei und es war die gesamte Haustierwelt vertreten. Hier wäre ein Ausflug für Stadtkinder ideal, die die Milch nur als weiße Flüssigkeit im Tetrapack kennen und eine Kuh als ein lilafarbenes Tier für die Schokoladeproduktion ansehen.
Lachen musste ich mit einem jungen schwarzen Esel. Sobald er mich sah, kam er an der Zaun und sah mich interessiert an. Vermutlich hat er schon öfters etwas abbekommen. Für Eseln habe ich aber nicht mit, da wäre ich auch ein großer Selbiger, wenn ich noch Tierschleckereien mittragen würde. Von mir bekam er nur drei herzliche I-A zur Begrüßung. Sprachlos sah er mir nach und auf einmal erschall hinter mir ein langgezogenes und kräftiges Iiiiiaaaaaa! Was er mir damit sagen wollte, weiß ich nicht. Vielleicht beschwerte er sich, schimpfte mir nach oder wünschte mir Buon Camino?
Die Franzosen halten viel Damwild in Gehegen. Nun bin ich schon bei einigen vorbeigegangen. Das heutige war bisher das größte Wildgatter mit bis zu 50 Tieren.

Heute habe ich zum ersten Mal den französischen Paradezug TGV vorbeirauschen gesehen und gehört.
An der Trasse, die wie Autobahnen eingezäunt ist, hört man zuerst leichtes Sausen, welches schnell naht und zu einem lauten Brausen wird. Und mit Windeseile ist der Zug schon wieder vorbei. Ein gutes Fotomotiv ist sich leider nicht ausgegangen. Dabei war auf der Strecke Paris - Valence alle paar Minuten ein Superzug unterwegs.

Die heutigen Wege führten im ersten längeren Teil durch eine sehr einsame Gegend. Viele Felder, Wiesen und Wälder. Kaum einmal ein Haus und noch weniger Orte, die man noch als Dorf bezeichnen könnte.
Durch den gestrigen Regen gab es zu den Steinwegen, die hier fast wie steingeplasterte Straßen in historischen Orten glichen, ausnahmsweise aufgeweichte und rutschige Lehnböden. Die vielen Pfützen und der rutschige Weg machten das Gehen auch nicht einfacher. Besonders in den einsamen Wäldern.
In einem dieser Wälder wird mein Schleckermäulchen fündig. Am Wegrand standen große Brombeersträucher mit schon vielen reifen und zuckersüßen Brombeeren. Gierig schaufelte ich die köstlichen Früchte in mich hinein. Sollte es hier Bären geben, dem lasse ich nichts über. Am liebsten würde ich meine Frau herholen und dass sie daraus eine gute Marmelade kocht.

Die Infrastruktur am Wegesrand ist in Frankreich eher zu vergessen. Es gibt keine Bänke oder sonstige Aufenthaltsplätze, die es in der Schweiz überreich gibt (inkl. Feuerstelle, oft Wasser und Dachschutz). Heute hätte es am Beginn und am Ende eines langen Waldstückes solche Picknickplätze gegeben, aber in einem nicht einladenden Zustand. Mitten durch den Wald, ich war schon über drei Stunden unterwegs, wäre eine kleine Rast gut gewesen. Die einzige Sitzmöglichkeit war ein niedriger Jagdsitz, auf den ich kletterte. Endlich konnte ich meinen Spinnzehen (für neu dazugekommende Leser siehe Vorberichte) wieder befreien und massieren. Das Gehen war schon nicht mehr lustig und schon gar nicht auf den unebenen Böden.

Nach diesem langen Waldstück änderte sich die Bebauung der Felder. Nun kamen immer mehr leuchtende Sonnenblumenfelder in das Blickfeld. Und diese in unterschiedlichen Reifegraden, von gerade einmal 40cm hoch bis zu kopfgroßen abgeblühten Kerntellern. Vielleicht könnt Ihr Euch vorstellen, wie es ist, wenn man ausnahmsweise auf einem guten Weg unterwegs ist, vor sich ein großes leuchtendgelbes Sonnenblumenfeld sieht und man singt mit voller Brust ein Lied mit bekannter Melodie. Das sind die schönsten Gehmomente.

Als nächstes kommen Obstplantagen ins Bild. Viele Apfel-, Pfirsich- und Nektarinenbäume. Ich stelle mich in den Dienst der Obstbauern und der Konsumenten und teste einen der roten Äpfel. Ja, das Süßsaure ist da, auch die Saftigkeit ist schon gut, aber bis zur vollen Reife braucht es noch ein wenig :-)

In Clonas-sur-Vareze versorge ich mich bei einer Bäckerei mit einer Mittagsjause und kann diese auf einer Bank vor der Mairie (Rathaus) einnehmen. Da beobachte ich das schöne alte Haus, es ist gleich wie andere Häuser und Mauern mit den, am Weg zu findenden Rundling-Steinen kunstvoll gebaut.
Warum werden nicht mehr von diesen Häusern mit den am Weg oder in den Feldern liegenden Steinen gebaut, dann wäre es wieder lustig zum Gehen?
Bei einigen Feldern und bei den Obstplantagen war zu sehen, dass der Boden nur aus diesen groben Steinen besteht. Ich glaube, wie Gott die Welt erschuff, ist ihm ein großer Kübel dieser Murnockerl (steirischer Ausdruck für runde Steine) übrig geblieben und die hat er dann über Frankreich ausgeleert. Nun ist Frankreich steinreich!

Ein letztes Mal komme ich zur Rhone und muss sie überqueren. Hier ist sie breit wie die Donau und das Wasser schimmert grünblau.
An dieser Stelle gibt es noch einen strahlenden Tag, aber nicht vom Himmel her, wo sich eine dunkle Wolkenbank ansammelt, sondern flussabwärts stehen zwei Atommeiler in der Landschaft. Ich will gleich dagegen demonstrieren, aber ich achte meine französischen Gastgeber. Die müssen selbst zur Überzeugung gelangen, dass diese Technologie keine Zukunft hat.

In Chavanay, einem netten Ort mit historischen Kern, finde ich ein etwas abgelegenes reizendes Quartier, Chambre d'hotes, mit einem gemütlichen und sauberen Zimmer. Mit Halbpension, vermutlich wieder mit Familie, zahle ich günstige 35 Euro. Die Aussicht ist wunderbar. Ich sehe auf den historischen Kern der Stadt und auf die Rhone. Die beiden Atommeiler werden glücklicherweise von einem Baum verdeckt.

Und jetzt sitze ich bei einem "grande biere" (0,75l Flasche) auf meinem Bett, ruhe meine pochenden Füße aus und schreibe Euch den Bericht.
Es geht mir gut,
Euer Pilger Walter

2 Kommentare:

  1. Lieber Pilgerfreund,heute hast du ja landschaftlich alle Höhen und Tiefen erleben dürfen - mit etwas Sprachunterricht für die Esel.. Zu den Brombeeren meinte Ingrid, etliche mitnehmen und bei den freundlichen französischen Quartierleuten eine gute Marmelade zubereiten, wär das nichts? Wir dachten hinsichtlich der Pilgerwege (JW) eigentlich, dass diese in F besser ausgestattet sind als noch davor, da ja doch viele ab F gehen, aber offensichtlich ist dies noch nicht der Fall. Aber bewundernswert, wie du dies trotz alledem mit Bravour schaffst und deine vielen Zeilen immer voller Zuversicht und Positivem strotzen - dein Elan und dein Wille, SdC zu erreichen ist echt super! Bitte weiter so - wir sind (zumindest im Geiste) bei dir und mit dir unterwegs. Auch toll, dass die Quartiersuche sich verbessert hat, auch was die Preise betrifft. Man sieht, es geht auch so! Lieber Walter, wir wünschen dir weiterhin so schöne und abwechslungsreiche Tage wie heute und schicken dir ganz liebe Grüsse nach Chavanay - Ingrid und Werner

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  2. hallo pilger walter! gratulieren dir zur erbrachten leistung. ein-einhalb monate maschieren, gott sei dank gesund und noch voller elan, trotz deines problems mit dem zehen. alle achtung. deine bekanntschaften mit tieren kommt wieder eines hinzu, sie feuern und sporen dich ebenfalls an, dein ziel zu erreichen. die atommeiler werden warscheinlich nicht die letzten sein, die du auf deinem weg sehen wirst.
    frankreich hat ja doch einig davon und wenn du glück hast und keines mehr vor dir auftaucht, kannst du die gegend und die menschen mit deinem "gesund" strahlenden lachen erfreuen. wünschen dir
    weiterhin tolle begegnungen und gespräche mit mensch und tier. danke für deine ausführlichen berichte, Alexandra und Werner

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