Hallo Freunde!
Der heutige Tag begann mit einem schönen, aber kalten Morgen. Es hat Temperaturen wie im September. Zum Marschieren war es das richtige Wetter und beim Bergaufgehen wird einem sowieso gleich warm, man muss nur einfach die Schrittzahl erhöhen, dann braucht man auch keine Jacke.
Zuerst ging es aber entlang einer schmalen Straße den Ort hinaus. Da brausen einem die Autos und die großen schweren LKW's nur so um die Ohren. Bei den Zebrastreifen bleibt kaum einmal ein Auto stehen. Man muss dann schon mutig sein und einen sich einen halben Meter in die Straße hinein wagen, um eine Chance zu bekommen, die Straße zu überqueren. Ja, ja, die Franzosen sind als rasante Autofahrer bekannt. Vor einigen Tagen, wie ich bei Regen mit dem Auto an mein Ziel gebracht wurde, da hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, die Fahrweise aus der Autoperspektive zu "genießen". An der Straße zu gehen, ist in Frankreich nicht lustig und recht gefährlich. Es gibt auch keine Strassenbankette.
Heute stand eine Bergetappe von 550m auf 1209m am Programm und nach dem kurzen Straßenstück ging es einen schönen Wandersteig weiter, der dann in eine unbefahrene Asphaltstrecke überging. Man geht hier auf einer aufgelassenen Bahntrasse bergauf. Diese Bahnstrecke über Viadukte und durch Tunnels (nicht beim Gehweg) wurde schon 1880 gebaut. Durch die geringe Steigung war es am glatten Asphalt ein gemütliches, aber stetiges Bergaufgehen. Mit meinem guten Schritt spürte ich das Bergaufgehen gar nicht. Ich genoss die herrliche Ruhe, abseits jeglicher Zivilisation. Der Blick zwischen den Bäumern durch, zeigte ein Bergtal und eine Hügelkette, die von der Morgensonne goldgelb gefärbt wurden. Kaum Häuser waren zu sehen und ein kleines Dorf konnte man fast nur an den leisen Geräuschen festmachen. Hähne hört man krähen, Hunde bellen, ein leichtes Rauschen des entfernten Straßenverkehrs und schrill durchdringt das gequälte Kreischen einer Säge, die sich durchs Holz frisst, die Idylle. Und bald wieder totale Stille, nur meine Schritte und das Klappern meiner Stöcke waren zu hören.
So liebe ich das Berggehen, auch wenn es wieder ein steilerer Forstweg geworden ist. Bis auf wenige Steinwegstücke, waren es heute gute Wege, so wie sie auch bei uns zu finden sind. So gehe ich stetig in einem Tannenwald bergan.
Fritz und Franz: Hier hätten wir reichlich Tannen und Reisig für das Adventkranzbinden. Ich glaube, es bringt nichts, wenn ich gleich einige Äste mitbringe, oder?
Mitten im Wald treffe ich, auf einem Stein sitzend, Daniel, einen älteren Schweizfranzosen, der von Genf nach Le Puy pilgert. Wir fotografieren uns gegenseitig und wechseln ein paar Worte auf französ-englisch, eine Sprachkombination, die sich bisher gut bewährt hat.
Auch gestern am Abend beim Essen zwischen 5 "Pilgern" war dieses Sprachkauderwelsch nützlich. In meinem Hotel kamen auch andere Pilger, die in Gites oder Chambres d'hotes untergebracht waren, um hier gut zu essen. Am Tisch waren 2 der 3 jüngeren Schweizerinnen (siehe erste Frankreichtage), eine ist schon heimgefahren, Michael ein Oberösterreicher, der auch den ganzen Weg machen will und ein französischer Pilger auf der Strecke Genf - Le Puy. Da wurde die Konversation auch multilingual geführt.
Wie schon die letzten Tage hat sich die Wegmarkierung etwas geändert. Es gibt nicht mehr nur den JW und dafür eine eigene Markierung. Hier wird der JW gemeinsam mit einem anderen Weitwanderweg GR65 markiert und das noch dazu in beide Richtungen. Dazu kommen oft bis zu 4 weitere Markierungen für andere Wege, die teils den selben Wegverlauf haben. Das macht das Wegfinden oft kompliziert, aber wenn man genau achtet und nach vorschaut, wie könnte es weitergehen, dann findet man die richtige Richtung. Auch dann, wenn man meint, es gibt keine Markierung und weiß nicht welchen Weg soll man gehen. Es erinnert mich an eine Kinderfernsehsendung vor vielen Jahren mit dem Titel "Augen auf, Helmi ist da" und hier könnte es heißen "Augen auf, Markierung ist da". Wenn man genau schaut, dann findet man auch die "unscheinbare" Markierung.
Wenn man "schaut" und nicht durch Gedanken oder Schwarzbeerenessen abgelenkt ist, so wie Euer Pilger Walter! Schon zum Ende meiner Etappe und nach Überschreiten des höchsten Punktes, bin ich einmal nicht konzentriert und gehe einer falschen Markierung nach und übersehe eine Abzweigung. Das beschert mir einen ordentlichen Umweg, auch über Straßen, bei dem mein Navi wieder gute Dienste leistet.
Aber es war heute soweiso nur eine Kurzetappe (nächstes Quartier wäre erst in 17km gewesen) und so war das Mehrgehen nicht tragisch.
Um die Mittagszeit war ich auf Quartiersuche. Es gibt hier nur Herbergen und darauf war ich auch eingestellt, aber die eine öffnet erst um 17h, da könnte ich auch weiter gehen, nur es bringt mir nichts. So probiere ich es bei der zweiten Gite. Hier ist auch niemand da, aber die Herberge ist offen und ich beziehe gleich mein Favoritenzimmer. Wir werden sehen, wie es weiter geht.
Den freien NM nutze ich nicht nur zum Berichtschreiben, ich muss auch meine Ausrüstung auf Vordermann oder -frau bringen. Nun ist Nadel und Zirnarbeit angesagt. Meine Hosentasche gleicht meiner Geldtasche. Beide haben ein Loch. Wobei bei der Geldtasche bisher täglich ein Schwund feststellbar war.
Auch meiner anderen Ausrüstung merkt man die lange Reisedauer an. Obwohl die Wäsche täglich gewaschen wird, sind Flecken zu sehen, die mit der Handwäsche und vielleicht auch mit der Maschinenwäsche nicht mehr herausgehen. Das Gewebe bei den Leibchen und auch bei der Wanderhose ist durch die Beanspruchung teilweise aufgezogen. Das Aussehen nähert sich einer bemitleidenswerten Pilgerfigur :-)
Und mit meinen Schuhen traue ich mich nicht mehr an Polizeikontrollen vorbei zu gehen. An einigen Stellen ist die Mindestprofiltiefe deutlich unterschritten. Diese Stellen sehen nun aus, wie mein Hinterhaupt, wenn Ihr Euch noch an mich erinnern könnt. Bis SdC werden es Sliks werden, wie bei den F1-Autos und ich bin dann sehr aquaplaninggefährdet.
Also auf zur Hausarbeit.
Ich freue mich wieder von Euch zu lesen,
Euer Pilger Walter
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