Heute morgen beim Aufstehen blickte ich gewohnheitsmäßig beim Fenster hinaus um die Wetterlage zu erkundigen und ich ziehe die Datumsanzeige meiner Uhr und die des Handys zu Rate. Da stimmt etwas nicht. Habe ich jetzt vielleicht wie ein Bär ein paar Monate verschlafen? Ich schalte noch den Fernseher ein und dort sprechen sie auch davon, das heute der 30. Juli ist. Aber warum ist dann draussen ein Oktober/Novemberwetter? Ein dichter Nebel läßt keinen Blick in die nahe Umgebung zu!
Beim Frühstück bin ich fest entschlossen, die 8,- Euro, die das "Petit Dejeuner" kostet auch zu konsumieren. So nach dem Motto: "Lieber den Magen verrenken, als den Wirt was schenken".
Von den Gedeck für 2 Personen habe ich gut 3/4 davon in meinen Magen versenkt. Der hohe Frühstückspreis wurde gemildert, durch die erstmalige Beigabe in Frankreich, von einem Rohwürstel und zwei Stück Käse.
Dann ging es in den grauen und kühlen Morgen los und zwar einmal nach oben. Aber es waren aber gute Anstiege ohne schwere Passagen. Es ging heute erstmals seit Langem wieder durch ein recht gutes und endloses Weideland mit hunderten Rindern, Kälbern, Kühen und auch Stieren.
Gleich am Beginn der Weidelandschaft steht etwa 8m vom Weg entfernt, ein stolzer Stier in Fotopositur. Natürlich tue ich ihm den Gefallen, seine Statur und sein Aussehen ist einfach klassisch für die Aubrac-Rinder. Nur er würdigt mich (Gott sei Dank) keines Blickes und schaut nur eine Kuh jenseits des Weges an.
Weiter geht es durch die offene Weide und an Rindern vorbei, nur von einer Markierung keine Spur. Ich überlege und schaue, soll ich rechts oder links gehen. Zum Glück kommt ein französisches Wanderehepaar nach, die ich vorhin überholt habe, und sie haben ein Wege-Navi und können so die Richtung vorgeben und sie ist richtig.
Leider ist vom höchsten Punkt dieses Abschnittes, der Via Podiensis, (1.368m) keine Aussicht zu genießen, denn der Nebel hat sich noch nicht verzogen.
Dann steht mitten im Weg eine Rindergroßfamilie von ca. 50 Stück und jede Kuh, es ist eine Rasse mit langen, gekrümmten und spitzen Hörnern, sieht mich skeptisch an, ob ich ihren Kälbern etwas antuen will. Nein, da habe ich vor ihren Hörnern zuviel Respekt und von den daneben weidenden Ochsen und kapitalen Stieren. Zum Glück habe ich heute das tarnfärbige Leibchen an und nicht das leuchtende orangerote Wandershirt. Mit etwas Ausweichen des Klügeren, in diesem Falle muss das ich sein, denn die Rindviecher bleiben bockig auf ihrem Platz, komme ich da vorbei und kann das Gatter erleichtert hinter mir schließen.
Doch ich kann mich nicht lange der Sicherheit erfreuen, denn das Ende einer Weide ist der Beginn einer nächsten Weide und wieder glotzen mich an die 200 Augen an.
Trotzdem ist es ein schöner Weidenspaziergang, den ich genieße.
Doch auf einmal höre ich Getrampel hinter mir, eine schöne braune Kuh läuft hinter und dann neben mir her. Was will sie??? Mit uns wird es aber nichts, denn ich bin gut verheiratet. Doch die Kuh läuft vor und das pralle Euter schwabbelt nur so hin und her. Vermutlich ist sie bei der Schlagobersproduktion eingesetzt. Wenn eine Kuh zu laufen beginnt, dann setzt der Herdendrang ein, nun laufen alle Kühe hinter mir her. Ich versuche schleunigst Meter zu machen und da bleibt die erste Kuh stehen und sieht mich an. Was will sie jetzt? Aber da sehe ich 50m vor mir, am Ende der Weide, ein ganz kleines liebes Kalb im Gras liegen. Deshalb die ganze Aufregung. Ich mache einen großen Bogen und kann so an Kuh und Kalb vorbei kommen. Zum Glück komme ich nun an das Ende der Weide, die mit Stacheldraht von der Straße abgetrennt ist, denn der Rest der Herde läuft weiter bis zum Gatter, nur ich bin schon durch - Ätsch! Jetzt bin ich von den Rindern in Sicherheit und muss nun aber auf die Autos achtgeben.
Gleich ist das reizende kleine Dorf Aubrac erreicht und es erreichen mich auch die ersten Sonnenstrahlen und es wird noch ein prächtiger Sonnentag.
In dieser Weidegegend, die im Mittelalter wegen ihrer dichten Wälder und der dort hausenden Räuber gefürchtet war, gibt es heute kaum mehr Bäume. Vielleicht war mein Zimmernachbar von heute Nacht schon öfters hier. Denn so wie der in der Nacht gesägt hat, deutlich auch durch die Wand hörbar, da bleiben keine Bäume stehen.
Immer wenn man ganz oben ist, dann geht es wieder hinunter. Das ist eine Wanderweisheit und auch eine Lebensweisheit. Nur wenn man von unten aufsteigt, kann man den Gipfel, das Oben, auch so richtig genießen.
So geht es nun einmal 550Hm abwärts bis zum nächten Ort. Und damit ist es auch mit den schönen und angenehmen Wegen vorbei. Über einen wieder einmal sehr steinigen Weg geht es nun bergab und meine geplagten Füße jubeln auf.
In Saint-Chely-d'Aubrac habe ich dann die Hälfte der heutigen Etappe erreicht. 16 Km liegen hinter mir. Heute und auch morgen gibt es nur die Wahl zwischen kurzen 16-17Km zu gehen oder das Doppelte. Meinen Tourenplan habe ich auf die längeren Strecken ausgelegt. Ich muss doch bis SdC kommen.
In dem Ort mache ich auf einer Bank Mittagsrast und verzehre meine Jause, die ich im Geschäft gekauft habe.
Und weiter geht es. Im ersten Teil des Tages begegnen mir einige Wanderer, die diese Gegend erleben wollen und im zweiten Teil des heutigen JW überhole ich dann einige Wanderpilger.
Heute lichten sich die Reihen schon. Die erste Woche seit Le Puy ist vorbei und im Ort meiner Mittagspause werden schon einige Wanderer von einem Sammelbus abgeholt - die bin ich los :-)
Der zweite Teil der heutigen Etappe geht auf einem wunderschönern Weg durch einen schattigen Buchenwald dahin. Das entschädigt für das anstrengende Bergabgehen am VM.
Bald aber ist es mit dem angenehmen Gehen vorbei und es geht nochmals 150m nach oben, um dann nochmals über 500Hm bergab gehen zu können, natürlich wieder auf sehr schwierigen Wegen.
In diesen gemäßigten Höhen wachsen auch viele Edelkastanienbäume. Aber für das Rundherum bleibt bei dem anstrengenden Bergabgehen nicht viel Sinn und Zeit.
Und es geht bergab und bergab. Es scheint kein Ende zu nehmen und schön langsam reicht es mir, vorallem wegen des schlechten Weges. Doch noch einmal sind 120Hm Anstieg zu bezwingen um dann diese Hm wieder hinunter zu gehen. Endlich, nach 33Km ist mein heutiges Ziel, Saint-Come-d'Old erreicht. Ein ganz reizender alter Ort.
Wie befürchtet, sind die wenigen Zimmer schon vergeben und ich muss in eine der Gites ausweichen. In einem alten Gebäude aus dem 16Jh. hat die Gemeinde eine Herberge errichtet. Nun sitze ich in meinem Zimmer mit 3 Stockbetten und schreibe meinen heutigen Bericht. Gerade hat ein Belgier auch das Zimmer bezogen. Ich hoffe es wird nicht voll.
Das war mein heutiger Bericht und trotz schweren Tag geht es mir sehr gut.
Euer Pilger Walter
Hallo!
AntwortenLöschenMittlerweile hast du vermutlich schon genug Erfahrungen auf dem Jakobsweg gesammelt, um das Verhalten der Steakslieferanten zu deuten und der Schnellere auf der Weide zu sein. Aber trotzdem reichen schön langsam die Geschichten mit den Rindern.
Alles Gute die nächsten Tage
Peter