Heute am großen Nationalfeiertag der Franzosen gibt es gutes Wanderwetter und die Freude am Gehen ist gleich wieder da.
Beim Abendessen treffe ich im selben Hotel die Sieben-Personen-Gruppe aus dem Wiener Raum. Die Gruppe besteht aus drei Frauen und vier Männern, wobei zwei noch im Studentenalter sind. Sie laden mich ein, an ihrem Tisch das Essen einzunehmen und es wird ein recht heiterer und geselliger Abend. Es gibt viel zu erzählen und ich kriege auch die ihre Motivation den JW zu gehen, mit. Sehr bewegend und so kann man sich in der Ersteinschätzung täuschen. Es ist auch interessant zu sehen, wie sich die Gruppe organisiert. Leicht ist es sicher nicht, in so einer unterschiedlichen Gruppe zu gehen. Beim Frühstück zeigen sich bei aller Freundschaft auch einige kleine Reibepunkte.
Als Alleiniger in meiner Gruppe bin ich schnell bereit weiter zu gehen und brauche auch nicht auf andere Meinungen über Etappenlänge usw. abstimmen.
Mein Weg geht über eine Alternativroute des JW. Ich habe davon im Führer gelesen, dass dieser Weg kürzer wäre und nicht so hoch hinauf geht. Eigentlich verdanke ich diese Wegentscheidung dem Zufall, meiner morgentlichen Unaufmerksamkeit oder meinem Wegbereiter Jakobus. Ich habe einfach diese Route eingeschlagen und war am Weg, bis auf eine Ausnahme, damit sehr froh.
Es ging durch ein sehr einsames und doch nettes Gebiet. Fast keine Menschen waren zu sehen und ich hatte Muse in die Natur hinein zu hören. Totale Stille begleitete mich, hier ein kreischender Schrei eines Greifvogels, von dort leises Rauschen vom Bach und von weither getragen ein leises Kinderlachen und das Bellen eines Hundes. Hier war der totale Frieden und ich konnte beim Gehen, hinauf des Weges meinen Gedanken nachhängen. Ich fühlte mich so richtig wohl.
Der Wiesenpfad führte mich zu einem Gattertor und dahinter standen formatfüllend zwei Kühe im Weg und die anderen glotzten vom Hang herunter. Ich musste an einen Tagebuchkommentar meiner Freunde denken, als ich mit Schweizer Tieren sprach, ob mich dann auch in Frankreich die Tiere verstehen würden?
Natürlich, Werner!
Ich ging durchs Gattertor und sprach die beiden wegversperrenden Kühe im breiten steirischen Dialekt an.
"Jo Kurla (Anm.: liebevolle Ansprache für Kühe), gehts do weg" und sie gingen vor mir her.
"Naa, ihr brauchts net do weidagehn. Gehts auffi do rechts die Wiesn" und beide Kühe drehten sich nach rechts und stiegen den Wiesenhang hoch. Der Weg war für mich frei. Ich kann also mit den Tieren reden und da gibt es schon einige Vorbilder! Und wer sagt, dass die Franzosen mit ihrem Nationalstolz keine Fremdsprachen lernen wollen. Steirisch können sie, das haben die Kühe bewiesen!
Dann, mitten im Wald am Anstieg zum Mont Tournier, ich habe mich immer gut an die Markierungen gehalten, eine kritsche Wegsituation. Neben einigen anderen Wegweisungen in fünf Richtungen, zeigt die gelbe Jakobsmuschel eindeutig in die Richtung, von der ich her kam?!?!
Wo gehts es jetzt wirklich weiter?
Vielleicht habe ich eine Markierung übersehen oder fehlgedeutet, also wieder zurück hinunter zur letzten Markierung. Doch hier werde ich eindeutig wieder hinaufgeschickt. Wie geht es weiter, welchen Weg soll ich nehmen oder soll/muss ich auf diesem JW-Wegteilstück für ewig bleiben?
Im Geiste sehe ich nach Wochen schon die Meldungen in den Medien: "Skelett eine unbekannten Pilgers in einsamen Bergwald gefunden. Pilger schrieb mit letzter Kraft: "Ou c'est le bon chemin?" auf ein Blatt Papier".
Zwei Jahre später: "Staatspräsident gedenkt am Nationalfeiertag mit dem Papst an dieser Stelle, am neuerrichteten Gedenkstein des unbekannten Pilgers, des tragischen Dahinscheidens eines Jakobspilgers. Zugleich wurde ein neues Wegleitsystem eröffnet, welches die Pilger an der Hand nimmt und durch den Wald der Irrungen führt."
Doch noch ist es nicht soweit! Ich nehme mir einfach einen anderen markierten Weg in die, mir logische Richtung und komme nach ein paar Minuten an eine kleine Straße. Dort orientiere ich mich mit meinem Handy-Navy. Es zeigt, dass ich genau auf der richtigen Straße stehe, die zu meinem Etappenziel führt. So gehe ich eben an der Straße entlang weiter. Ich bin ja flexibel. Nach ein paar hundert Metern, die Genugtuung: von rechts kommt der JW heran. Im Wald muss eine Falschmarkierung sein und das kann problematisch sein.
In Gresin komme ich zu Mittag endlich wieder zu einer offenen Kirche und ich kann Andacht halten. In den Wiesen durch den kleinen Ort stehen viele Nussbäume mit prallen Nüssen, aber bis die reif sind, werden noch Wochen vergehen. Etwa genauso lang, wie mein Weg noch dauern wird.
Bei einem Haus steht in einem Schuppen eine kleine Pilgerast mit Erfrischungen - danke! Ich nehme mir um 1,- ein kleines gekühltes Bier und esse dazu das dunkle Sandwichbrot, welches ich mir am Morgen in einer Bäckerei besorgt habe. Das ist heute mein Mittagsmahl und es schmeckt.
In einer nett gemachten Infomappe wird das Leben des winzigen Dorfes mit vielen Fotos und auch auf Deutsch beschrieben - u.a. der typische Baustoff brauner Sand für sie Hausmauern und das Nussbaumanbaugebiet. Regionale Spezialität ist das Nussöl, welches auch am Stand angeboten wird.
So komme ich an mein vermeintliches Etappenziel und hier beginnt eine kleine Quartierodyssee. Das erhoffte Hotel ist voll oder gesperrt. So genau kann ich es nicht verstehen, aber es ist auch egal, denn nix Zimmer ist immer nix Zimmer. Nun gäbe es noch ein nobles Hotel mit Preisen oberhalb des Pilgerniveaus und zusätzlich noch Kosten fürs Frühstück. Am Campingplatz gäbe es Hütten für 5 Personen um 47,-. Das reizt mich auch nicht. Ich gehe weiter, obwohl die Quartieraussichten minimal sind. Ich würde ein beschriebenes Privatquartier einige Km weiter suchen. Suchen ist gut. Das Privathaus mit riesigem Parkgrundstück liegt etwas abseits und ist kaum zu finden. Da gehen noch einige Gehmeter drauf, aber dann habe ich es gefunden. Eine sehr nette und gute Privatherberge. Ich bekomme ein eigenes und großes Zimmer und bin froh für heute, nach 27 Km die Zimmerfrage wieder gelöst zu haben. Danke Jakobus!
Inzwischen trocknet die Wäsche. Im Pool habe ich mich erfrischt und ein kleines Bier hat mir die Lebensgeister geweckt und ich freue mich schon auf das Abendessen. Dieses werde ich in fast schon vertrauter Gesellschaft genießen können, denn es hat sich eine 7-Personen-Gruppe angemeldet :-)
Zufrieden mit dem Tag und mit mir und meiner Welt, schicke ich allen Tagebuchlesern schöne Grüße,
Euer Pilger Walter
Lieber Pilger Walter !
AntwortenLöschenWir , ds.Franz, Anneliese , Renate+Freund und Kathrin pilgern morgen nach Mariazell( 3 Tage),denn so einen langen Weg wie du gehst, schaffen wir nicht.
Wir wünschen dir weiterhin alles Gute ,Kraft und Gottes Segen!
Lg,Kathrin
Lieber Walter! Es ist schön, dass wir dir mit unserem kleinen Tipp - auch in Frankreich mit den Tieren, speziell mit den Kühen zu reden - u.U. einige Unpässlichkeiten ersparen konnten. Du siehst, einfach alles ausprobieren - es klappt! So beim Lesen deiner Zeilen betreffend des Gedenksteines mit dem Papst haben wir schon auf den Kalender nachgesehen und da wir keine Zeit gehabt hätten war es gut, dass du weitergepilgert bist.... Was uns auch immer wieder fasziniert sind die vielen kleinen Orte, die du da auf deinen Wegen beschreibst - muss wirklich toll sein. Sind schon gespannt auf deine Fotos - wir werden uns dafür ein paar Tage Urlaub nehmen! Mit dem Quartier scheinst auch wieder Glück zu haben und der Abend wird sicherlich "vielsagend" werden, nachdem sich die "7er" Gruppe angemeldet hat. Viel Spass dabei - und auch morgen einen so schönen Wandertag wie heute. Übrigens auch Kathrin + Co alles Gute auf ihrem Weg nach Mariazell. Ganz liebe Grüsse und ein gutes Weiterpilgern - deine Freunde Ingrid und Werner
AntwortenLöschenPS: werden die nächsten 3 Tage unser Mobili-Dach in Hinterberg streichen - bitte den Hl. Jakobus ein wenig auch für uns um ein ordentliches Streichwetter (mit Pinsel und Farbe natürlich!!)